Urteil des VG Düsseldorf vom 18.01.2008

VG Düsseldorf: bvo, arzneimittel, verzicht auf leistungen, angemessenheit der kosten, beihilfe, ausschluss, medikament, besoldung, rechtsverordnung, versorgung

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 3923/07
Datum:
18.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 3923/07
Tenor:
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben, ist es beendet.
Im Übrigen wird das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung der
Beihilfebescheide des Landesamtes für Besoldung und Versorgung
NRW vom 27. Februar 2007 und vom 7. März 2007 und des
Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Besoldung und
Versorgung NRW vom 16. August 2007 verpflichtet, dem Kläger auf
seine Anträge vom 10. Februar 2007 und vom 22. Februar 2007 zu den
Aufwendungen für die Beschaffung der Arzneimittel Aspirin protect Tbl.
100 mg N3 und Enzym-Lefax N Kautabletten eine Beihilfe in Höhe von
40,40 Euro zu gewähren.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte
Land kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 100,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am 00.00.1928 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger im vormaligen Dienst
des beklagten Landes und beihilfeberechtigt.
2
Mit Beihilfeantrag vom 10. Februar 2007 beantragte er unter anderem Beihilfe zu den
zwei ihm jeweils am 4. Januar 2007 ärztlich verordneten und am 12. Januar 2007
erworbenen Medikamenten Aspirin protect Tbl. 100 mg N3 (Kaufpreis 10,22 EUR) und
Tromcardin Tbl. Forte N3 (Kaufpreis 18,16 EUR). Mit Beihilfebescheid vom 27. Februar
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2007 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) die Gewährung von
Beihilfe insoweit (Beleg Nr. 3) mit der Begründung ab, die Medikamente seien nicht
verschreibungspflichtig und daher nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW nicht beihilfefähig.
Hinsichtlich Aspirin (Wirkstoff Acetylsalicylsäure) erging der Hinweis, dass die
Aufwendungen für Thrombozyten- Aggregationshemmer in der Nachsorge von
Herzinfarkt und Schlaganfall sowie nach arteriellen Eingriffen beihilfefähig seien.
Gegebenenfalls sei der Beleg mit einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung
wieder einzureichen.
Am 18. Februar 2007 erwarb der Kläger erneut das ihm 1x (18,16 EUR) und seiner Frau
2x (36,32 EUR) jeweils am 12. Februar 2007 verordnete Medikament Tromcardin und
ferner auf Grund derselben Verordnung das nur ihm verordnete Medikament Enzym-
Lefax N Kautabletten (Kaufpreis 47,49 EUR). Auf seinen Beihilfeantrag vom 22. Februar
2007 lehnte das LBV mit Beihilfebescheid vom 7. März 2007 die Gewährung von
Beihilfe insoweit (Belege 1 und 4) erneut mit der Begründung ab, die Medikamente
seien nicht verschreibungspflichtig und daher nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW nicht
beihilfefähig. Hinsichtlich Tromcardin (Wirkstoffe: Kaliumhydrogenaspartat und
Magnesium-DL-hydrogenaspartat) erging der Hinweis, dass die Aufwendungen für oral
verabreichte Magnesiumverbindungen bei Magnesiumverlusterkrankungen beihilfefähig
seien. Gegebenenfalls sei der Beleg mit einer entsprechenden ärztlichen
Bescheinigung wieder einzureichen.
4
Der Kläger erhob mit am 19. März 2007 eingegangenem Schreiben vom 15. März 2007
Widerspruch gegen die Nichtanerkennung der Beihilfefähigkeit der Medikamente
Aspirin, Tromcardin und Enzym-Lefax durch die vorerwähnten Bescheide und trug vor,
nach dem Inhalt eines ihm zugegangenen Informationsschreibens für
Beihilfeberechtigte seien nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel auch nach dem 1.
Januar 2007 beihilfefähig, wenn sie zum Therapiestandard gehörten. Dies sei hier der
Fall. Er leide an koronarer Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck
und werde hiergegen seit Jahren kontinuierlich und erfolgreich mit Aspirin 100 protect
und Tromcardin forte in einer Kombination mit Beloc-Zok 95 mg und Corangin retard 40
mg, beides verschreibungspflichtige Medikamente, therapiert. Zu der Therapie gehöre
auch das Enzym-Lefax, welches im Hinblick auf seine koronare Problematik als Mittel
gegen Meteorismus eingesetzt werde. Entsprechendes gelte für seine Ehefrau in bezug
auf die Verordnung von Tromcardin. Seine Frau sei seit 2001 Herzschrittmacher- und
Marcumar-Patientin und nehme dieses Medikament seither in Verbindung mit dem
verschreibungspflichtigen Medikament Pravasin 10 mg als Einheit ein. Diese Therapien
entsprächen gemäß der beigefügten Bescheinigung des behandelnden Arztes H in X
vom 11. März 2007 dem Therapiestandard bei den genannten Erkrankungen.
5
Das LBV übersandte dem Kläger daraufhin zwei Formblätter „Bescheinigung über
apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die bei der Behandlung
schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten" und bat diesen, die
Formblätter von dem behandelnden Arzt entsprechend ausfüllen zu lassen und wieder
einzureichen. In dem Formblatt kann in drei Spalten jeweils der Name des Präparates
(1. Spalte), die Diagnose (2. Spalte) und die „ggf entsprechende Arzneimittelrichtlinie"
(AMR, 3. Spalte) eingetragen werden. Der Kläger legte die zu den Spalten 1. und 2.
durch den Arzt am 30. März 2007 (Kläger) und am 6. April 2007 (Ehefrau) ausgefüllten
Formblätter mit Schreiben vom 13. April 2007 wieder vor, wobei die 3. Spalte nicht
ausgefüllt worden war.
6
Mit Schreiben vom 25. Juni 2007 legte der Kläger die ihm vom LBV mit der Bitte um
Ergänzung durch den behandelnden Arzt zurück gesandten Formblätter erneut vor und
erklärte, der Arzt sehe sich außer Stande, die ihm und seiner Ehefrau verordneten
Medikamente unter die Arzneimittelrichtlinie zu subsumieren, da diese dort fehlten. Er
reiche die Bescheinigungen daher insoweit unerledigt zurück. In einem
Beihilfebescheid vom 6. Juli 2007 teilte das LBV dem Kläger daraufhin mit, dieser lege
erneut die ärztlichen Bescheinigungen vom 30. März und vom 6. April vor. Eine
Berücksichtigung dieser Aufwendungen sei jedoch nicht möglich, weil es sich nicht um
den Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen handele. Mit Schreiben vom
20. Juli 2007 rügte der Kläger die Verfahrenshandhabung und erbat einen förmlichen
Widerspruchsbescheid.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2007 wies das LBV den Widerspruch des
Klägers vom 15. März 2007 gegen die Nichtanerkennung der oben genannten
Medikamente durch Beihilfebescheide vom 27. Februar und 7. März 2007 als
unbegründet zurück. Sämtliche Medikamente seien nicht verschreibungspflichtig und
daher nicht beihilfefähig. Dass es sich vorliegend um den Therapiestandard bei
schwerwiegenden Erkrankungen handele, sei vom Arzt nicht belegt. Die Entscheidung,
ob ein nicht verschreibungspflichtiges, aber apothekenpflichtiges Arzneimittel zum
Therapiestandard gehöre, sei entsprechend der in den Arzneimittelrichtlinien des
Bundesausschusses vorgegebenen Indikationen bzw. der entsprechenden
Arzneimittelrichtlinie zu treffen.
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Am 31. August 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, der
Widerspruchsbescheid lasse die entscheidende Frage offen, nämlich von wem und wo
festgelegt werde, ob ein nicht verschreibungs-, jedoch apothekenpflichtiges Medikament
zum Therapiestandard gehöre. In der BVO finde er hierfür keinen Anhalt.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des beklagten Landes angekündigt,
dem Kläger zu den Aufwendungen für Tromcardin auf Grund geänderter Erlasslage
Beihilfe gewähren zu wollen. Daraufhin haben die Beteiligten das Verfahren insoweit in
der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt noch,
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das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung der Beihilfebescheide des Landesamtes
für Besoldung und Versorgung NRW vom 27. Februar 2007 und vom 7. März 2007 und
unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides desselben vom 16. August 2007 zu
verpflichten, ihm auf seine Beihilfeanträge vom 10. Februar 2007 und vom 22. Februar
2007 eine weitere Beihilfe in Höhe von 40,40 EUR zu bewilligen.
12
Das beklagte Land beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des LBV verwiesen.
15
Entscheidungsgründe:
16
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
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erklärt haben, ist es beendet.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist in dem weiter verfolgten Umfang begründet. Der
Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Beihilfe gemäß seinem Klageantrag, § 113
Abs. 5 Satz 1 VwGO.
18
Die von dem Kläger im Jahre 2007 und damit unter Geltung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2
lit. b BVO NRW in der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung angeschafften
Medikamente sind nach eben dieser Regelung von der Beihilfefähigkeit ausgenommen,
weil sie nicht verschreibungspflichtig sind (1). Die Regelung ist jedoch unwirksam, weil
es an der notwendigen Ermächtigungsgrundlage fehlt (2). Ob deshalb auf die
Regelungen der BVO NRW in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung oder
unmittelbar und ausschließlich auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW abzustellen ist, kann
dahinstehen, weil die Aufwendungen des Klägers in beiden Fällen beihilfefähig sind (3).
19
1. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 lit. b der Verordnung über die Gewährung von
Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung - BVO -, hier in
der Fassung der 21. Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 22.
November 2006, GV NRW S. 596 [21. ÄndVO], nachfolgend BVO NRW 2007) sind nicht
beihilfefähig Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind. Die Regelung ist am 1.
Januar 2007 in Kraft getreten und gilt für Aufwendungen, die nach dem 31. Dezember
2006 entstehen (Art. II der 21. ÄndVO).
20
Die von dem Kläger nach dem 31. Dezember 2006 erworbenen Produkte Aspirin protect
100 mg und Enzym-Lefax N Kautabletten sind nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel im Sinne der vom Verordnungsgeber der BVO NRW 2007 offensichtlich in
Bezug genommen Regelungen des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln
(Arzneimittelgesetz - AMG -, in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember
2005, BGBl. I, 3394, zuletzt geändert durch Art. 2 G.v. 24. Oktober 2007, BGBl. I 2510),
welches in § 2 den Begriff des Arzneimittels definiert und in § 48 die
Verschreibungspflicht regelt.
21
Gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen,
die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen ... Körper
Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu
lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Hierunter fallen auch, ohne dass dies einer
Vertiefung bedarf, die vom Kläger erworbenen Produkte. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1
Ziffer 1 AMG dürfen bestimmte Arzneimittel nur bei Vorliegen einer ärztlichen,
zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden.
Welche Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterfallen, bestimmt gemäß § 48 Abs. 2
AMG das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung. In der auf Grund
dessen erlassenen Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln
(Arzneimittelverschreibungsverordnung - AMVV - vom 21. Dezember 2005, BGBl I,
3632) welche wiederum in ihrer Anlage die Stoffe und Zubereitungen benennt, die die
Verschreibungspflicht begründen, sind die Wirkstoffe der hier streitigen Arzneimittel
(Acetylsalicylsäure bzgl. Aspirin und Pankreas-Pulver bzgl. Enzym-Lefax) nicht
aufgeführt, weshalb die streitigen Arzneimittel nicht verschreibungspflichtig sind. Als
Folge dessen sind sie zugleich auch von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen.
22
Soweit auf Grund der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 BVO NRW 2007 einzelne
Rückausnahmen von dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit
23
nichtverschreibungspflichtiger Medikamente vorgesehen sind, liegen deren
Voraussetzungen nicht vor. Insoweit wird auf die die Ausnahmetatbestände zutreffend
verneinenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
2. Der Ausschluss sämtlicher nichtverschreibungspflichtiger Medikamente durch § 4
Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 lit. b. BVO NRW ist unwirksam, weil die Regelung einen gesetzlich
bereits dem Grunde nach gewährten Anspruch ausschließt, ohne dass diesem
Ausschluss eine gem. Art. 70 der Verfassung des Landes Nordrhein- Westfalen
erforderliche Ermächtigungsgrundlage zugrunde liegt.
24
Vgl. auch Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 5. Mai 2006 - 3 K 1846/05 -,
Juris.
25
Gemäß § 88 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
(Landesbeamtengesetz - LBG NRW) erhalten u.a. Beamte und Ruhestandsbeamte
Beihilfen zu den Aufwendungen u.a. in Krankheitsfällen. Gemäß § 88 Satz 2 LBG NRW
sind beihilfefähig die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für den
Beihilfeberechtigten selbst und u.a. seinen nicht selbst beihilfeberechtigten Ehegatten.
Bei der Bemessung der Beihilfe sind nach § 88 Satz 3 LBG NRW insbesondere der
Familienstand, die Art der Aufwendungen, Ansprüche auf Heilfürsorge, auf
Krankenpflege und sonstige Sachleistungen sowie Ansprüche auf Kostenerstattung auf
Grund von Rechtsvorschriften und auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen in der
Höhe zu berücksichtigen, in der sie ohne Verzicht auf Leistungen oder
Nichtinanspruchnahme von Leistungen zustehen; Leistungen von Versicherungen
können berücksichtigt werden. Das Nähere regelt gemäß § 88 Satz 4 LBG NRW das
Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium - bei Änderungen von
grundsätzlicher Bedeutung im Benehmen mit dem Ausschuss für Innere Verwaltung des
Landtags - durch Rechtsverordnung. Darin kann gemäß § 88 Satz 5 LBG NRW
unabhängig von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten die
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen bei zahnärztlichen Leistungen, bei Beschäftigung
von Pflegekräften und Hauspflegekräften, bei Hilfsmitteln, bei Aufenthalten in
Sanatorien und Heimen, bei Heilkuren, bei Behandlungen außerhalb des Wohnortes
des Beihilfeberechtigten sowie in Todesfällen begrenzt werden; daneben kann der
Beihilfeberechtigte über die Eigenvorsorge hinaus zu einer vertretbaren
Selbstbeteiligung an den Kosten herangezogen werden.
26
Daher gewähren nicht etwa die BVO NRW oder die Fürsorgepflicht, sondern unmittelbar
§ 88 Sätze 1 und 2 LBG NRW den Beihilfeberechtigten unter anderem in
Krankheitsfällen einen gesetzlichen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe zu ihren
notwendigen und angemessenen Aufwendungen.
27
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August
2007 - 6 A 2321/06 -juris.
28
Ein gesetzlicher Anspruch kann aber durch eine Rechtsverordnung nicht wieder
genommen werden, es sei denn, das Gesetz selbst ermächtigt zu einer Beschränkung
des von ihm selbst grundsätzlich gewährten Anspruchs. An einer solchen gesetzlichen
Ermächtigung, die den Ausschluss nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 lit b BVO NRW
rechtfertigen könnte, fehlt es. Der gesetzlich begründete Anspruch auf Gewährung von
Beihilfe in Krankheitsfällen schließt dem Grunde nach die Beihilfefähigkeit notwendiger
Medikamente in angemessenem Umfang ein. Er kann durch die nach § 88 Satz 4 LBG
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NRW erlassene Rechtsverordnung (BVO) nur im Umfang des § 88 Satz 5 LBG NRW
auch unabhängig von der Notwendigkeit und Angemessenheit begrenzt werden. § 88
Satz 5 erster Halbsatz LBG NRW zählt jedoch Medikamente (Arzneimittel) nicht auf und
würde auch nur eine Begrenzung, nicht jedoch einen vollständigen Ausschluss
rechtfertigen können.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August
2007, a.a.O. unter Hinweis auf Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 19. Dezember
2006 - 13 K 3613/06 -.
30
Der Verordnungsgeber der BVO NRW darf generelle Regelungen zur Beihilfefähigkeit
von Medikamenten (Arzneimitteln) auf der ihn allein ermächtigenden Grundlage des §
88 LBG NRW nur mit dem Ziel der verallgemeinernden Vorabregelung ihrer
Notwendigkeit und/oder Angemessenheit erlassen. Die Verschreibungspflichtigkeit
bestimmter Medikamente knüpft aber nicht an die beihilferechtlichen Begriffe der
Notwendigkeit und Angemessenheit, sondern allein an deren Gefährlichkeit an. Zweck
der Regelung in §§ 48 AMG ist u.a. der Verbraucherschutz.
31
Vgl. LG München, Urteil vom 6. Juli 2005 - 1 HKO 6977/05 -, Juris.
32
Stoffe mit einem bestimmten Gefährdungspotential sollen nicht frei gehandelt werden
dürfen; an den Verbraucher dürfen sie deshalb nicht ohne ärztliche Freigabe
(Verschreibung) abgegeben werden. Ob Aufwendungen beihilferechtlich notwendig
sind, richtet sich jedoch danach, ob sie medizinisch geboten sind, was sich wiederum in
aller Regel nach der Beurteilung des behandelnden Arztes richtet.
33
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August
2007, a.a.O. m.w.n.
34
Der Ausschluss nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel stellt auch keine generelle
Vorabregelung der Angemessenheit dar. Zur näheren Bestimmung der Angemessenheit
darf der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 88 Satz 4 LBG NRW Kriterien
aufstellen, nach denen er die Beihilfefähigkeit notwendiger Aufwendungen quantitativ
begrenzt. Ein vollständiger Ausschluss der Beihilfefähigfähigkeit notwendiger
Aufwendungen überschreitet diesen Rahmen jedoch, weil er keine quantitative
Regelung darstellt.
35
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August
2007, a.a.O. m.w.n.
36
Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente kann auch nicht als
Regelung einer vertretbaren Selbstbeteiligung an den Kosten i.S.d. § 88 Satz 5 letzter
Halbsatz LBG NRW angesehen werden. Die Norm ist auf die Einführung der
Kostendämpfungspauschale zugeschnitten und erlaubt keine Ausschlussregelung für
einzelne Aufwendungen.
37
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August 2007,
a.a.O.
38
Der mithin gegebene Mangel einer notwendigen Ermächtigungsgrundlage wird nicht
dadurch unbeachtlich, dass auf Grund der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 BVO
39
NRW 2007 wiederum (hier nicht einschlägige) Rückausnahmen von dem Ausschluss
der Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Medikamente vorgesehen sind, die
der Finanzminister durch Anlage 2 zur BVO und durch die zur BVO erlassenen
Verwaltungsvorschriften zu regeln ermächtigt wird. Denn insoweit fehlt es bereits an
einer durch § 88 Satz 2 LBG NRW materiell gebotenen inhaltlichen Bestimmung des
Zieles der Rückausnahme. Um § 88 Satz 2 LBG NRW in dem gebotenen Umfang
Geltung zu verschaffen, müsste die Rückausnahme gezielt darauf gerichtet sein,
sämtliche notwendigen Medikamente (wenigstens anteilig) für beihilfefähig zu erklären.
Dieses Ziel lässt sich jedoch der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 BVO NRW nicht
entnehmen. Einziger materieller Anknüpfungspunkt ist insoweit der Therapiestandard
bei schwerwiegenden Erkrankungen. Der gesetzliche Beihilfeanspruch setzt jedoch das
Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung offensichtlich nicht voraus.
Fehlt es daher der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 lit. b BVO NRW 2007 an einer
notwendigen Ermächtigungsgrundlage, so ist die Kammer, weil es sich bei der BVO
NRW insgesamt lediglich um eine untergesetzliche Regelung handelt, befugt, sie im
Einzelfall nicht anzuwenden.
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3. Ob bei der deshalb gegebenen Unwirksamkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 lit. b BVO
NW 2007 unmittelbar auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO 2007 abzustellen ist oder aber die letzte
wirksame Fassung der BVO NRW wieder auflebt, mithin die Regelung in § 4 Abs. 1 Nr.
7 BVO NRW in der Fassung der 19. Verordnung zur Änderung der BVO (vom 12.
Dezember 2003, GV NRW S. 756, nachfolgend BVO NRW 2004) fort gilt, kann dahin
stehen. Denn in beiden Alternativen sind die Aufwendungen des Klägers beihilfefähig.
41
Bei Geltung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW 2004 hat der Kläger auf Grund ärztlicher
Verordnung Medikamente angeschafft, hinsichtlich derer Ausschlussgründe nach § 4
Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 lit. a bis e BVO NRW 2004 nicht ersichtlich sind.
42
Bei alleinigem Abstellen auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW 2007 hat der Kläger notwendige
Aufwendungen gehabt, weil ihm und seiner Frau Arzneimittel im Krankheitsfall vom Arzt
verordnet worden sind, die er darauf hin erworben hat. Ob Aufwendungen medizinisch
geboten sind, richtet sich in aller Regel nach der Beurteilung des behandelnden Arztes.
43
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August
2007, a.a.O. m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
44
Die Angemessenheit der Aufwendungen bestreitet das beklagte Land nicht; die Kammer
hat auch keinen Anlass zu diesbezüglichen Zweifeln.
45
Die Höhe des weiteren Beihilfeanspruchs berechnet sich wie folgt: Die Summe der
Anschaffungspreise der Arzneimittel beträgt (10,22 EUR plus 47,49 EUR =) 57,71 EUR;
70% hiervon ergeben 40,40 EUR.
46
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten
Teils des Verfahrens auf § 161 Abs. 2 VwGO. Insoweit entspricht es billigem Ermessen,
dem beklagten Land die Kosten aufzuerlegen, weil es dem Klagebegehren abgeholfen
und sich damit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Im Übrigen beruht
die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die weiteren Nebenentscheidungen
beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
47
Die Zulassung der Berufung folgt aus der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache,
§§ 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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49