Urteil des VG Köln vom 15.03.2006

VG Köln: beihilfe, fürsorgepflicht, private krankenversicherung, besoldung, entlastung, versorgung, belastungsgrenze, beamter, anteil, pauschalbetrag

Verwaltungsgericht Köln, 3 K 4681/04
Datum:
15.03.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 4681/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen,
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger machte mit Beihilfeantrag vom 20. April 2004 u. a. Aufwendungen für
ambulante ärztliche Behandlungen für seine Ehefrau geltend.
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Mit Beihilfebescheid vom 29. April 2004 wurde die Beihilfe festgesetzt und - betreffend
die Leistungen für Aufwendungen der Ehefrau des Klägers - um 10 EUR gekürzt. Die
Beklagte gab zur Begründung insoweit an, gemäß § 12 Abs. 1 BhV mindere sich die
Beihilfe um einen Pauschalbetrag von 10 EUR pro Kalendervierteljahr je
Beihilfeberechtigten und je berücksichtigungsfähigen Angehörigen bei
Inanspruchnahme von ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen
Maßnahmen.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 19. Mai 2004 Widerspruch ein, zu
dessen Begründung er ausführte: Die Kürzung der Beihilfe um die sogenannte
Praxisgebühr sei verfassungswidrig. Sie stelle einen Verstoß gegen die
Alimentationspflicht und damit gegen Art. 33 Abs. 5 GG dar. Durch die Minderung
würden den Beihilfeberechtigten nicht sichtbare Selbstbehalte auferlegt, die sie aus
ihren für den allgemeinen Lebensunterhalt vorgesehenen Bezügen finanzieren
müssten. Hierdurch werde das durch eine Kombination von Eigenvorsorge und
ergänzender Beihilfe geprägte System der Gesundheitsvorsorge der Beamten, das
grundsätzlich eine 100 %ige Absicherung des Krankheitsrisikos ermöglichen solle,
durchbrochen. Da der von der Praxisgebühr betroffene Teil der Krankheitskosten nicht
durch eine private Krankenversicherung versicherbar sei, werde den Beamten ein
vollständiger Versicherungsschutz im Krankheitsfall verwehrt. Dies verstoße gegen die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Für die Beihilfeberechtigten führe die Praxisgebühr -
anders als bei den gesetzlich Versicherten, die mit langfristig stabilen oder gar
sinkenden Kassenbeiträgen rechnen könnten - zu einer einseitigen Belastung. Eine
ausgleichende Entlastung bei der ergänzenden privaten Krankenversicherung werde
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nicht durchgeführt und sei auch nicht geplant. Vielmehr müssten privat versicherte
Beamte steigende Versicherungsbeiträge - in 2004 um ca. 10 % - in Kauf nehmen,
während die Entlastung nur dem Staatshaushalt zu Gute komme, so dass von einer
„wirkungsgleichen" Übertragung nicht die Rede sein könne. Zu beachten sei auch, dass
gerade Beamte der niedrigeren Besoldungsgruppen durch Kürzungen beim Urlaubs-
und Weihnachtsgeld bereits überproportional gegenüber den höheren
Besoldungsgruppen belastet seien, so dass zumindest bei diesen die Belastungsgrenze
überschritten sei. Schließlich verstoße die Regelung des § 12 Abs. BhV hinsichtlich der
Minderung der Beihilfe um den Pauschalbetrag von 10 EUR pro Kalendervierteljahr
gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, da ein sachlicher nachvollziehbarer
Grund, warum der Kläger als Beamter des einfachen Dienstes (Besoldungsgruppe A 5
BBesG) eine ebenso hohe Praxisgebühr bezahlen müsse wie ein Beamter der höheren
Dienstes, nicht ersichtlich sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2004,
zugestellt am 23. Juni 2004, zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Vorschrift des §
12 Abs. 1 Satz 2 BhV verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die
Beihilfevorschriften des Bundes konkretisierten die in § 79 BBG normierte
Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten, indem sie die Ausübung
des Ermessens der zur Erfüllung der Fürsorgepflicht auf diesem Gebiet berufenen
Stellen zentral binde. Dabei komme dem Dienstherrn bei der Ausgestaltung der
Beihilfevorschriften ein großer Gestaltungsspielraum zu. Die Fürsorgepflicht gebiete
nicht den Ausgleich aller aus Anlass von Erkrankungen entstandenen Aufwendungen,
solange sie im Wesenskern nicht verletzt werde. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sei die Beihilfe ihrem Wesen nach eine Hilfeleistung, die
neben der zumutbaren Eigenbelastung des Beamten ergänzend und in angemessenem
Umfang eingreife. Aufgrund dieses in starkem Maße Angemessenheitserwägungen
unterliegenden Charakters der Beihilfe müsse der Beamte auch gewisse Härten und
Nachteile hinnehmen, solange sie keine unzumutbare Belastung für ihn darstellten.
Verfassungsrechtlich sei die Grenze der zumutbaren Belastung im Hinblick auf die
notwendige Eigenvorsorge jedoch erst dann erreicht, wenn der amts-angemessene
Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet sei. Die sogenannte „Praxisgebühr" stehe mit
diesen Grundsätzen in Einklang. Durch die in § 12 Abs. 2 BhV normierte
Belastungsgrenze sei zudem gewährleistet, dass auf Antrag Eigenbehalte nicht mehr
abgezogen werden, sobald diese bei chronisch Kranken ein und ansonsten zwei vom
Hundert des jährlichen Einkommens überstiegen. Auf diese Weise sei gewährleistet,
dass die Eigenbehalte nur einen verhältnismäßig geringen Anteil des Einkommens
ausmachten, so dass sie keine unzumutbare Belastung darstellten und einen
amtsangemessenen Lebensunterhalt nicht tangierten. Unerheblich sei, dass die durch
die sogenannte Praxisgebühr erzielten Einsparungen anders als in der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht für die Senkung oder Stabilisierung der
Krankenversicherungsbeiträge verwendet werden könnten, da die eingesparten Mittel
den Bundeshaushalt entlasteten und damit zu einer Stabilisierung der Staatsfinanzen
beitrügen.
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Am 23. Juni 2004 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sein
Widerspruchsvorbringen wiederholt und ergänzend vorträgt: Die hier in Rede stehende
Kürzungsregelung dürfe nicht isoliert, sondern müsse vielmehr im Zusammenhang mit
den vielen unterschiedlichen Kürzungsregelungen der vergangenen Jahre gesehen
werden. Andernfalls könnte nämlich im Wege einer sogenannten „Salamitaktik" des
Gesetzes- und Verordnungsgebers die amtsangemessene Alimentation der
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Besoldungs- und Versorgungsempfänger Stück für Stück immer weiter aufgezehrt
werden. Da es sich bei der Praxisgebühr nur um eine von vielen Maßnahmen handele,
mit der die Einkommenssituation der Beamten, insbesondere der niedrigeren
Besoldungsgruppen geschmälert worden sei, sei nunmehr das Maß voll und die Grenze
zur Verletzung des verfassungsmäßig garantierten Anspruchs auf amtsangemessene
Alimentation überschritten.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. April 2004 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2004 zu verpflichten, ihm eine
weitere Beihilfe in Höhe von 10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem
Basisdiskontsatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen im
Widerspruchsbescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen
Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet; der angegriffene Bescheid vom 29. April
2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2004 ist rechtlich nicht
zu beanstanden.
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Die Beklagte hat die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 der Beihilfevorschriften des
Bundes (BhV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2001, zuletzt
geändert durch Art. 1 der 28. AVwV zur Änderung der BhV vom 30. Januar 2004 (GMBl.
S. 379), zutreffend angewandt.
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Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Rheinland- Pfalz,
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vgl. Urteil vom 23. September 2005 - 10 A 10534/05 -, PatR 2005, 145 f.,
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der das Gericht sich anschließt, ist diese Bestimmung gültig und verstößt nicht gegen
höherrangiges Recht. Im Einzelnen hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
ausgeführt:
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„Dieses seitdem geltende System von Eigenbehalt und Belastungsgrenze verstößt nicht
gegen höherrangiges Recht. Soweit es der Kläger für rechtswidrig erachtet, weil es
gerade vor dem Hintergrund seiner Übernahme aus dem Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums
sowie dem Alimentationsprinzip nicht zu vereinbaren sei, vermag dem der Senat nicht
zu folgen. Insofern ist bereits in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(vgl. BVerfGE 83 S. 89 ff sowie 106, S. 102 ff) höchstrichterlich geklärt, dass die Beihilfe
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einschließlich ihrer konkreten Ausformung auch im Hinblick auf die Einführung etwaiger
Zuzahlungen von Seiten der Beamten nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums gehört, so dass das System der Beihilfen jederzeit geändert werden
kann, da eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten für Krankheitsfälle
Unterstützung gerade in der Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften oder
von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren, hiernach nicht besteht. Ebenso hat das
Bundesverfassungsgericht damit im Zusammenhang ausgeführt, dass das
Alimentationsprinzip zwar den Gesetzgeber verpflichtet, für den amtsangemessenen
Unterhalt der Beamten zu sorgen, dass das gegenwärtige System der Beihilfe jedoch
nicht Bestandteil dieser so verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation ist, die
insofern lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken muss, die zur
Abwendung krankheitsbedingter, durch Beihilfeleistungen nicht ausgeglichener
Belastungen erforderlich ist. Von daher wäre diese Alimentation erst dann nicht mehr
ausreichend, wenn die Krankenversicherungsprämien einen solchen Umfang
erreichten, dass der angemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet wäre,
wobei bei einer solchen Lage verfassungsrechtlich jedoch nicht etwa eine Anpassung
der Beihilfe, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldung geboten wäre. Nach
alledem verbleibt - so das Bundesverfassungsgericht weiter - als rechtlicher Maßstab für
die Frage der Rechtmäßigkeit beihilfemindernder Vorschriften allein die Fürsorgepflicht
des Dienstherrn als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, in der die
Gewährung von Beihilfe ihre Grundlage hat. Danach muss der Dienstherr dafür
Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei
besonderen finanziellen Belastungen durch Krankheitsfälle nicht gefährdet wird. Ob er
diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge oder über
Zuschüsse in der Form von Beihilfe erfüllt, bleibt ihm überlassen. Entscheidet sich der
Dienstherr dahin, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfe nachzukommen,
die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge des
Beamten ergänzend hinzutritt, so muss er gewährleisten, dass der Beamte nicht mit
erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare
Eigenvorsorge nicht absichern kann. Die Beihilfe soll den Beamten von den durch die
Besoldung nicht gedeckten Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen; der
Dienstherr darf somit die Beihilfe, da er sie als eine die Eigenvorsorge ergänzende
Leistung konzipiert hat, nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen
Versicherungsmöglichkeiten gestalten. Eine lückenlose Erstattung jeglicher
Aufwendungen verlangt die Fürsorgepflicht allerdings nicht.
Diese höchstrichterlichen Grundsätze haben zwischenzeitlich in der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf mit § 12 BhV vergleichbare
Kostendämpfungsbestimmungen im Beihilferecht der Länder eine weitere
Konkretisierung gefunden (vgl. BVerwG, DÖD 2004, S. 82 und NJW 2004, S. 308).
Hiernach haben, sofern der Dienstherr sich für ein solches Mischsystem aus
Eigenleistung des Beamten und Beihilfe entscheidet, sowohl die Bestimmungen über
die Besoldung bzw. Versorgung als auch die Beihilfevorschriften auf die finanzielle
Belastbarkeit des Beamten Rücksicht zu nehmen, so dass der amtsangemessene
Lebensunterhalt sichergestellt bleibt. Insofern gibt es allerdings keine starren Grenzen,
d.h. die Bezüge enthalten keinen exakt bestimmbaren Anteil, mit dem der Beamte seine
Eigenvorsorge betreiben kann und soll. Verfassungsrechtlich ist die Grenze der dem
Beamten zumutbaren Belastungen im Hinblick auf die Eigenvorsorge erst erreicht, wenn
dieser Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist. Daher verlangt die Fürsorgepflicht
nicht, dass durch Beihilfe und Versicherungsleistungen die Aufwendungen in
Krankheitsfällen vollständig gedeckt werden, dass der Dienstherr in jedem Fall einen
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Teil der Aufwendungen übernimmt oder dass das von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko
in vollem Umfang versicherbar wäre. Ebenso ist in diesem Zusammenhang zu sehen,
dass es ungeachtet dessen, dass die Bestimmungen über die Besoldung bzw.
Versorgung sowie die Beihilfebestimmungen auf die finanzielle Belastbarkeit der
Beamten Rücksicht zu nehmen haben und die Besoldung bzw. Versorgung und die
Beihilfe wechselseitig aufeinander bezogen sind, kein tradiertes Anspruchsniveau gibt,
so dass selbst eine Kürzung der Beihilfeleistungen durch Eigenbeteiligungen der
Beamten nicht etwa von vornherein der bis zu deren Einführung erreichte Einkommens-
bzw. Beihilfestandard entgegensteht. Die Fürsorgepflicht verbietet es insofern lediglich,
dem Beamten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche Auswirkungen
unüberschaubar sind. Das ist nicht zu besorgen, wenn das nicht versicherbare
finanzielle Risiko auf einen Betrag von weniger als eins vom Hundert des
Jahreseinkommens begrenzt bleibt.
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An dieser Einschätzung vermag schließlich auch das weitere Berufungsvorbringen des
Klägers mit Blick auf das von ihm damit im Zusammenhang angeführte neuere Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 (DVBl. 2004, S. 1420) nichts zu
ändern. Dies gilt zunächst ungeachtet dessen, dass das Bundesverwaltungsgericht
darin die lediglich als Verwaltungsvorschriften ergangenen Beihilfevorschriften
insgesamt als rechtswidrig erachtet hat, weil es der Gestaltungsraum bei der
Bestimmung des Umfangs von Beihilfe und verbleibender Notwendigkeit der
Eigenvorsorge bei stetig steigenden Kosten einerseits und die unmittelbare
Wechselbezüglichkeit von Alimentation und ergänzender vom Dienstherrn zu regelnder
Beihilfe andererseits gebieten, dass der parlamentarische Gesetzgeber selbst die volle
Verantwortung für die zum Teil erheblichen Eingriffe in den erreichten Beihilfestand
übernimmt, wie sie in den Ländern mit unterschiedlichen Kostendämpfungsmaßnahmen
(siehe Urteile vom 3. Juli 2003) und im Bund durch die 27. und 28. AVwV zur Änderung
der BhV vom 17. Dezember 2003 und 30. Januar 2004 erfolgt sind. Denn trotz des damit
verbundenen Vorhaltes, andernfalls hätte es die Exekutive in der Hand, das Maß der
von dem Beamten erwarteten Kostenbeteiligung festzulegen und dadurch das mit der
Besoldung erreichte Niveau unter Ausschluss des parlamentarischen Gesetzgebers
wieder anzusenken, hat das Bundesverwaltungsgericht damit im Zusammenhang
entschieden, dass gleichwohl für eine Übergangszeit von der Weitergeltung der
Beihilfevorschriften auszugehen ist. Damit ist aus seiner Sicht gewährleistet, dass die
Leistungen im Falle von Krankheit auch weiterhin nach einem einheitlichen
Handlungsprogramm erbracht werden, dessen Inhalt jedenfalls bislang in aller Regel
keinen Anlass zu Beanstandungen aus der Sicht höherrangigen Rechts geboten hat.
Dass diese Weitergeltung gerade § 12 BhV nicht miterfassen sollte, lässt sich nicht
feststellen. Indem das Bundesverwaltungsgericht zur Verdeutlichung der von ihm
aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken neben den unterschiedlichen
Kostendämpfungsmaßnahmen der Länder, die es zudem in seinen Urteilen vom 3. Juli
2003 als inhaltlich unbedenklich bestätigt hatte, gerade auch die hier streitbefangene
Neuordnung der Eigenbehalte und Belastungsgrenzen in § 12 BhV angesprochen und
sich im Anschluss daran trotz des vor diesem Hintergrund beanstandeten Defizits
normativer Regelungen für die einstweilige Weitergeltung der Beihilfevorschriften
ausgesprochen hat, hätte es von Seiten des Gerichts eines ausdrücklichen Hinweises
bedurft, wenn es gleichwohl § 12 BhV mangels gesetzlicher Fundierung etwa wegen
dessen besonderer Tragweite als schon im Grundsatz nicht weiter geltungsfähig hätte
behandelt wissen wollen (im Ergebnis ebenso VG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. Mai
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2005 - 9 E 4939/04 (1) - m.w.N.)."
Eine abweichende Beurteilung gebietet auch nicht der vom Kläger hervorgehobene
Umstand, dass die Pauschalsätze des § 12 Abs. 1 Satz 2 BhV nicht nach
Besoldungsgruppen abgestuft sind und damit die Beamten niedriger
Besoldungsgruppen im Verhältnis stärker belastet werden als die Beamten höherer
Besoldungsgruppen. Der beamtenrechtliche Fürsorgegrundsatz kennt zwar seit jeher
Differenzierungen nach sozialen und wirtschaftlichen Kriterien. Angesichts der weiten
Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn im Bereich der dienstrechtlichen Fürsorge und damit
auch im Beihilferecht und insbesondere im Hinblick auf die relativ geringe Höhe der
Belastung der Anspruchsberechtigten durch die Kürzungen nach Maßgabe von § 12
Abs. 1 Satz 2 BhV ist es jedoch von Verfassungs wegen nicht geboten, typisierend in
Anknüpfung an das geringere Einkommen oder eine erhöhte Belastung - insbesondere
durch familiäre Verpflichtungen - eine unterschiedliche Höhe dieses Kürzungsbetrages
vorzusehen. Zudem steht diesem Mangel an Differenzierung aber auch ein Zugewinn
an Verwaltungsvereinfachung gegenüber. Unabhängig davon finden sich soziale
Ausnahmetatbestände in § 12 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 2 Halbsatz 2 BhV sowie
Belastungsgrenzen in § 12 Abs. 2 BhV.
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Vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 13. April 2005 - 1 A 413/04 -, zitiert nach juris.
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Letztlich bleibt anzumerken, dass bei Beihilfeberechtigten der Eigenbehalt von 10 EUR
keine „Praxisgebühr" ist, sondern einen - politisch gewollten - Beitrag der
Beihilfeberechtigten darstellt, der darin besteht, dass die Beamten in voller Höhe und
nicht „nur" nach ihrem Beihilfebemessungssatz einer Belastung unterzogen werden,
einem Betrag, den die gesetzlich Krankenversicherten auch in dieser Höhe tragen
müssen. Bei den gesetzlich Krankenversicherten werden hierdurch die Haushalte der
Krankenkassen entlastet, bei den Beihilfeberechtigten erfolgt eine Entlastung der
Beihilfekassen, wobei ohne diese Entlastung für die Beihilfeberechtigten
möglicherweise Leistungseinschränkungen an anderer Stelle hätten durchgeführt
werden müssen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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