Urteil des VG Düsseldorf vom 06.12.2002

VG Düsseldorf: sinn und zweck der norm, beendigung des dienstverhältnisses, stadt, konkretes rechtsverhältnis, begriff, arbeiter, tarif, gemeindeverwaltung, organisation, unterliegen

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 K 4023/00
Datum:
06.12.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4023/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
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In der Sitzung vom 29. Februar 2000 beschloss der Beklagte, Küchenkräfte in den
städtischen Kindertagesstätten zukünftig auf der Basis von 630,00 DM- Verträgen mit 10
Wochenstunden einzusetzen. Zuvor waren mit diesen befristete Arbeitsverträge mit
einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 19,25 Stunden abgeschlossen worden,
die durch ein Förderprogramm des Landes subventioniert worden waren. Nach
Auslaufen jener Verträge sollten die Arbeitsverhältnisse entsprechend dem Inhalt des
Ratsbeschlusses umgestellt werden.
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Unter dem 14. März 2000 zeigten die Kläger als Vertretungsberechtigte an, ein
Bürgerbegehren mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung von Küchenhilfen mit mindestens
19,25 Wochenstunden anzustrengen. Dieses Bürgerbegehren enthielt folgende
Fragestellung:
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„Sind Sie dafür, dass künftig in den städtischen Kindertagesstätten zur Entlastung der
Erzieherinnen Küchenhilfen mit mindestens 19,25 Wochenstunden beschäftigt
werden?"
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Mit Schreiben vom 22. März 2000 vertrat der Bürgermeister der Stadt F gegenüber dem
Landrat des Kreises N als Kommunalaufsichtsbehörde die Auffassung, das
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Bürgerbegehren sei unzulässig, weil es die innere Organisation der
Gemeindeverwaltung sowie die Rechtsverhältnisse der Bediensteten der Gemeinde
betreffe und der Finanzierungsvorschlag nicht ausreichend sei. Unter dem 29. März
2000 teilte der Landrat des Kreises N dem Bürgermeister der Stadt F mit, er trete den
rechtlichen Bedenken über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens bei. Der
Bürgermeister der Stadt F teilte den Initiatoren des Bürgerbegehrens seine
Rechtsauffassung sodann mit Schreiben vom 30. März 2000 mit.
Anlässlich der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 6. April 2000
überreichten die Kläger dem Bürgermeister der Stadt F Listen mit insgesamt 3.493
Unterschriften.
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In seiner Sitzung vom 13. April 2000 lehnte der Beklagte einen gemeinsamen Antrag
der Fraktionen der SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen, das Bürgerbegehren für zulässig
zu erklären, ab. Mit Bescheid vom 2. Mai 2000 teilte der Bürgermeister der Stadt F den
Klägern den Ratsbeschluss mit. Zur Begründung führte er an: Der
Finanzierungsvorschlag reiche zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme nicht
aus. Darüber hinaus sei das Bürgerbegehren unzulässig, weil es die innere
Organisation der Gemeindeverwaltung betreffe. Schließlich seien die
Rechtsverhältnisse der Bediensteten der Gemeinde einem Bürgerbegehren entzogen.
Hier würde die Stadt F - zumindest bei den jetzt schon bzw. noch beschäftigten
Mitarbeitern - verpflichtet, eine tarifarbeitsvertragliche Regelung zu treffen und
sicherzustellen.
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Hiergegen erhoben die Kläger am 8. Mai 2000 Widerspruch, mit dem sie mit näherer
Begründung geltend machten, einen ausreichenden Finanzierungsvorschlag
eingereicht zu haben. Ferner unterliege die Beschäftigung von Küchenhilfen nicht dem
alleinigen Organisationsrecht des Bürgermeisters. Dies habe in der Vergangenheit
regelmäßig der Rat entschieden. Das Bürgerbegehren greife auch nicht in die
Rechtsverhältnisse der Bediensteten der Gemeinde ein, da es sich nicht zu der Frage
äußere, wer diese Bediensteten sein sollten, ob etwa die derzeit in den Einrichtungen
tätigen Kräfte weiter beschäftigt oder nach Auslaufen der Förderprogramme andere
Kräfte neu eingestellt werden sollten oder das Personal durch Umschichtungen
innerhalb der Verwaltung gewonnen werden solle.
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Nachdem der Rat in seiner Sitzung vom 24. Mai 2000 beschlossen hatte, den
Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen, teilte der Bürgermeister der Stadt F dies
den Klägern durch Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2000 mit.
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Mit der am 30. Juni 2000 erhobenen Klage tragen die Kläger ergänzend vor, ihr
Deckungsvorschlag reiche aus, um auch die in den Folgejahren entstehenden Kosten
zu finanzieren. Da der Beklagte lediglich für zwei Jahre an ein erfolgreiches
Bürgerbegehren gebunden sei, müsse der Finanzierungsvorschlag auch nur die in
diesem Zeitraum entstehenden Kosten decken. Abgesehen davon gehe der
Deckungsvorschlag im Bürgerbegehren darüber hinaus. Ferner werde in das
Organisationsrecht des Bürgermeisters nicht eingegriffen, weil es in der Aufgabe und
Zuständigkeit des Rates liege, den Stellenplan zu erlassen und damit festzulegen, wie
viele Mitarbeiter in welchen Bereichen der Stadt tätig sein sollten. Das
Organisationsrecht des Bürgermeisters umfasse allenfalls die Entscheidung, welcher
bereits bei der Gemeinde beschäftigte Mitarbeiter wo eingesetzt werde. Diese Frage
werde aber durch das Bürgerbegehren nicht tangiert. Es ziele nicht auf die
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Beschäftigung konkreter Personen, sondern lediglich darauf, dass überhaupt Personal
in einem bestimmten Umfang in den Kindertagesstätten eingesetzt werde.
Die Kläger beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt F vom 2.
Mai 2000 und des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2000 zu verpflichten, die
Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zur Beschäftigung von Küchenhilfen mit mindestens
19,25 Wochenstunden in den städtischen Kindertagesstätten in F festzustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Klagevorbringen unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen
Vorbringens entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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Ihr Ziel ist die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung der Zulässigkeit des
Bürgerbegehrens sowie die Aufhebung des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt F
vom 2. Mai 2000, mit dem der ablehnende Beschluss des Beklagten vom 13. April 2000
bekannt gegeben wurde. Die gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 Gemeindeordnung (GO) NRW
in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. November 2001 (GV NRW S. 811) zu
treffende Entscheidung des Rates über die rechtliche Zulässigkeit eines
Bürgerbegehrens ist ein gegenüber den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens
ergangener Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz
(VwVfG) NRW.
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Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. zuletzt Urteil vom 2. November 2001 - 1 K
423/01 -, S. 7 f. UA; ebenso: OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 1965/99 -,
NWVBl. 2002, 346 (347); Urteil vom 23. April 2002 - 15 A 5594/00 -, NVwZ-RR 2002,
766 (insoweit nicht veröffentlicht).
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Die auch im Übrigen zulässige Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Der Beschluss des Beklagten vom 13. April 2000, den Klägern bekannt gemacht mit
Bescheid des Bürgermeisters der Stadt F vom 2. Mai 2000, ist rechtmäßig und verletzt
die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Zulässigkeit des
Bürgerbegehrens festzustellen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass das Bürgerbegehren unzulässig ist (vgl. §
26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW).
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Es kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit des Bürgerbegehren bereits daran scheitert,
dass es Einfluss auf den Stellenplan nehmen will (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 1 GO NRW), der
Anlage zum Haushaltsplan ist (§ 78 Abs. 2 Satz 2 GO NRW). Da der Haushaltsplan ein
Bestandteil der Haushaltssatzung ist (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW), könnte dem
Bürgerbegehren insoweit schon der Zulässigkeitstatbestand des § 26 Abs. 5 Nr. 3 GO
NRW entgegenstehen. Der Stellenplan weist die im Haushaltsjahr erforderlichen Stellen
der Beamten und nicht nur vorübergehend beschäftigten Angestellten und Arbeiter aus
und enthält Angaben über die Gesamtzahl der Stellen für das Vorjahr sowie der am 30.
Juni des Vorjahres besetzten Stellen in jeder Besoldungs-, Vergütungs- und
Lohngruppe (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Gemeindehaushaltsverordnung -
GemHVO - NRW). Zwar sind die betroffenen Küchenkräfte in den Kindertagesstätten
zum Zeitpunkt der Initiierung des Bürgerbegehrens aus Förderprogrammen des Landes
und anderer öffentlicher Stellen bezahlt worden und deshalb im Stellenplan für die
Jahre 2000 und 2001 nicht verzeichnet. Nach Auslaufen des Förderprogrammes war
jedoch aus haushaltswirtschaftlichen Gründen eine Umstellung auf sog. 630,00 DM-
Verträge beschlossen worden. Soweit das Bürgerbegehren an den Verträgen mit 19,25
Wochenstunden festhalten will, spricht vieles dafür, dass diese - da nunmehr aus
Haushaltsmitteln zu bestreiten - an der entsprechenden Tarifstelle im Stellenplan
auszuweisen wären.
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Diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Beantwortung, weil das
Bürgerbegehren unabhängig hiervon jedenfalls die Rechtsverhältnisse von
Gemeindebediensteten i.S.v. § 26 Abs. 5 Nr. 2 GO NRW betrifft.
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Wer die Gemeindebediensteten sind, ergibt sich aus dem 7. Teil der Gemeindeordnung,
in dem ausweislich seiner Überschrift „Verwaltungsvorstand und Gemeindebedienstete"
geregelt sind. Der Verwaltungsvorstand wird aus dem Bürgermeister, dem Kämmerer
und - soweit bestellt - den hauptamtlichen Beigeordneten gebildet, § 70 Abs. 1 GO
NRW. Gemeindebedienstete sind, wie aus § 74 Abs. 1 Satz 1 GO NRW folgt, die
Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gemeinde. Über ihre Rechtsverhältnisse treffen
§§ 73, 74 GO NRW folgende Regelungen: Die Beamten, Angestellten und Arbeiter
müssen die für ihren Fachbereich erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen (§
74 Abs. 1 Satz 1); die beamten-, arbeits- und tarifrechtlichen Entscheidungen werden
durch den Bürgermeister getroffen (§ 74 Abs. 1 Satz 2), vorbehaltlich einer anderen
Regelung durch die Hauptsatzung (§ 74 Abs. 1 Satz 3); grundsätzlich ist der Stellenplan
einzuhalten (§ 74 Abs. 2 Satz 1); die Rechtsverhältnisse der Gemeindebediensteten
bestimmen sich im Übrigen nach den Vorschriften des allgemeinen Beamten- und des
Tarifrechts (§ 74 Abs. 2 Satz 2); ihr Dienstvorgesetzter ist der Bürgermeister (§ 73 Abs.
2).
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Das Bürgerbegehren betrifft die Rechtsverhältnisse städtischer Angestellter insoweit, als
es Vorgaben zu deren tarif- bzw. arbeitsrechtlicher Einstufung macht. Wie zuvor sollen
Küchenkräfte in den städtischen Kindertagesstätten Verträge mit mindestens 19,25
Wochenstunden erhalten. Damit will es die Entscheidung des Rates ersetzen, der
beschlossen hatte, jene Gemeindebediensteten nur noch auf der Grundlage von sog.
630,00 DM-Verträgen zu beschäftigen. Der Begriff der „Rechtsverhältnisse" ist weit
auszulegen und erfasst nicht nur einzelne konkrete Beschäftigungsverhältnisse
innerhalb der Gemeinde, sondern darüber hinaus auch die Begründung künftiger
Rechtsverhältnisse und die dabei zu beachtenden Grundsätze. Ein Bürgerbegehren
berührt Rechtsverhältnisse in diesem Sinne mithin dann, wenn es eine Einflussnahme
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auf ein konkretes Rechtsverhältnis mit einem bestimmten Beschäftigten intendiert, wie
auch dann, wenn es um eine konkrete oder allgemeine Mitentscheidung in künftigen,
noch nicht zustandegekommenen Rechtsverhältnissen mit noch nicht feststehenden
Personen geht.
Der Wortlaut der Norm enthält bereits keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung
zwischen beiden Regelungskomplexen. Dies gilt gleichermaßen für die - hier
betroffenen - Rechtsverhältnisse der Gemeindebediensteten wie für die auch erfassten
Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Rates, der Bezirksvertretungen und der
Ausschüsse. Die Rechte und Pflichten aus jenen Mandaten sind der bürgerschaftlichen
Mitwirkung von vornherein nicht zugänglich, ohne dass ein konkretes Mandat tangiert
sein müsste. § 26 Abs. 5 Nr. 2 GO NRW schließt eine plebiszitäre Mitentscheidung in
solchen Rechtsverhältnissen generell aus, schon weil diese weitestgehend gesetzlich
umschrieben und daher nicht der Disposition durch die Bürgerschaft unterliegen (vgl. §§
43 ff., 36, 58 GO NRW). Bei den Gemeindebediensteten verhält es sich ähnlich: Deren
Rechtsverhältnisse sind durch - zumeist zwingende - beamten-, tarif- oder
arbeitsrechtliche Bestimmungen geregelt (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 2 GO NRW). Aber auch
soweit Spielräume für Regelungen durch das Ortsrecht bestehen, unterscheidet § 26
GO NRW nicht zwischen Mitwirkung bei konkreten Rechtsverhältnissen und bei eher
abstrakteren Entscheidungen mit Auswirkung auf erst künftige Rechtsverhältnisse. So
wäre es etwa wertungswidersprüchlich, ein Bürgerbegehren, das sich auf die
Ausgestaltung von Kinderbetreuungskosten konkreter Mandatsträger erstreckte (vgl. §
45 Abs. 3 GO NRW), für unzulässig zu erklären, hingegen eine wesentlich weiter
gehende Regelung, die auf Änderung der Hauptsatzung angelegt wäre (vgl. § 45 Abs. 3
Satz 3 GO NRW), für zulässig zu halten. Bei einer solchen Auslegung hätte die Norm
auch praktisch keinen Gehalt: Es ist kaum vorstellbar, dass ein Bürgerbegehren, das
eine Mitentscheidung allein in konkreten Einzelfällen beansprucht, das notwendige
Unterschriftenquorum erreichen könnte (vgl. § 26 Abs. 4 GO NRW). Vielmehr soll die
unmittelbare bürgerschaftliche Entscheidung immer ausgeschlossen werden, wo
Rechtsverhältnisse von Mandatsträgern oder Gemeindebediensteten betroffen sein
können, mögen diese auch erst in Zukunft begründet werden. Für diese Auslegung
spricht auch, dass ein Bürgerbegehren, das sich zu noch nicht konkret bestehenden
Rechtsverhältnissen verhält, jedenfalls in dem Augenblick ein bestimmtes
Rechtsverhältnis betrifft, in dem jenes zustande kommt. Durch seine Einflussnahme im
Vorfeld könnte das Bürgerbegehren letztlich doch eine Mitentscheidung bezüglich
später zustande kommender Rechtsverhältnisse treffen. So auch hier: Nach der
Rechtsauffassung der Kläger dürften die Bürger keinen Einfluss auf die
Beschäftigungsverhältnisse der seinerzeit angestellten Küchenkräfte nehmen, während
die Unterzeichnenden des Bürgerbegehrens Vorgaben hinsichtlich der Modalitäten der
Arbeitsverhältnisse jener Küchenkräfte machen dürften, mit denen Verträge nach
Auslaufen der damals bestehenden befristeten geschlossen würden. Für eine solche
Auslegung gibt die Norm keinen Anhalt.
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Dieses aus Wortlaut und Gesetzessystematik gewonnene Auslegungsergebnis wird
durch Sinn und Zweck der Norm bestätigt. Vom Bürgerbegehren generell - ohne
Rücksicht auf den konkreten Einzelfall - ausgenommen sind die genannten
Rechtsverhältnisse ohnehin insoweit, als sie gesetzlich geregelt sind (etwa in §§ 43 ff.
GO NRW oder im Beamten- und Arbeitsrecht). Wo eine gesetzliche Bindung nicht
besteht, soll die basisdemokratische Entscheidung mit Blick auf die tatsächliche und
rechtliche Komplexität derartiger Lebenssachverhalte ausgeschlossen werden. Diesen
Zielsetzungen unterliegen auch andere Bestimmungen in § 26 Abs. 5 GO NRW: Nrn. 3
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und 4 (Komplexität finanzwirtschaftlicher Vorgänge), Nrn. 7 bis 9 (rechtliche Bindungen).
Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich nicht Gegenteiliges ableiten. In
der Gesetzesbegründung wird die Norm nicht weiter begründet.
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Vgl. Landtagsdrucksache 11/4983, S. 8.
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In der Einleitung,
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Landtagsdrucksache 11/4983, S. 1,
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wird lediglich festgehalten, dass Angelegenheiten, die sich aus rechtlichen oder
ordnungspolitischen Gründen nicht für eine Mitentscheidung eignen, vom
Bürgerbegehren ausgenommen sind. Aus den vorgenannten Gründen sind die
Rechtsverhältnisse der Gemeindebediensteten generell ungeeignet für eine plebiszitäre
Einflussnahme: Es sind so vielfältige (beamten-, tarif- und arbeits-) rechtliche
Regelungen sowie haushaltswirtschaftliche Grundsätze wie auch die etwa aus dem
Gleichheitssatz abzuleitenden Folgewirkungen zu beachten, die für den Bürger nur
schwer durchschaubar und, davon abgesehen, vielfach auch nicht disponibel sind. Von
daher wollte der Gesetzgeber die Bürger hieran nicht im Wege eines Bürgerbegehrens
beteiligen.
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Schließlich spricht auch der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung für das
vorstehende Normverständnis: Der Begriff der „Rechtsverhältnisse" findet sich auch in
Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 73 Nr. 8 GG wieder. Art. 75 GG regelt die
Gesetzgebungskompetenz u.a. für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der
Gemeinden stehenden Personen. Der Begriff ist nach allgemeiner Auffassung im
staatsrechtlichen Schrifttum weit auszulegen und umfasst das gesamte öffentliche
Dienstrecht einschließlich der Begründung und Beendigung des Dienstverhältnisses,
das Laufbahnrecht und sonstige Rechte und Pflichten öffentlich Bediensteter, mit
Ausnahme der Besoldung und Versorgung, die in Art. 74 a GG geregelt ist.
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Vgl. nur: Dreier, GG, 1998, Band II, Art. 75 Rn. 19 und Art. 73 Rn.38; v. Mangoldt/Klein,
Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. 2000, Band 2, Art. 75 Rn. 31.
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Die Annahme, die Verfassung habe zur Rahmengesetzgebung nur zur Regelung eines
konkreten, schon bestehenden Rechtsverhältnisses ermächtigen wollen, liegt bei dieser
Bestimmung von vornherein fern. Dass der wortgleiche Begriff in § 26 Abs. 5 Nr. 2 GO
NRW anders auszulegen wäre, drängt sich nach dem oben Gesagten nicht auf.
Vielmehr ist ein Bürgerbegehren nicht zulässig, soweit - abstrakt oder im konkreten
Einzelfall - Rechte und Pflichten von Gemeindebediensteten betroffen sein können.
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Da das Bürgerbegehren mithin nach § 26 Abs. 5 Nr. 2 GO NRW unzulässig ist, kann
offen bleiben, ob ihm auch entgegengehalten werden kann, es betreffe die innere
Organisation der Gemeindeverwaltung (§ 26 Abs. 5 Nr. 1 GO NRW) und enthalte keinen
den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Kostendeckungsvorschlag (§ 26 Abs.
2 Satz 1 GO NRW).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
41
708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Berufung war gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die im vorliegenden Fall klärungsbedürftige
Rechtsfrage der Auslegung von § 26 Abs. 5 Nr. 2 GO NRW lässt sich über den Einzelfall
hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten. Sie ist durch das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen noch nicht geklärt worden.
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