Urteil des VG Düsseldorf vom 03.04.2003

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 L 1055/03
Datum:
03.04.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
26 L 1055/03
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen
die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. März 2003 wird
wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,-- Euro festgesetzt.
Dieser Beschluss soll den Beteiligten per Fax bekannt gegeben werden.
Gründe:
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Der Antrag hat Erfolg.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherstellen, wenn das private Interesse
des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das
entgegenstehende öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen
Vollziehung der Verfügung überwiegt. Dies ist vorliegend der Fall, denn die
angefochtene Verfügung ist offensichtlich rechtswidrig und an der sofortigen
Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte besteht nie ein öffentliches
Interesse.
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Nach § 63 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG) kann dem Beamten aus zwingenden
dienstlichen Gründen die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten werden.
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Zwingende dienstliche Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte liegen
vor, wenn bei objektiver Betrachtung eine Fortführung der Dienstgeschäfte durch den
Beamten zumindest vorübergehend nicht mehr vertretbar ist und keine andere
Möglichkeit besteht, die zu erwartenden dienstlichen Nachteile abzuwenden; dabei
muss der Anlass so dringend sein, dass die weitere Ausübung der Dienstgeschäfte
durch den betreffenden Beamten für den Dienstherrn zeitweise untragbar ist.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
16. Juli 1974 - XII A 572/72 -, ZBR 1975 S. 319 ff. sowie Beschluss vom 28. April 1992 -
6 A 2750/91 -; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 63 LBG
Rz. 3.
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Dass derartige Gründe in der Person des Antragstellers gegeben sind, ist nicht
erkennbar.
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Die Frage seiner eventuellen Dienstunfähigkeit ist in einem durch § 47 LBG geregelten
Verfahren zu klären, was die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens voraussetzt,
das derzeit noch nicht vorliegt. Unter bestimmten Voraussetzungen mag ein
Dienstvorgesetzter auch schon vor Kenntnis entsprechender ärztlicher Stellungnahmen
zur Zwangsbeurlaubung eines Beamten berechtigt sein, doch setzt dies regelmäßig
voraus, dass er auch als Laie gesundheitliche Störungen bei einem Beamten zu
erkennen vermag und diese Störungen im Dienstbetrieb, etwa beim Umgang beamteter
Ärzte oder Lehrer mit Patienten oder Kindern, untragbar sind.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 1995 - 6 A 5890/94 - sowie Beschlüsse vom 9.
August 1993 - 6 B 1502/93 - und vom 8. Dezember 2000 - 6 B 1702/00 -.
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Im Fall eines Verwaltungsbeamten, für den weder durch Rechts- noch durch
Verwaltungsvorschriften besondere gesundheitliche Anforderungen für die
Dienstfähigkeit (vgl. etwa § 194 Abs. 1 LGB für Polizeivollzugsbeamte) gestellt sind,
sind die in der angefochtenen Verfügung geäußerten Vermutungen, der Antragsteller
werde den „herausragenden Anforderungen und hohen Belastungen" seines Amtes
nicht mehr genügen und besitze nicht eine nicht näher definierte „zweifelsfreie
uneingeschränkte Dienstfähigkeit", jedenfalls so lange ohne tatsächliche Grundlage,
wie der Antragsteller daran gehindert wird, trotz Vorlage zweier ärztlicher
Bescheinigungen, nach denen bei ihm u.a. keine „Arbeitsunfähigkeit" (Prof. Dr. T) mehr
vorliege und er „seine Arbeit wieder vollschichtig aufnehmen" (Prof. Dr. I) könne, seine
dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 1. April
2003 ergeben sich insoweit keine neuen Gesichtspunkte. Darüber hinaus verlangt der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Feststellung, dass keine weniger
einschneidende Maßnahme als der Entzug sämtlicher Aufgaben in Betracht kommt.
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Vgl. Fürst u.a., GKÖD, § 60 BBG, Rz. 23.
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Hierzu enthält weder die angefochtene Verfügung irgendwelche Angaben, noch
ergeben sich entsprechende Gesichtspunkte aus dem vorgenannten Schriftsatz vom 1.
April 2003.
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Soweit in der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf abgestellt ist, auf Grund der
zwischen dem Antragsteller und der Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin
entstandenen persönlichen Spannungen sei „die ordnungsgemäße Durchführung der
Aufgaben nachhaltig gefährdet" und „insbesondere eine notwendige Zusammenarbeit"
mit der Oberbürgermeisterin „nicht gewährleistet", sind diese Erwägungen rechtlich
irrelevant. Der Antragsteller ist kein sog. politischer Beamter, der „jederzeit" in den
einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann (vgl. § 38 LBG). Der Bürgermeister einer
Gemeinde ist vielmehr gehalten, mit den vom Rat gewählten Beigeordneten im
Verwaltungsvorstand (§ 70 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen [GO
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NRW]) bei der Führung der Gemeindeverwaltung ohne eigenes Auswahlermessen
zusammen zu arbeiten. Die Amtszeit eines Beigeordneten kann vorzeitig nur durch
Abberufung (§ 71 Abs. 7 GO NRW) beendet werden. Ein hierauf gerichtetes Verfahren
ist hinsichtlich des Antragstellers gar nicht eingeleitet worden.
Mithin war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben; die
Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2
Gerichtskostengesetz.
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