Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 09.09.2010

VG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, höhere gewalt, verfassungskonforme auslegung, eingriff in grundrechte, treu und glauben, verlängerung der frist, unternehmen, behörde, stadt

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 180/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 EEG 2004, § 43 EEG 2009
Besondere Ausgleichsregelung nach EEG - hier:
Ausschlussfrist
Leitsatz
1. Sofern das Gesetz eine Frist als Ausschlussfrist kennzeichnet, ist eine wirksame
Verfahrenshandlung nach deren Ablauf ausgeschlossen. Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wird nicht gewährt. Nachsicht kommt nur in Betracht, wenn die
Fristversäumung durch eine Behörde verursacht oder mitveranlasst worden ist.
2. Es ist im Rahmen der gewährenden Verwaltung außerhalb der durch das
Sozialstaatsprinzip indizierten Daseinsvorsorge zweifelhaft, im vorliegenden Fall aber
unerheblich, ob die Überschreitung einer Ausschlussfrist im Falle höherer Gewalt
unschädlich ist, wenn das Gesetz keine Regelung für diesen Fall trifft.
3. Die besondere Ausgleichsregelung nach § 16 EEG 2004 (= §§ 40ff. EEG 2009) stellt
eine Regelung im Rahmen der gewährenden Verwaltung dar und nicht im Rahmen der
Eingriffsverwaltung.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine Eisengießerei. Wegen des damit verbundenen
erheblichen Stromverbrauchs nimmt sie seit 2005 die besondere
Ausgleichsregelung nach § 16 des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer
Energien vom 21.07.2002 (BGBl I S. 1918 – EEG 2004) in Anspruch. Am
26.05.2008 stellte sie bei der Beklagten den entsprechenden Antrag für das Jahr
2009. Darauf reagierte die Beklagte mit einem Schreiben vom 02.06.2008, mit
dem noch fehlende Unterlagen angefordert wurden, darunter insbesondere auch
die von dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu erbringende Bescheinigung
eines Wirtschaftsprüfers bzw. vereidigten Buchprüfers mit den Angaben über die
Höhe der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig weitergeleitete Strommenge
sowie der Differenzkosten im Sinne von § 15 EEG 2004. Die Klägerin hatte diese
Nachweise bereits mit Schreiben vom 28.03.2008 gegenüber ihrem
Elektrizitätsversorgungsunternehmen, den Stadtwerken A-Stadt GmbH,
angefordert. Nach Angaben der Stadtwerke A-Stadt GmbH gaben diese die
betreffende Bescheinigung am Freitag, dem 27.06.2008 gegen 12:30 Uhr mit
einfachem Brief zur Post. Sie ging bei der Beklagten am Dienstag, dem
01.07.2008 ein.
Mit Bescheid vom 17.12.2008 lehnte die Beklagte die beantragte Begrenzung der
Strommenge mit der Begründung ab, dass der Antrag einschließlich der
vollständigen Antragsunterlagen verspätet, nämlich erst am 01.07.2008
eingegangen sei, während das Gesetz insoweit eine Ausschlussfrist zum
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eingegangen sei, während das Gesetz insoweit eine Ausschlussfrist zum
30.06.2008 vorsehe. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit
Widerspruchsbescheid vom 22.12.2009 zurück. Am 26.01.2010 hat die Klägerin
Klage erhoben.
Sie trägt vor, unstreitig seien alle materiellen Voraussetzungen für die Begrenzung
des Strommengenanteils aus erneuerbaren Energien nach § 16 Abs. 2 EEG 2004
erfüllt. Bis auf die von den Stadtwerken A-Stadt vorzulegenden Nachweise seien
auch alle Antragsunterlagen rechtzeitig bei der Beklagten eingegangen. Zwar
handele es sich bei der Antragsfrist des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 um eine
Ausschlussfrist. Das schließe jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
jedenfalls dann nicht aus, wenn die Fristversäumung von einem Dritten zu
verantworten sei, nämlich hier von den Stadtwerken A-Stadt GmbH, und der
Antragsteller auf dessen Verhalten keinen Einfluss ausüben könne. Diese
Auffassung resultiere aus einer verfassungskonformen Auslegung der
einschlägigen Norm. Insoweit beruft sich die Klägerin auf einen Beschluss des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13.06.2006 (6 ZU 1104/06). Dabei sei zu
berücksichtigen, dass der Ausschlussfrist entgegen der Auffassung der Beklagten
keine disziplinierende Funktion zukomme. Dafür gebe es in den
Gesetzesmaterialien keinerlei Hinweise. In dem Fall, dass ein Dritter für die
Fristversäumung verantwortlich sei, könne eine disziplinierende Wirkung auf die
Antragsteller ohnehin nicht erreicht werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht
aus dem Urteil der Kammer vom 12.02.2009 (1 K 1463/08.F), da es sich dort um
einen Fall gehandelt habe, in dem die für die Antragstellerin selbst handelnden
Personen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Betracht gelassen hätten.
Die Stadtwerke A-Stadt hätten aber nicht für die Klägerin gehandelt, sondern aus
eigener gesetzlicher Pflicht. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die exakte
Einhaltung der Frist für den ordnungsgemäßen behördlichen Organisationsablauf
erforderlich sein solle. Die ab 2010 geltende Fassung des EEG sehe im Gegenteil
vor, dass die Anträge unter bestimmten Umständen sogar noch bis zum 30.09.
eines Jahres eingereicht werden könnten. In jedem Fall sei bei geringfügigen
Fristüberschreitungen von wenigen Stunden die Wiedereinsetzung das mildere
Mittel. Etwas anderes habe möglicherweise für die Zeit gegolten als das Gesetz
noch eine 10%-Deckelung vorgesehen habe und es insoweit für die Behörde
erforderlich gewesen sei, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Überblick
über die angemeldeten und zu berücksichtigenden Ansprüche zu verschaffen.
Diese Regelung sei aber im Jahre 2006 aufgehoben worden. Nun könnten alle
Anträge jeweils für sich und ohne vorherige Sichtung der Gesamtheit aller Anträge
bearbeitet werden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, inwiefern eine
Fristüberschreitung von wenigen Stunden die Beklagte daran hindern sollte, die
Entscheidung so rechtzeitig zu erlassen, dass die
Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die verantwortlichen
Übertragungsnetzbetreiber sich rechtzeitig vor Beginn des nächsten Jahres darauf
einstellen könnten. Schließlich komme es für die Entscheidung der Behörde auch
nicht wesentlich auf die von den Elektrizitätsversorgungsunternehmen
vorzulegenden durch Wirtschaftsprüfer bestätigten Nachweise an. Das ergebe sich
aus der Neuregelung im EEG 2009, demzufolge kein Nachweis über die Zahlung
der Differenzkosten mehr vorgelegt werden müsse. Im Übrigen sei jedenfalls dann,
wenn die Fristüberschreitung gering sei und von den Betroffenen mit zumutbarer
Sorgfalt nicht habe verhindert werden können und auch keine schädlichen Folgen
eingetreten seien, nach der einschlägigen Rechtsprechung Nachsicht zu
gewähren.
[Einfügung durch Berichtigungsbeschluss v. 28.10.2010:
„Die Klägerin trägt hierzu vor, dass es ihr trotz des entsprechenden Einwirkens auf
das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht hätte gelingen können, den
rechtzeitigen Eingang zu bewirken.“]
Insoweit verweist die Klägerin auf Entscheidungen des BayVGH (Urt. v. 10.01.2007
– 24 BV 03.722 –), des VG Hamburg (Beschluss v. 10.03.2010 – 5 E 2266/10 –)
und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss v. 17.03.2000 – 8 B 287/99 –).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2009 zu verpflichten, gemäß dem Antrag
der Klägerin vom 19.05.2008 den Anteil der Strommenge der von der D. AG, C-
Straße, E-Stadt im Jahr 2009 an die Klägerin weitergegeben wurde, für die
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Straße, E-Stadt im Jahr 2009 an die Klägerin weitergegeben wurde, für die
Abnahmestelle der Klägerin A-Straße, A-Stadt zu begrenzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide unter Hinweis darauf, dass
es sich nach dem Gesetz bei der überschrittenen Frist um eine Ausschlussfrist
handele. Sinn und Zweck der Regelung sei es, die Beklagte in die Lage zu
versetzen, zulässige und begründete Anträge noch rechtzeitig vor Ablauf des
laufenden Jahres und zu gleicher Zeit zu bewilligen. Dies werde in den Materialien
zur neuen Fassung des EEG (BT-Drs. 16/8148, S. 67) bestätigt. Die Möglichkeit
einer Wiedereinsetzung ließe eine Vielzahl von Verspätungen befürchten, in denen
die Behörde in jedem einzelnen Falle unter großem Zeitaufwand zu prüfen hätte,
ob die Verspätung verschuldet oder unverschuldet sei, so dass der einheitliche
und rechtzeitige Entscheidungsversand zum Jahresende in Frage gestellt sei.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, Beweis zu
erheben über die Behauptung, dass eine Stattgabe des Antrags auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder die Nachsichtgewährung wegen
Fristversäumnis auf Grund höherer Gewalt oder vergleichbarer Umstände des
Einzelfalls nicht erheblich mehr Zeit beansprucht hätte als die Ablehnung des
Antrags durch Vernehmung von zwei namentlich benannte Bedienstete der
Beklagten als Zeugen. Ferner hat sie beantragt, Beweis zu erheben über die
Behauptung, dass eine im Einzelfall gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nicht zur Beeinträchtigung der behördlichen Arbeitsabläufe beim
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, zu einer Verzögerung der
Entscheidung über die Anträge auf besondere Ausgleichszahlung, zu einer
größeren Ungenauigkeit bei der Prognose über den EEG Wälzungsmechanismus
sowie zu keiner Verzögerung bei der Beurteilung der Gesamtwertung aller
Begrenzungsbescheide führt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Kammer hat die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung mit der
Begründung abgelehnt, dass die zum Beweis gestellten Behauptungen als wahr
unterstellt werden.
Die Kammer hat einen Hefter Behördenakten beigezogen und zum Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Begrenzung der
Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 für das Jahr 2009 an der im
Antrag angegebenen Abnahmestelle, denn sie hat den Antrag nicht einschließlich
der vollständigen Antragsunterlagen im Sinne des § 16 Abs. 2 und 3 EEG 2004 bis
zum Ablauf des 30.06.2008 der Beklagten vorgelegt. Die von dem
Elektrizitätsversorgungsunternehmen der Klägerin vorzulegenden Nachweise nach
§ 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 gingen nämlich unstreitig erst am 01.07.2008 bei der
Beklagten ein und damit verspätet. Die Frist und die Rechtsfolgen der
Fristüberschreitung ergeben sich aus § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004. Dort heißt es:
„Der Antrag einschließlich der vollständigen Antragsunterlagen nach Absatz 2 oder
Absatz 3 und der Angabe des Elektrizitätsversorgungsunternehmens und des
regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers ist jeweils zum 30. Juni des
laufenden Jahres zu stellen (Ausschlussfrist).“
Zu den vollständigen Antragsunterlagen nach Absatz 2 gehört auch der Nachweis
nach Satz 2. Danach sind Elektrizitätsversorgungsunternehmen auf Antrag des
den Begrenzungsantrag stellenden Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle unverzüglich die anteilig weitergereichte
Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der
Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung
eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte
abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Für diesen Nachweis gilt wie für alle
anderen Unterlagen auch die Frist zum 30. Juni sowie der Umstand, dass es sich
dabei um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. auch HessVGH, B. v. 13.07.2006 – 6
ZU 1104/06).
Der Begriff ist ein terminus technicus der juristischen Sprache mit
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Der Begriff ist ein terminus technicus der juristischen Sprache mit
einer genau fixierten Bedeutung. Er bezeichnet einen den tatsächlichen oder
potenziellen Verfahrensbeteiligten zur Vornahme von Verfahrenshandlungen
eingeräumten Zeitraum, der nicht verlängert werden kann und nach dessen Ablauf
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand selbst bei unverschuldeter
Versäumung der Frist nicht möglich ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003 § 31
Rn 9; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 1. Aufl. 2010 § 31 Rn 20f.; Obermayer, VwVfG 3.
Aufl. 1999 § 31 Rn 11). Diesen Fachbegriff hat der Gesetzgeber zur näheren
Qualifikation der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 bezeichneten Frist verwendet. Das
Gesetz bringt damit eindeutig und einer abweichenden Auslegung nicht zugänglich
zum Ausdruck, dass eine Begrenzung des Anteils der Strommenge nach § 14 Abs.
3 Satz 1 EEG 2004 nicht stattfindet, wenn der darauf bezogene Antrag oder auch
nur eine der mit dem Antrag vorzulegenden Unterlagen nach Ablauf des 30. Juni
des jeweiligen Jahres bei der Beklagten eingeht. Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand kommt in einem solchen Falle nicht in Betracht. Da das Gesetz insoweit
weder einen behördlichen Ermessensspielraum einräumt, noch
Auslegungsspielräume eröffnet, können Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit oder
der Verhältnismäßigkeit, wie sie die Klägerin geltend macht, gegen den
Gesetzesvollzug nicht eingewandt werden.
Selbst wenn die Regelung mit der Verfassung unvereinbar wäre, gäbe es keinen
Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung (a. A. HessVGH a.a.O). Denn
dazu müsste der Gesetzeswortlaut überhaupt erst einen Auslegungsspielraum
eröffnen. Ein solcher ergibt sich auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkt einer
teleologischen Reduktion. Denn dies würde voraussetzen, dass aus anderweitigen
Quellen ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers feststellbar wäre, im Vergleich zu
dem dem Wortlaut des Gesetzes ein überschießender Sinngehalt zukäme. Davon
kann jedoch keine Rede sein. Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt zu der
Einführung der Ausschlussfrist nur die lapidare Bemerkung, dass der
vorgeschlagene Absatz die Vorschriften über das Verfahren enthalte (BT-Drs
15/2327, S. 40). Dies wird in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung an den
Bundesrat so wiederholt (BR-Drs 15/04, S. 92). Weitere Erwägungen dazu, aus
denen man schließen könnte, dass entgegen der Verwendung des Begriffs der
Ausschlussfrist unter bestimmten Umständen oder im Hinblick auf bestimmte
Unterlagen eine Fristüberschreitung doch unschädlich oder eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand möglich sein sollte, enthalten die Materialien nicht. Im
Gesetzentwurf zu der Neufassung des EEG von 2008 findet sich dieselbe Regelung
(§ 43 EEG 2009). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält hier eine sehr
ausführliche Begründung der Ausschlussfrist, die sich eingehend mit der
einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzt (BT-Drs 16/8148, S. 67). In
diesem Zusammenhang wird ausdrücklich ausgeführt: „Von der Einhaltung der
Ausschlussfrist gibt es keine Ausnahmen.“ Ansatzpunkte für eine
verfassungskonforme Auslegung im Rahmen einer teleologischen Reduktion sind
also nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen können verfassungsrechtliche
Bedenken nur die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes selbst in Frage stellen und
Anlass zu der Prüfung geben, ob eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
nach Art. 100 GG in Betracht zu ziehen ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin vermag das Gericht allerdings keine
Unvereinbarkeit der Regelung mit dem Grundgesetz zu erkennen, so dass eine
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zum Zwecke der Normenkontrolle nach
Art. 100 GG nicht in Erwägung zu ziehen ist. Die Klägerin macht für ihre
verfassungsrechtlichen Bedenken Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit bzw.
Unverhältnismäßigkeit geltend. Sie macht geltend, es gäbe keinen rationalen
Zweck, der die Ausschlussfrist rechtfertigen könnte, da sich im Falle der
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine wesentlichen Verzögerungen
ergeben hätte – weder für das einzelne betroffene Verwaltungsverfahren, noch für
die Abwicklung der Begrenzungsregelung für das Jahr 2009 insgesamt. Die
hinsichtlich dieser Behauptungen gestellten Beweisanträge konnte die Kammer
ablehnen, weil sie sie für zutreffend erachtet. Es ist in der Tat nicht zu erkennen,
wie die Gewährung einer Fristverlängerung in einem Einzelfall sich negativ auf das
konkrete Verfahren oder die Gesamtabwicklung der Begrenzungsregelung für das
Jahr 2009 hätte auswirken sollen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung
selbst zwei Fälle aus der Vergangenheit geschildert, in denen – wie sie meint aus
Gründen höherer Gewalt – Nachsicht gewährt wurde, ohne dass dies zu einer
spürbaren Beeinträchtigung der Abläufe geführt hätte. Indessen folgt allein daraus
noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Ausgestaltung der Antragsfrist als
Ausschlussfrist.
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Grundsätzlich ist zunächst zu bedenken, dass die Kriterien für die Prüfung des
legitimen Zwecks einer Regelung wesentlich davon abhängen, ob es sich um eine
rein behördliche Regelung im Rahmen des der Verwaltung eingeräumten
Ermessens handelt oder um eine gesetzliche Regelung. Bei behördlichen
Regelungen müssen an die Rationalität des Zwecks schon deshalb höhere
Anforderungen gestellt werden, weil die demokratische Legitimation dürftiger ist.
Bei einer gesetzlichen Regelung steht die Legitimation durch das
Demokratieprinzip dagegen im Vordergrund, so dass die Anforderungen an die
inhaltliche Rechtfertigung entsprechend geringer sind.
Kann also die Ausschlussfrist nicht schon allein deshalb verfassungswidrig sein,
weil sie aus Sicht der Klägerin überflüssig oder unsinnig ist, braucht der Frage, ob
dies tatsächlich der Fall ist oder ob sich nicht doch gewichtige rationale Gründe
dafür finden lassen, dahingestellt bleiben. Der maßgebliche Ausgangspunkt einer
verfassungsrechtlichen Prüfung ist deshalb nicht die Rationalität des Gesetzes,
sondern die Grundrechtsposition, die das Grundgesetz der Klägerin einräumt. Nur
im Rahmen eines konkreten Grundrechtseingriffs stellt sich die Frage nach der
Verhältnismäßigkeit, nämlich ob der Eingriff durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip
gerechtfertigt ist oder nicht.
Im Hinblick auf die Fristregelung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 lässt sich schon
kein Eingriff in ein Freiheitsrecht feststellen. Zu denken wäre hier allenfalls an einen
möglichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit im Rahmen des Grundrechts der
Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) oder an einen Eingriff in die allgemeine
Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Beides scheitert jedoch daran, dass kein
Eingriff vorliegt. Die Regelung darf nämlich nicht isoliert betrachtet werden,
sondern nur im Zusammenhang mit der materiellen Rechtsposition, von der ein
Unternehmen durch Versäumung der Antragsfrist ausgeschlossen wird. Bei dieser
Position handelt es sich nicht um eine Auferlegung rechtlicher oder tatsächlicher
Belastungen, also um einen Eingriff, sondern um eine Gewährung von Vorteilen,
also um eine Privilegierung.
Im Verhältnis zu Unternehmen und anderen Endverbrauchern von Strom, die die
gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, stellt die besondere
Ausgleichsregelung nach § 16 EEG 2004 eine Privilegierung und keine
Beeinträchtigung dar. Insbesondere um die internationale Wettbewerbsfähigkeit
von Unternehmen möglichst nicht zu beeinträchtigen, deren Produktion mit einem
außergewöhnlich hohen Stromverbrauch verbunden ist, werden Unternehmen, die
in den Anwendungsbereich des § 16 EEG 2004 fallen, über die besondere
Ausgleichsregelung an der Finanzierung erneuerbarer Energien proportional in
geringerem Umfang beteiligt als andere Stromverbraucher (vgl. ausdrücklich § 40
Abs. 1 S. 2 EEG 2009). Von einem Eingriff kann man auch nicht etwa deshalb
sprechen, weil das EEG, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung
ausgeführt hat, keinen „Wälzungsmechanismus“ vom
Energieversorgungsunternehmen auf den Endverbraucher vorsieht, sondern die
faktische Abwälzung allein auf der privatrechtlichen Vereinbarung zwischen dem
Energieversorgungsunternehmen und seinen Kunden beruht. Es ist zwar richtig,
dass die Ausgleichsregelung des § 16 EEG 2004 in dieses Privatrechtsverhältnis
eingreift. Das ist aber nur ein Eingriff in die Position des
Energieversorgungsunternehmens, bzw. wirtschaftlich betrachtet ein Eingriff in die
Rechtsposition aller nicht privilegierten Endverbraucher, die in entsprechend
größerem Umfang umweltfreundliche und teure Energie abnehmen müssen. Es ist
aber kein Eingriff zulasten des Unternehmens, das die besondere
Ausgleichsregelung des § 16 EEG 2004 in Anspruch nimmt. Diesem gegenüber
stellt sich die Regelung vielmehr als reine Bevorzugung und damit als Akt der
gewährenden Verwaltung und nicht als Akt der Eingriffsverwaltung dar.
Diese Privilegierung greift aber nur dann Platz, wenn die betroffenen Unternehmen
einen entsprechenden Antrag auf Begrenzung der Strommenge stellen, für die der
den Erzeugern erneuerbarer Energien zu zahlende Preis an Endverbraucher
abgewälzt werden darf, und wenn sie diesen Antrag vollständig innerhalb der
gesetzlichen Frist stellen. In diesen „Hürden“, die ein Unternehmen überwinden
muss, um die Privilegierung zu erhalten, liegt indessen schon deshalb keine
Schmälerung materieller Grundrechtspositionen, weil der Gesetzgeber ebenso gut
vollständig auf die Privilegierung dieser Unternehmen hätte verzichten können.
Das hätte nur dazu geführt, dass die Energieversorgungsunternehmen die von
ihnen nach dem Gesetz zu tragende Mehrbelastung auf diese Unternehmen
ebenso wie auf jeden anderen Endverbraucher in vollem Umfang umgelegt hätten,
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ebenso wie auf jeden anderen Endverbraucher in vollem Umfang umgelegt hätten,
ohne dass dadurch deren Grundrechtspositionen geschmälert worden wären.
Allein der Umstand, dass jemand in besonders hohem Maße Energie verbraucht,
verschafft ihm im Hinblick auf Grundrechte keine bessere Position als sie jemand
besitzt, der in geringerem Maße Energie verbraucht. Wenn überhaupt, dann
könnte in der Pflicht zur Abnahme erneuerbarer Energien und der Tragung der
Mehrkosten, die das EEG vorsieht und umverteilt, ein Eingriff in Grundrechte
gesehen werden, nicht aber in der in § 16 EEG vorgesehene Rückausnahme. Im
Übrigen bestehen gegen das EEG im Hinblick auf die vorrangige Abnahmepflicht
von erneuerbarer Energie und der Vergütungspflicht der Netzbetreiber und
Versorgungsunternehmen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urt.
v. 11.06.2003 – VIII ZR 160/02 –).
Eine Berührung von Grundrechten kommt auch im Hinblick auf das formale
Grundrecht des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG)
nicht in Betracht. Dieser wäre verletzt, wenn man feststellen könnte, dass die
Fristenregelung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 zu einer nicht zu
rechtfertigenden, also willkürlichen Benachteiligung von Unternehmen führt, die
ihren vollständigen Antrag verspätet einreichen, im Vergleich zu jenen
Unternehmen, die ihren Antrag rechtzeitig vorlegen. Eine solche ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung lässt sich jedoch nicht feststellen, zumal die Anforderungen
an die Rechtfertigung dieser Unterscheidung sehr gering sind. Zunächst ist davon
auszugehen, dass es dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt ist,
zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, auch wenn
dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (BVerfG, B. v. 10.10.1978 – 2
BvL 10/77 –, BVerfGE 49, 260 [275]). Dabei sind die Anforderungen, die an die
Rechtfertigung eines bestimmten Stichtages zu stellen sind, umso geringer je
mehr es allen Betroffenen in gleicher Weise möglich ist, sich darauf einzustellen.
Für in der Zukunft liegende Stichtage, zu denen bestimmte rechtsbegründende
Umstände geschaffen sein müssen, die die Betroffenen bewirken oder auf deren
Schaffung sie maßgeblichen Einfluss nehmen können, sind die Anforderung an die
Rechtfertigung äußerst gering. Es genügt insofern jeder irgendwie geartete Vorteil,
den diese Regelung beispielsweise auch für den Ablauf der Verwaltungstätigkeit
hat. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei dem in § 16 Abs. 6 EEG 2004
geregelten Stichtag um eine Regelung handelt, die vom Zeitpunkt der Schaffung
des Gesetzes aus in der Zukunft lag und liegt, sowie angesichts des Umstandes,
dass sich jedes Unternehmen auf diese Frist einstellen kann und es auch in seiner
Macht liegt, in geeigneter Weise auf das Energieversorgungsunternehmen
einzuwirken, um dieses zur rechtzeitigen Vorlage der von ihm zu erbringenden
Nachweise zu veranlassen – gegebenenfalls auch durch Wechsel zu einem
Anbieter, der das gewährleistet, oder durch die Androhung von
Schadensersatzansprüchen – sind auch im vorliegenden Fall an die Rechtfertigung
der Ausschlussfrist nur sehr geringe Anforderungen zu stellen. Insofern sind die
von der Beklagten ins Feld geführten Vorteile, die die Regelung für die
Verwaltungstätigkeit hat, vollständig ausreichend (ebenso: VG Frankfurt/M, U. v.
12.02.2009 – 1 K 1463/08.F; U. v. 16.3.2006, – 1 E 1542/05 –; HessVGH, Beschluss
vom 13.7.2006, – 6 UZ 1104/06 –; a. A. Müller in: Danner/Theobald, Energierecht,
2008, § 16 EEG, Rn 164; Salje, EEG, 5.Auflage 2009, § 43, Rn 32).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich
Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer
gesetzlichen Ausschlussfrist berufen können (BVerwG, U. v. 28.03.1996 – 7 C
28/95 –, BVerwGE 101, 39, TZ 17 m.w.N.). Dabei hatte das Gericht
Fallgestaltungen im Auge, die einen Folgenbeseitigungsanspruch begründen
können, nämlich solche, in denen Behörden durch fehlerhaftes Verhalten die
Versäumung der Frist verursacht haben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das
Elektrizitätsunternehmen, das nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 zur Vorlage der
dort näher bezeichneten Nachweise verpflichtet ist, kann auch nicht als ein durch
diese Regelung in Dienst genommenes Hilfsorgan der Behörde aufgefasst werden,
so dass dessen Fehlverhalten einem die Fristversäumung verursachenden
Fehlverhalten der Behörde gleichsteht. Bei der durch § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004
begründeten Pflicht handelt es sich nämlich nicht um eine solche gegenüber der
Behörde, sondern um eine solche gegenüber dem Antragsteller. Die Regelung
begründet gesetzliche private Rechtspflichten gegenüber dem Kunden des
Versorgungsunternehmens und gestaltet insofern die privatrechtlichen
Beziehungen zwischen dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen und seinem
Kunden.
Es bedarf keiner näheren Prüfung, ob eine Wiedereinsetzung in den
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Es bedarf keiner näheren Prüfung, ob eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand jedenfalls dann zulässig und geboten wäre, wenn die Klägerin aus
Gründen höherer Gewalt gehindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten. In der
Rechtsprechung ist die Berücksichtigung höherer Gewalt zur Überwindung von
Ausschlussfristen bisher nur in den Fällen anerkannt worden, in denen das Gesetz
selbst dies vorsieht, wie dies etwa in §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO, 32 Abs. 3
VwVfG oder bei den Regelungen zur höheren Gewalt im Agrarmarktrecht der
Europäischen Union (BVerwG, U. v. 29.04.2004 – 3 C 27/03 –) der Fall ist. Das
Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, ob höhere Gewalt auch dann zu einer
Überwindung von Ausschlussfristen führen kann, wenn das Gesetz dies nicht
vorsieht, in einem Beschluss über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision dahingestellt lassen, weil sie nicht entscheidungserheblich war (BVerwG,
B. v. 20.12.1990 – 7 B 167/90). Der Kammer erscheint es eher fernliegend, dass
im Falle gewährender Verwaltung außerhalb der vom Sozialstaatsprinzip
getragenen Daseinsvorsorge und ohne entsprechende gesetzliche Regelung die
Behörde das Risiko höherer Gewalt tragen soll und nicht der Bürger, der die
Begünstigung anstrebt. Ein höherrangiger Rechtssatz, aus dem dies zu folgern
wäre, ist der Kammer nicht bekannt. Indessen kann diese Frage hier auch deshalb
offen bleiben, weil jedenfalls die Voraussetzungen der höheren Gewalt nicht
vorliegen.
„‘Höhere Gewalt‘ ist im deutschen Recht der gebräuchlichste Befreiungsgrund bei
verschuldensunabhängiger Haftung (vgl. z. B. § 701 Abs. 3 BGB, §§ 1 Abs. 2, 2
Abs. 3 Nr. 3 HpflG, § 22 Abs. 2 WHG). In der Tradition der Rechtsprechung von
Reichsgericht und Bundesgerichtshof hat der Begriff in diesem Kontext eine feste
Formel erhalten. Danach beruht auf höherer Gewalt ein außergewöhnliches,
betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen
dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher
Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich
erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise
zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und
das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden
braucht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 7 StVG Rn. 32; Filthaut,
Haftpflichtgesetz, 6. Aufl., § 1 Rn. 158; Steffen, DAR 1998, 135; jeweils mit
zahlreichen Nachweisen der ständigen Rechtsprechung). Kürzer ausgedrückt: Es
muss sich um eine Einwirkung von außen handeln, die außergewöhnlich und nicht
abwendbar ist. Alle drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn höhere Gewalt
vorliegen soll.“ (OLG Celle, U. v. 12.05.2005 – 14 U 231/05 –) Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich
gewesen, die Verspätung der Zusendung abzuwenden, indem sie durch ständige
Erinnerung, durch die Aufforderung, die Unterlagen per Fax an die Beklagte zu
senden oder durch das Angebot, die Unterlagen selbst per Boten an die Beklagte
zu expedieren, für die rechtzeitige Vorlage gesorgt hätte. Dies wäre für sie
angesichts der beträchtlichen Beträge, um die es ging, kein unzumutbarer
Aufwand gewesen. Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, dass es ihr trotz
entsprechenden Einwirkens auf das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht
hätte gelingen können, den rechtzeitigen Eingang zu bewirken. Dafür ist auch
nichts ersichtlich.
Die von den Beteiligten angeführte Rechtsprechung steht diesem Ergebnis nicht
entgegen. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich in der Entscheidung vom
16.10.2007 (2 BvR 51/05) mit dem Begriff der höheren Gewalt, legt diesen aber
nicht wesentlich anders aus, als es hier geschehen ist. Es betont, dass der Begriff
nicht nur Ereignisse erfasst, die menschlicher Steuerung völlig entzogen sind,
sondern auch solche, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte
nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem
Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - also unter Berücksichtigung
seiner Lage, Erfahrung und Bildung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht
abgewendet werden konnte. Diese Bedingungen sind hier nicht erfüllt. Der
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.03.2000 (8 B 287/99) betrifft
den Fall, dass die Fristüberschreitung auf behördliches Fehlverhalten
zurückzuführen ist, was hier, wie oben dargestellt, nicht der Fall ist. Das Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10.01.2007 (24 BV 03.722) ist nicht
einschlägig. Es befasst sich mit der Frage, ob Wiedereinsetzung in die Frist zur
Stellung des Antrags auf Verlängerung der Frist zur Wiedereinreise nach § 44 Abs.
3 AuslG 1990 gewährt werden kann. Abgesehen davon, dass das Gericht diese
Frage verneint und sich nur hypothetisch mit der Frage einer so genannten
Nachsichtgewährung befasst, deren Voraussetzungen verneint werden, enthielt §
44 AuslG keine Bestimmung dazu, ob die dort angesprochenen Fristen
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44 AuslG keine Bestimmung dazu, ob die dort angesprochenen Fristen
Ausschlussfristen sind und eröffnete damit einen vergleichsweise größeren
Auslegungsspielraum als dies bei § 16 Abs. 6 S. 1 EEG 2004 der Fall ist.
Entsprechendes gilt für den zu der Nachfolgenorm des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG
ergangenen Beschluss des VG Hamburg vom 10.03.2010 (5 E 2266/10). Soweit
dieser Beschluss und andere Gerichtsentscheidungen, die die Klägerin zitiert,
dahingehend verstanden werden können, dass aus § 242 BGB (Grundsatz von
Treu und Glauben) eine generelle Regelung abgeleitet werden könne, wonach allein
schon wegen der Geringfügigkeit einer Fristüberschreitung zum Ausgleich
besonderer Härten eine Nachsichtgewährung in Betracht kommt, vermag die
Kammer das nicht nachzuvollziehen. Aus § 242 BGB folgt dies mitnichten, denn
diese dem Zivilrecht entstammende Norm statuiert keine allgemeine
Verhältnismäßigkeitsregelung, sondern schützt das Vertrauen in den Partner eines
Rechtsgeschäfts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Berufungszulassungsgründe des § 124
Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO). Insbesondere
waren die in diesem Verfahren zu klärenden Rechtsfragen bereits Gegenstand
obergerichtlicher Rechtsprechung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.