Urteil des VG Hannover vom 19.05.2014

VG Hannover: beförderung, widerspruchsverfahren, ermessen, anfechtungsklage, vollstreckung, vorverfahren, kreis, leistungsklage, ernennung, gewinnung

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Abbruch des Auswahlverfahrens
VG Hannover 13. Kammer, Urteil vom 19.05.2014, 13 A 6255/13
§ 54 Abs 2 BeamtStG, Art 33 Abs 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 44a VwGO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die
Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Neubescheinigung hinsichtlich eines
Stellenbesetzungsverfahrens. Es handelt sich bei ihm um einen
Fernmeldehauptsekretär (Bes.Gr. A 8 BBesO).
Die Beklagte plante, eine Reihe von Beförderungen im mittleren Dienst nach
BesGr. A 9 BBesO vorzunehmen - sogenannte Beförderungsrunde 2012. Der
Kläger gehörte nicht zum Kreis der ausgewählten Beamten. Dies wurde ihm
mit Schreiben vom 19.11.2012 mitgeteilt. Hiergegen legte der Kläger unter dem
27.11.2012 Widerspruch ein, über den in der Sache nicht entschieden wurde.
Mit Schreiben vom 15.04.2014 stellte die Beklagte vielmehr - nachdem sie das
Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen hatte - das Widerspruchsverfahren
ein.
Bereits Anfang Dezember 2012 suchte der Kläger zudem um gerichtlichen
Eilrechtsschutz nach (Verfahren 13 B 6754/12).
Nachdem eine ganze Reihe anderer erst- und zweitinstanzlicher Gerichte
(beispielsweise VG Göttingen - Beschl. v. 08.02.2013 - 1 B 288/12; VG
Osnabrück, Beschl. vom 18.02.2013 - 3 B 36/12, OVG Münster, Beschluss
vom 15.03.2013 - 1 B 133/13 -; OVG Lüneburg, Beschl. vom 16.05.2013, -5
ME 92/13 -) das Auswahlverfahren und auch die der Auswahlentscheidungen
zu Grunde liegenden Beurteilungen bemängelt hatten, teilte die Beklagte auch
im Verfahren 13 B 6754/12 mit, dass der Vorstand der Deutschen Telekom
angesichts der zahlreichen Gerichtsentscheidungen beschlossen habe, die
Beförderungsrunde 2012 nicht fortzuführen. Daraufhin wurde das Verfahren 13
B 6754/12 übereinstimmen für erledigt erklärt.
In einer Mitteilung an alle Mitarbeiter der Telekom wurde seitens des
Unternehmens ausgeführt, dass angesichts der Rechtsprechung die
Beförderungsrunde 2012 nicht durchgeführt werde. Das Verfahren sowie das
Beurteilungsverfahren würden neu geregelt, angestrebt werde eine neue
Beförderungsrunde für 2014. Weiter heißt es in der Mitteilung: „Persönliche
Mitteilungen zur Nichtberücksichtigung bei der Beförderungsauswahl 2012
sind ebenfalls aufgehoben.“
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Mit Schreiben vom 17.02.2014 legte der Kläger Widerspruch gegen die
Entscheidung, das Auswahlverfahren abzubrechen, ein.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
14.04.2014 als unzulässig zurück. Die Abbruchentscheidung sei eine
unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne von § 44a VwGO.
Der Kläger hat bereits am 28.08.2013 Klage erhoben.
Er hält seine Klage als Unzulässigkeitsklage für zulässig, weil die Beklagte
über seinen Widerspruch vom 27.11.2012 bislang nicht entschieden habe.
In der Sache trägt er vor, es läge kein sachlicher Grund für den Abbruch des
Auswahlverfahrens vor. Die Beklagte könnte im Rahmen des bisherigen
Verfahrens die von den Gerichten beanstandete Auswahlentscheidung
nachholen. Tue die Beklagte dies nicht, sondern eröffne später ein neues
Auswahlverfahren, werde er, der Kläger, unangemessen benachteiligt. Denn in
einem neuen Auswahlverfahren müssten wieder alle Beamten einbezogen
werden, mithin auch jene Beamte, die sich nicht gegen für sie negative
Auswahlentscheidung für die Beförderungsrunde 2012 zur Wehr gesetzt
haben. Würde das bisherige Auswahlverfahrens fortgesetzt, müsse der
Dienstherr demgegenüber nur diejenigen Bewerber mitberücksichtigen, die
sich gegen die alte Auswahlentscheidung gewehrt haben.
Der Kläger beantragte zunächst,
den Bescheid vom 19.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, über die Besetzung der Beförderungsplanstelle nach
A9_VZ unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg im
Beschluss vom 16.05.2013 - 5 ME 92/13 sowie des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.03.2013 - 1 B
133/13 neu zu entscheiden.
Am 07.05.2014 (Eingang des Schriftsatzes vom 05.05.2014) bezog er den
Widerspruchsbescheid vom 14.04.2014 in das laufende Klageverfahren mit
ein und beantragt nunmehr,
den Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14.04.2014 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, über die Besetzung der
Beförderungsplanstelle nach A9_VZ unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in
Lüneburg im Beschluss vom 16.05.2013 - 5 ME 92/13 sowie des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15.03.2013 - 1 B
133/13 neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage bereits für unzulässig. Durch den Abbruch des
Auswahlverfahrens habe sich der Bewerbungsverfahrensanspruch erledigt
und damit auch das Widerspruchsverfahren des Klägers. Für den Abbruch des
Auswahlverfahrens liege ein sachlicher Grund vor. Hinsichtlich des Begehrens,
neu über die Besetzung der Beförderungsplanstelle nach A 9-VZ zu
entscheiden, fehle es am erforderlichen Vorverfahren.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und
mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer
einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2
und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO
weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Die Klage ist bereits teilweise unzulässig.
Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 19.11.2012 begehrt,
fehlt ihm das Rechtsschutzinteresse. Da die ursprüngliche
Auswahlentscheidung zu Lasten des Klägers keine Wirkungen mehr entfaltet,
wird er, der Kläger, auch nicht mehr durch eine solche Entscheidung
beschwert.
Allerdings macht der Kläger nunmehr geltend, durch die getroffene
Entscheidung, das Auswahlverfahren abzubrechen, ebenfalls in seinen
Rechten verletzt zu sein. Insoweit sieht das Gericht die Klage als zulässig an.
Grundsätzlich handelt es sich zwar bei einer Abbruchentscheidung um eine
sog. unselbstständige Verfahrenshandlung i.S.v. § 44a Satz 1 VwGO, weil sie
lediglich der Vorbereitung der Stellenbesetzung dient (vgl. OVG Bautzen,
Beschluss vom 14.05.2004, 3 BS 265/03 -, zit. n. juris, dort Rdnr. 7; OVG
Bremen, beschl. v. 04.05.2011 - 2 B 71/11 -, zit. n. juris, Rdnr. 31). Die
Voraussetzungen gemäß § 44a Satz 2 VwGO sind - auch in Bezug auf diesen
Fall - ersichtlich nicht gegeben.
Allerdings besteht durchaus die Möglichkeit einer Rechtsverletzung eines
Bewerbers durch einen - ungerechtfertigten - Abbruch eines
Auswahlverfahrens. Denn auch bei der Entscheidung über den Abbruch eines
Auswahlverfahrens ist der Bewerbungsverfahrensanspruch eines Beamten zu
berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.11.11 - 2 BvR 1181/11 -, zit. n.
juris).
Ob deshalb im Hinblick Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in jedem Fall eine gesonderte
Anfechtbarkeit anzunehmen ist, kann mit Recht zwar bezweifelt werden. Denn
wenn sich unmittelbar an den Abbruch des alten Auswahlverfahrens ein neues
Auswahlverfahren anschließt, könnte wohl der unterlegene Bewerber eine
mögliche Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs auch in einem
Verfahren gegen die neue Auswahlentscheidung geltend machen (so OVG
Bautzen, a.a.O, OVG Bremen, a.a.O.). Letztendlich kommt es auf diese Frage
hier allerdings nicht entscheidend an. Denn - abgesehen davon, dass sich ein
neues Auswahlverfahren, in dem der Kläger seine Rechte hätte geltend
machen können, sich nicht unmittelbar anschloss, handelt es sich hier auch
nicht um eine isolierte Anfechtungsklage, sondern um eine kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage, die auf Fortsetzung des Auswahlverfahrens
gerichtet ist. Während eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Abbruch
eines Besetzungsverfahrens nicht möglich ist, da es sich insoweit nicht um
einen Verwaltungsakt, sondern um einen nicht isoliert anfechtbaren
Verfahrensschritt gemäß § 44a VwGO handelt, besteht die Möglichkeit, im
Wege der Leistungsklage die Fortsetzung eines abgebrochenen
Auswahlverfahrens anzustreben (VGH Kassel, Beschl. v. 10.07.2013 - 1 A
1084/13.Z - , zit. n. juris, dort RdNr. 4 und wohl auch OVG Bremen, a.a.O.,
RdNr. 32 letzter Halbsatz). Letztendlich ist der Klageantrag „die Beklagte zu
verpflichten, über die Besetzung der Beförderungsplanstelle nach A9_VZ unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Niedersächsischen
Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg im Beschluss vom 16.05.2013 - 5 ME
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92/13 sowie des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom
15.03.2013 - 1 B 133/13 neu zu entscheiden“ so zu verstehen, dass der
Kläger die Fortsetzung des abgebrochenen Auswahlverfahrens anstrebt.
Der Zulässigkeit steht insoweit auch nicht § 54 Abs. 2 BeamtStG entgegen.
Zwar hat der Kläger Klage erhoben, ohne zuvor das nach dieser Regelung
vorgeschriebene Vorverfahren durchzuführen. Der Kläger kann sich nicht mit
Erfolg darauf berufen, die Zulässigkeit seiner Klage ergebe sich aus § 75
VwGO. Die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage lagen und liegen nicht
vor. Zwar ist es richtig, dass die Beklagte über den Widerspruch des Klägers
gegen die Auswahlentscheidung in der Beförderungsrunde 2012 nicht vor
Klageerhebung entschieden hat. Zudem waren bei Klageerhebung mehr als
drei Monate vergangen. Gleichwohl kommt eine Untätigkeitsklage nach § 75
VwGO nicht in Betracht. Einer Widerspruchsentscheidung zur ursprünglichen
Auswahlentscheidung bedurfte es nämlich nicht mehr. Die Beklagte hat das
Auswahlverfahren zur Beförderungsrunde 2012 abgebrochen. Mit dem
Abbruch des Auswahlverfahrens ging der Widerspruch gegen die bisherige
Auswahlentscheidung ins Leere, weil eine anzugreifende
Auswahlentscheidung nicht mehr existiert. Folgerichtig hat die Beklagte dieses
Widerspruchsverfahren letztendlich auch mit Schreiben vom 15.04.2014 im
Laufe des Klageverfahrens eingestellt.
Allerdings hat der Kläger im Laufe des Klageverfahrens unter dem Datum
17.02.2014 Widerspruch eingelegt und den zwischenzeitlich ergangenen
Widerspruchsbescheid vom 14.04.2014 in das Verfahren einbezogen. Zum
Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage sind nach alledem die
Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 BeamtStG erfüllt.
Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass der Kläger in seinem
Widerspruchsschreiben ausdrücklich nur Widerspruch gegen den Abbruch
des Auswahlverfahrens erhebt und nicht explizit auch gegen die mit dieser
Entscheidung zwangsläufig untrennbar verbundene Ablehnung, über die
Bewerbung des Klägers in diesem (bisherigen) Stellenbesetzungsverfahren
neu zu entscheiden. Nach Sinn und Zweck des klägerischen Vorbringens -
eine bloße Aufhebung der Abbruchentscheidung allein würde ihm nicht viel
nutzen - war sein Widerspruch aber auch dahingehend zu verstehen, dass er
damit eine Neubescheidung zu seiner Bewerbung erreichen wollte.
Letztendlich kommt es auf die Frage der Zulässigkeit aber auch nicht
entscheiden an. Denn die Klage ist - selbstständig tragend - auch
unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung des bisherigen
Auswahlverfahrens hat. Die Beklagte durfte zu Recht das Auswahlverfahren
abbrechen und den Widerspruch hiergegen zurückweisen.
Zwar hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2014 nicht in der Sache
entschieden. Eine stattgebende Sachentscheidung wäre ihr aber aufgrund der
zuvor getroffenen Grundsatzentscheidung, alle Stellenbesetzungsverfahren
der „Beförderungsrunde 2012“ abzubrechen, gar nicht mehr möglich gewesen,
ihr Ermessen war insoweit „auf null reduziert“. Nach alledem kommt es hier im
Ergebnis nicht mehr darauf an, ob der Widerspruch nun als unzulässig oder
unbegründet zurückgewiesen wurde.
Der Abbruch des Auswahlverfahrens zur „Beförderungsrunde 2012“ war
rechtmäßig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 22.07.1999 - 2 C
14/98 u.a. ausgeführt:
„Die Schaffung und Besetzung von Planstellen des öffentlichen Dienstes
dient grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen
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Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten. Planstellen
werden im Haushaltsplan durch den Haushaltsgesetzgeber gemäß dessen
organisatorischer Gestaltungsfreiheit entsprechend den Bedürfnissen der
staatlichen Verwaltung ausgebracht (vgl. Urteile vom 31. Mai 1990 -
BVerwG 2 C 16.89 - und vom 25. April 1996 -
BVerwG 2 C 21.95 - , jeweils m.w.N., sowie
Beschluß vom 29. April 1992 - BVerwG 2 B 68.92 -
39>). …
Erst wenn nach vorangegangener Ausschreibung eine vom
Haushaltsgesetzgeber geschaffene Planstelle im Wege der Beförderung zu
besetzen ist, hat der Dienstherr nach Art. 33 Abs. 2 GG und dessen
beamtenrechtlichen Konkretisierungen (hier: § 12 Satz 2 BlnLBG) die
Ernennung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
vorzunehmen. Die beamtenrechtlichen Vorschriften, nach denen sich die
Beförderung richtet, dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an
einer bestmöglichen Besetzung der Beamtenstellen des öffentlichen
Dienstes. Daneben berücksichtigen sie aber auch das berechtigte Interesse
des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen und
begründen einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung dieser
Vorschriften (vgl. u.a. BVerwGE 80, 123 ff.; 101, 112 <114 f.>).
Dieser Anspruch besteht aber ausschließlich dann, w e n n eine
Ernennung vorgenommen wird. Die Durchführung einer
Stellenausschreibung zwingt den Dienstherrn nicht, den Dienstposten mit
einem der Auswahlbewerber zu besetzen. Die Ausschreibung ist lediglich
ein Hilfsmittel zur Gewinnung geeigneter Bewerber. Der Dienstherr darf ein
eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen
jederzeit beenden und von einer ursprünglich geplanten Beförderung
absehen (vgl. BVerwGE 101, 112 <115>). Als eine aus dem
Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende verwaltungspolitische
Entscheidung berührt der Abbruch des Auswahlverfahrens grundsätzlich
nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Das für den Abbruch des
Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische
Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu
beachtende Auswahlermessen (vgl. BVerwG 101, 112 <115>).“
Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Ein sachlicher Grund für das Auswahlverfahren liegt hier auf der Hand. In einer
ganzen Reihe von Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hatten sowohl
erst- als auch zweitinstanzliche Gerichte die getroffenen
Auswahlentscheidungen beanstandet. Zum einen wurde das bisherige
Verfahren für die Erstellung der Beurteilungen, die Grundlage der
Auswahlentscheidungen waren, beanstandet, zum anderen aber auch die
direkte Verknüpfung der Anzahl der „Bestbeurteilungen“ mit der Anzahl der
verfügbaren Beförderungsplanstellen. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn die
Beklagte angesichts dieser Rechtsprechung das Auswahlverfahren insgesamt
abbricht, um ihr Beurteilungssystem neu aufzustellen und aufgrund der
hiernach erfolgten neuen Beurteilungen ein neues Auswahlverfahren beginnt.
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Beanstandung der
Auswahlentscheidung durch ein Gericht einen sachlichen Grund für den
Abbruch darstellt. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, wenn die tragenden
Erwägungen der gerichtlichen Entscheidung zumindest bedenkenswert
erscheinen. Die Ausführungen des Gerichts müssen dem Dienstherrn
berechtigten Anlass geben, seine Entscheidungsfindung zu überdenken. In
diesem Fall ist er nicht gehalten, den Rechtsweg auszuschöpfen (OVG
Bautzen, Beschluss vom 14.05.2004 - 3 BS 265/03 - zit. n. juris mit weiteren
Nachweisen zur Rspr. des Hessischen VGH, des OVG Rheinland-Pfalz und
des OVG Nordrhein-Westfalen). Die vorliegenden gerichtlichen
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Entscheidungen im Rahmen der „Beförderungsrunde 2012“ erfüllen diese
Voraussetzungen für eine Abbruchentscheidung durch die Beklagte. Es waren
gewichtige Gründe, die gegen die von verschiedenen Antragstellern
angegriffenen bisherigen Auswahlentscheidungen sprachen. Die
Abbruchentscheidung ist nach alledem nicht willkürlich.
Zwar hätte - dies ist dem Kläger einzuräumen - die Beklagte auch stattdessen
sowohl die ausgewählten Bewerber als diejenigen Konkurrenten, die die
Auswahlentscheidung nicht hingenommen und um Rechtsschutz nachgesucht
haben, neu beurteilen und ggf. dann - wo notwendig - ihre bislang getroffene
Auswahlentscheidung berichtigen können. Das hätte für den Kläger den Vorteil
gebracht, nur mit einem kleineren Kreis von Konkurrenten - nämlich nur die
bislang Ausgewählten und die rechtsbehelfsführenden Beamten - verglichen
zu werden. Allein, darauf hat der Kläger keinen Anspruch. Es liegt im
organisatorischem Ermessen der Beklagten, ein „verkorkstes
Auswahlverfahren“ abzubrechen und - wenn weiterhin Beförderungen
angestrebt werden - neu ohne Rechtsfehler zu beginnen. Wie das
Bundesverwaltungsgericht bereits im Urteil vom 25.04.1996 - 2 C 21/95
ausgeführt hat, berührt als eine aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn
erwachsende verwaltungspolitische Entscheidung der Abbruch des
Auswahlverfahrens nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Deren Rechte
werden grundsätzlich davon nicht berührt.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 28.11.2011, a.a.O.)
ausgeführt, dass, wenn der Abbruch eines Auswahlverfahrens zuvor
beschriebenen Anforderungen nicht gerecht werde, von Verfassung wegen
keine Neuausschreibung erfolgen dürfe. Durch eine Auswahlentscheidung in
einem neuen Auswahlverfahren würden, so das Bundesverfassungsgericht,
die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem
Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Diese Folge tritt aber nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann ein, wenn es an
einem sachlichen Grund fehlt, mit anderen Worten, wenn eine
Abbruchentscheidung willkürlich ist. Das ist, wie ausgeführt, hier jedoch nicht
der Fall. Auch eine Neu-Beurteilung nur der bislang am Verfahren beteiligten
Bundesbeamten würde eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Es ist
gerechtfertigt, unter diesen Umständen im Rahmen der Bestenauslese wieder
alle Beamte in den Blick zu nehmen und die Veränderungen im
Beamtenkörper zu berücksichtigen.
Es liegt auch ein Verfahrensfehler vor, weil - wie der Kläger rügt - die Beklagte
jedenfalls die Dokumentation des Vorstandsbeschlusses nicht vorgelegt und
damit nachgewiesen hat. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O).
ausgeführt, dass der maßgebliche Grund für den Abbruch jedenfalls dann,
wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich
dokumentiert werden muss. Hier ergeben sich die Abbruchgründe aber evident
aus dem Vorgang und sind im Übrigen auf rund zwei Seiten (vgl. Bl. 28, 29 der
Beiakte A) auch schriftlich fixiert worden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür
vor, dass in dieser Mitteilung der Telekom nicht die tatsächlichen Gründe
wiedergegeben wurden.
Ist nach alledem das Auswahlverfahren zu Recht abgebrochen worden,
kommt allein deshalb - mangels eines nun noch laufenden
Stellenbesetzungsverfahrens - auch keine Neubescheidung des Klägers
hinsichtlich seiner alten Bewerbung für die Beförderungsrunde 2012 mehr in
Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.