Urteil des VG Düsseldorf vom 31.03.2009

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 8231/08
Datum:
31.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 8231/08
Schlagworte:
Beamte Versorgungsempfänger Beihilfe Ausland Beförderung
Beförderungskosten Strahlentherapie Krankenbehandlung
Normen:
BVO § 4 Abs 1 Nr 11;BVO § 10 Abs 1 S 3;LBG § 88
Leitsätze:
Die Beihilfefähigkeit von Kosten für die Beförderung eines erkrankten
Ruhestandsbeamten von seinem Wohnsitz in den Niederlanden zur
Krankenbehandlung innerhalb der Niederlande ist nicht durch die
landesrechtliche Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 und S. 3 BVO
ausgeschlossen.
Tenor:
Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des
Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom
29.05.2009 und dessen Widerspruchsbescheides vom 08.07.2009
verpflichtet, dem Kläger für die zur Durchführung der
Strahlenbehandlung angefallenen Beförderungskosten für die Fahrten
von seiner Wohnung in X/Niederlande zum Radiotherapeutischen
Institut G, Cstraat 36, M/Niederlande und zurück eine Beihilfe in Höhe
von 939,92 € (70% von 1.342,74 €) zu gewähren .
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte
Land darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der am 00.00.1937 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger des beklagten Landes.
Er hat seinen ständigen Wohnsitz in X/Niederlande und ist beihilfeberechtigt mit einem
Beihilfebemessungssatz von 70 v.H.
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Im Jahr 2007 erkrankte der Kläger an einem Prostata-Karzinom. Infolgedessen wurde
ihm die Prostata operativ entfernt. Aufgrund eines PSA-Rezidiv unterzog sich der Kläger
im Jahr 2008 einer Hormonbehandlung. Im Anschluss an diese Behandlung war
ärztlicherseits eine Strahlentherapie für die Dauer von mehreren Wochen vorgesehen.
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Mit Schreiben vom 31.07.2008 bat der Kläger das Landesamt für Besoldung und
Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) um Mitteilung, ob die Kosten für die Beförderung
zur Strahlenklinik im 65 km von seinem Wohnsitz entfernten M übernommen werden
könnten. Die Kosten würden voraussichtlich 1,10 €/km betragen. Die Bestrahlung wäre
zwar auch in der Uni-Klinik F möglich, in der er zuletzt behandelt worden sei. Die
Behandlung erfordere dann jedoch einen stationären Aufenthalt von 6 Wochen.
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Mit Schreiben vom 05.08.2008 teilte das LBV mit, dass krankheitsbedingte
Beförderungskosten in den Niederlanden nicht beihilfefähig seien, das gelte auch für
notwendige Taxifahrten. Fahrtkosten zu einer auswärtigen Behandlung bei einem
Facharzt oder in einer Fachklinik könnten nur dann als beihilfefähig anerkannt werden,
wenn eine Behandlung am Wohn-, Behandlungs- oder Aufenthaltsort und in deren
Nahbereich bei einfachen Entfernungen bis zu 30 km oder an einem näher gelegenen
Ort mit gleicher Erfolgsaussicht nicht möglich sei. Dies sei durch ärztliche
Bescheinigung nachzuweisen.
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Mit Schreiben vom 19.08.2008 übersandte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des
Oberarztes T der Uni-Klinik F Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und
urologische Onkologie , wonach für die geplante Strahlentherapie über einen Zeitraum
von 57 Wochen eine Taxifahrt ärztlich indiziert sei und bat um erneute Überprüfung der
Beihilfefähigkeit der Transportkosten.
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Nachdem das LBV mitgeteilt hatte, dass es keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung
der Rechtslage sehen könne, wies der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2008 darauf hin,
dass er seit 11 Jahren in den Niederlanden wohne. Es könne doch nicht sein, dass
Beförderungskosten generell selbst bei einem Unfall oder nach einem Herzinfarkt nicht
übernommen würden. Letztlich müsse im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn
die Möglichkeit einer Kostenübernahme in seinem Fall bestehen. Der Kläger bat falls
das LBV an seiner ablehnenden Rechtsauffassung festhalte um einen
rechtsmittelfähigen Bescheid.
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Mit Bescheid vom 14.10.2008 lehnte das LBV die beantragte Kostenübernahme ab. Zur
Begründung führte es aus: Beförderungskosten, die auf Grund einer Behandlung im
Ausland entstünden, könnten grundsätzlich nicht als beihilfefähig anerkannt werden.
Dies ergebe sich aus § 10 Abs. 1 S. 3 BVO. Eine Ausnahme könne nur gemacht
werden, falls durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nachgewiesen werde,
dass eine Behandlung im Ausland dringend notwendig und im Inland kein
vergleichbarer Heilerfolg zu erwarten sei und die Festsetzungsstelle vor Beginn der
Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen anerkannt habe. Diese Regelung
gelte auch für im Ausland wohnende beihilfeberechtigte Personen.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, in
seinem konkreten Falle treffe die Behauptung nicht zu, dass die Behandlung im Ausland
erfolge, denn aus seiner Sicht er habe seinen ständigen Wohnsitz in den Niederlanden
handele es sich bei den Niederlanden nicht um Ausland.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 04.11.2008 wies das LBV den Widerspruch des
Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Nach § 10 Abs. 1 S. 3
BVO seien, abweichend von § 4 Abs. 1 Nr. 11 BVO, die Beförderungskosten zum
Behandlungsort im Ausland nicht beihilfefähig. Unter Ausland sei das Gebiet außerhalb
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des Geltungsbereichs des Grundgesetzes zu verstehen. Ein Ausnahmetatbestand sei
nicht gegeben. Auch sei der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von im Ausland
entstandenen Beförderungskosten mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht
vereinbar; die Regelung verstoße nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf auch nicht gegen Europäisches Recht. § 10 Abs. 1 S. 3 BVO sei auf im
Ausland wohnende Beihilfeberechtigte entsprechend anzuwenden, sodass die
Beihilfefähigkeit von Beförderungskosten generell ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat am 29.11.2008 Klage erhoben, mit der er ursprünglich die vorherige
Anerkennung der zur Durchführung der Strahlenbehandlung anfallenden
Beförderungskosten für die Fahrten von seiner Wohnung in X/Niederlande zum
Radiotherapeutischen Institut G , Cstraat 36, M/Niederlande und zurück als beihilfefähig
begehrt hat.
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Einen rechtlichen Hinweis des zuständigen Einzelrichters nahm der Kläger zum Anlass,
mit Beihilfeantrag vom 01.05.2009 beim LBV die Gewährung einer Beihilfe für die
inzwischen bereits durchgeführten 12 Taxifahrten und 23 private Fahrten á 104 km zu
beantragen.
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Mit Bescheid vom 29.05.2009 lehnte das LBV die Gewährung einer Beihilfe mit der
Begründung ab, Beförderungskosten im Ausland seien nicht beihilfefähig. Den hierauf
vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das LBV durch Widerspruchsbescheid vom
08.07.2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte es seine
Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 04.11.2008.
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Im vorliegenden Klageverfahren trägt der Kläger unter Vorlage einer ärztlichen
Bescheinigung des behandelnden Arztes O aus M vom 06.01.2009 ergänzend zum
Verwaltungsverfahren vor: Eine stationäre Aufnahme sei für die Behandlung nicht
vorgesehen. Es sei ihm technisch und finanziell nicht möglich gewesen, täglich von
seinem Wohnsitz in den Niederlanden nach F zur Strahlentherapie zu fahren oder
gefahren zu werden. Da er auf Grund der Bestrahlung kein Auto habe führen dürfen und
öffentliche Verkehrsmittel ebenfalls nicht zur Verfügung gestanden hätten, habe er ein
Taxi-Unternehmen in Anspruch nehmen müssen. Die Strahlenbehandlung sei in der
Nähe seines Wohnortes und nicht im Ausland vorgenommen worden. Das vom LBV in
Bezug genommene Urteil des Verwaltungsgerichts sei im vorliegenden Fall nicht
einschlägig, weil es die ärztliche Versorgung und den Transport eines Urlaubers im
Ausland betreffe. Anders als in seinem Fall könnten bei einer Auslandsreise die
Transportkosten durch eine Auslandsreiseversicherung abgedeckt werden. In der
Vergangenheit habe ihm das LBV Beförderungskosten anteilig ohne Beanstandung
erstattet. Sollte die Ablehnung rechtmäßig sein, so hätte dies mit Blick auf sein Alter und
das Alter seiner Ehefrau wegen der drohenden krankheitsbedingten
Beförderungskosten zur Folge, dass sie nach 10 Jahren Aufenthalt in den Niederlanden
doch wieder Wohnsitz in Deutschland nehmen müssten, was angesichts der
Globalisierung kaum nachzuvollziehen sei. Insgesamt habe er zwecks Bestrahlung
35 Fahrten à 102 km absolviert. Hierauf entfielen 23 Fahrten auf den Privatwagen und
12 Fahrten auf die Inanspruchnahme eines Taxiunternehmens. Das Taxiunternehmen
habe 1.342,74 € in Rechnung gestellt. Die Kosten des Taxiunternehmens wolle er als
beihilfefähig anerkannt und eine entsprechende Beihilfe ausgezahlt bekommen. Eine
Rechnung des Taxiunternehmens hat der Kläger in Kopie vorgelegt.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß nunmehr,
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das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des LBV vom 29.05.2009 und
dessen Widerspruchsbescheides vom 08.07.2009 zu verpflichten, ihm dem
Kläger für die zur Durchführung der Strahlenbehandlung angefallenen
Beförderungskosten für die Fahrten von seiner Wohnung in X/Niederlande zum
Radiotherapeutischen Institut G, Cstraat 36, M/Niederlande und zurück eine
Beihilfe in Höhe von 939,92 € (70% von 1.342,74 €) zu gewähren.
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Das beklagte Land nimmt Bezug auf die Ausführungen in den angefochtenen
Bescheiden und beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Die Parteien haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren
einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten
ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis mit den
Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22
Die Klage ist in ihrer geänderten Form der gerichtlichen Entscheidung zuzuführen, denn
die Klageänderung ist sachdienlich (vgl. § 91 Abs. 1 VwGO), weil der Streitstoff im
Wesentlichen unverändert bleibt und eine Entscheidung über das geänderte Begehren
geeignet ist, die endgültige Beilegung des Streites zu fördern. Es muss deshalb nicht
der Frage nachgegangen werden, ob der Beklagte sich dadurch, dass er sich mit einer
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, rügelos auf die
geänderte Klage eingelassen und hierdurch der Klageänderung zugestimmt hat (vgl.
§ 91 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage in ihrer geänderten Form ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.
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Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch darauf,
dass das beklagte Land zu den anlässlich der Strahlentherapie angefallenen
Beförderungskosten (Taxikosten) vom Wohnsitz des Klägers zum Radiologischen
Institut in M eine Beihilfe in der begehrten Höhe gewährt.
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Dieser Anspruch des Klägers folgt aus § 88 des Beamtengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz LBG NRW) in der bis zum 01.04.2009
geltenden Fassung (LBG a.F.) i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 11 BVO.
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Der Beurteilung zugrunde zu legen ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des
Entstehens der Aufwendungen, für die eine Beihilfe verlangt wird,
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OVG NRW, Urteil vom 12.11.2007 1 A 995/06 m.w.N.
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Nach der gesetzlichen Definition (vgl. § 3 Abs. 5 S. 2 BVO) gelten die Aufwendungen
als entstanden in dem Zeitpunkt, in dem die sie verursachenden Umstände eingetreten
sind, z. B. der Zeitpunkt der Behandlung durch den Arzt, des Einkaufs von Arzneien, der
Lieferung eines Heilmittels. Hier sind sämtliche vom Kläger geltend gemachte
Fahrtkosten vor dem 01.04.2009 angefallen die Rechnung des Taxiunternehmens
datiert vom 31.03.2009 sodass das Landesbeamtengesetz in der bis zum 01.04.2009
geltenden Fassung anzuwenden ist.
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Gemäß § 88 Satz 1 LBG NRW a.F. erhalten u.a. Beamte und Ruhestandsbeamte
Beihilfen zu den Aufwendungen u.a. in Krankheitsfällen. Nach § 88 Satz 2 LBG NRW
a.F. sind beihilfefähig die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für den
Beihilfeberechtigten selbst und unter anderem seinen nicht selbst beihilfeberechtigten
Ehegatten. Bei der Bemessung der Beihilfe sind nach § 88 Satz 3 LBG NRW a.F.
insbesondere der Familienstand, die Art der Aufwendungen, Ansprüche auf
Heilfürsorge, auf Krankenpflege und sonstige Sachleistungen sowie Ansprüche auf
Kostenerstattung auf Grund von Rechtsvorschriften und auf Grund arbeitsvertraglicher
Vereinbarungen in der Höhe zu berücksichtigen, in der sie ohne Verzicht auf Leistungen
oder Nichtinanspruchnahme von Leistungen zustehen; Leistungen von Versicherungen
können berücksichtigt werden. Das Nähere regelt gemäß § 88 Satz 4 LBG NRW a.F.
das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium bei Änderungen
von grundsätzlicher Bedeutung im Benehmen mit dem Ausschuss für Innere Verwaltung
des Landtags durch Rechtsverordnung. Darin kann gemäß § 88 Satz 5 LBG NRW a.F.
unabhängig von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten unter anderem die
Beihilfefähigkeit der Aufwendungen bei Behandlungen außerhalb des Wohnortes des
Beihilfeberechtigten sowie in Todesfällen begrenzt werden; daneben kann der
Beihilfeberechtigte über die Eigenvorsorge hinaus zu einer vertretbaren
Selbstbeteiligung an den Kosten herangezogen werden.
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Die in Ausführung von § 88 S. 4 LBG NRW a.F. erlassene Rechtsverordnung
(Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und
Todesfällen Beihilfenverordnung BVO) bestimmt in § 3 Abs. 1 Nr. 1, dass in
Krankheitsfällen beihilfefähig sind die zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur
Besserung oder Linderung von Leiden oder zum Ausgleich angeborener oder
erworbener Körperschäden notwendigen Aufwendungen in angemessenen Umfange.
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Welche Aufwendungen in Krankheitsfällen beihilfefähig sind, ist in § 4 Abs. 1 BVO
bestimmt. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 11 S. 1 BVO umfassen die beihilfefähigen
Aufwendungen die Kosten für die Beförderung des Erkrankten (...) bis zur Höhe der
Kosten der niedrigsten Klasse regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel unter
Berücksichtigung möglicher Fahrpreisermäßigungen. Nach S. 3 dieser Bestimmung
dürfen höhere Fahr- und Transportkosten nur berücksichtigt werden, wenn sie
unvermeidbar waren; wird in diesen Fällen ein privater Personenkraftwagen benutzt, ist
höchstens der in § 6 Abs. 1 S. 2 LRKG genannte Betrag beihilfefähig.
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Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zu den
ihm anlässlich der durchgeführten Strahlentherapie entstandenen Beförderungskosten.
Er ist als Ruhestandsbeamter beihilfeberechtigt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BVO und
es liegt ein Beihilfefall gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 a) BVO vor, weil dem Kläger
Aufwendungen in einem Krankheitsfall entstanden sind.
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Die Beförderungskosten sind als notwendige Aufwendungen beihilfefähige Kosten im
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Die Beförderungskosten sind als notwendige Aufwendungen beihilfefähige Kosten im
Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Nr. 11 S. 3 BVO. Der Kläger hat
schlüssig vorgetragen und durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des T vom
Universitätsklinikum F vom 13.08.2008 nachgewiesen, dass auf Grund eines PSA-
Rezidivs medizinisch eine postoperative Strahlentherapie nach bereits eingeleiteter
antiandrogener medikamentöser Therapie indiziert war. Er hat ferner schlüssig
vorgetragen und belegt, dass zur Durchführung der Strahlentherapie eine Taxifahrt
ärztlich indiziert war. Dies geht sowohl aus der vorstehend genannten Bescheinigung
des T als auch aus der im Gerichtsverfahren vorgelegten Bescheinigung des O vom
06.01.2009 hervor. Die medizinische Indikation der Taxifahrt ist nachvollziehbar, stellt
doch die Strahlentherapie eine erhebliche körperliche Belastung dar, die sowohl das
Führen eines Pkw als auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel dem Kläger
unmöglich, zumindest unzumutbar machte. Mithin waren die im Vergleich mit den
Kosten regelmäßiger Beförderungsmittel höheren Fahrkosten des Klägers
unvermeidbar.
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Die Beihilfefähigkeit der Beförderungskosten ist zunächst nicht ganz oder teilweise
durch § 4 Abs. 1 Nr. 11 S. 4 b) oder c) BVO ausgeschlossen. Der Kläger hat bei den
ihnen zu Grunde liegenden Fahrten weder einen privaten Pkw noch regelmäßig
verkehrende Beförderungsmittel genutzt, sodass es nicht darauf ankommt, ob die
Kosten im Nahbereich bis zu einer Entfernung von 30 km vom Aufenthaltsort entstanden
sind. Ferner hat das beklagte Land in keiner Weise dargelegt, dass eine geeignete
Behandlung an einem näher gelegenen Ort möglich gewesen wäre.
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Die Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 11 BVO ist ferner nicht durch die Regelung in § 10
Abs. 1 S. 1 und S. 3 BVO ausgeschlossen. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 BVO sind
Aufwendungen für eine Krankenbehandlung oder Entbindung im Ausland bis zur Höhe
der Aufwendungen beihilfefähig, die bei einer Behandlung am inländischen Wohnort
oder letzten früheren inländischen Dienstort des Beihilfeberechtigten oder in dem ihnen
am nächsten gelegenen geeigneten inländischen Behandlungsort beihilfefähig wären.
Nach S. 3 sind Beförderungskosten zum Behandlungsort abweichend von § 4 Abs. 1
Nr. 11 nicht beihilfefähig. Ist hingegen eine Behandlung nach Abs. 3 Nr. 2 nur außerhalb
der Bundesrepublik Deutschland möglich, findet § 4 Abs. 1 Nr. 11 S. 1 bis 3 BVO
Anwendung.
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Der Ausschluss von Beförderungskosten zum Behandlungsort beruht demnach auf dem
Gedanken, dass diese Kosten nicht notwendig sind, wenn eine Behandlung am
Wohnort oder jedenfalls innerhalb der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Es kann
hier dahinstehen, ob diese Regelung als nähere Regelung der notwendigen und
angemessenen Aufwendungen im Sinne von § 88 S. 2 Halbs. 1 LBG NRW zu verstehen
ist, zu der § 88 S. 4 LBG NRW ermächtigt, oder ob sie von der in § 88 S. 5 LBG NRW
enthaltenen Ermächtigung gedeckt ist, wonach in der Rechtsverordnung bei
Behandlungen außerhalb des Wohnortes des Beihilfeberechtigten unabhängig von der
Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen
begrenzt werden kann.
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Ebenfalls kann dahingestellt bleiben, ob der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von in den
Mitgliedstaaten der EG entstehenden Beförderungskosten gegen Art. 49 des EG-
Vertrages verstößt und wegen des Geltungsvorrangs des Europäischen
Gemeinschaftsrechts diese Regelung der BVO unanwendbar ist,
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so VG Aachen, Urteil vom 10.01.2008 1 K 339/05 Juris, unter Berufung auf BVerwG,
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Urteil vom 23.05.2002 2 C 35/00 Juris; a.A. bisher: VG Düsseldorf, Urteil vom
15.11.2005 26 K 327/05 Juris.
Wie nämlich aus § 10 Abs. 4 BVO in der seit dem 01.01.2007 geltenden Fassung folgt,
findet § 10 Abs. 1 BVO bei Aufwendungen von im Ausland wohnenden
Beihilfeberechtigten keine unmittelbare Anwendung; vielmehr gelten die Absätze 1 und
2 für diesen Personenkreis entsprechend. Da der Verordnungsgeber die
"entsprechende" Geltung von § 10 Abs. 1 BVO anordnet, geht er offenbar davon aus,
dass dessen Regelungen auf den Beihilfeberechtigten mit Wohnsitz im Ausland nicht
passen.
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Entsprechende Anwendung bedeutet, dass wenn eine konkrete Gesetzesregelung
fehlt ein Sachverhalt nach einem ähnlichen Sachverhalt beurteilt werden soll, der
gesetzlich geregelt ist. Ordnet der Verordnungsgeber die entsprechenden Anwendung
einer Bestimmung in bestimmten Fallgestaltungen an, so trägt er hiermit dem Umstand
Rechnung, dass die Vorschrift, die entsprechend angewendet werden soll, den zu
regelnden Fall nicht erfasst. Bei entsprechender Anwendung ist den Besonderheiten der
abweichenden Fallgestaltung Rechnung zu tragen. Dabei sind unsachgemäße
Gleichsetzungen zu vermeiden, wie auch Differenzierungen geboten sein können.
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Die Regelungen in § 10 Abs. 1 S. 3 und S. 4 BVO sind zugeschnitten auf
Beihilfeberechtigte, die sich vorübergehend (etwa anlässlich einer Urlaubs- oder
Dienstreise) im Ausland aufhalten oder aber sich zwecks ärztlicher Behandlung ins
Ausland begeben. Dies verdeutlichen die Ausnahmetatbestände des § 10 Abs. 3 Nr. 1
und 2 BVO, in denen abweichend die Aufwendungen für eine Krankenbehandlung im
Ausland ohne die Einschränkungen des Abs. 1 für beihilfefähig erklärt werden, wenn
der Beihilfeberechtigte auf einer Auslandsdienstreise erkrankt und die
Krankenbehandlung nicht bis zur Rückkehr ins Inland aufgeschoben werden kann oder
wenn durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nachgewiesen wird, dass die
Behandlung im Ausland dringend notwendig und im Inland kein vergleichbarer
Heilerfolg zu erwarten ist. Demnach liegt den Einschränkungen des § 10 Abs. 1 BVO
die Erwägung zugrunde, dass im Regelfall die Notwendigkeit einer Behandlung im
Ausland nicht gegeben ist und deshalb der Beihilfeberechtigte das Risiko höherer
Behandlungskosten tragen soll. Dies rechtfertigt, dass im Grundsatz nur diejenigen
Kosten beihilfefähig sein sollen, die bei einer Behandlung am dem inländischen
Wohnort oder letzten inländischen Dienstort nächstgelegenen geeigneten inländischen
Behandlungsort beihilfefähig wären, wobei für Behandlungen in EG-Mitgliedsstaaten
ein entsprechender Kostenvergleich nicht durchzuführen ist. Ersichtlich zielt § 10 Abs. 1
BVO somit auf eine Kostenbegrenzung. Dies gilt auch für S. 3 dieser Bestimmung. Das
Risiko hoher Beförderungskosten bei nicht notwendiger Krankenbehandlung im
Ausland soll nicht auf den Dienstherrn abgewälzt werden, zumal ggf. Vorsorge durch
Abschluss einer entsprechenden Auslandsreiseversicherung getroffen werden kann.
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Diese Erwägung greift allerdings nicht, wenn der Beihilfeberechtigte seinen ständigen
Wohnsitz im Ausland genommen hat. Die Fahrtkosten dürften in aller Regel dann
erheblich höher sein, wenn sich der Beihilfeberechtigte mit Wohnsitz im Ausland
zwecks ärztlicher Behandlung in die Bundesrepublik Deutschland begibt. So auch im
Falle des Klägers: Ungeachtet dessen, dass eine tägliche Fahrt zur Behandlung nach F
und zurück angesichts der schweren Erkrankung des Klägers kaum zumutbar gewesen
wäre, wären hierdurch bei gleichem Beförderungsmittel, also einem Taxi erhebliche
höhere Beförderungskosten entstanden als bei Behandlung innerhalb der Niederlande.
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Bei nicht täglicher An- und Rückreise wären ungeachtet der Frage der Zumutbarkeit
einer mehrwöchigen Abwesenheit vom Wohnsitz hingegen Unterbringungskosten (bei
stationärer Aufnahme auch Pflegekosten) angefallen, die bei der Behandlung innerhalb
der Niederlande nicht entstanden sind.
Entsprechende Geltung des § 10 Abs. 1 S. 3 BVO kann hiernach nicht bedeuten, den
Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Beförderungskosten im Ausland für
Beihilfeberechtigte mit Wohnsitz im Inland mit gleichem Regelungsgehalt auf den
Beihilfeberechtigten mit Wohnsitz im Ausland zu übertragen, mit anderen Worten die
Vorschrift wortgetreu und unmittelbar auf im Ausland wohnende Beihilfeberechtigte
anzuwenden. Vielmehr hat sich die entsprechende Anwendung an Sinn und Zweck der
Regelung zu orientieren. Sinn und Zweck gebieten es, die Beförderungskosten eines im
Ausland wohnenden Beihilfeberechtigten zum Behandlungsort auszuschließen, wenn
dieser sich ohne Notwendigkeit außerhalb des Landes behandeln lässt, in dem er
seinen Wohnsitz hat. Denn nur dann greift der Gedanke, dass höhere
Behandlungskosten als notwendig nicht dem Dienstherrn aufgebürdet werden sollen.
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Nach alledem hat der Kläger Anspruch auf Beihilfe zu den Beförderungskosten nach
seinem persönlichen Bemessungssatz gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 b) in Höhe von 70 v.H.
der ihm entstandenen Aufwendungen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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