Urteil des VG Düsseldorf vom 28.08.2007

VG Düsseldorf: bvo, angemessenheit der kosten, private krankenversicherung, privatklinik, versorgung, beihilfe, besoldung, behandlungsvertrag, aufwand, freiheit

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 2202/07
Datum:
28.08.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 2202/07
Tenor:
Das beklagte Land wird unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des
Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 19. März 2007 und
vom 29. März 2007 sowie unter Aufhebung des
Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Besoldung und
Versorgung vom 27. April 2007 verpflichtet, dem Kläger auf die
Rechnungen der Firma Q vom 6. März 2007, vom 12. März 2007 und
vom 21. März 2007 eine weitere Beihilfe in Höhe von insgesamt
1.960,18 EUR nebst 5% Zinsen seit dem 24. Mai 2007 zu gewähren.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Land darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang die anlässlich eines Aufenthaltes
des Klägers in der Firma I in L (nachfolgend I) entstandenen Aufwendungen
beihilfefähig sind.
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Der am 00.00.1934 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger im vormaligen
Schuldienst des beklagten Landes und beihilfeberechtigt; seine Beihilfestelle ist das
Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV). Er hatte sich vom 26. bis 28. Februar
2007, vom 5. bis 7. März 2007 und vom 12. bis 14. März 2007 jeweils für zwei
Übernachtungen in die I begeben, wo unter der Diagnose "bösartige Neubildung der
Prostata" eine sogenannte Brachytherapie (Einbringung von Strahlenquellen in die
Prostata zwecks Bekämpfung von Tumorzellen) vorgenommen wurde. Für jeden der
drei Aufenthalte im Zweibettzimmer stelle die I dem Kläger durch die Q mit drei
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Rechnungen vom 6. März 2007, vom 12. März 2007 und vom 21. März 2007 jeweils
3.126,24 EUR in Rechnung. Die Rechnungen benennen die DRG M10 und führen aus,
sie seien analog zur gültigen Fallpauschalenvereinbarung erstellt.
Die private Krankenversicherung des Klägers (E) erstattete dem Kläger im Umfang des
Versicherungsschutzes (30%) anteilig die Aufwendungen.
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Auf einen ersten Beihilfeantrag des Klägers erkannte das LBV mit Beihilfebescheid vom
19. März 2007 aus der Rechnung vom 6. März 2007 lediglich einen gekürzten Aufwand
in Höhe von 2.192,82 EUR als beihilfefähig an. Nach Abzug von 75,- EUR (3 Tage zu
jeweils 25,- EUR) wurde dem Kläger auf den als beihilfefähigen Aufwand anerkannten
Betrag von 2.117,82 EUR Beihilfe nach seinem individuellen Bemessungssatz (70%) in
Höhe von 1.482,47 EUR gewährt. Mit demselben Rechenweg kürzte das LBV durch
Beihilfenbescheid vom 29. März 2007 die Rechnungen vom 12. und 21. März 2007. Der
Kläger erhob nach wechselseitigem Schriftverkehr mit Schreiben vom 20. April 2007
Widerspruch gegen die Kürzungen und führte aus, der in der I vorgenommene Eingriff
hätte in der vom LBV zur Vergleichsberechnung heran gezogenen Universitätsklinik E1
nicht vorgenommen werden können; das LBV habe auch Therapien verglichen, die
nach der Art des Eingriffs nicht vergleichbar seien.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2007 wies das LBV den Widerspruch des
Klägers gegen die Kürzung der Rechnungen der I als unbegründet zurück. Gemäß Ziffer
9a.6 der Verwaltungsvorschriften (VV) zur BVO NRW seien Tagespflegesätze von
Privatkliniken nur insoweit angemessen und beihilfefähig, als sie dem Pflegesatz
entsprächen, den die der Beihilfestelle nächstgelegene Klinik der Maximalversorgung
(Universitätsklinik nach § 108 SGB V) für eine vergleichbare Behandelung berechnen
würde. Es habe daher nicht der Pflegesatz der als Privatklinik betriebenen I anerkannt
werden können.
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Am 24. Mai 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er vertieft sein Vorbringen zur
Nichtvergleichbarkeit des Eingriffs.
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Der Kläger beantragt schriftlich,
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1. den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27. April 2007 aufzuheben,
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2.
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3. das Landesamt anzuweisen, das nachfolgend (s.c. in der Klagebegründung) näher
dargelegte Beihilfebegehren in voller Höhe anzuerkennen und einen entsprechenden
Bescheid zu erlassen,
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4.
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5. den Betrag von EUR 2117,68 ab Klageeinreichung mit 5% zu verzinsen.
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6.
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Das beklagte Land verteidigt die Kürzungen und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des LBV verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Das schriftlich angekündigte Begehren des Klägers bedarf der Konkretisierung. Es ist
bei verständiger Würdigung seines Begehrens ersichtlich darauf gerichtet,
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das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Landesamtes für
Besoldung und Versorgung vom 19. März 2007 und vom 29. März 2007 sowie unter
Aufhebung des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Besoldung und
Versorgung vom 27. April 2007 zu verpflichten, dem Kläger auf die Rechnungen der Q
vom 6. März 2007, vom 12. März 2007 und vom 21. März 2007 eine weitere Beihilfe in
Höhe von insgesamt 1.960,18 EUR nebst 5% Zinsen seit dem 24. Mai 2007 zu
gewähren.
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Einer solchen, ihm mit Schreiben vom 10. August 2007 mitgeteilten Auslegung seines
Klagebegehrens hat der Kläger nicht widersprochen.
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Die Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat über die bereits
gewährte Beihilfe hinaus Anspruch auf weitere Beihilfe für diejenigen Aufwendungen,
die anlässlich seines Aufenthaltes in der I entstanden sind, § 113 Abs. 5 VwGO.
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Der Anspruch ergibt sich unmittelbar aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die
Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung
- BVO NRW - hier in der Fassung der 21. Verordnung zur Änderung der BVO vom 22.
November 2006, GV NW S. 596). Dem Kläger sind Aufwendungen für den stationären
Aufenthalt in einer Privatklinik entstanden. Auf diese Aufwendungen findet § 4 Abs. 1 Nr.
2 BVO NRW keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen hat
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mit Urteil vom 23. Mai 2007, - 6 A 1959/05 -, Juris
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zur Reichweite von § 4 Abs. 1 Nr. 2 BVO NRW und dessen Verhältnis zu § 3 Abs. 1
BVO NRW (in der insoweit sachlich mit Ausnahme der Einführung des Wortes
"angemessen" durch Art. I Ziffer 3 a) aa) der 21. ÄnderungsVO unveränderten Fassung
des Jahres 2004) ausgeführt:
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"Die Höhe der beihilfefähigen Kosten für Krankenhausbehandlungen richtet sich im
Regelfall nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 BVO. Nach dessen Buchstabe a) sind die Kosten
beihilfefähig, die nach der BPflV berechnungsfähig sind. Buchstabe b) erklärt die Kosten
für die zweite und dritte Pflegeklasse von ansonsten nicht näher bestimmten
Pflegesätzen für beihilfefähig. Privatkliniken, die einen selbstgewählten
Einheitspflegesatz außerhalb der BPflV berechnen, werden von § 4 Abs. 1 Nr. 2 BVO
nicht erfasst. § 4 Abs. 1 Nr. 2 a BVO gilt nur für Krankenhäuser, die ihre Vergütung nach
der BPflV berechnen. Zwar spricht die Norm von nach der BPflV "berechnungsfähigen"
und nicht von danach tatsächlich "berechneten" Vergütungen. Eine fiktive Kalkulation
der Privatklinik zur Ermittlung der berechnungsfähigen Kosten nach der BPflV scheidet
jedoch mangels vergleichbarer Kostenstrukturen aus. Die beihilfefähigen
Aufwendungen können, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, bei
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einem Einheitspflegesatz auch nicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 b BVO bestimmt werden.
Denn dort wird vorausgesetzt, dass das Krankenhaus verschiedene Pflegeklassen und
keine Einheitspflegeklasse anbietet.
Auch die analoge Anwendung von § 4 Abs. 1 Nr. 2 BVO scheidet aus. Eine Analogie
setzt neben der unbeabsichtigten Gesetzeslücke voraus, dass der Normgeber den
ungeregelten Fall in das entsprechend anzuwendende Gesetz einbezogen hätte, weil
der Gegenstand vergleichbar ist (Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 2005 - 7 C 14/04 -
, BverwGE 123, 7 zu den Voraussetzungen einer Analogie).
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Dass der Verordnungsgeber - hätte er den Fall regeln wollen - Einheitspflegesätze in Nr.
2 b einbezogen hätte, lässt sich nicht feststellen, weil diese nicht mit gestuften
Pflegesätzen vergleichbar sind. Nr. 2 b geht nämlich nach der überkommenen
Einteilung in Krankenhäusern davon aus, dass vorwiegend nach Arztwahl und
Annehmlichkeit (Chefarztbehandlung, Unterbringung, Verpflegung u. ä.) unterschiedene
Pflegeklassen eine tatsächliche Staffelung in dem Sinne enthalten, dass im Umfange
angemessen und damit beihilfefähig nur die unteren beiden Pflegeklassen sind. Das
Vorhandensein mehrerer Pflegeklassen ist unabdingbare Voraussetzung für die
Anwendbarkeit der Nr. 2 b. Kliniken mit Einheitspflegesätzen sind damit nicht
vergleichbar.
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Eine Analogiebildung ist zudem nur auf der Tatbestandsseite möglich. An der
Rechtsfolge der analog anzuwendenden Norm darf sich - jedenfalls außerhalb einer
Rechts- oder Gesamtanalogie - nichts verändern. Die Bestimmung, dass auch (frei
festgelegte) Einheitspflegesätze zu den "beihilfefähigen Aufwendungen" (§ 4 Abs. 1
Einl. BVO) gehören, wäre mit der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 b BVO geregelten Rechtsfolge nicht
identisch.
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Der BVO kann die vom beklagten Land geltend gemachte Begrenzung der
beihilfefähigen Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen auf die Pflegesätze nach
der BPflV auch dann nicht entnommen werden, wenn nur die verhältnismäßig hohen
Sätze von Universitätskliniken zum Vergleich herangezogen werden.
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Das verbietet sich bereits aus systematischen Gründen. Zur Auslegung des allgemeinen
Begriffs der Angemessenheit in § 3 Abs. 1 Einleitungssatz BVO kann nicht auf die
speziellere Norm des § 4 Abs. 2 Nr. 2 a BVO zurückgegriffen werden, deren
Voraussetzungen gerade nicht erfüllt sind. § 4 Abs. 2 Nr. 2 a BVO würde andernfalls zu
einer Auffangvorschrift, ohne dass die BVO ihm diese Funktion zuwiese.
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Zudem liefe dies auf eine (verdeckt) analoge Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 a BVO
hinaus, ohne dass die bereits dargelegten Analogievoraussetzungen erfüllt wären. Es
fehlt nämlich an der danach notwendigen Vergleichbarkeit von
Vergütungsberechnungen freier Privatkliniken mit solchen, die sich nach der BPflV
richten. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Vergütungen von freien
Privatkliniken und öffentlich geförderten Krankenhäusern oder
Versorgungskrankenhäusern nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz und der
BPflV nicht miteinander verglichen werden können, weil deren Budgets und
tagesgleiche Pflegesätze nicht sämtliche Kosten enthalten, die mit der Erbringung der
Leistung verbunden sind. So dürften die Kosten für langlebige Investitionsgüter, die
Errichtung der Gebäude, den Grundstückserwerb, die Anlagegüter und weiteres nicht in
die Pflegesätze nach der BPflV einkalkuliert werden. Dagegen könnten und müssten
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freie Privatkliniken alle vorgenannten Kosten in die Berechnung ihrer Pflegesätze im
Rahmen einer Vollkostenrechnung einbeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2003 -
IV ZR 278/01 -, BGHZ 154, 154).
Dem schließt sich der Senat für den Bereich der Beihilfe an. Die Vergütungsberechnung
einer freien Privatklinik ist mit der Vergütungsberechnung einer nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 a
BVO abrechnenden Klinik nicht vergleichbar.
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Die Vergütungsberechnungen lassen sich auch nicht vergleichbar machen. Das
Bedürfnis nach Verwaltungsvereinfachung bei der Beihilfegewährung als
massenhaftem Verwaltungsverfahren (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November
2004 - 6 A 3100/03 - m.w.N.) lässt es bereits nicht zu, den Einheitspflegesatz einer
Privatklinik dem Pflegesatz einer Klinik mit vergleichbarem Therapieangebot, die nach
BPflV abrechnet, gegenüberzustellen und dabei die systembedingten Unterschiede
einzurechnen. Die Unüberschaubarkeit der einzustellenden Rechengrößen, etwa die
Hinzusetzung der Investitionskosten im weiteren Sinne oder die Berücksichtigung der
unterschiedlichen Steuerpflichten auf der einen Seite sowie die Herausnahme eines
(fiktiven) Einzelzimmer- oder Verpflegungszuschlages auf der anderen Seite verbietet
ein solches Vorgehen bereits im Ansatz. Ebenso wenig ließe sich eine fiktive
Pflegesatzberechnung der jeweiligen Privatklinik nach den Regeln der BPflV fordern.
Eine solche wäre aber nötig, weil es für das Zugrundelegen des Pflegesatzes einer
Universitätsklinik keine Rechtsgrundlage in der BVO gibt.
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Fehlt es mithin an einer speziellen Regelung in der BVO, gilt für die Höhe der
Einheitspflegesätze von Privatkliniken der auch vom Verwaltungsgericht
herangezogene allgemeine Grundsatz, dass Aufwendungen in angemessenem
Umfange (Höhe) beihilfefähig sind, §§ 88 Satz 2 LBG, § 3 Abs. 1 Einleitungssatz BVO.
Es unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, inwieweit diese
Voraussetzung erfüllt ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Januar 1998 - 6 A 6006/98 -).
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Die nordrhein-westfälischen Beihilfevorschriften regeln nicht näher, was in diesem
Sinne angemessen ist. Allgemeingültige Vergütungsordnungen wie die
Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte, welche die Angemessenheit der Kosten
ambulanter Versorgung nach ständiger Rechtsprechung auch ohne ausdrücklichen
Verweis in der BVO bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 -,
ZBR 1996, 314; OVG NRW, Urteil vom 15. November 2006 - 6 A 3029/04 -,
Informationsdienst Öffentliches Dienstrecht (IÖD) 2007, 70), fehlen für
Krankenhausbehandlungen. Die BPflV gilt beihilferechtlich nur, wenn das Krankenhaus
sich ihr unterwirft. Im Übrigen ergeben sich aus der BVO keine ausdrücklichen
Begrenzungen hinsichtlich der Beihilfefähigkeit von Krankenhauskosten unter dem
Gesichtspunkt der Angemessenheit.
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Die BVO stellt den Beihilfeberechtigten vielmehr bei der Wahl des Krankenhauses frei.
Seine Auswahl nach Trägerschaft, Vergütungsmethode, gegebener oder fehlender
Gemeinnützigkeit usf. ist nicht normativ eingegrenzt. Das hieraus folgende Recht auf
freie Krankenhauswahl wird unter anderem in § 4 Abs. 1 Nr. 2 b BVO vorausgesetzt, der
alle Arten von gestaffelten Pflegesätzen dem Grunde nach für beihilfefähig erklärt. Eine
Beschränkung auf die Höhe der Pflegesätze, die nach der BPflV berechnet werden
könnten, enthält die BVO - anders als beispielsweise § 6 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 der
Beihilfevorschriften des Bundes - nicht.
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Wegen der von der BVO umfassend gewährten Freiheit bei der Krankenhauswahl
kommt es nicht darauf an, ob die der Beihilfegewährung zugrunde liegende
verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn nur eine Krankenhausversorgung
gebietet, die "nach der Bundespflegesatzverordnung den Mitgliedern der gesetzlichen
Krankenversicherung entsprechend dem Inhalt ihrer versicherungsrechtlichen
Ansprüche als medizinisch gebotene Behandlung garantiert wird" (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BverfGE 106, 225). Als der
Beihilfeverordnung widersprechende bloße Verwaltungsvorschriften können die
VVzBVO die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen von vornherein nicht wirksam
begrenzen.
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Schränkt die BVO die Krankenhauswahl nicht ein und enthält sie oder die übrige
Rechtsordnung für die gewählte Klinik- oder Vergütungsart keine ausdrückliche
Begrenzung des Kostenumfangs, bestimmt sich die Angemessenheit der
Aufwendungen im Ausgangspunkt nach dem Behandlungsvertrag. Angemessen ist
danach grundsätzlich, was die Klinik nach bürgerlichem Recht von dem
Beihilfeberechtigten als Gegenleistung berechtigt verlangt. Das gilt auch für freie
Privatkliniken. Insoweit gilt im Grundsatz nichts anderes als für die Angemessenheit der
Kosten ambulanter Behandlungen. Hier wie dort richtet sich die Angemessenheit nach
dem, was der Beihilfeberechtigte dem Leistungserbringer aus dem Behandlungsvertrag
schuldet. Im Geltungsbereich der ärztlichen Gebührenordnungen tritt dieser
Gesichtspunkt zumeist nur hinter die Auslegung dieser Regelwerke zurück, von denen
der Arzt praktisch nicht abweichen kann. Die BPflV stellt nicht das entsprechende
Regelwerk bei stationären Behandlungen dar, weil sie nicht für alle Erbringer von
Krankenhausleistungen gilt.
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Fordert die vom Beihilfeberechtigten aufgesuchte Privatklinik mehr als eine
Universitätsklinik, ist das nicht unangemessen, wenn die geforderte Vergütung nach
dem Behandlungsvertrag tatsächlich geschuldet ist. Mangels anderweitiger Regelungen
folgt aus der Freiheit der Krankenhauswahl die Beihilfefähigkeit des Pflegesatzes von
Privatkliniken, auch wenn dieser die Kosten einer Behandlung in einer Universitätsklinik
übersteigt. Ob die Kostenunterschiede von einer - medizinisch notwendigen -
andersartigen Therapie oder einem höheren Standard bei Unterbringung und
Verpflegung herrühren, ist angesichts der Freiheit der Krankenhauswahl unerheblich.
Es entspricht den praktischen Bedürfnissen des Dienstherrn und des
Beihilfeberechtigen gleichermaßen, wenn als Indiz für die privatrechtliche Berechtigung
der Forderung der Privatklinik der Betrag angesetzt wird, den diese mit dem Verband
der privaten Krankenversicherung vereinbart hat (vgl. zum Zweitbettzimmerzuschlag Nr.
9a.4 VVzBVO). Dieser lässt sich durch Vorlage der Leistungsabrechnung des privaten
Versicherers leicht feststellen."
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Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an. Die Voraussetzungen des mithin
allein einschlägigen § 3 Abs. 1 BVO NRW liegen vor. Dass der Aufenthalt des Klägers
in der I medizinisch notwendig war, hat das beklagte Land nicht bezweifelt. Indiz für die
privatrechtliche Berechtigung der Forderung der I und damit für deren Angemessenheit
ist die anteilige Erstattung durch die E. Aus den vom Kläger vorgelegten
Leistungsmitteilungen ergibt sich kein Anhalt, dass die E die Rechnungen ohne
Rechtspflicht und nur "auf Kulanz" erstattet haben könnte. Der an die Beihilfestelle
gerichtete Hinweis in Fußnote 1 der Leistungsmitteilung stellt keinen Vorbehalt im
Hinblick auf die Hauptforderung der I dar, sondern in Bezug auf den
Zweibettzimmerzuschlag. Anhaltspunkte dafür, dass der mit 65,88 EUR netto pro Tag
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ausgewiesene Zweibettzimmerzuschlag unangemessen sein könnte, bestehen nicht,
auch wenn er um etwas mehr als die Hälfte des höher liegt als der vom LBV mit 40,30
EUR/Tag ermittelte Zweibettzimmerzuschlag der Uniklinik E.
Der offene beihilfefähige Aufwand ergibt sich aus dem mit drei multiplizierten
Kürzungsbetrag pro Rechnung ([3.126,24 EUR minus 2.192,82 EUR] x 3 =) 2.800,26
EUR. Hiervon 70% ergeben den nachzuzahlenden Beihilfebetrag in Höhe von 1.960,18
EUR. Die zuerkannten Zinsen sind durch den Anspruch auf Prozesszinsen gedeckt; sie
bleiben unter dem zuzuerkennenden Maximalbetrag.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die weiteren
Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711,
709 Satz 2 ZPO.
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