Urteil des VG Düsseldorf vom 21.09.2009

VG Düsseldorf (elternteil, uvg, kind, häusliche gemeinschaft, alleinerziehender elternteil, begründung, entlastung, rückforderung, zahlung, erklärung)

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 21 K 5293/09
Datum:
21.09.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
21. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 K 5293/09
Schlagworte:
Unterhaltsvorschuss Rückzahlung Elternteil alleinerziehend Erziehung
Betreuung
Normen:
UVG § 1 Abs 1 Nr 2 UVG § 5 Abs 1 UVG § 6
Leitsätze:
zum Tatbestandsmerkmal "bei einem seiner Elternteile lebt" bei
tageweise wechselnder Unterbringung (hier: jeweils 3 und 4 Tage je
Woche)
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
1
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166
VwGO i.V.m. § 114 ff. ZPO).
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Der für die Bewilligung erforderliche Grad der Erfolgsaussicht orientiert sich am Zweck
der Prozesskostenhilfe, die auch dem nicht ausreichend bemittelten Kläger oder
Antragsteller den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz zugänglich machen soll. Das
bedeutet, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn
der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist. Andererseits darf
Prozesskostenhilfe versagt werden, wenn ein Erfolg im jeweiligen
Rechtsschutzverfahren zwar nicht ausgeschlossen ist, ein Obsiegen des
Rechtsschutzsuchenden aber fernliegend erscheint. Schwierige, bislang nicht
ausreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im
Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.04.2000 – 1 BvR 81/00 , NJW 2000, 1936.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer
Rechtsverfolgung ist nach überwiegender Ansicht der Zeitpunkt der Entscheidungsreife
des Prozesskostenhilfeantrags bzw. ein Zeitraum alsbald nach diesem Zeitpunkt.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.06.2006 - 2 BvR 626/06 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss
vom 23.04.2002 - 11 S 119/02 -, NVwZRR 2002, 791; Baumbach-Lauterbach / Albers /
Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 114 Rdn. 82; Sodan / Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 166 Rdnr.
6
77, 81.
Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfegesuchs ist regelmäßig anzunehmen nach
der Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen durch den Antragsteller
sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.9.2007 - 10 C 39.07, 10 PKH 16.07 -, Buchholz 310 §
166 VwGO Nr. 42; Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 119 Rdnr. 44 ff.
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Mit der Vorlage aller Prozesskostenhilfe-Unterlagen einschließlich der nach § 117
Abs. 2 ZPO gebotenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse hat ein Beteiligter alles aus seiner Sicht Erforderliche für eine gerichtliche
Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch getan.
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In diesem Verfahren war Entscheidungsreife in dem beschriebenen Sinne mit Eingang
des Schriftsatzes des Bevollmächtigten der Klägerin vom 13.08.2009, dem die
bezeichnete Erklärung beigefügt war, spätestens nach Eingang der Klageerwiderung
der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.09.2009 eingetreten.
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Eine weitere Begründung zur Darlegung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung
durch die Klägerin war nicht geboten; dies gilt auch angesichts der anwaltlichen
Vertretung. Der im Verwaltungsprozess geltende Untersuchungsgrundsatz lässt
grundsätzlich die Notwendigkeit einer weitergehenden Begründung für einen
Prozesskostenhilfeantrag entfallen.
11
Vgl. Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Stand: März 2008, § 166 Rdnr. 17 ff.
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Anderenfalls würden unberechtigterweise im Rahmen eines Prozesskostenhilfegesuchs
höhere Anforderungen gestellt als bei der Klageerhebung selbst, bei der gem. § 82
VwGO die Angabe der zur Begründung dienenden Tatsachen nicht zwingend
vorgeschrieben ist. Die Frage, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung im
Verwaltungsprozess hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, lässt sich regelmäßig und
in den Fällen einer nicht vorliegenden Klagebegründung ausschließlich durch Einsicht
des Gerichts in die betreffenden Aktenvorgänge der beteiligten Behörde beantworten.
13
Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 03.02.2009 – 13 E 1694/08 .
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Allerdings läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem unbemittelten
Rechtsschutzsuchenden wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens
Prozesskostenhilfe zu verweigern, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht
kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie zu seinem Nachteil
ausgehen wird. Das bedeutet aber auch, dass eine Beweisantizipation im
Prozesskostenhilfeverfahren in eng begrenztem Rahmen zulässig ist,
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.02.2002 - 1 BvR 1450/00 -, NJWRR 2002, 1069;
Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02 -, NJW 2003, 2976; Beschluss vom
30.09.2003 - 1 BvR 2072/02 -, NJWRR 2004, 61; Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR
1807/07 -, NJW 2008, 1060;
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wenn etwa eine positive Würdigung zu Gunsten des um Prozesskostenhilfe
Nachsuchenden ausgeschlossen oder jedenfalls sehr unwahrscheinlich ist.
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Vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 30.11.1999 - 9 U 213/98 -, NJW- RR 2000, 1669,
OLG Köln, Beschluss vom 01.03.2000 - 1 W 101/99 -, NJWRR 2001, 791; LAG
Schlesw.-Holst., Beschluss vom 05.11.2003 - 1 Ta 169/03 -, NZA-RR 2004, 434; vgl.
OVG NRW, Beschluss vom 30.01.2009 – 6 E 934/07 .
18
Nach diesen Maßstäben bietet der von der Klägerin sinngemäß gestellte Antrag,
19
den Bescheid der Beklagten vom 22.07.2009 aufzuheben,
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keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ein Obsiegen der Klägerin erscheint
fernliegend. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 22.07.2009 hinsichtlich der
Einstellung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Kinder T und
T1 und die Rückforderung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in
Höhe von 5.489,29 Euro dürfte sich als rechtmäßig erweisen und die Klägerin nicht in
ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wegen der Begründung wird zur
Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffende
Begründung des angegriffenen Bescheids und die Klageerwiderung des Beklagten vom
15.09.2009 – mit Ausnahme der Ausführungen zur Unzulässigkeit der Klage verwiesen.
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Ergänzend wird darauf hingewiesen:
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Die Klage dürfte zulässig sein. Die Klägerin ist zur Überprüfung der Frage, ob sie als
alleinerziehender Elternteil im Sinne des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von
Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder –
ausfalleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz – UVG -) Unterhaltvorschussleistungen für
ihre Kinder erhalten kann, aktivlegitimiert.
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Vgl. dazu nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Beschluss vom 04.02.2003 – 16 A 1387/01 ; Urteil vom 23.09.1999 – 16 A 461/99 ,
FEVS 51, 361 = FamRZ 2000, 777; Beschluss vom 03.06.2002 – 16 E 45/02 ; Urteil der
Kammer vom 07.09.2007 – 21 K 5641/06 .
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Unabhängig davon ist der angegriffene Bescheid, der die Klägerin aufgrund der geltend
gemachten Rückforderung durch den Beklagten belastet, ihr gegenüber ergangen. Die
Klägerin macht insoweit geltend, im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch den
Verwaltungsakt in ihre Rechten verletzt zu sein.
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Die Klägerin wird die Einstellung und Rückforderung der Unterhaltsvorschussleistungen
hinnehmen müssen, da die Voraussetzungen für die Zahlung in dem fraglichen
Zeitraum nicht vorgelegen haben dürften und die Klägerin jedenfalls fahrlässig nicht
gewusst haben dürfte, dass die Voraussetzungen für eine weitere
Unterhaltsvorschusszahlung nicht gegeben waren bzw. ihrer Auskunfts- und
Anzeigepflicht nach § 6 UVG nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 ,
Nr. 2 UVG).
26
Der Ersatzanspruch nach § 5 Abs. 1 UVG normiert einen von den §§ 45 ff. SGB X
abweichenden und insoweit vorrangigen (§ 37 Satz 1 SGB I) Rückgriffsanspruch in
bestimmten Fällen zurechenbar rechtswidriger Leistungsgewährung. Dieser
Ersatzanspruch setzt die Aufhebung des bewilligenden, an das Kind als Berechtigten zu
richtenden Verwaltungsakt gerade deswegen nicht voraus, weil für die
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"Rückabwicklung" nicht das berechtigte Kind, sondern der Elternteil in Anspruch
genommen werden sollte, dem die objektiv rechtswidrige Zahlung der
Unterhaltsleistung zuzurechnen ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.06.2006 – 5 B 42/06 -, juris; OVG NRW, Urteil vom
05.02.2002 16 A 376/01 -, NJW 2002, 3564.
28
Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Haben die Voraussetzungen für die Zahlung der
Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder
nicht durchgehend vorgelegen, so hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, oder
der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen,
als er gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen
für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren.
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Diese Voraussetzungen dürften vorliegend erfüllt sein. Die Klägerin hat es ausweislich
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge schon bei Antragstellung zumindest fahrlässig
unterlassen, die Frage nach der alleinigen oder gemeinsamen Kinderbetreuung
gegenüber dem Beklagten zutreffend zu beantworten bzw. im laufenden
Leistungsbezug mitzuteilen. Stets hat sie ohne weitere Erklärung – sollten bei ihr
Zweifel bestanden haben allerdings auch ohne weitere Nachfrage angegeben, die
Kinder lebten bei ihr, obwohl schon auf dem Antragsformular die Möglichkeit der
alternativen und additiven Angabe "lebt bei seiner Mutter" und / oder "lebt bei seinem
Vater" (BA 1, Bl. 1; BA 2, Bl. 1) bestand bzw. auf einem Wiederholungsantrag (BA 2,
Bl. 20) ebenso ohne weitere Erklärung sich als "alleinerziehend" bezeichnet hat und
angegeben hat "Mein/e Kind/er T + T1 lebt weiterhin in meinem Haushalt."
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Hinsichtlich der angegriffenen Einstellung der bzw. Rückforderung von UVG-Leistungen
im wesentlichen mit der Begründung, die unterhaltsberechtigten Kinder der Klägerin
lebten bei beiden Elternteilen, nimmt die von der Rechtsprechung,
31
vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 07.02.2006 - 12 ZB 04.2403 -, juris, und vom 10.09.1998
12 ZB 97.2588 -; VG Lüneburg, Urteil vom 20.04.20004 - 4 A 2/03 , juris; VG Stuttgart,
Urteil vom 14.12.2000 - 9 K 4334/99 -, JAmt 2000, 149 – 150,
32
entwickelten Kriterien zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals "bei einem seiner
Elternteile lebt" zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, die auch von der erkennenden Kammer
angewandt werden,
33
vgl. nur Urteile vom 20.03.2009 - 21 K 3534/08 , vom 11.07.2008 21 K 5960/07 - und
vom 23.01.2001 - 21 K 1790/00 -, Gerichtsbescheid vom 15.02.2007 - 21 K 5676/06 -;
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auch bei im wesentlichen abwechselnder tageweiser Unterbringung der Kinder bei
jeweils einem der beiden Elternteile (hier: jeweils 3 und 4 Tage) hinreichend in den
Blick. Danach gilt folgendes:
35
Es ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob vorliegend § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG
Anwendung findet. Nach dieser Vorschrift hat Anspruch auf Unterhaltsleistungen, wer im
Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet
oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt, sofern das
zwölfte Lebensjahr des Kindes noch nicht vollendet ist und der andere Elternteil keinen
Unterhalt leistet.
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Das Unterhaltsvorschussgesetz verfolgt den Zweck, eine Sozialleistung nur für die
Kinder derjenigen Elternteile bereitzustellen, die Alltag und Erziehung auf sich gestellt
bewältigen müssen, wie dies schon in der vollständigen Bezeichnung des Gesetzes in
seiner Ursprungsfassung vom 23.07.1979 (BGBl. I S. 1184) Gesetz zur Sicherung des
Unterhalts von Kindern allein stehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse
oder ausfallleistungen zum Ausdruck gelangt ist.
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Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.06.2005 - 5 C 24/04 -, NJW 2005, 2938 (zu Kindern in
Lebenspartnerschaften); BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 1 BvL 13/00 , NJW-
RR 2004, 1154, und BVerwG, Urteil vom 07.12.2000 - 5 C 42/99 -, BVerwGE 112, 259
(zu Kindern in Stiefelternfamilien); Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucksache
8/1952, S. 1.
38
Bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "bei einem Elternteil leben",
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vgl. zur Rspr. der Kammer nur: Urteile vom 11.05.2007 - 21 K 381/07 - und vom
14.06.2006 21 K 277/05 -; Beschlüsse vom 06.09.2007 - 21 K 3002/07 -, vom
22.12.2006 - 21 K 4292/06 - und vom 09.08.2005 - 21 L 798/05 -,
40
ist der Sinn und Zweck des UVG zu beachten. Unterhaltsvorschussleistungen stellen
eine besondere Sozialleistung dar. Der Gesetzgeber hat sie vorgesehen, weil allein
erziehende Elternteile ihre Kinder in der Regel unter erschwerten Bedingungen
erziehen und bei Ausfall von Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils auch im
Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit für den von dem anderen Elternteil geschuldeten
Unterhalt aufkommen müssen. Diese zusätzliche Belastung soll durch eine öffentliche
Unterhaltsleistung aufgehoben oder wenigstens gemildert werden.
41
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Kind nur dann bei einem Elternteil lebt,
wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft hat, in der es auch
von ihm betreut wird.
42
Vgl. dazu Helmbrecht, 5. Aufl. 2004, § 1 Rdnr. 8.
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Abgrenzungsprobleme entstehen dann, wenn ein Kind regelmäßig einen Teil der Zeit
auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Maßgebliches Kriterium zur Beantwortung
der Frage, ob das Kind (nur) "bei einem Elternteil lebt", ist der Umfang der persönlichen
Betreuung und Versorgung, den das Kind beim anderen Elternteil findet, und die damit
einhergehende Entlastung bei der Pflege und Erziehung des Kindes. Es kommt darauf
an, ob der allein stehende Elternteil die doppelte Belastung mit Erziehung und
Unterhaltsgewährung wegen des Ausfalls des anderen Elternteils in seiner Person
allein zu tragen hat. Von einer solchen Doppelbelastung kann bei einer fortbestehenden
Betreuung durch den anderen Elternteil, die eine wesentliche Entlastung des
Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Betreuung des Kindes zur Folge
hat, nicht ausgegangen werden. Ist eine solche wesentliche Entlastung festzustellen,
sind Ansprüche nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ausgeschlossen. Dies entspricht
der Zielsetzung des Gesetzgebers, die besonderen Belastungen des Alleinerziehenden
auszugleichen. Fehlt es an dieser Belastung, weil der andere Elternteil maßgeblich an
der Betreuung des Kindes beteiligt ist, ist Unterhaltsvorschuss nicht zu gewähren.
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Vgl. BayVGH, Beschluss vom 07.02.2006 12 ZB 04.2403 , juris; VGH BW, Urteil vom
45
19.12.1996 6 S 1668/94 -, FamRZ 1997, 1034; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2001 -
21 K 1790/00 -.
In einem solchen Falle ist der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen vernichtet.
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So schon Kammerrechtsprechung im Beschluss vom 09.08.2005 - 21 L 798/05 -.
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Entscheidend für die Frage einer wesentlichen Entlastung ist dabei nicht allein die
Aufenthaltsdauer des Kindes bei dem anderen Elternteil. Erforderlich ist vielmehr eine
inhaltliche Gesamtbewertung des mit der Versorgung und Betreuung des Kindes
verbundenen Aufwandes.
48
Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2001 - 21 K 1790/00 -; Schleswig-Holsteinisches
VG, Urteil vom 04.03.1999 - 15 A 125/97 -, FamRZ 2000, 774.
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Die Kammer hat allerdings in der Vergangenheit auf dieser Grundlage auch jeweils
berücksichtigt, dass ein intensives räumliches Näheverhältnis des Kindes zu dem
"anderen" Elternteil andere Betreuungsleistungen, die nicht erbracht werden,
ausgleichen kann, z.B. wenn das Kind bei beiden Eltern lebt, möglicherweise sogar mit
jeweils eigenem Kinderzimmer bzw. in einer Wohnung, die von beiden - innerhalb
dieser Wohnung - getrennt lebenden Ehegatten bewohnt wird und das Kind jeweils von
dem einen oder anderen betreut wird, oder die Betreuungsleistungen von den Eltern
anders "aufgeteilt" sind, das Kind z.B. jeweils eine Woche bei dem einen und dann
wieder bei dem anderen Elternteil wohnt. Dies ist nicht zuletzt der gesetzlichen
Formulierung geschuldet, die davon ausgeht, dass das Kind "bei" einem Elternteil lebt.
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Vgl. Urteile vom 11.07.2008 - 21 K 5960/07 -, vom 11.05.2007 - 21 K 381/07 -; vom
15.02.2007 21 K 5676/06 -; Beschlüsse der Kammer vom 22.09.2008 - 21 K 4288/08 -;
vom 09.01.2007 21 K 5676/06 -; Beschluss vom 22.12.2006 - 21 K 4929/06 -.
51
Auf der Grundlage dieser Überlegungen dürfte der Einwand der Klägerin nicht
durchdringen, sie erbringe bei der abwechselnd tageweisen Betreuung der Kinder
(jeweils 3 und 4 Tage) hinaus Betreuungsleistungen, die weiter gingen als die des
Kindsvaters, da dieser für die Kinder lediglich an 3 Tagen sorge. Entscheidend für die
Frage einer wesentlichen Entlastung ist – da es nicht allein auf die Aufenthaltsdauer des
Kindes bei dem anderen Elternteil ankommt – nicht, ob beide Elterteile identische
Zeitanteile an der Kinderbetreuung erbringen, gewissermaßen Erziehungszeiten
minuten-, stunden- oder tageweise "abrechnen", "verrechnen" oder "aufrechnen".
Kindererziehung und –betreuung ist eben nicht nur eine Frage des Zur-Verfügung-
Stellens von Zeit, sondern mehr noch wie diese Zeit ausgefüllt wird. Dies berücksichtigt
die Rechtsprechung mit der Aufstellung des Grundsatzes der inhaltlichen
Gesamtbewertung des mit der Versorgung und Betreuung des Kindes verbundenen
Aufwandes.
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Vgl. Beschluss der Kammer vom 24.08.2009 – 21 K 4447/09 .
53
Man mag diese Konsequenz – wie in der Literatur geschehen – bedauern.
54
Vgl. dazu Helmbrecht, a.a.O., § 1 Rdnr. 8: In der Praxis treten hier Probleme auf, will
man der Vielfältigkeit unterschiedlicher Lebens- und Partnerkonzepte sowie den
gelebten Trennungs- und Scheidungsfolgenregelungen gerecht werden. Der
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gesellschaftliche Wandel, der seit dem ersten Inkrafttreten des UVG am 01.01.1980
weiter fortgeschritten ist, und nur mit Zeitverzug der Kodifizierung zugeführt wird, führt
von einem bloßen "alles oder nichts" der intakten oder gescheiterten Kleinfamilie weg.
Vielfach wird der Erkenntnis der Wichtigkeit der Präsenz beider leiblicher Elternteile für
die Entwicklung des Kindes auch nach einer Trennung nunmehr durch die Beteiligten
mit den unterschiedlichsten Modellen versucht Rechnung zu tragen.
Dem Kindeswohl und der Elternbeziehung förderliche Betreuungsmodelle unter
beiderseitiger Beteiligung verträgt sich mit der Grundvoraussetzung des UVG – dem
alleinerziehenden Elternteil – allerdings regelmäßig nicht. Der Klägerin dürfte diese
Grundvoraussetzung des UVG im Sinne einer "Parallelwertung in der Laiensphäre"
auch stets bewusst gewesen sein. Aus dem Verwaltungsvorgang ist ersichtlich, dass
sich die beiden Elternteile für ein aktives Modell der Kinderbetreuung in Abhängigkeit
von der situationsbedingten Änderung beruflicher Notwendigkeiten entschieden haben
und dieses Modell tatsächlich leben. Dies ist der Mitteilung des Kindsvater anlässlich
einer Vorsprache bei der Unterhaltsvorschusskasse der Beklagten am 17.04.2009
(BA 1, Bl. 17; BA 2, Bl. 35) zu entnehmen, nach der dieser in der fraglichen Zeit wohl
tatsächlich je Woche etwa 3 Tage für die Betreuung der Kinder gesorgt haben dürfte.
Darüber hinaus ist zu entnehmen, dass die Kinderbetreuungszeiten jeweils
abgesprochen wurden und sich am Schichtdienst der Klägerin ausgerichtet haben.
Diese Darstellung hat die Klägerin anlässlich ihrer Anhörung durch die Beklagte mit
Schreiben vom 06.07.2009 (BA 1, Bl. 21 f.; BA 2, Bl. 42 f.) bestätigt, insbesondere auch,
dass sie keine feststehenden Arbeitstage und –zeiten hat, sondern dass sie flexibel sein
müsse und es daher überaus schwierig sei, die exakte Betreuungszeit durch den
Kindsvater darzulegen.
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Auf dieser Grundlage wird ein erzieherischer Mehraufwand von der Kläger nicht geltend
gemacht oder wäre sonst ersichtlich. Vielmehr beschränkt sie sich auf eine – wie oben
dargelegt – unzulässige "zeitliche Verrechnung" und den Hinweis, sie habe einen Tag
mehr als der Kindsvater übernommen; dies führt aber bei unterhaltsvorschussrechtlicher
Gesamtbewertung nicht dazu, dass die Klägerin deshalb "alleinerziehend" im Sinne des
UVG wird.
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