Urteil des VG Hannover vom 23.12.2013

VG Hannover: stiefsohn, haushalt, ausbildung, rückforderung, vollstreckung, rückzahlung, vollzug, anteil, mangel, zustand

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Kinderanteil im Familienzuschlag, Rückforderung
Hat die Kindergeldkasse bestandskräftig den Wegfall der
Kindergeldberechtigung festgestellt, ist dies für den Vollzug des § 40 BBesG
bindend.
VG Hannover 13. Kammer, Urteil vom 23.12.2013, 13 A 6247/13
§ 12 Abs 2 BBesG, § 40 Abs 2 BBesG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die
Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Rückforderungsbescheid wegen
überzahlter Familienzuschläge und begehrt zudem die Weiterzahlung des
Kinderanteils im Familienzuschlag über den Juli 2011 hinaus.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen Bundesbeamten mit dienstlichem
Wohnsitz in Langenhagen. Er hat einen im Januar 1992 geborenen Stiefsohn
(Kind der Ehefrau aus einer anderen Beziehung). Dieser Stiefsohn lebte
zunächst im Haushalt des Klägers und zog dort aus, als er eine Ausbildung
begann. Mitte Juni 2010 brach der Stiefsohn die Ausbildung ab, kehrte jedoch
nicht in den Haushalt des Klägers zurück.
Dem Kläger wurde von der Kindergeldkasse Kindergeld für den Stiefsohn nur
bis einschließlich Juni 2010 bewilligt. Danach erhielt die Ehefrau des Klägers
das Kindergeld, ab März 2013 das Kind direkt. Die Bundeskindergeldkasse
hatte mit Bescheid vom 16.04.2012 rückwirkend die Kindergeldbewilligung ab
Juli 2010 aufgehoben.
Der Kläger hatte der Besoldungsstelle keine Mitteilung über den Auszug des
Stiefsohns gemacht. In einer Erklärung zum Familienzuschlag vom 24.04.2012
machte er keine Angaben zu der Frage, ob das Kind zu seinem Haushalt
gehöre. Dem Kläger wurde der kinderbezogene Familienzuschlag für seinen
Stiefsohn bis einschließlich Juli 2011 gezahlt.
Die Beklagte stellte ab August 2011 die Zahlung des kinderbezogenen
Familienzuschlages für den Stiefsohn ein und hörte den Kläger zu einer
Rückforderung überzahlten Familienzuschlages in der Zeit von Juli 2010 bis
Juli 2011 an.
Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigen vom 18.05.2012
beantragte der Kläger die Weiterzahlung des kinderbezogenen
Familienzuschlages ab August 2011.
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Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 01.08.2012 eine Weiterzahlung des
kinderbezogene Familienzuschlags für den Stiefsohn ab August 2011 ab.
Mit Bescheid vom 14.03.2012 forderte sie dann den gezahlten
kinderbezogenen Familienzuschlag für die Zeit von Juli 2010 bis Juli 2011 iHv.
insgesamt 1.291,13 € zurück und bot eine Rückzahlung in Raten an.
Der Kläger erhob gegen beide Bescheide Widerspruch, der mit
Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013, zugestellt am 26.07.2013, als
unbegründet zurückgewiesen wurde.
Der Kläger hat am 26.08.2013 Klage erhoben.
Er trägt vor: Er habe seinen Stiefsohn nach wie vor in seinem Haushalt
aufgenommen. Zwar treffe es zu, dass der Stiefsohn nach dem Abbruch seiner
Ausbildung nicht mehr in den elterlichen Haushalt zurückgekehrt, sondern zur
Schwester der Ehefrau des Klägers gezogen sei. Die sei jedoch nur aufgrund
einer Erkrankung des Stiefsohnes geschehen. Er leide an einer
schwergradigen seelischen Erkrankung und nur deshalb könne er nicht in den
Haushalt des Klägers zurückkehren. Mithin sei der Stiefsohn nur
vorübergehend nicht im klägerischen Haushalt. Mit 1. Wohnsitz sei der
Stiefsohn aber immer noch beim Kläger gemeldet, der Stiefsohn erhalte auch
Unterhalt.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2012
in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 24.07.2013 zu
verpflichten, ihm, dem Kläger, für seinen Stiefsohn C. den
Kinderanteil im Familienzuschlag ab August 2011 weiter zu zahlen;
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2012 in
der Fassung des Widerspruchbescheides vom 24.07.2013 zu
verpflichten, ihm, dem Kläger, für seinen Stiefsohn C. den
Kinderanteil im Familienzuschlag ab August 2011 bis einschließlich
Februar 2013 weiter zu zahlen;
2. den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 14.03.2012 in
der Fassung des Widerspruchbescheides vom 24.07.2013
aufzuheben
3. hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, ihn, den Kläger, unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen. Die Einstellung der Kindergeldzahlungen an den
Kläger sei bestandskräftig.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und
mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer
einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2
und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO
weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene
Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Weiterzahlung des
Kinderanteils im Familienzuschlag für seinen Stiefsohn ab August 2011.
Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG besteht ein Anspruch auf den
kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag(Stufe 2 oder höher) für solche
Kinder,
für die dem Beamten Kindergeld nach dem
Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz
zusteht.
Abs. 1 Nr. 1 BKGG
zusätzlich
seines Ehegatten in seinen Haushalt aufgenommen hat.
Dass keine Kindergeldberechtigung für den Kläger besteht, wurde durch die
zuständige Kindergeldkasse bzw. Familienkasse bereits festgestellt. Unstreitig
ist dieser Bescheid bestandskräftig geworden. Die bestandskräftige
Entscheidung der Familienkasse über das Nicht-Vorliegen der
Kindergeldberechtigung ist für den Vollzug des § 40 Abs. 2 BBesG bindend
(vgl VG Ansbach, Urteil vom 25.10.2011 - AN 1 K 11.00896 -, zit. n. juris, dort
insbes. Rdnr. 48 m.w.N. sowie nun auch BVerwG, Beschluss. v. 18.06.2013 -
2 B 12/13 - , ZBR 2013, 352 ff.).
Bereits deshalb kann die Klage keinen Erfolg haben.
Im Übrigen steht einem Kindergeldanspruch - und damit auch einen Anspruch
auf eine entsprechende Stufe des Familienzuschlags nach § 40 BBesG -
entgegen, dass das Stiefkind des Klägers eben spätestens seit Juli 2010 nicht
mehr im Haushalt des Klägers aufgenommen war.
Mag eine anderweitige Wohnsitznahme während einer Ausbildung noch einen
nur vor-übergehenden Charakter haben, so endete die Aufnahme in den
Haushalt jedenfalls mit dem Umstand, dass der Stiefsohn seine Ausbildung
abbrach und dann zu seiner Tante zog. Damit hat der Sohn dokumentiert,
dass er nicht wieder zu seinem Stiefvater zurückkehren wollte. Auf die Gründe
für diese Entscheidung des Stiefsohnes kommt es nicht an. Die vom Kläger
behauptete seelische Erkrankung des Stiefsohnes - die im Übrigen gegenüber
dem Gericht nicht nachgewiesen wurde - mag Anlass für den
Wohnsitzwechsel des Stiefsohnes gewesen sein. Da ein Ende der Erkrankung
aber offenbar nicht absehbar ist, kann auch bei einer Erkrankung des Kindes
nicht von einem nur vorübergehenden Verlassen des Haushalts die Rede
sein.
Auch der Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Forderung der Beklagten ist § 12 Abs. 2 BBesG.
Danach richtet sich grundsätzlich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge
nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung. Dabei steht es der Kenntnis des
Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so
offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen können.
Hiernach ist der Kläger zur Rückzahlung verpflichtet.
Materiell rechtlich gesehen stand dem Kläger ab 01.07.2010 bis 31.07.2011 für
seinen Stiefsohn - wie oben dargelegt - kein Kinderanteil im Familienzuschlag
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mehr zu. Gleichwohl wurde der Zuschlag weiter gezahlt.
Der Kläger kann sich nicht auf Entreicherung berufen, weil er den Mangel des
rechtlichen Grundes zumindest hätte erkennen können.
Der Kläger konnte und durfte sich nicht darauf verlassen, dass - auch
nachdem der Stiefsohn die Ausbildung abgebrochen und gleichwohl nicht in
den klägerischen Haushalt zurückgekehrt war - ihm ohne weiteres weiterhin
Kindergeld und deshalb auch der entsprechende kinderbezogene Anteil im
Familienzuschlag weiterhin zustand. Auch schon früher (vgl. etwa die Abfrage
vom April 2009 - Bl.108 der Beiakte A) wurde in den Formularen für die
Erklärung zur Berechnung des Familienzuschlages abgefragt, ob das Kind
zum Haushalt gehört oder nicht. Selbst wenn dem Kläger die rechtlichen
Konsequenzen der Nichtrückkehr des Stiefsohnes möglicherweise nicht so
gegenwärtig waren, wie sie es hätten sein sollen, hat er jedenfalls die Pflicht
gehabt, seine Besoldungsstelle darauf hinzuweisen und sich zu erkundigen,
ob und falls ja, in wieweit noch ein Anspruch auf den Kinderzuschlag bestand.
Das hat der Kläger nicht getan.
Die Beklagte hat daneben die erforderliche Billigkeitsentscheidung getroffen.
Sie hat dem Kläger Ratenzahlungen eingeräumt. Eine weitergehende
Billigkeitsentscheidung war und ist nicht geboten.
Fehler bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages sind nicht ersichtlich
und wurden auch nicht gerügt.
Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung des angefochtenen Bescheides
sowie des Widerspruchsbescheides und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von
der weiteren Begründung ab.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.