Urteil des VG Düsseldorf vom 02.09.2009

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 608/09
Datum:
02.09.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 L 608/09
Schlagworte:
Konkurrentenstreit Leistungsentwicklung
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
aufgegeben, die im Justizministerialblatt Nr. 15 vom 1. August 2008
ausgeschriebene Stelle eines Justizamtsinspektors/ einer
Justizamtsinspektorin (A 9 mit Amtszulage) – Beamten/Beamtin, der/ die
überwiegend allgemeine Angelegenheiten nach dem Funktionskatalog
(Fußnote 3 zur Besoldungsgruppe A 9 mittlerer Dienst
Bundesbesoldungsordnung) bearbeitet – bei einer Staatsanwaltschaft
im Generalstaatsanwaltschaftsbezirk E nicht mit der Beigeladenen zu
besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens zu drei Vierteln und
die Beigeladene trägt sie zu einem Viertel; ausgenommen hiervon sind
die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der
Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1
Der dem Tenor sinngemäß entsprechende Antrag vom 21. April 2009 hat Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines
Rechts des Antragstellers nur getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch
eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3
VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) das Bestehen eines
zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
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Für das von der Antragstellerin verfolgte Begehren besteht ein Anordnungsgrund. Der
Antragsgegner hat nämlich die Absicht, die streitgegenständliche Stelle sobald wie
möglich mit der Beigeladenen zu besetzen. Durch deren Ernennung und Einweisung in
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die freie Beförderungsplanstelle würde das von der Antragstellerin geltend gemachte
Recht auf diese Stelle endgültig vereitelt. Die Vergabe einer Amtszulage stellt eine
Übertragung eines mit einer Amtszulage ausgestatteten Amtes derselben
Besoldungsgruppe dar. Es handelt sich dabei um die Verleihung eines anderen Amtes
mit anderer Amtsbezeichnung, für die es einer Ernennung bedarf (§ 8 Abs. 1 Nr. 4
Beamtenstatusgesetz [BeamtStG], § 15 Abs. 1 Beamtengesetz für das Land
NordrheinWestfalen [Landesbeamtengesetz LBG]).
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Ein Beamter hat zwar keinen Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes. Er
hat aber ein Recht darauf, dass der Dienstherr bzw. der für diesen handelnde
Dienstvorgesetzte eine rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreie Entscheidung über
die Vergabe des Beförderungsamtes trifft. Materiell-rechtlich hat der Dienstherr bei
seiner Entscheidung darüber, wem von mehreren für eine Beförderung in Betracht
kommenden Beamten er die Stelle übertragen will, das Prinzip der Bestenauslese zu
beachten (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz [GG], § 9 BeamtStG, § 20 Abs. 6 Satz 1 LBG). Der
Anspruch auf Beachtung dieser Grundsätze ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO
sicherungsfähig. Will hiernach der Antragsteller die vorläufige Nichtbesetzung einer
Beförderungsstelle erreichen, so muss er glaubhaft machen, dass deren Vergabe an
den Mitbewerber sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zu Lasten des
Antragstellers rechtsfehlerhaft erweist und dass im Falle der fehlerfreien Durchführung
des Auswahlverfahrens die Beförderung des Antragstellers jedenfalls möglich erscheint.
6
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
5. Mai 2006 – 1 B 41/06 –, m.w.N., NRWE und juris.
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand
ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die vom Antragsgegner im Rahmen des
Beförderungsauswahlverfahrens getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten der
Antragstellerin rechtsfehlerhaft zustande gekommen ist.
8
Die Entscheidung des Antragsgegners über die Stellenbesetzung zu Gunsten der
Beigeladenen ist zwar formell nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der
Bezirkspersonalrat dem Besetzungsvorschlag zu Gunsten der Beigeladenen unter dem
3. April 2009 zugestimmt und ist die Gleichstellungsbeauftragte beteiligt worden. Es
bestehen jedoch durchgreifende Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der
Beförderungsentscheidung.
9
Es ist in erster Linie Sache der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber, über
die Auswahlkriterien des § 7 LBG verlässlich Auskunft zu geben. Bei gleichlautenden
Gesamturteilen muss der Dienstherr der Frage nachgehen, ob die Einzelfeststellungen
in aktuellen dienstlichen Beurteilungen eine Prognose über die zukünftige Bewährung
im Beförderungsamt ermöglichen (inhaltlichen Ausschöpfung). Er darf sich im Rahmen
des Qualifikationsvergleichs nicht ohne weiteres auf das Gesamturteil aktueller
Beurteilungen beschränken. Das gilt in besonderem Maße für eine Fallgestaltung wie
der vorliegenden, bei der mehrere Bewerber seit einer Reihe von Jahren im aktuellen
Statusamt mit der Spitzennote beurteilt worden sind. Führt die Auswertung der
Einzelfeststellungen zu dem Ergebnis, dass ein Beamter für das Beförderungsamt
besser qualifiziert ist als seine Mitbewerber, dann wird dies auch die Bedeutung älterer
Beurteilungen regelmäßig in den Hintergrund drängen.
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Bei der Würdigung von Einzelfeststellungen einer Beurteilung kommt dem Dienstherrn
ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die
Entscheidung des Dienstherrn, bestimmte Einzelfeststellungen zur Begründung eines
Qualifikationsvorsprungs heranzuziehen oder ihnen keine Bedeutung beizumessen, ist
im Grundsatz deshalb nur dann zu beanstanden, wenn der in diesem Zusammenhang
anzuwendende Begriff oder der gesetzliche Rahmen, in dem sich der Dienstherr frei
bewegen kann, verkannt worden ist, wenn ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde gelegt
worden ist oder allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde
Erwägungen angestellt worden sind. Im Interesse effektiver Rechtsschutzgewährung
trifft den Dienstherrn dabei eine – u.U. erhöhte – Begründungs- und
Substantiierungspflicht, wenn er sich aufdrängenden oder zumindest naheliegenden
Unterschieden in den dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten keine Bedeutung
beimessen will.
11
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Beschlüsse vom 27.
Februar 2004 6 B 2451/03 –, NVwZ-RR 2004, 626, vom 27. September 2005 – 6 B
1163/05 –, veröffentlicht in juris und NRWE, vom 21. November 2005 – 1 B 1202/05 –,
NWVBl. 2006, 189, vom 12. Februar 2007 1 B 2760/06 , n.v., und vom
15. November 2007 – 6 B 1254/07 –, DVBl. 2008, 133.
12
Der Antragsgegner ist, seinem Vermerk 1. April 2009 zufolge, bei seiner
Auswahlentscheidung davon ausgegangen, dass die Antragstellerin und die
Beigeladene aktuell mit derselben Gesamtnote beurteilt worden sind. Das ist zutreffend.
Die Antragstellerin ist in ihrer Personal- und Befähigungsnachweisung vom 3. Februar
2009 hinsichtlich ihrer fachlichen Leistungen, Kenntnisse und Fähigkeiten mit "sehr gut"
und hinsichtlich der Eignung für das Beförderungsamt mit "hervorragend geeignet"
beurteilt worden. Ebenso ist die Beigeladene in ihrer Personal- und
Befähigungsnachweisung vom 11. August 2008 hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und
fachlichen Leistungen mit "sehr gut" und hinsichtlich der Eignung für das
Beförderungsamt mit "hervorragend geeignet" beurteilt worden. In den
Überbeurteilungen des Generalstaatsanwalts vom 30. März 2009 heißt es
gleichlautend, er habe keine Veranlassung, der Beurteilung entgegenzutreten. Hiernach
sind die Antragstellerin und die Beigeladene sowohl hinsichtlich ihrer jeweiligen
Leistung und Befähigung als auch hinsichtlich der Eignung für das Beförderungsamt
gleich beurteilt worden und enthalten auch die Überqualifikationen keine Unterschiede.
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Sodann hat der Antragsgegner eine inhaltliche Ausschöpfung der aktuellen
Beurteilungen in Betracht gezogen. Dabei hat er angenommen, dass bei Beurteilungen,
die von unterschiedlichen Beurteilern erstellt worden sind, sich in der Regel allein aus
unterschiedlichen Formulierungen einzelner Textteile keine sichere Hinweise auf einen
etwaigen Qualifikationsvorsprung ableiten lassen. Zudem hat er berücksichtigt, dass in
den Überbeurteilungen keine entsprechenden Differenzierungen gemacht worden sind.
Insgesamt seien die Antragstellerin und die Beigeladene auch unter Auswertung der
Einzelfeststellungen als im wesentlichen gleich qualifiziert anzusehen. Das ist rechtlich
ebenfalls nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme hinsichtlich
der inhaltlichen Ausschöpfung von Beurteilungen, die von unterschiedlichen Beurteilern
erstellt worden sind, in ihrer Allgemeinheit zutrifft. Jedenfalls lassen sich im
vorliegenden Fall bei einer Auswertung der Einzelfeststellungen keine sich
aufdrängenden oder zumindest naheliegenden Unterschieden feststellen. Dem ist auch
die Antragstellerin nicht entgegengetreten.
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Sind Bewerber um ein Beförderungsamt – wie hier die Antragstellerin und die
Beigeladene – aktuell als im wesentlichen gleich qualifiziert anzusehen, ist für die
Auswahlentscheidung grundsätzlich auch auf ältere Beurteilungen als zusätzliche
Erkenntnismittel zurückzugreifen. Bei ihnen handelt es sich ebenfalls um Erkenntnisse,
die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben
können und die in diesem Falle gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind.
Zwar verhalten sie sich nicht zu dem aktuellen Leistungsstand, gleichwohl können sie
bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen auch
über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Ihre zusätzliche
Berücksichtigung ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG nicht nur zulässig,
sondern geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr im wesentlichen
gleich beurteilten Beamten zu treffen ist.
15
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 2 C 31.01 –, ZBR 2003,
359 (360), vom 27. Februar 2003 – 2 C 16.02 –, ZBR 2003, 420 (421), und vom
21. August 2003 – 2 C 14.02 –, ZBR 2004, 101 (103); Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Dezember 2003 - 6 B 2321/03 -,
veröffentlicht in juris und NRWE, und vom 12. Februar 2007 1 B 2760/06 –, n.v.;
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. Januar 2005 – 2 L 3391/04 – und
vom 18. Februar 2008 – 13 L 1817/07 –, beide NRWE und juris.
16
Auch bei der Auswertung früherer dienstlicher Beurteilungen steht dem Dienstherrn ein
gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen
er sich schlüssig zu werden hat, ob und inwieweit aus den früheren Beurteilungen
Erkenntnisse für den Qualifikationsvergleich gewonnen werden können. Damit kann
wiederum eine besondere Begründungs- und Substantiierungspflicht des Dienstherrn
einhergehen. Dabei ist es unter dem Gesichtspunkt der Bestenauslese nicht sachwidrig,
die Leistungsentwicklung der Bewerber in den Blick zu nehmen. In diesem
Zusammenhang kann von Bedeutung sein, wie lange die Bewerber im aktuellen
Statusamt mit der Spitzennote beurteilt worden sind. Ob allein auf eine solche
Leistungskonstanz abstellende Betrachtung ausreicht, hängt allerdings von den
Umständen des Einzelfalles ab. Wenn es beispielsweise um Bewerber geht, die über
lange Zeiträume im wesentlichen gleich beurteilt worden sind, muss der Dienstherr in
Erwägung ziehen, dass Unterschiede in den Zeiträumen, in denen Bewerber im
wesentlichen gleich beurteilt worden sind, auch daraus resultieren können, dass sich
Lebens- und Dienstalter der Bewerber unterscheiden. Ob er diese Gesichtspunkte
letztendlich bei seiner Entscheidung heranzieht und welche Bedeutung er ihnen
beimisst, fällt in den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum
des Dienstherrn.
17
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 12.
Februar 2007 1 B 2760/06 und 1 B 2761/06 , n.v.
18
Abweichungen hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem eine bestimmte Note erstmals
erreicht wurde, können eine Prognose über die künftige Bewährung und damit einen
signifikanten Unterschied in der Leistungsentwicklung jedoch dann nicht mehr
rechtfertigen, wenn die zeitliche Divergenz in der Erreichung der jeweiligen Note schon
sehr lange zurückliegt und/oder – auch im Verhältnis zu der seitdem vergangenen Zeit –
so gering ist, dass hieraus für die aktuelle Qualifikation keine aussagekräftigen
Rückschlüsse mehr gezogen werden können.
19
Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 22. Mai 2006 – 13 L 500/06 –,
n.v., für den Fall einer Divergenz, die mehr als 20 Jahre zurücklag.
20
Der Antragsgegner hat, seinem Vermerk 1. April 2009 zufolge, zunächst eine inhaltliche
Ausschöpfung der früheren Beurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen, die
beide seit mehr als zehn Jahren im aktuellen Statusamt mit der Spitzennote beurteilt
worden sind, in Betracht gezogen. Dabei hat er keine wesentlichen Unterschiede
festgestellt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil sich bei einer Auswertung der
Einzelfeststellungen keine sich aufdrängenden oder zumindest naheliegende
Unterschiede feststellen lassen. Auch die Antragstellerin ist dem nicht
entgegengetreten.
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Sodann hat der Antragsgegner die Dauer der (Spitzen)Noten im Statusamt in den Blick
genommen und – bezogen auf den 31. März 2009 – 15 Jahre und 2 Monate
(Antragstellerin) und 13 Jahre und 5 Monate (Beigeladene) zugrunde gelegt. Außerdem
hat er den Einfluss des Dienst- und Lebensalters auf diese Zeiträume ermittelt. Dabei ist
er davon ausgegangen, dass die Antragstellerin 2 Jahre und 9 Monate dienstälter und 3
Jahre und 4 Monate lebensälter ist. Diese Zeiträume hat er von dem Zeitraum, in dem
die Antragstellerin die Spitzennote im Statusamt hatte, abgezogen mit Ergebnis, dass
sich nunmehr ein Vorsprung der Beigeladenen ergibt, – bei Berücksichtigung des
höheren Dienstalters ein Vorsprung von 1 Jahr und bei Berücksichtigung des höheren
Lebensalters ein Vorsprung von 1 Jahr und 7 Monaten. Wegen dieses Vorsprungs ist
der Beigeladenen der Vorzug gegenüber der Antragstellerin gegeben worden.
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Damit hat sich der Antragsgegner von Ansatz her ebenfalls innerhalb des gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraums gehalten. Wie ausgeführt, ist die
Berücksichtigung der Leistungskonstanz (Dauer der Spitzennoten im Statusamt) und der
Einfluss des jeweiligen Dienst- und Lebensalters auf diese Zeiträume zumindest nicht
sachwidrig. Allerdings sei hier angemerkt, dass sich eine schematische
Berücksichtigung dieser Umstände in dem Sinne, dass das gefundene rechnerische
Ergebnis geradezu automatisch den Ausschlag gibt, oftmals mit allgemein gültigen
Wertmaßstäben nicht im Einklang stehen dürfte. Denn unter dem Gesichtspunkt der
Bestenauslese sind je nach Lage des Einzelfalles zusätzliche Gesichtspunkte, wie etwa
eine besondere fachliche Qualifikation, in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Fall
sind derartige zusätzlichen Gesichtspunkte indes nicht ersichtlich und werden auch von
der Antragstellerin nicht aufgezeigt.
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Die Auswahlentscheidung leidet jedoch an einem rechtlichen Mangel, weil sie
maßgeblich auf einen Vorsprung der Beigeladenen bei der – im Hinblick auf das Dienst-
und Lebensalters bereinigten – Dauer der Spitzennote im Statusamt abstellt, der im
Verhältnis zur Gesamtzeit der Spitzennote im Statusamt nicht ins Gewicht fällt. Darin
liegt eine Nichtbeachtung allgemein gültiger Wertmaßstäbe. Der vom Antragsgegner
ermittelte Vorsprung der Beigeladenen beträgt 1 Jahr (bei Berücksichtigung des
höheren Dienstalters) bzw. 1 Jahr und 7 Monate (bei Berücksichtigung des höheren
Lebensalters), während nach dieser Berechnung die Gesamtzeit der Spitzennote im
Statusamt bei der Beigeladenen 13 Jahre und 5 Monate beträgt. Dabei kommt noch
hinzu, dass bei dieser Berechnung irrtümlich von einer Beförderung der Beigeladenen
in das Statusamt am 1. November 1995 (richtig: 23. November 1995) ausgegangen
wurde, so dass sich der bei Berücksichtigung des höheren Lebensalters ermittelte
Vorsprung sogar entsprechend (d.h. um etwa drei Viertel eines Monats) verringert.
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Im übrigen ist die rechtlich zu beanstandende Verfahrensweise des Antragsgegners
auch nur schwer im Einklang zu bringen mit den Ausführungen an anderer Stelle des
Vermerks vom 1. April 2009. Dort heißt es, in ständiger Verwaltungspraxis würden, was
die Dauer der Noten im Statusamt angehe, Leistungs- und Eignungsvorsprünge bei
chronologisch rückwärts gerichtetem Blick auf die Gesamtnoten dann angenommen,
wenn diese jeweils mehr als ein Jahr betrügen, die Unterschiede bezogen auf den
Gesamtzeitraum nicht geringfügig seien und diese nicht durch entscheidungsrelevant
werdende qualitative Ausschärfungen der Beurteilungstexte weniger bedeutsam
würden. Auf diese Ausführungen kommt der Vermerk vom 1. April 2009 aber später nicht
zurück, auch nicht wenn es um den bezogen auf den Gesamtzeitraum kaum ins Gewicht
fallenden Vorsprung der Beigeladenen bei der Dauer der Spitzennote im Statusamt
geht. Der Antragsgegner hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Vorsprung
der Beigeladenen unter Berücksichtigung des Dienstalters der Antragstellerin gerade
nicht mehr als ein Jahr beträgt. Er hat auch nicht erwogen, ob der unter
Berücksichtigung des Lebensalters ermittelte Vorsprung angesichts des
Gesamtzeitraumes nicht im Sinne der eigenen Vorgabe geringfügig ist.
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Dieser Rechtsfehler ist auch im Sinne der dargestellten Anforderungen kausal, weil es
bei einer erneuten Auswahlentscheidung nicht unmöglich erscheint, dass diese zu
Gunsten der Antragstellerin ausfällt.
26
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die
Beigeladene mit dem ausdrücklichen Begehren, den Antrag abzulehnen, einen Antrag
gestellt, ist sie gemäß § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten zu beteiligen. In Ansehung
des ihr nach § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessens hält
das Gericht im Verhältnis des Antragsgegners zur Beigeladenen eine Kostenquote von
75 v.H. zu 25 v.H. für sachgerecht. Eine Kostenverteilung nach Kopfteilen, also hier
hälftig, wie in § 100 Abs. 1 ZPO für den Regelfall vorgesehen, würde dem Umfang der
jeweiligen Verantwortungssphären nicht gerecht werden.
27
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG
und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen, wonach in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um
Stellenbesetzungen die Hälfte des Auffangwertes anzusetzen ist.
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