Urteil des VG Köln vom 01.09.2006

VG Köln: bundesamt für migration, politische verfolgung, stadt oldenburg, nachrichtendienst, irak, anerkennung, ausreise, abschiebung, staat, anhörung

Verwaltungsgericht Köln, 18 K 507/04.A
Datum:
01.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 507/04.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
T a t b e s t a n d
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Der am 00.00.0000 in Suleimaniya geborene Kläger stellte bereits im Jahre 1996 in der
Außenstelle Oldenburg einen Asylantrag und wurde in der Folge- zeit als
Asylberechtigter anerkannt. Mit Schreiben vom 30. November 2001 teilte der
Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg dem Bundesamt mit, dass die Rechtsstel- lung
des Klägers als Asylberechtigter gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erloschen sei.
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Im November 2003 beantragte der Kläger in der Außenstelle Bielefeld unter An- gabe
der Alias-Personalien L. G. N. , geb. am 00.00.0000 in Machmou, die hier
streitgegenständliche Anerkennung als Asylberechtigter (Az: 0000000-000). Bei der
Anhörung gab der Kläger an, sein Vater sei Direktor des Nachrichtendienstes
Muchabarat in Makhmur gewesen. Nach dem Sturz des Saddam-Regimes seien die
Eltern und alle Geschwister des Klägers deshalb von der Familie eines verhafteten
Mannes getötet worden. Die Familie habe auch nach dem Kläger gefragt, der eben- falls
beim Nachrichtendienst gearbeitet habe. Mit Bescheid vom 06. Januar 2004 lehnte das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge) den Antrag auf Anerkennung als Asylbe- rechtigter ab, stellte
fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländer- gesetzes und
Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes nicht vor- liegen, forderte
den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung in den Irak an.
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Am 19. Januar 2004 hat der Kläger Klage erhoben.
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In der Folgezeit teilte das Bundesamt mit, dass die Auswertung der Fingerabdrü- cke
des Klägers ergeben habe, dass dieser am 26. März 2004 unter den Alias- Personalien
B. L1. B1. , geb. am 00.00.00 in Solaimani, in der Außenstelle Braunschweig einen
weiteren Asylantrag (Az: 0000000-000) gestellt habe. Ausweis- lich der Niederschrift
über die Anhörung vom 30. März 2004 gab der Kläger dabei an, dass er bis zur Ausreise
im Juweliergeschäft des Vaters tätig gewesen sei. Seine Heimat habe der Kläger
verlassen müssen, weil er eine Zusammenarbeit mit der is- lamischen Bewegung
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verweigert habe.
Am 17. Mai 2004 erschien der Kläger bei der Ausländerbehörde des Bürgermeis- ters
der Stadt Kerpen und teilte mit, dass er den unter dem Aktenzeichen 0000000- 000
geführten Asylantrag und die diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Köln an- hängige
Klage zurückziehe.
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Im September 2004 ermittelte die Polizeiinspektion Delmenhorst die tatsächliche
Identität des Klägers.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 bis 4 des Bescheides vom 06. Januar 2004 zu
verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des
Aufenthaltsgesetzes vorliegen, hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote
nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufent- haltsgesetzes vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten ist am Verfahren beteiligt; er hat sich
nicht geäußert.
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Mit Beschluss vom 28. Dezember 2004 hat die Kammer den Antrag auf Bewilli- gung
von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge und Ausländerakten Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Das Gericht kann trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom
01. September 2006 in der Sache entscheiden, da der Kläger in der ordnungs- gemäß
zugestellten Ladung darauf hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 Verwal-
tungsgerichtsordnung (VwGO). Die Ladung war auch nicht dem Kläger persönlich,
sondern dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zuzustellen, § 56 Abs. 1 i.V.m. § 67
Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Klage ist unzulässig (geworden).
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Dem Kläger fehlt das für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens erforderliche
Rechtsschutzinteresse, nachdem er gegenüber der Ausländerbehörde erklärt hat, dass
er seinen Asylantrag und die diesbezüglich beim Verwaltungsgericht Köln anhängige
Klage zurücknehme. Hierdurch hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er an der
Verfolgung des mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Begehrens kein
Interesse mehr hat. Darüber hinaus hat er durch die Rücknahme des Asylantrages
seinem Rechtsschutzbegehren die Grundlage entzogen. Das Gericht hat keinen Anlass,
an der Ernsthaftigkeit dieser Erklärung zu zweifeln. Derartiges ist auch von dem Kläger
nicht geltend gemacht worden.
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Im Übrigen wäre die Klage aber auch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
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Feststellung, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen. Eine Verfolgung durch den Staat gemäß § 60
Abs. 1 Satz 4 Buchst. a AufenthG scheidet zunächst deshalb aus, weil das bisher
herrschende Baath-Regime in der zweiten Aprilwoche 2003 zusammengebrochen ist
und keine staatliche Macht im Irak mehr ausübt. Eine politische Verfolgung des Klägers
durch eine andere staatliche Organisation ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. b AufenthG liegen hinsichtlich des
Klägers nicht vor. Es ist nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht geltend
gemacht, dass eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG von Parteien
oder Organisationen ausgeht, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes
beherrschen. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine
Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c
AufenthG droht. Soweit der Kläger sich dem Bundesamt gegenüber darauf berufen hat,
er habe wegen seiner früheren Tätigkeit bei dem Nachrichtendienst bzw. wegen der
damaligen Tätigkeit seines Vaters Racheakte zu befürchten, ist dieses Vorbringen völlig
unglaubhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem
Bescheid vom 06. Januar 2004, Seite 4, 5. Abschnitt bis Seite 5, 2. Abschnitt verwiesen.
Das Vorbringen des Klägers steht überdies in unaufgelöstem Widerspruch zu den
Gründen, die der Kläger bei der Antragstellung in der Außenstelle Braunschweig
vorgetragen hat.
Aber auch soweit der Kläger unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom
06. Januar 2004 hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten begehrt, hinsichtlich seiner
Person das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 festzustellen
- vorliegend ist allenfalls die Vorschrift des § 60 Abs. 7 AufenthG in Betracht zu ziehen -,
wäre die Klage unbegründet. Soweit die derzeitige Sicherheitslage im Irak nur als
katastrophal bezeichnet werden kann, vermittelt die bestehende Erlasslage irakischen
Staatsangehörigen zur Zeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung, so dass der
Kläger deshalb keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des §
60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die
Ausführungen der Kammer zu § 53 Abs. 6 AuslG in dem Beschluss vom 28. Dezember
2004 Bezug genommen. Der Kläger bedarf auch aus sonstigen Gründen keines
individuellen Abschiebungsschutzes. Insbesondere sein Vorbringen zu etwaigen
Racheakten aufgrund einer Tätigkeit beim Nachrichtendienst ist - wie bereits ausgeführt
- völlig unglaubhaft.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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