Urteil des VG Karlsruhe vom 28.06.2010

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VG Karlsruhe Beschluß vom 28.6.2010, 9 K 518/10
Frage der Zurückstellung vom Wehrdienst wegen beabsichtigter Aufnahme eines Studiums an einer
Dualen Hochschule
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1
Der sinngemäß darauf gerichtete Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage - 9 K
1244/10 - gegen den Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamts Mannheim vom 22.02.2010 anzuordnen,
mit welchem er zum 01.07.2010 zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen wurde, hat keinen Erfolg.
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Dieser Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, weil der Anfechtungsklage gegen
einen Einberufungsbescheid nach § 35 Satz 1 WPflG keine aufschiebende Wirkung zukommt; gegen die
Zulässigkeit des Antrags bestehen auch sonst keine Bedenken.
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Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Das öffentliche Interesse an der alsbaldigen Erfüllung der durch den
Einberufungsbescheid angeordneten Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes überwiegt das entgegenstehende
private Interesse des Antragstellers, von der Heranziehung zum Wehrdienst vorläufig - bis zu einer
rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - verschont zu bleiben, weil nach summarischer Prüfung der
Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten seiner gegen den Einberufungsbescheid erhobenen
Anfechtungsklage gering erscheinen.
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Aller Voraussicht nach vermittelt das vom Antragsteller beabsichtigte, auf einen Bachelor-Abschluss zielende
dreijährige Studium an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg - DHBW -, das nach dem vorgelegten
Ausbildungsvertrag am 01.10.2010 beginnen soll, ihm mangels Vorliegens einer besonderen Härte im Sinne
von § 12 Abs. 4 WPflG keinen Anspruch auf Zurückstellung vom Wehrdienst.
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Wie die Kammer mit Urteil vom 10.06.2010 - 9 K 199/10 - für das gleichgelagerte Recht des Zivildienstes (§ 11
Abs. 4 ZDG) entschieden hat, ist ein Studium an der DHBW entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zwar
nicht als Hochschulstudium im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 b WPflG anzusehen, bei dem erst nach
Erreichen des dritten Semesters eine Zurückstellung erfolgt. Es handelt sich aber auch nicht um eine
Berufsausbildung im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG, bei der es für einen Zurückstellungsanspruch
genügt, dass die Einberufung die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten
Berufsausbildung verhindern würde. Ausschließlich einschlägig ist vielmehr § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 c WPflG,
der einen Zurückstellungsanspruch vermittelt, sofern die Einberufung einen zum vorgesehenen Diensteintritt
begonnenen dualen Bildungsgang, den das Gesetz als Studium mit studienbegleitender betrieblicher
Ausbildung definiert, unterbricht.
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Wie sich aus §§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, 29 Abs. 6 Landeshochschulgesetz ohne Weiteres ergibt, ist die vom
Antragsteller beabsichtigte Ausbildung als Studium mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung und somit
als dualer Bildungsgang im Sinne des Wehrpflichtrechts zu qualifizieren. Auch die weiteren Anforderungen des
§ 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 c WPflG an einen solchen Bildungsgang sind erfüllt; denn die dreijährige Ausbildung
an der DHBW überschreitet nicht eine Regelstudienzeit von acht Semestern, und das Studium wird nicht später
als drei Monate nach Beginn der betrieblichen Ausbildung aufgenommen. Voraussetzung für die Annahme
eines dualen Bildungsgangs ist demgegenüber nicht, dass die Ausbildung auf einen eigenständigen
berufsqualifizierenden Abschluss ausgerichtet ist. Dies legt bereits der Wortlaut der Norm nahe, der lediglich
eine studienbegleitende betriebliche Ausbildung voraussetzt, dem aber nicht zu entnehmen ist, dass die
(formale) Doppelqualifikation der Absolventen zur Typik eines dualen Studiums gehört. Den gegenteiligen
Schluss lässt auch die Entstehungsgeschichte der Norm nicht zu (vgl. dazu im Einzelnen das Urteil der
Kammer vom 10.06.2010 - 9 K 199/10 -).
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Bereits gesetzessystematische Gründe sprechen entscheidend dagegen, bei Vorliegen des spezielleren
Tatbestands des dualen Bildungsgangs das Zurückstellungsbegehren zugleich unter den an den allgemeineren
Begriff der Berufsausbildung anknüpfenden Tatbestand des § 12 Abs. 4 Satz 2 (am Ende) WPflG zu
subsumieren, der bereits im Vorfeld der Ausbildung Einberufungsschutz vermittelt. Vielmehr erweist sich § 12
Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 c WpflG als abschließende Regelung der Zurückstellung bei Vorliegen eines dualen
Bildungsgangs. Dies dürfte selbst dann gelten, wenn - anders als bei der DHBW - die duale Ausbildung zum
Erwerb eines Berufsabschlusses in einem anerkannten Ausbildungsberuf führt, was nach der - durch
Inkrafttreten des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3c WPflG am 09.08.2008 - überholten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.06.2008 - 6 C 35.07 -, juris) den dualen Studiengang kennzeichnete.
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Selbst wenn man dies anders sähe, scheiterte die Einordnung des Studiums an der DHBW als
Berufsausbildung im Sinne der Zurückstellungsregelung jedenfalls daran, dass die in das Studium an der
DHBW integrierte praktische Ausbildung im Betrieb nicht zu einem eigenständigen Abschluss führt, der
Absolvent der Ausbildung vielmehr ausschließlich den akademischen Grad eines Bachelors erwirbt. Zwar
erfasst der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des Wehrpflichtrechts nicht nur anerkannte
Ausbildungsberufe nach Maßgabe des Berufsbildungsgesetzes. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte des
§ 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG, dass der Gesetzgeber - bereits anlässlich einer Gesetzesänderung im Jahr
1971 und erst recht im Zuge der Neufassung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 c WPflG durch das Zweite
Zivildienstgesetzänderungsgesetz vom 27.09.2004 (BGBl. I S. 2358) - bestrebt war, die Tatbestände der
Zurückstellung wegen einer Ausbildung auszuweiten und sich dabei von der Begriffsbestimmung des
Berufsbildungsgesetzes gelöst hat (BVerwG, Urt. v. 22.08.2007 - 6 C 28.06 -, NVwZ-RR 2008, 39). Essentiell
für die Annahme einer Berufsausbildung im wehrpflichtrechtlichen Sinn ist aber - auch auf Grundlage der
früheren Fassungen der Norm - dass die Ausbildung zum Erwerb einer zusätzlichen, bisher nicht innegehabten
Berechtigung zur Berufsausübung führen muss (BVerwG, Urt. v. 22.08.2007, a. a. O., m. w. N.). Daran fehlt es
bei der hier zu beurteilenden Ausbildung an der DHBW, einem Studium an einer Studienakademie mit
integrierter praxisorientierter Ausbildung in einer beteiligten Ausbildungsstätte.
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Beinhaltet der vom Antragsteller ins Auge gefasste duale Bildungsgang nach alledem keine Berufsausbildung
im Sinne von § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 e und Satz 2 (am Ende) WPflG, ist er zwar nach Maßgabe von § 12
Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 c WPflG vor dessen Unterbrechung geschützt, nicht aber bereits vor seiner Aufnahme. Die
Einberufung des Antragstellers zum 01.07.2010 unterbricht seine erst am 01.10.2010 beginnende Ausbildung
an der DHBW indessen nicht. Das betriebliche Praktikum, an dem er nach der von ihm vorgelegten
ergänzenden Vereinbarung zum Ausbildungsvertrag bereits ab dem 05.07.2010 teilnehmen soll, führt schon
deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil auch dieses Praktikum vom Grundwehrdienst nicht unterbrochen
wird. Abgesehen davon handelt es sich dabei nicht um einen integralen Bestandteil des dualen
Bildungsganges, dessen Beginn allein durch die Studienordnung der Hochschule bestimmt wird.
10 Aller Voraussicht nach kann sich der Antragsteller auch nicht auf die allgemeine Härteklausel des § 12 Abs. 4
Satz 1 WPflG berufen. Über den typischerweise damit verbundenen Nachteil, dass er nunmehr sein Studium
nicht wie vorgesehen am 01.10.2010 beginnen kann und er deshalb voraussichtlich eine zusätzliche Wartezeit
bis zu einem erneuten Ausbildungsbeginn in Kauf nehmen muss, geht seine Betroffenheit durch den Antritt des
Grundwehrdienstes nicht hinaus. Derzeit kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen
werden, dass der Antragsteller nach Ableistung des Wehrdienstes keine gleichartige Ausbildung beginnen
kann. Aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Ausbildungsstätte vom 26.05.2010 ergibt sich lediglich,
dass ihm eine Einstellung zum Studienbeginn 2011 nicht zugesichert werden kann.
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
12 Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
13 Mangels hinreichender Erfolgsaussicht seines Antragsbegehrens kommt die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO).
14 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 34 Satz 1 WPflG).