Urteil des VG Düsseldorf vom 29.11.2005

VG Düsseldorf: vertrag über die europäische union, behandlung im ausland, bvo, sinn und zweck der norm, erste hilfe, angemessenheit der kosten, mitgliedstaat, ärztliche behandlung, fürsorgepflicht

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 327/05
Datum:
29.11.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 327/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung des beklagten Landes durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 50 Euro abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der am 0.0.0000 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger des beklagten Landes.
Während eines Urlaubsaufenthaltes in Österreich erlitt er am 8. August 2004 einen
Wespenstich in die Zunge. Auf Veranlassung des herbeigerufenen behandelnden
Gemeindearztes X wurde er wegen eines drohenden Verschlusses der Atemwege mit
einem Rettungshubschrauber der Christophorus Flugrettung in das Krankenhaus X1
geflogen.
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Mit Antrag vom 9. September 2004 beantragte der Kläger beim Landesamt für
Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV NRW) als der für ihn
zuständigen Festsetzungsstelle die Gewährung einer Beihilfe u.a. zu den
Aufwendungen für diesen Transport mit dem Rettungshubschrauber gemäß der
Rechnung der Christophorus Flugrettung vom 2. September 2004 in Höhe von 2.705,20
Euro.
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Mit Beihilfebescheid vom 15. September 2004 lehnte das LBV NRW die Gewährung
einer Beihilfe zu den Aufwendungen für den Rettungshubschraubereinsatz ab. Zur
Begründung wies es darauf hin, dass Beförderungskosten im Zusammenhang mit einer
Behandlung im Ausland nicht beihilfefähig seien.
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Der Kläger legte gegen die ablehnende Beihilfeentscheidung Widerspruch ein. Zur
Begründung führte er aus, dass es sich bei dem Einsatz des Rettungshubschraubers am
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8. August 2004 nicht um einen bloßen Transport gehandelt habe. Vielmehr sei er in dem
Hubschrauber durch den Notarzt M behandelt worden, so dass sich der Einsatz des
Hubschraubers als mittlere von drei Behandlungsstufen darstelle. Der Einsatz des
Rettungshubschraubers habe die zunächst durch den Arzt X vor Ort begonnene
Behandlung fortgesetzt. Die Behandlung sei dann anschließend im Krankenhaus in X1
wiederum fortgeführt worden. Im Hubschrauber selbst sei er an verschiedene Geräte
angeschlossen worden. Auch habe er eine Kanüle in die Hand gelegt bekommen.
Während des Flugs sei vom Notarzt M laufend sein Zustand (Puls, Blutdruck, Atmung,
Sauerstoffgehalt des Bluts, Reaktionen) kontrolliert worden. Es sei auch nicht Sinn des
§ 10 Abs. 1 S. 3 BVO, Rettungsmaßnahmen von der Berücksichtigung bei der
Beihilfefestsetzung auszuschließen, insbesondere wenn es sich um solche nach
Unfällen handele. Diese Auslegung stehe im Widerspruch zur höherrangigen
gesetzlichen Norm des § 88 LBG, die die Fürsorgepflicht des Dienstherrn regele. Eine
gesetzeskonforme Auslegung des § 10 Abs. 1 BVO ergebe sich dann, wenn zwischen
Erkrankungen ohne unmittelbare Lebensgefährdung und Unfällen mit
lebensbedrohenden Schäden unterschieden werde. Ein entsprechender
gesetzgeberischer Wille ergebe sich aus einem Vergleich von § 10 Abs. 1 S. 4 BVO und
§ 10 Abs. 3 Nr. 2 BVO. Es stelle sich außerdem die Frage, ob § 10 BVO überhaupt auf
Unfälle anzuwenden sei. Aus der Bescheinigung des X ergebe sich schließlich, dass
der Einsatz des Notarzt-Hubschraubers im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 11 S. 3 BVO
unvermeidbar gewesen sei. Im übrigen stelle ein Ausschluss der im Ausland geleisteten
Rettungseinsätze von der Beihilfefähigkeit einen Verstoß gegen die EU-Regelungen
des freien Dienstleistungs- und Reiseverkehrs dar. Die entsprechende Regelung dürfe
daher nicht angewandt werden, weil sie sich auf das Reiseverhalten der
Beihilfeberechtigten auswirken könne. Andernfalls sei der Weg zum EuGH eröffnet.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2004 bestätigte das LBV NRW den Eingang des
Widerspruchs und forderte den Kläger zur erneuten Vorlage der Rechnungsbelege auf.
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Mit Beihilfebescheid vom 22. November 2004 forderte das LBV NRW den Kläger im
Zusammenhang mit der Bewilligung einer Beihilfe zu anderen Aufwendungen erneut
dazu auf, die Rechnungsbelege zum Einsatz des Rettungshubschraubers zur Prüfung
vorzulegen.
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Mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 legte der Kläger auch gegen den Bescheid vom
22. November 2004 im Hinblick auf die fortbestehende Ablehnung der
Beihilfegewährung zu den Aufwendungen für den Einsatz des Rettungshubschraubers
Widerspruch ein.
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Das LBV NRW wies die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 15.
September und 22. November 2004 durch Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember
2004 zurück. Die Beihilfefähigkeit von Behandlungen im Ausland richte sich nach § 10
BVO. Nach § 10 Abs. 1 S. 3 BVO seien Beförderungskosten zum Behandlungsort
abweichend von § 4 Abs. 1 Nr. 11 BVO im Ausland nicht beihilfefähig. Auch der
Rettungsflug durch die Christophorus Flugrettung in Österreich am 8. August 2004 stelle
Beförderungskosten anlässlich einer Behandlung im Ausland dar. Die Regelung des §
10 Abs. 1 S. 3 sei im übrigen identisch mit den Regelungen der gesetzlichen
Krankenversicherung.
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Der Kläger hat am 24. Januar 2005 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung
führt er ergänzend zu seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren aus, dass im
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Vergleich von § 10 Abs. 1 und Abs. 3 BVO offen bleibe, ob die Behandlung eines an
sich gesunden, nicht im landläufigen Sinne „kranken" Unfallopfers darunter falle. Die
Annahme, der Verordnungsgeber habe beide Absätze auch für lebensbedrohend
verletzte Unfallgeschädigte beabsichtigt, ergebe eine Verletzung der Fürsorgepflicht
i.S.v. § 88 LBG. Denn in einem Krankheitsfall in dem genügend Zeit für die Beschaffung
der in § 10 Abs. 3 geforderten Unterlagen bestehe, unterfalle der Beihilfeberechtigte der
Fürsorge des Landes, während er im Falle eines lebensbedrohenden Unfalls, bei dem
die Bescheinigungen vor dem notwendigen Behandlungsbeginn nicht vorliegen
könnten, keine Leistungen erhalte. Die in § 10 Abs. 1 S. 3 BVO enthaltene Regelung
stehe außerdem nicht im Einklang mit dem EU-Recht. Sie verletze die passive
Freizügigkeit. Ihm werde sein Recht streitig gemacht, sich in einem lebensbedrohenden
Notfall österreichischer Rettungsorganisationen zu bedienen. Insoweit nehme er auf die
Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft Rechtssache C-
204/90, Urteil vom 28. Januar 1992 und Rechtssache C - 158/96, Urteil vom 28. April
1998 Bezug.
Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung der Bescheide des Landesamtes
für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 15. September und 22.
November 2004 sowie des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27.
Dezember 2004 zu verpflichten, ihm zu den Aufwendungen für den Transport mit dem
Rettungshubschrauber gemäß der Rechnung der Christophorus- Flugrettung vom 2.
September 2004 in Höhe von 2.705, 20 Euro eine Beihilfe in Höhe von 1.893, 64 Euro
zu gewähren.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt das beklagte Land auf die Ausführungen in den angefochtenen
Verwaltungsentscheidungen des LBV NRW Bezug und weist ergänzend darauf hin,
dass Beförderungskosten zum Behandlungsort im Ausland nicht beihilfefähig seien. Die
Kosten des Transports mit dem Rettungshubschrauber in Österreich könnten daher
selbst dann nicht als beihilfefähig anerkannt werden, wenn eine Erste Hilfe am Unfallort
durchgeführt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (Beiakte Heft 1)
des LBV NRW Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit
durch Beschluss der Kammer vom 21. Juli 2005 gemäß § 6 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen worden ist.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat nach der für die Entscheidung
maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen
Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 1.893,64 Euro zu den
Aufwendungen für den Einsatz des Rettungshubschraubers am 8. August 2004 in
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Österreich in Höhe von insgesamt 2.705,20 Euro gemäß Rechnung der Christophorus
Flugrettung vom 2. September 2004. Die Bescheide des Landesamtes für Besoldung
und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV NRW) vom 15. September 2004 und 22.
November 2004 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 27. Dezember
2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S.
1 VwGO.
Ein solcher Beihilfeanspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4
Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfenverordnung Nordrhein-Westfalen (BVO). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr.
1 BVO sind beihilfefähig die in Krankheitsfällen notwendigen Aufwendungen in
angemessenem Umfang. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 BVO umfassen die beihilfefähigen
Aufwendungen dabei auch die Kosten für die Erste Hilfe. Unter Erster Hilfe in diesem
Sinne ist jedoch nur die vorläufige Hilfe zu verstehen, die einem plötzlich in körperliche
Not geratenen Menschen geleistet wird, bis ein Arzt die Behandlung übernehmen kann,
20
vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 2004 - 6 A 2604/02 -; Verwaltungsgericht
Düsseldorf, Urteil vom 9. Juli 2002 -26 K 7559/01-; Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht
Unterstützungsgrundsätze Vorschussrichtlinien Nordrhein- Westfalen, Stand Juli 2005,
B I § 4 Anm. 5.
21
Zwar ist der Kläger am 8. August 2004 auf einer Fahrradtour in Österreich durch einen
Wespenstich in die Zunge, der zu einem starken Anschwellen der Zunge und einem
drohenden Verschluss der Atemwege führte, plötzlich in körperliche Not geraten.
Allerdings übernahm die Erstversorgung des Klägers nach seinem Eintreffen im
nächstgelegenen Ort Haibach/Donau, Ortsteil Inzell, nach seinen eigenen Angaben
unmittelbar der herbeigerufene Gemeindearzt X. Der sich anschließende Einsatz des
Rettungshubschraubers der Christophorus Flugrettung diente daher nicht dazu, den
Kläger erstmals in ärztliche Behandlung zu bringen bzw. ihn bis zur erstmaligen
Übernahme der Behandlung durch einen Arzt medizinisch zu versorgen.
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Die Aufwendungen für den Rettungshubschraubereinsatz am 8. August 2004 sind aber
auch nicht als Kosten einer Krankenbehandlung im Ausland gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1
BVO i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 BVO beihilfefähig. Zwar sind die im EU-Ausland
entstandenen Aufwendungen für eine Krankenbehandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO
gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 BVO regelmäßig ohne einen Kostenvergleich zu den im
Inland für eine solche Behandlung entstehenden Aufwendungen beihilfefähig. Bei den
Aufwendungen für den Einsatz des österreichischen Rettungshubschraubers am 8.
August 2004 handelt es sich jedoch nicht um Aufwendungen für eine
Krankenbehandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO, sondern um Beförderungskosten zum
Behandlungsort i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 11 BVO. Diese sind aber, wenn sie - wie vorliegend
- im Ausland entstanden sind, gemäß § 10 Abs. 1 S. 3 BVO von der Beihilfefähigkeit
ausgeschlossen. Zwar hat der Notarzt während des Flugs mit dem
Rettungshubschrauber nach eigenen Angaben des Klägers, die durch das
Verrechnungsprotokoll der Christophorus Flugrettung (Bl. 12 der GA) bestätigt werden,
den Sauerstoffgehalt des Blutes und den Blutdruck des Klägers überwacht. Auch hatte
der Notarzt dem Kläger noch vor dem Abflug ein Venenkatheder gelegt, um ihm
gegebenenfalls umgehend Medikamente verabreichen zu können. Allerdings handelt es
sich bei allen vom Kläger geschilderten und aus dem Protokoll der Flugrettung
ersichtlichen Maßnahmen lediglich um solche zur Überwachung der Vitalfunktionen des
Klägers und nicht zur unmittelbaren Behandlung der Folgen des Wespenstichs.
Alleiniger Grund des Einsatzes des Rettungshubschraubers war nach den
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Erkenntnissen des Gerichts vielmehr, den Kläger wegen des drohenden Verschlusses
der Atemwege schnellstmöglich in das Krankenhaus X1 zu transportieren. Im
Vordergrund des Rettungsflugs stand daher nicht etwa die Möglichkeit, den Kläger im
Hubschrauber medizinisch versorgen zu können - dies wäre grundsätzlich auch bei
einem Transport in einem Krankenwagen möglich gewesen -, sondern ihn in möglichst
kurzer Zeit zum eigentlichen Behandlungsort, dem Krankenhaus X1, zu bringen. Dies
ergibt sich auch aus der Bescheinigung des X vom 1. Oktober 2004 (Bl. 14 der GA),
worin dieser bescheinigt, dass der Kläger wegen eines drohenden Verschlusses der
oberen Atemwege mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus X1 habe
transportiert werden müssen, sowie aus dem Rettungsprotokoll der Flugrettung, die den
Status des Klägers mit NCA 4, d.h. lebensgefährlich, eingestuft haben. Es überwog also
vorliegend wegen der besonderen Eilbedürftigkeit aufgrund der für den Kläger
bestehenden Erstickungsgefahr die Transportfunktion des Rettungsflugs, d.h. der
Beförderungszweck.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von § 10 Abs. 3 BVO.
Denn auch in den dort genannten Ausnahmefällen, in denen eine Krankenbehandlung
im Ausland ohne die Einschränkungen des § 10 Abs. 1 BVO beihilfefähig ist, verbleibt
es beim Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Beförderungskosten
zum Behandlungsort nach § 10 Abs. 1 S. 3 BVO. Wenn der Kläger insoweit speziell auf
den Wortlaut von § 10 Abs. 3 Nr. 2 BVO verweist, der die Beihilfefähigkeit von dringend
notwendigen Behandlungen im Ausland erfasst, wenn im Inland kein vergleichbarer
Heilerfolg zu erwarten ist und in diesen Fällen gemäß § 10 Abs. 1 S. 4 BVO auch
Beförderungskosten für beihilfefähig erklärt, so handelt es sich nach Sinn und Zweck
der Norm allein um solche Erkrankungsfälle, in denen eine Erkrankung bereits in der
BRD eingetreten ist und für diese Erkrankung im Inland keine wirksame
Behandlungsmöglichkeit gegeben ist, so dass die Notwendigkeit einer Behandlung im
Ausland besteht,
24
vgl. Mohr/Sabolewski, aaO, B I § 10 Anm. 13.
25
Hiermit ist jedoch der Fall des - erst im Ausland - erkrankten Klägers nicht vergleichbar.
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Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit der im Ausland entstandenen Beförderungskosten
ist grundsätzlich auch mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht vereinbar. Denn § 88
LBG räumt dem Verordnungsgeber einen weiten Spielraum ein, wie er die Beihilfen zu
den Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen bemisst. Gemäß § 88 S. 5
LBG kann die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen dabei insbesondere bei
Behandlungen außerhalb des Wohnortes des Beihilfeberechtigten unabhängig von der
Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten begrenzt werden. Hinzu kommt, dass
das Risiko der im Ausland entstehenden Krankheitskosten inklusive der Kosten für
einen notwendigen Transport im Ausland durch den Abschluss einer privaten
Auslandsreisekrankenversicherung durch den Beamten grundsätzlich im Wege der
Eigenvorsorge aus der Alimentation abgedeckt werden kann,
27
vgl. beispielhaft, www.adac.de/Versicherungen/Auslandskrankenschutz (auch für
Nichtmitglieder).
28
Schließlich ergibt sich der Beihilfeanspruch des Klägers auch nicht unmittelbar aus der
Fürsorgepflicht des § 85 LBG selbst. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
in ständiger Rechtsprechung einen solchen unmittelbaren Rückgriff auf die
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Fürsorgepflicht in Ausnahmefällen anerkannt, wenn durch eine unzumutbare
verbleibende Belastung des Beamten innerhalb des durch das „Programm" der
Beihilferegelung an sich gedeckten Rahmens die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern
verletzt würde,
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1988 - 2 C 58.85-, DVBl. 1988, 1061 f.
30
Der Kläger hat jedoch weder substantiiert vorgetragen, noch ist sonst ersichtlich, dass
die Aufwendungen für den Einsatz des Rettungshubschraubers ihn wirtschaftlich in eine
solche Bedrängnis gebracht haben, dass eine alimentationsgerechte Lebensführung für
ihn nicht mehr gewährleistet ist.
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Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung der in Art. 49
EGV geregelten Dienstleistungsfreiheit und der vom Kläger hierzu zitierten
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Zwar regelt Art. 49 S. 1 EGV
das Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der
Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der
Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Geschützt wird
dabei neben dem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Erbringer der
Dienstleistung auch der Empfänger der Dienstleistung. Art. 49 EGV erfasst dabei
sowohl die aktive Dienstleistungsfreiheit, wenn sich der Erbringer einer Leistung zu
diesem Zweck in einen anderen Mitgliedstaat begibt, als auch die passive
Dienstleistungsfreiheit, d. h. die Fälle der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von
Diensten, in denen sich der Dienstleistungsempfänger zu dem Dienstleistungserbringer
in einen anderen Mitgliedstaat begibt,
32
vgl. Geiger, EUV/EGV, Kommentar, 4. Auflage 2004, Art. 50 Rn 6 f.; Streinz,
Europarecht, 6. Auflage 2003 Rn 756.
33
Zwar hat der Kläger als in Deutschland ansässiger Leistungsempfänger in einem
anderen Mitgliedstaat - Österreich - die Dienstleistung der in Österreich ansässigen
Christophorus Flugrettung in Anspruch genommen. Es handelt sich insoweit aber
dennoch nicht um einen der passiven Dienstleistungsfreiheit zuzuordnenden Fall der
Inanspruchnahme von Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat. Voraussetzung für die
Herleitung von Rechten des Leistungsempfängers aus dem EG-Vertrag ist nämlich das
Vorliegen einer konkreten Dienstleistungsbeziehung i.S.v. Art. 49 EGV zwischen ihm
und dem Dienstleistungserbringer. Eine solche fehlt aber im Falle des Klägers. Sie
besteht nur dann, wenn die Inanspruchnahme der konkreten Dienstleistung gerade das
Ziel der Einreise des Leistungsempfängers in den anderen Mitgliedstaat gewesen ist,
34
vgl. von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage 2003, Art. 49 EG Rn 11.
35
Das bloße Einreisen in einen anderen Mitgliedstaat mit einem ungewissen Ziel macht
einen Reisenden dagegen noch nicht zum Dienstleistungsempfänger. Vielmehr
unterfällt ein solches Verhalten allein dem allgemeinen Diskriminierungsverbot nach Art.
12 EGV, das eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet,
36
vgl. von der Groeben/Schwarze, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft, aaO, Rn 11.
37
Der Kläger ist aber nach Österreich eingereist, um dort seinen Urlaub zu verbringen. Er
ist somit nicht mit dem konkreten Ziel in diesen Mitgliedstaat eingereist, dort die
Leistungen der Christophorus Flugrettung in Anspruch zu nehmen. Vielmehr stand im
Zeitpunkt seiner Einreise noch nicht fest, ob und gegebenenfalls welche medizinisch
bedingten Leistungen er während seines Aufenthalts in Anspruch nehmen würde.
Insoweit ist der Fall des Klägers auch nicht mit den vom EuGH entschiedenen
Rechtssachen Bachmann und Kohll,
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vgl. EuGH, Urteil vom 28. Januar 1992 - C 204/90 -, Sammlung der Rsprg. 1992, S. I-
00249; Urteil vom 28. April 1998 - C 158/96 -, Sammlung 1998 I-01931,
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zu vergleichen, die ihrerseits die gezielte Grenzüberschreitung der dortigen Kläger zum
Zwecke der Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung im EU- Ausland zum
Gegenstand hatten, in denen also die von Art. 49 EGV vorausgesetzte konkrete
Leistungsbeziehung vorlag.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
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