Urteil des VG Darmstadt vom 02.02.2011

VG Darmstadt: grundstück, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, lärm, windkraftanlage, genehmigungsverfahren, wertminderung, behörde, interessenabwägung, eigentum, windenergie

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Gericht:
VG Darmstadt 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 K 877/09.DA
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG, § 3
Abs 1 BImSchG, § 6 Abs 1
BImSchG, § 35 Abs 3 Nr 3
BauGB
Windkraftanlage
Leitsatz
1. Nur wenn Zweifel an der Richtigkeit des Nachweises bestehen, dass eine geplante
Windkraftanlage typenbedingt keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft, oder
wenn das vorgelegte Immissionsprognosegutachten nicht den Anforderungen an eine
sachverständige Begutachtung genügt, ist eine weitere Begutachtung zu veranlassen.
Diese kann nach Errichtung der genehmigten Anlage vor Eintritt der Bestandskraft der
Genehmigung auch durch konkrete Messungen erfolgen, die dann dem
Genehmigungsverfahren und nicht der Anlagenüberwachung zuzurechnen sind.
2. Zur Anwendbarkeit der TA - Lärm auf Windkraftanlagen und zu Fragen der optisch
bedrängenden Wirkung einer Windkraftanlage sowie zum Wertverlust bei in
Sichtbeziehung zu ihr gelegenen Wohngrundstücken.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen vom
Beklagten mit Genehmigungsbescheid vom 09.06.2009 erteilte und auf die
Beigeladene übertragene immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung
und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen auf dem Wberg in Xstadt.
Der Wberg ist im Regionalplan Südhessen 2000 als „Bereich für die
Windenergienutzung < 10 ha – Bestand“ eingetragen und keinem besonderen
Schutzgebiet zugewiesen. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hat dort
bereits seit Oktober 1999 zwei Windkraftanlagen vom Typ Fuhrländer 1000
betrieben, die eine Nabenhöhe von etwa 70 m und einen Rotordurchmesser von
54 m aufweisen.
In Planung der Erweiterung dieser Windenergienutzung beantragte sie mit
Formularantrag vom 20.12.2008 für die Errichtung zweier weiterer
Windkraftanlagen vom Typ Enercon E-82 mit jeweils einer Nabenhöhe von etwa
138 m, einem Rotordurchmesser von 82 m und einer Leistung von 2 MW nebst
Nebenanlagen die Erteilung einer Baugenehmigung nach § 60 HBO und die
immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Einbeziehung der Entscheidung
nach § 64 HBO. Dem Antrag waren verschiedene Gutachten, unter anderem über
die Schallimmissionsprognose, und eine Sichtbeziehungsstudie beigefügt. Wegen
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die Schallimmissionsprognose, und eine Sichtbeziehungsstudie beigefügt. Wegen
des Ergebnisses der Begutachtungen wird auf die zu den Behördenvorgängen
gereichten Gutachten, insbesondere der IEL GmbH vom 09.05.2008, Bezug
genommen.
Der Standort der streitbefangenen, zwischenzeitlich auch errichteten und im
Probebetrieb befindlichen Anlagen liegt 1.330 m bzw. 1.470 m vom Grundstück der
Kläger entfernt.
Nachdem die zu beteiligenden Stellen angehört worden waren, sich Bürger und
Gemeinden zur Sache gemeldet hatten und die Stadt Xstadt ihre hierauf
bezügliche Zustimmung erteilt hatte, erteilte das Regierungspräsidium Darmstadt
der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Bescheid vom 09.06.2009 die
beantragte Genehmigung. Wegen der mit ihr verbundenen Nebenbestimmungen
auch zur Umsetzung der Äußerungen der Fachbehörden wird auf den
Genehmigungsbescheid Bezug genommen.
Die Kläger haben daraufhin am 03.07.2009 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben.
Zur Begründung führen sie aus, die Behörde habe verkannt, dass der Standort der
streitbefangenen Windkraftanlagen, wenn auch noch nach dem Regionalplan
Südhessen aus dem Jahr 2000 so nicht mehr nach dessen geplanter
Fortschreibung für das Jahr 2010 als Vorrang- bzw. Vorbehaltsfläche für
Windenergie ausgewiesen sei. Da diese Planung bereits gewisse Planreife erlangt
habe, seien die dortigen Maßgaben im Genehmigungsverfahren zu beachten.
Außerhalb von Vorrang- bzw. Vorbehaltsflächen für Windenergie verbiete sich indes
eine Genehmigung für Windkraftanlagen. Weiterhin berufen sich die Kläger darauf,
dass auf sie wegen der relativ geringen Entfernung der Windkraftanlagen zu ihrem
Wohnhaus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche,
unzumutbare Belastung durch von den Anlagen ausgehenden Lärmimmissionen
zukomme. Die entsprechenden Prüfungen und Festlegungen des
Regierungspräsidiums Darmstadt seien unzulänglich. Insoweit sei auch zu
beanstanden, dass die Genehmigungsbehörde die im Genehmigungsverfahren
vom Betreiber vorgelegten Schallgutachten nach einer schlichten
Schlüssigkeitsprüfung übernehmen dürfe.
Hierauf käme es indes letztlich nicht an, weil die Windkraftanlagen zwischenzeitlich
errichtet seien, weshalb die von ihnen ausgehenden Lärmimmissionen durch eine
sachverständige Lärmmessung ermittelt werden müssten.
Weiterhin rügen die Kläger eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebotes
der Rücksichtnahme. Eine solche ergebe sich aus von den genehmigten
Windkraftanlagen ausgehenden, den Klägern nicht zumutbaren schädlichen
Umwelteinwirkungen und einer fehlerhaften Abwägung der widerstreitenden
Rechtsgüter durch die Behörde. So sei insbesondere in der Rechtsprechung
anerkannt, dass Windkraftanlagen auch wegen der permanenten Drehung der
Rotoren bedrängende Wirkung entfalten können. Von einer erheblichen
Belästigung sei bei Abständen zu Wohnhäusern von weniger als 1.000 m
auszugehen.
Ferner stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass
die Kläger durch den von den Anlagen ausgehenden Schattenwurf in einem über
das zulässige Maß hinausgehenden Umfang beeinträchtigt werden. Auch die von
den Anlagen ausgehende Infraschallbelastung habe das Regierungspräsidium
Darmstadt nicht hinreichend berücksichtigt. Neueste Studien bewiesen, dass
Windkraftanlagen Infraschall erzeugten, der zu enormen körperlichen Belastungen
bis hin zu schwersten Erkrankungen führe. Des Weiteren habe die Behörde die sich
auf das klägerische Grundstück auswirkenden Gefahren von Eiswurf nicht
zutreffend gewürdigt und die wegen der Nähe zu den genehmigten Anlagen zu
erwartende Minderung des merkantilen Wertes ihres Grundstücks völlig außer Acht
gelassen. So sei bei Grundstücken, die weniger als 1.000 Meter entfernt von einer
Windkraftanlage gelegen seien, ein Wertverlust von 20 – 30 % zu verzeichnen,
sofern diese Grundstücke überhaupt noch veräußerbar seien. Wie das
Bundesverwaltungsgericht in den sogenannten „Flughafen-Schönefeld-Urteilen“
ausgeführt habe, müsse im Rahmen einer Planung durch die öffentliche Hand das
Problem der Wertminderung von Grundstücken in den Blick genommen und in die
Interessenabwägung mit einbezogen werden.
Schließlich sei auch noch zu bezweifeln, dass die Anlagen im Sinne des § 35 Abs. 1
Ziff. 5 BauGB der Nutzung von Windenergie dienten, weil es an der dafür
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Ziff. 5 BauGB der Nutzung von Windenergie dienten, weil es an der dafür
erforderlichen Effizienz der Anlagen fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf das schriftsätzliche
Vorbringen der Kläger Bezug genommen.
Nachdem die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen von der Klageerhebung
Kenntnis erlangt hatte, beantragte sie mit Schreiben vom 30.07.2009 beim
Regierungspräsidium Darmstadt die Anordnung der sofortigen Vollziehung der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 09.06.2009. Wegen der
Begründung des Antrages wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 01.09.2009 ordnete das Regierungspräsidium Darmstadt
daraufhin die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 09.06.2009 erteilten
Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windkraftanlagen auf
dem Wberg in Xstadt an. Wegen der Begründung wird auf den Bescheid Bezug
genommen.
Die Kläger haben hierauf am 15.09.2009 bei Gericht einen Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage gestellt.
Zur Begründung führen sie ergänzend aus, dass von Windkraftanlagen neben dem
„Dauergeräusch“ auch regelmäßig ein dauernd an- und abschwellender Heulton,
sowie ein schlagartiges Geräusch durch die den Turm passierenden Rotorblätter
ausgingen. Ferner habe der Beklagte bestehende Lärmvorbelastungen nicht
hinreichend berücksichtigt. Auch sei die TA Lärm hinsichtlich Windkraftanlagen
keine geeignete Grundlage für die Erstellung einer Schallprognose bzw. für die
Ermittlung der zu erwartenden Schallimmissionen und deren Auswirkungen auf
den Menschen.
Wegen der weiteren Einzelheiten ihres dortigen Vorbingens wird auf das
schriftsätzliche Vorbringen der Kläger im Rechtsschutzverfahren Bezug
genommen.
Den Rechtsschutzantrag lehnte das Gericht im Verfahren 6 L 1287/09.DA mit
Beschluss vom 20.10.2009 ab; die hierauf bezügliche Beschwerde der Kläger
wurde vom Hess. Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.01.2010 (Az.: 9 B
2936/09) zurückgewiesen. Wegen der Begründung der Entscheidungen wird auf
den jeweiligen Beschluss Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 09.06.2009, Aktenzeichen
IV/Da-43.1-53e621-Wberg 1- für die Errichtung und den Betrieb je einer
Windkraftanlage auf dem Grundstück Flurstück Nr. 1/10 der Gemarkung Vstadt,
Flur 18 des Typs ENERCON 82 mit einer Nennleistung von je 2 MW, einer
Nabenhöhe von 138 m und einer Rotorblattlänge von ca. 41 m aufzuheben;
hilfsweise,
ein schalltechnisches Sachverständigengutachten darüber einzuholen, ob die
beiden auf dem Grundstück Flur 18, Flurstück 1/10 der Gemarkung Vstadt
errichteten und betriebenen Windkraftanlagen der Marke ENERCON E-82 von 22:00
bis 6:00 Uhr hinsichtlich ihrer Geräuschentwicklung den maximalen
Nachtimmissionswert von 40 dB (A) am Grundstück der Kläger einhalten. Dem
Sachverständigen solle aufgegeben werden, die Anlage selbst in Augenschein zu
nehmen und die für die Beurteilung der Sachverständigenfrage erforderlichen
Messungen durchzuführen. Von Seiten des Sachverständigen solle festgestellt
werden, welche Werte sich unter Voll- bzw. Teillast ergeben, und inwieweit das
Messergebnis abhängig von den Windrichtungen, den Windgeschwindigkeiten sowie
den verschiedenen Jahreszeiten ist.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt zur Begründung die Auffassung, dass die Kläger aus der
raumplanerischen Rechtssituation keine subjektiven Abwehrrechte herleiten
könnten. Dessen ungeachtet laufe die Genehmigung auch nicht der aktuellen
Planung der Fortschreibung des Regionalplans
Südhessen/Regionalflächennutzungsplans zuwider. Im dortigen Abstands- und
Ausschlusskatalog werde zwar der Abstand zu den Vorranggebieten Siedlung mit
einem pauschalen Wert von 1.100 m berücksichtigt; es werde jedoch – im Einklang
mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – im Bedarfsfalle eine
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mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – im Bedarfsfalle eine
Einzelfallprüfung vorgesehen. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus der Kläger
und dem Standort der genehmigten Windkraftanlagen betrage 1.330 m bzw. 1.470
m. Soweit das fragliche Gebiet nicht länger als Vorrangfläche für
Windenergienutzung ausgewiesen sei, sei keine im Sinne des völligen
Ausschlusses der Windenergienutzung bestehende Planreife erreicht. Weiterhin ist
der Beklagte der Auffassung, dass das Lärmgutachten der IEL GmbH vom
09.05.2008 sachlich richtig sei und damit zur Grundlage seiner Entscheidung habe
gemacht werden dürfen. Insbesondere handele es sich nicht um ein schlichtes
Gefälligkeitsgutachten, sondern um ein Gutachten, das einer Überprüfung durch
einen Diplom-Ingenieur des Beklagten mit langjähriger Fachkunde Stand halten
könne. Aus dem Gutachten ergebe sich ferner auch nicht, dass die zulässigen
Grenzwerte für Lärmimmissionen überschritten würden.
Die klägerseitig befürchtete Beeinträchtigung durch Lichtimmissionen sei
auszuschließen, weil die Befeuerung konstruktionsbedingt weder zur Aufhellung
noch zur Blendung in der Nachbarschaft der Anlage führen könne.
Die Gefahr eines (unzulässigen Ausmaßes an) Schattenwurf bestehe für das
Grundstück der Kläger ebenfalls nicht, weil dieses im Verhältnis zum Standort der
genehmigten Anlagen zu weit südlich stehe, um vom Schattenwurf der Anlagen
überhaupt betroffen zu sein.
Soweit die Kläger eine Gefährdung durch Infraschall befürchten, sei ihnen zwar
zuzugestehen, dass Windkraftanlagen Infraschall erzeugten. Dieser liege jedoch
deutlich unter der menschlichen Wahrnehmungsschwelle und stelle daher keine
schädliche Umwelteinwirkung bzw. Gefahrenlage dar.
Auch eine ernsthafte Gefahr durch Eiswurf bestehe nicht, wie sich an den
seitherigen Erfahrungen weltweit zeige.
Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme sei
ebenfalls nicht gegeben, weil die von den genehmigten Anlagen ausgehenden
Umwelteinwirkungen den Klägern zumutbar seien. Insbesondere hätten die
Anlagen in Bezug auf das klägerische Grundstück keine bedrängende Wirkung, die
grundsätzlich als ausgeschlossen gelte, wenn der Abstand zwischen Wohnhaus
und Anlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe beträgt, was vorliegend
bei einer Gesamthöhe der Anlagen von ca. 180 m und einem Abstand von 1.330
m bzw. 1.470 m der Fall sei. Aber auch dann, wenn die geländebedingte
Höhendifferenz mit den klägerseitig angegebenen Maßen eingerechnet werde,
mithin von einer „Überragungshöhe“ von 349 m ausgegangen werde, wäre der
vorgenannte Abstand der dreifachen Gesamthöhe bei weitem gewahrt. Ferner, so
der Beklagte, ergebe sich auch aus den Einzelfallumständen keine bedrängende
Wirkung der genehmigten Anlagen auf das klägerische Grundstück.
Die von den Klägern behauptete Wertminderung ihres Grundstückes sei ebenfalls
nicht dargetan. Dessen ungeachtet berühre die behördliche Zulassung eines
Vorhabens in der Nachbarschaft, das zu Wertverlusten an einem Grundstück führt,
grundsätzlich nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts. Der klägerseitig
erhobene Einwand der fehlerhaften Interessenabwägung gehe fehl, weil im
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, anders als im
Planfeststellungsverfahren, nicht nur keine Interessenabwägung vorzunehmen sei,
diese sei vielmehr ausgeschlossen.
Schließlich ergebe sich, ausgehend von der Berechnungsweise der
Fördergesellschaft Windenergie, dass ein Referenzertrag an Strom erzeugt werden
wird, der den Betrieb der Anlagen als wirtschaftlich erscheinen lasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Klageerwiderung wird auf das schriftsätzliche
Vorbringen des Beklagten einschließlich seines Vorbingens im
Rechtsschutzverfahren Bezug genommen.
Die Beigeladene nimmt ebenfalls zur Sache Stellung und schließt sich der
Auffassung des Beklagten an. Wegen der Einzelheiten ihrer Stellungnahmen wird
auf ihr schriftsätzliches Vorbringen einschließlich ihres Vorbingens im
Rechtsschutzverfahren Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten einschließlich der des vorausgegangenen
Rechtsschutzverfahrens sowie auf den Inhalt der beigezogenen Behördenvorgänge
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Rechtsschutzverfahrens sowie auf den Inhalt der beigezogenen Behördenvorgänge
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die immissionsschutzrechtliche
Genehmigung der Errichtung und des Betriebs von zwei Windkraftanlagen vom Typ
Enercon E-82 mit jeweils einer Nabenhöhe von etwa 138 m, einem
Rotordurchmesser von 82 m und einer Leistung von 2 MW nebst Nebenanlagen
auf dem Wberg in Xstadt mit Genehmigungsbescheid vom 09.06.2009 verletzt
keine nachbarschützenden Vorschriften und auch nicht die Kläger in ihren
subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), was das Gericht im vorliegenden
Verfahren allein zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen hat (vgl. hierzu
BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 55/80).
Als nachbarschützende Normen, auf deren Verletzung sich die Kläger berufen
könnten, kommen hier § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB in
Betracht, wobei auch eine als drittschützend anerkannte Verletzung des
bauplanungsrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme zu prüfen ist.
Nach diesen Vorschriften sind genehmigungsbedürftige Anlagen u. a. so zu
errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus
für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen für die Allgemeinheit
und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Schädliche
Umwelteinwirkungen in diesem Sinne sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG
Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren,
erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die
Nachbarschaft herbeizuführen. Ist die Erfüllung u. a. dieser Verpflichtung
sichergestellt und stehen nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen,
ist die Genehmigung nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, ohne dass noch Raum
für weitere Güterabwägungen bestünde.
Zur Überzeugung des Gerichts werden durch die streitbefangenen
Windkraftanlagen keine für die Kläger als schädlich feststellbare
Umwelteinwirkungen dieser Art hervorgerufen, worauf allein sich das
Drittwiderspruchsrecht der Kläger erstrecken könnte.
Es ist den Klägern zwar in ihrer Auffassung zu folgen, dass die von einer
Windkraftanlage ausgehenden Geräuschimmissionen solche Umwelteinwirkungen
sein können, doch nur, wenn sie ein schädliches Ausmaß erreichen.
Wie das erkennende Gericht im vorausgegangenen Rechtsschutzverfahren (Az.: 6
L 1287/09.DA – Beschluss vom 20.10.2009) und ihm nachfolgend der Hess.
Verwaltungsgerichtshof (Az.: 9 B 2936/09 – Beschluss vom 21.01.2010) in ihren
Entscheidungen ausgeführt haben, richtet sich die Beurteilung der Schädlichkeit
von Lärm in diesem Sinne nach der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technischen Anleitung zum Schutz gegen
Lärm – TA Lärm) und die dort genannten Grenzwerte. Wegen der Anwendbarkeit
dieses Regelwerks auch auf Windkraftanlagen, der Verwertbarkeit des für die
Beurteilung der zu erwartenden von den streitbefangenen Windkraftanlagen
ausgehenden Geräuschimmissionen vorgelegten Lärmprognosegutachtens der IEL
GmbH vom 09.05.2008 und der darauf gestützten Annahme, dass das klägerische
Grundstück wegen dieser Geräuschimmissionen keiner schädlichen
Schallbelastung ausgesetzt ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
dortigen Ausführungen Bezug genommen. Das Gericht hält auch nach einer
erneuten Prüfung der Sach- und Rechtslage an dieser Rechtsauffassung fest und
folgt insbesondere nicht der Ansicht der Kläger, dass nunmehr zur Überprüfung
der Einhaltung der relevanten Lärmpegel in Bezug auf das klägerische Grundstück
eine sachverständige Lärmmessung einzuholen sei, nachdem die beiden Anlagen
inzwischen errichtet und (probeweise) in Betrieb genommen worden seien.
Einer solchen Lärmmessung bedarf es unabhängig von der Frage nicht, ob ihr
Ergebnis nicht ohnehin nur eingeschränkt aussagekräftig wäre, weil sie nur im
laufenden Betrieb der Windräder, mithin bei stärkerem Wind, möglich wäre und die
Messdaten daher durch die natürlichen Windgeräusche, Blätterrauschen und
ähnliches verfälscht werden würden. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem
Urteil vom 29.08.2007 (Az.: 4 C 2/07– BVerwGE 129, 209) ausgeführt hat, ist der
Bauherr nämlich zunächst „nur“ verpflichtet, „Art und technische Merkmale der
geplanten Anlage darzustellen und nachzuweisen, dass diese keine schädlichen
Umwelteinwirkungen hervorruft“. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München
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Umwelteinwirkungen hervorruft“. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof München
hat, dem folgend, in seinem Beschluss vom 25.10.2010 (Az.: 22 ZB 10.1622 –
juris) daher zutreffend ausgeführt, dass die Prüfung der
Genehmigungsvoraussetzungen in der Regel durch eine Prognose der zu
erwartenden Lärmimmissionen (Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 1 der TA Lärm) erfolgt und
nicht durch Lärmmessungen nach der Errichtung der betreffenden Anlage. Dies
könne auch nicht anders sein, „weil für die Entscheidung über
Drittanfechtungsklagen gegen die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung die Sachlage im Zeitpunkt der Erteilung dieser Genehmigung
maßgeblich ist (BVerwG vom 11.1.1991 NVwZ-RR 1991, 236). Zu diesem
Zeitpunkt sind aber regelmäßig allein Immissionsprognosen und keine
Immissionsmessungen möglich, weil die strittige Anlage noch nicht existiert (vgl.
auch Jarass, BImSchG, 8. Aufl. 2010, Rdnr. 16 zu § 6). Lärmmessungen können
zwar theoretisch Erkenntnisse darüber liefern, dass die auf einen bestimmten
Anlagetyp zugeschnittene Prognose fehlerhaft und die Genehmigung deshalb
rechtswidrig ist“.
Die Möglichkeit (nachträglich entstandene) zusätzliche Erkenntnisquellen
auszuschöpfen bedingt indes nicht schon, dass eine immissionsschutzrechtliche
Genehmigung nicht (länger) auf die Immissionsprognose gestützt werden darf,
wenn Messungen möglich geworden sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat in
seiner vorgenannten Entscheidung vom 29.08.2007 vielmehr auch klargestellt,
dass die Genehmigungsbehörde nach Maßgabe der einschlägigen
Verwaltungsvorschriften dann weitere Begutachtungen durch den Bauherrn
anfordern oder selbst Begutachtungen durch eine Fachbehörde oder einen
unabhängigen Sachverständigen veranlassen kann, wenn Zweifel an der
Richtigkeit des Nachweises bestehen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen
zu erwarten sind, mithin Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten
Immissionsprognose bestehen. Diese weitere Begutachtung, die nach Errichtung
der genehmigten Anlage vor Eintritt der Bestandskraft der Genehmigung auch
durch konkrete Messungen erfolgen kann, ist dann ebenfalls dem
Genehmigungsverfahren und nicht der Anlagenüberwachung zuzurechnen. Dies
folgt aus dem Umstand, dass es sich bei der Gewinnung von Erkenntnissen
aufgrund bspw. einer Lärmmessung nicht um die Auswertung einer nachträglichen
Veränderung der Sachlage handelt, die im Rahmen der Drittanfechtung einer
Anlagengenehmigung grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern lediglich um
spätere Erkenntnisse über die ursprüngliche, der Genehmigung zugrundegelegte
Sachlage (vgl. hierzu auch Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 23.06.2010 – 8 A 340/09 – juris).
Einer solchen nachfolgenden weiteren Begutachtung, bedarf es mithin dann,
„wenn das Immissionsprognosegutachten „unvollständig, widersprüchlich oder aus
sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden
tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der
Unparteilichkeit des erstbeauftragten Sachverständigen bestehen, wenn ein
anderer Sachverständiger über neuere oder überlegene Forschungsmittel verfügt
oder wenn die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren
Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten
oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt
erscheinen“ (Bundesverwaltungsgericht – Urteil vom 29.08.2007 – 4 C 2/07
a.a.O.).
Wie das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom
23.06.2010 – 8 A 340/09 (a.a.O.) ausgeführt hat, liegt eine nicht verwertbare
Immissionsprognose insbesondere vor, wenn eine immissionsrelevante
Tonhaltigkeit nicht in Ansatz gebracht wurde, obgleich hinreichende Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass der genehmigte Anlagentyp typenbedingt, d.h. generell oder
ganz überwiegend, tonhaltige Geräusche entwickelt. Ob derartige Anhaltspunkte
bereits zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung oder erst aufgrund späterer –
etwa im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Drittanfechtungsverfahrens
gewonnener – Erkenntnisse vorlagen, ist, so das Oberverwaltungsgericht
Nordrhein-Westfalen, insoweit unerheblich. Demgegenüber führt es nicht zur
Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung, wenn die konkret errichtete
Anlage des genehmigten Anlagentyps im Einzelfall – unzulässigerweise – die
einschlägigen Lärmpegel nicht einhält, sie also nicht der Genehmigung entspricht.
Dies ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Genehmigung, sondern eine Frage der
Anlagenüberwachung.
Gründe einer fehlenden Verwertbarkeit des der angefochtenen Genehmigung der
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Gründe einer fehlenden Verwertbarkeit des der angefochtenen Genehmigung der
Errichtung und des Betriebs der streitbefangenen Windkraftanlagen
zugrundeliegenden Lärm-prognosegutachtens der IEL GmbH vom 09.05.2008 sind
nicht erkennbar, in dem unter anderem gerade auch die Tonhaltigkeit der
streitbefangenen Windkraftanlagen und die Vorbelastung durch die beiden
Altanlagen des Typs Fuhrländer 1000 berücksichtigt werden. Wegen der
Begründung im Weiteren wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im
vorausgegangenen Rechtsschutzverfahren (Az.: 6 L 1287/09.DA) ergangene
Entscheidung des Gerichts vom 20.10.2009 und die hierauf bezügliche
Beschwerdeentscheidung des Hess. Verwaltungsgerichtshofs vom 21.01.2010
(Az.: 9 B 2936/09) Bezug genommen, nachdem die Kläger auch nachfolgend keine
Umstände geschildert haben, die dem entgegenstünden. Es wurde klägerseitig
nämlich nach wie vor nicht stichhaltig behauptet, dass das
Lärmprognosegutachten der IEL GmbH vom 09.05.2008 unvollständig,
widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend sei oder auf
unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruhe. Auch Umstände, die Zweifel an
der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des erstbeauftragten Sachverständigen
begründen oder erkennen ließen, dass ein anderer Sachverständiger über neuere
oder überlegene Forschungsmittel verfügt, sind weiterhin ebensowenig dargetan,
wie Einwände, die die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren
Niederschlag gefunden haben, ernsthaft in Frage stellen würden. Insbesondere
wurde auch im weiteren Vorbringen der Kläger nicht (substantiiert) die Richtigkeit
der gutachterlichen Angaben zu den Kennwerten der Altanlagen des Typs
Fuhrländer 1000 (insbesondere zum anlagentypischen Schallleistungspegel) und
zu den aus den hierüber vorliegenden drei schalltechnischen Messberichten
ermittelten Kennwerten der streitbefangenen Neuanlagen (insbesondere deren
anlagentypischen Schallleistungspegel) angegriffen. Auch der gutachterlichen
Feststellung, dass die von den Altanlagen des Typs Fuhrländer 1000 ausgehende
Lärmbelastung im Yweg 33,3 dB(A) beträgt und dass eine „Addition“ der von den
Alt- und den Neuanlagen ausgehenden Geräuschimmissionen zu einer Erhöhung
der Lärmbelastung im Yweg um nur 2,3 dB(A) führt, haben die Kläger nicht
qualifiziert in Abrede gestellt.
Die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung,
Lärmprognosegutachten erwiesen sich in der Praxis bei einer späteren
Überprüfung sehr häufig als falsch, ist nämlich nicht geeignet, die Verwertbarkeit
des Lärmprognosegutachtens der IEL GmbH vom 09.05.2008 als belastbare
Grundlage für die Genehmigung der streitbefangenen Windkraftanlagen ernstlich in
Zweifel zu ziehen. Dem Gericht ist vielmehr schon nicht ein solcher genereller
Erfahrungssatz bekannt, weshalb es den Klägern oblegen hätte, substantiiert
darzutun, in welcher Häufigkeit sich in welcher Weise erstellte Lärmprognosegut-
achten unter welchen Umständen bei nachträglichen Messungen als falsch
erwiesen haben sollen. Hierzu wäre unter anderem darzutun gewesen, dass die
fraglichen Prognosegutachten tatsächlich (bezogen auf die Referenzmesspunkte)
falsche Lärmpegel prognostiziert haben, und dass mit den Messungen nicht nur
nachgewiesen wurde, dass die Immissionsprognose nicht auf ein anderes, auch
vom Lärm betroffenes Grundstück übertragbar war. Ferner kommt es auch
maßgeblich darauf an, ob den fraglichen Prognosegutachten, wie es vorliegend der
Fall war, Erfahrungswerte über die von der jeweiligen Anlage typenbedingt, d.h.
generell oder ganz überwiegend, ausgehenden Geräuschimmissionen
zugrundegelegt wurden (werden konnten). So darf sicherlich als zutreffend
unterstellt werden, dass bei einem Fehlen entsprechender Erkenntnisse die
Prognose (möglicherweise nicht unerheblich) fehleranfällig ist.
Dessen ungeachtet ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass der
streitbefangene Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt
vom 09.06.2009 in den Nebenbestimmungen 2.1 und 2.2 klare Beschränkungen
bezüglich der einzuhaltenden Obergrenze der von den Anlagen ausgehenden
Geräuschimmissionen in Bezug auf konkret benannte Immissionspunkte enthält.
Das klägerische Grundstück gehört zwar nicht zu diesen aufgeführten
Grundstücken, doch stehen sie in einer derart engen räumlichen Nähe zu
denselben, dass Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, dass mit der Einhaltung
des vorgegebenen Lärmpegels an den Immissionspunkten nicht auch die auf das
klägerische Grundstück treffenden Geräuschimmissionen unter dem
maßgeblichen Lärmpegel von 40 dB(A) in der Nacht und von 55 dB(A) am Tag
bleiben.
Der klägerseitig hiergegen im Termin zur mündlichen Verhandlung erhobene
Einwand, dass Lärmprognosen überflüssig wären, wenn es genügen würde, den
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Einwand, dass Lärmprognosen überflüssig wären, wenn es genügen würde, den
einzuhaltenden Lärmpegel im Genehmigungsbescheid festzuschreiben, greift
hiergegen nicht durch. Er lässt nämlich unberücksichtigt, dass diese
Nebenbestimmung auf dem Lärmprognose-gutachten beruht, aus dem sich auch
die für die Überprüfung der Lärmbelastung im Überwachungsverfahren relevanten
Immissionspunkte ergeben.
Der von den Klägern geltend gemachte Umstand, dass sie die von den
Windkraftanlagen ausgehenden Lärmimmissionen in ihrem Haus nahezu körperlich
spüren würden, kann vor diesem Hintergrund nicht zu einer anderen Bewertung
der Rechtmäßigkeit der Genehmigung führen.
Nach ihren Schilderungen im Termin zur mündlichen Verhandlung leiden die Kläger
bereits seit der Errichtung der ersten beiden Windkraftanlagen vom Typ Fuhrländer
1000 unter der von diesen Altanlagen hervorgerufenen Veränderung der örtlichen
Lärmbelastung. Aufgrund der geringen Erhöhung der Gesamtlärmbelastung durch
die streitbefangenen Neuanlagen ist damit schon nicht schlüssig vorgetragen,
dass sich die von den Klägern wahrgenommene Lärmbelastung in einem für sie
spürbaren Umfang verändert hat.
Hierauf kommt es letztlich aber nicht an, weil die Kläger, wie bereits ausgeführt,
nach den Vorgaben der TA Lärm auch zur Nachtzeit noch einen Lärmpegel von 40
dB(A) hinnehmen müssen, ohne dass die Behörde zu Lasten der Beigeladenen
berechtigt oder verpflichtet wäre, hiervon abweichend auf ein etwaig bestehendes
besonderes, subjektives Geräuschempfinden der Kläger oder anderer Anwohner
Rücksicht zu nehmen und die Genehmigung entsprechend einzuschränken.
Vor diesem Hintergrund besteht kein Raum für die klägerseitig begehrte Einholung
eines Sachverständigengutachtens. Seinem Wortlaut nach ist der klägerische
Beweisantrag vom 02.03.2011 ohnehin bereits unzulässig, weil er auf eine
Ausforschung des Sachverhaltes (der Ermittlung der tatsächlich von den
streitbefangenen Windkraftanlagen ausgehenden Schallimmissionen) gerichtet ist
und nicht auf den Beweis der Richtigkeit einer von den Klägern aufgestellten
Behauptung (der Überschreitung des maßgeblichen Lärmpegels).
Aus den vorstehenden Gründen bedarf es aber auch keiner Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur Überprüfung dessen, ob die beiden auf dem
Grundstück Flur 18, Flurstück 1/10 der Gemarkung Vstadt errichteten und
betriebenen Windkraftanlagen der Marke ENERCON E-82 von 22.00 Uhr bis 06.00
Uhr mit ihrer Geräuschentwicklung den maximalen Nachtimmissionswert von 40
dB(A) auf dem Grundstück der Kläger tatsächlich einhalten. Das hierüber
vorliegende Lärmprognosegutachten der IEL GmbH vom 09.05.2008 ist
uneingeschränkt verwertbar, weil es in sich schlüssig und nachvollziehbar und in
seiner Aussagekraft auch durch das klägerische Vorbringen nicht ernstlich in
Zweifel gezogen ist. Einer weiteren Erkenntnisgewinnung im
Genehmigungsverfahren bedarf es mithin nicht; die Kläger sind daher wegen
etwaiger Zweifel an einem genehmigungskonformen Errichten und Betreiben der
Anlage auf das Überwachungsverfahren zu verweisen.
Aus den Gründen der im vorausgegangenen Rechtsschutzverfahren (Az.: 6 L
1287/09.DA) ergangenen Entscheidung des Gerichts vom 20.10.2009 und der
hierauf bezüglichen Beschwerdeentscheidung des Hess. Verwaltungsgerichtshofs
vom 21.01.2010 (Az.: 9 B 2936/09) ist ferner auch eine von den streitbefangenen
Windkraftanlagen ausgehende bedrängende Wirkung oder eine Verletzung des
bauplanungsrechtlichen Gebotes der Rücksichtnahme nicht gegeben. Die Kläger
tragen schon selbst vor, dass von einer solchen Wirkung einer Windkraftanlage
grundsätzlich (erst) bei einer Distanz von weniger als 1000 m zum
Wohngrundstück ausgegangen wird. Das klägerische Grundstück liegt indes 1.330
m bzw. 1.470 m von den streitbefangenen Windkraftanlagen entfernt. Letztlich
zeigen auch die vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder, deren Aussagekraft
klägerseitig nicht in Abrede gestellt wurde, dass von einer bedrängenden Wirkung
oder einer im Sinne eines nachbarrechtlichen Abwehrrechts rücksichtslosen
Bebauung nicht die Rede sein kann, auch wenn den Klägern eine unmittelbare
Sichtbeziehung von ihrem Grundstück aus zuzugestehen ist. Das Gebot der
bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahme geht nämlich nicht so weit, dass mit ihm
auch ein Abwehrrecht gegen als optisch ungefällig empfundene Bauten begründet
werden könnte. Keiner Ausführungen bedarf es, dass die Grundsätze über die
einheitliche Bebauung innerhalb geschlossener Ortschaften vorliegend nicht
einschlägig sind.
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Aus diesen Gründen sah sich das Gericht auch nicht dazu veranlasst, einen
Ortstermin durchzuführen, um die Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen.
Wegen des Einwandes drohenden Schatten- und Eiswurfs sowie der
Beeinträchtigung der Kläger durch von den Windkraftanlagen ausgehendem
Infraschall wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im vorausgegangenen
Rechtsschutzverfahren (Az.: 6 L 1287/09.DA) ergangene Entscheidung des
Gerichts vom 20.10.2009 und die hierauf bezügliche Beschwerdeentscheidung des
Hess. Verwaltungsgerichtshofs vom 21.01.2010 (Az.: 9 B 2936/09) Bezug
genommen, nachdem sich die Kläger nachfolgend nicht weiter hierzu geäußert
haben.
Schließlich greift auch der Einwand der Kläger nicht durch, dass der Genehmigung
der streitbefangenen Windkraftanlagen entgegenstehe, dass die Anlagen den
merkantilen Wert ihres Grundstücks mindern würden. Mit diesem Einwand könnten
die Kläger nämlich nur gehört werden, wenn mit der Genehmigung der
streitbefangenen Windkraftanlagen in verfassungswidriger Weise in ihre am
Grundstück bestehenden Eigentumsrechte eingegriffen würde. Ein solcher Eingriff
in das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch auch ungeachtet
dessen nicht erkennbar, ob schon die behördliche Zulassung eines Vorhabens in
der Nachbarschaft, das zu Wertverlusten an einem Grundstück führt, den
Schutzbereich des Eigentumsrechts berührt. So haben die Kläger eine durch die
Errichtung und den Betrieb der streitbefangenen Windkraftanlagen bedingte
nennenswerte Minderung des wirtschaftlichen Wertes ihres Grundstücks schon
nicht schlüssig dargelegt. Selbst wenn ihre Ausführungen grundsätzlich als
ausreichend anzusehen wären (was zu bezweifeln ist), ließen diese allenfalls
erkennen, dass eine gewisse Wertminderung bezogen auf Wohngrundstücke
verzeichnet wird, die weniger als 1.000 Meter von der Anlage entfernt liegen. Wie
bereits ausgeführt liegt das klägerische Grundstück indes 1.330 m bzw. 1.470 m
von den streitbefangenen Windkraftanlagen entfernt. Ob und wenn ja in welchem
Ausmaß durch die streitbefangenen Windkraftanlagen eine Wertminderung ihres
Grundstücks hervorgerufen wird, ist seitens der Kläger mithin auch nicht
annähernd überprüfbar dargetan.
Aber selbst wenn zugunsten der Kläger von einer drohenden Wertminderung an
dem Grundstück um 20-30 % ausgegangen würde, wäre ein Eingriff in die
Gewährleistung des Schutzes von Eigentum nicht gegeben. Wie sich auch aus der
klägerseitig zitierten Rechtsprechung ergibt, liegt ein Eingriff in den Schutzbereich
des Art. 14 Abs.1 GG vielmehr nur vor, wenn dem Eigentümer die
Nutzungsmöglichkeit oder die Verfügbarkeit (einschließlich der wirtschaftlichen
Verwertbarkeit) in einem das Eigentumsrecht quasi entleerenden Umfang
genommen wird.
Da, wie bereits ausgeführt, von den streitbefangenen Windkraftanlagen bei einem
genehmigungskonformen Errichten und Betreiben keine schädlichen Immissionen
ausgehen, machen sie eine weitere Nutzung des klägerischen Grundstücks als
Wohngrundstück nicht unmöglich oder unzumutbar.
Aber auch eine Aushöhlung der (wirtschaftlichen) Verfügbarkeit des Grundstücks
im Sinne einer enteignenden Wirkung liegt bei einer Wertminderung um 20-30 %
nicht vor, wie sich ebenfalls aus der von den Klägern zitierten Rechtsprechung
ergibt.
Da das Recht auf Eigentum nicht auch den Werterhalt, sondern nur die
wirtschaftliche Verfügbarkeit gewährleistet, bietet es unabhängig davon, welchem
Zweck das Eigentum dienen soll (hier: dem der ergänzenden Altersvorsorge der
Kläger), keinen Schutz vor einem Wertverlust wegen veränderter Umstände. Daher
können die Kläger auch nicht mit ihrem Einwand gehört werden, dass sie im Falle
eines Verkaufes ihres Hauses einen erheblichen Anteil ihrer Alterssicherung
verlören.
Da die Erteilung einer Genehmigung nach § 6 BImSchG, wie bereits ausgeführt,
nicht in das Ermessen der Behörde gestellt ist, sondern bei Vorliegen der
gesetzlichen Voraussetzungen dieselbe auf Antrag zu erteilen ist, besteht insoweit
auch kein Raum für eine Interessenabwägung, wie sie in Planfeststellungsverfahren
vorzunehmen ist.
Wegen der weiteren Begründung, insbesondere hinsichtlich der raumplanerischen
Einwände der Kläger, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im
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Einwände der Kläger, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im
vorausgegangenen Rechtsschutzverfahren (Az.: 6 L 1287/09.DA) ergangene
Entscheidung des Gerichts vom 20.10.2009 und die hierauf bezügliche
Beschwerdeentscheidung des Hess. Verwaltungsgerichtshofs vom 21.01.2010
(Az.: 9 B 2936/09) Bezug genommen, nachdem sich die Kläger nachfolgend nicht
weiter hierzu geäußert haben.
Nach alledem war die Klage mit der Folge abzuweisen, dass die Kläger die Kosten
des Verfahrens gemäß §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO als Gesamtschuldner zu tragen
haben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.