Urteil des VG Gelsenkirchen vom 08.06.2004

VG Gelsenkirchen: örtliche zuständigkeit, wohnung, briefkasten, verbrauch, abschlag, post, lebensgemeinschaft, entlastung, ungarn, treppenhaus

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 1207/04
Datum:
08.06.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 1207/04
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig
ab dem 24. Mai 2004 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der
Unterkunft T.------straße , H. zu gewähren,
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hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese
Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Danach kann
eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn ein Anordnungsgrund, d. h. die
besondere Eilbedürftigkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, und das
Bestehen des geltend gemachten Anspruches (sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft
gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dies ist hier nicht
der Fall.
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Die Antragstellerin hat ungeachtet der offenbleibenden Frage eines
Anordnungsgrundes einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Dieser setzte voraus, dass der Antragsgegner nach § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG örtlich
zuständig ist. Die Vorschrift bestimmt, dass für die Gewährung von Sozialhilfe der
Träger örtlich zuständig ist, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich
aufhält. Das bedeutet, dass es lediglich auf die körperliche Anwesenheit ankommt. Bloß
kurzfristige Abwesenheiten beenden die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers
nicht ohne Weiteres.
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Vgl. Schoch, Lehr- und Praxiskommentar, BSHG, 6. Aufl. 2003, § 97 Rn. 11
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Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie sich in dem
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entscheidungsrelevanten Zeitraum tatsächlich in H. aufgehalten hat bzw. zur Zeit noch
aufhält.
Seit längerer Zeit wurde das Sozialamt des Antragsgegners mehrfach mündlich und
schriftlich von verschiedenen Personen darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin
sich nicht mehr unter der im Rubrum angegebenen Wohnadresse T.-- ----straße , H. ,
aufhält. Es liegen im Gegenteil konkrete Angaben darüber vor, dass die Antragstellerin
sich tatsächlich regelmäßig unter einer - dem Antragsgegner bekannten - Bottroper
Anschrift bei einer namentlich bekannten männlichen Person aufhält. Ausweislich der
im Einstellungsbescheid vom 26. Mai 2004 wiedergegebenen Äußerung des
Hausmeisters der Wohnanlage wird die H1. Wohnung T.------ straße von der
Antragstellerin lediglich einmal monatlich aufgesucht, um das Treppenhaus zu putzen
und den Briefkasten zu leeren. Der vom Antragsgegner am 17. März 2004
eingeschaltete Ermittlungsdienst konnte die Antragstellerin nicht zuhause erreichen.
Eine Befragung von Hausbewohnern am 24. März 2004 ergab, dass die Antragstellerin
im Hause T.------straße nicht bekannt sei. Ihr Briefkasten ist nach Feststellung des
Ermittlungsdienstes „regelrecht mit Post zubetoniert" gewesen. Nach dem dem
Antragsgegner vorliegendem Kontoauszug vom 06. Januar 2004 zahlt die
Antragstellerin Energiekostenabschläge an die ELE GmbH in Höhe von 8,00 EUR.
Sofern es sich dabei - wie bei der ELE üblich - um eine zweimonatliche Zahlungsweise
handelt, entrichtet die Antragstellerin mithin monatlich 4,00 EUR an Energiekosten. Ein
derart niedriger Abschlag weist auf einen außerordentlich geringen Verbrauch hin bzw.
darauf, dass gegenüber dem Energieunternehmen lediglich die mtl. Grundgebühren
abgedeckt werden, und schließt eine regelmäßige Anwesenheit in der Wohnung
praktisch aus. Bei einer Vorsprache am 30. März 2004 hat die Antragstellerin zu diesen
ihr gegenüber vorgebrachten Sachverhalten keine Stellung genommen. Der
Aufforderung, zur Aufklärung der Angelegenheit eine Stellungnahme abzugeben und
geeignete Unterlagen vorzulegen (Heiz- und Stromkostenabrechnungen, aktuellen
Rentenbescheid, aktuelle Kontoauszüge ab Februar 2004 u.a.) ist die Antragstellerin
nicht nachgekommen. Auf Nachfrage am 05. Mai 2004 erklärte die Antragstellerin an
diesem Tage, sie sei weder bereit, zu den Vorhalten Stellung zu nehmen, noch
irgendwelche Unterlagen vorzulegen. Zu ihrer Entlastung konnte oder wollte sie somit
nicht beitragen. Auch anlässlich ihrer Vorsprachen in den Bürgersprechstunden des
Bürgermeisters hat die Antragstellerin keine aufklärenden oder entlastenden Angaben
machen können.
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Bei diesem Verhalten kann von einem Wohnen der Antragstellerin in H. nicht
ausgegangen werden.
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Demgegenüber kommt der formellen Anmietung der Wohnung T.------straße , der
sporadischen Reinigung des Hausflurs, der Leerung des überfüllten Briefkasten durch
die Antragstellerin und der melderechtlichen Anmeldung nur geringe Bedeutung zu.
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Demzufolge ist jedenfalls im vorliegenden summarischen Verfahren davon auszugehen,
dass sich die Antragstellerin nicht im Bereich des Antragsgegners örtlich aufhält und
dieser mithin nicht zuständig ist. Ob die Antragstellerin, wie der Antragsgegner meint, in
einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft in C. oder Ungarn lebt, kann offen bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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