Urteil des VG Darmstadt vom 08.09.2010

VG Darmstadt: gemeinde, stadt, gutachter, bevölkerung, vergleich, gefährdung, kaufkraft, projekt, ausnahme, bekleidung

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Gericht:
VG Darmstadt 2.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 K 82/08.DA
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 34 Abs 3 BauGB
Prognose; schädliche Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche
Leitsatz
1. Bei der vom Gericht im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB vorzunehmenden Prognose
sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Zu
berücksichtigen sind dabei unter anderem die Verkaufsfläche des Vorhabens im
Vergleich zu den im zentralen Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen
derselben Branche und ein daraus herzuleitender voraussichtlicher Kaufkraftabfluss
(Umsatzverteilung), die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen
zentralen Versorgungsbereich, die Bedeutung der "Frequenzbringer" bzw.
"Magnetbetriebe" im Versorgungsbereich und deren Gefährdung, eine etwaige
"Vorschädigung" des zentralen Versorgungsbereichs z. B. durch das Vorhandensein
branchengleicher Einzelhandelsangebote an nichtintegrierten Standorten im
Einzugsbereich des Versorgungsbereichs und die Kundenattraktivität des geplanten
Vorhabens durch standortbedingte Synergieeffekte.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob schädliche Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche durch das Vorhaben zu erwarten sind, ist von der zum
maßgeblichem Zeitpunkt konkret gegebenen städtebaulichen Situation vor Ort
auszugehen. Auf die Frage, wer gegebenenfalls eine "Vorschädigung" des zentralen
Versorgungsbereichs (mit-)verursacht hat, kommt es dabei nicht an.
Tenor
Der Bescheid des Kreises X. vom 27.06.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 18.12.2007 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat, hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bauvorbescheids zur
Errichtung eines großflächigen Einzelhandelsvorhabens in der Gemeinde Q.
Mit Bauvoranfrage vom 02.04.2007 beantragte die Beigeladene die Erteilung eines
Bauvorbescheids für ein Vorhaben „Einzelhandelsstandort Q.“ in der Gemarkung
Q., Ausweislich der eingereichten Planungsunterlagen weist das Vorhaben zwei
Verkaufsebenen und eine Parkebene im Untergeschoss auf. Bei den
vorgesehenen Einzelfachgeschäften und Einzelfachmärkten handelt es sich um
einen Lebensmittelvollsortimenter (Verkaufsfläche 1.998 qm), einen
Getränkemarkt (Verkaufsfläche 497 qm), eine Apotheke (Verkaufsfläche 150 qm),
einen Drogeriefachmarkt (Verkaufsfläche 619 qm), einen Lebensmitteldiscounter
(Verkaufsfläche 1.051 qm), einen Kindermode Fachmarkt (Verkaufsfläche 471
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(Verkaufsfläche 1.051 qm), einen Kindermode Fachmarkt (Verkaufsfläche 471
qm), ein Bettenlager/-markt (Verkaufsfläche 711 qm), einen Textilfachmarkt
(Verkaufsfläche 599 qm), einen Textildiscounter (Verkaufsfläche 596 qm), einen
Optiker (Verkaufsfläche 301 qm) sowie einen Sportartikelmarkt (Verkaufsfläche
472 qm). Insgesamt ergibt sich daraus eine Verkaufsfläche von ca. 7.450 qm.
Darüber hinaus wird ein Fitnessstudio mit einer Fläche von 572 qm, ein die drei
Ebenen miteinander verbindendes Atrium sowie im oberen Atriumbereich ein
Kaffee/Bistro mit einem Flächenanteil von 120 qm aufgeführt. Nach Angaben der
Beigeladenen sollen die jeweiligen Einzelhandelseinheiten für sich abgeschlossen
sein und unabhängig von einander betrieben werden können.
Mit der Bauvoranfrage wurde eine durch das Büro N. erstellte „Aktualisierung der
Einzelhandelskonzeption Q.“ aus dem Jahr 2007 vorgelegt. Grundlage dieses
Gutachtens war eine von der Gemeinde Q. in Auftrag gegebene Markt- und
Standortanalyse der Fa. O. aus dem Jahr 2002., nach dessen Aufgabenstellung
unter anderem das Umsatzpotenzial des Einzugsgebietes von Q. sowie die
Kaufkraftzu- und abflüsse bestimmt, freie Marktpotenziale im Einzelhandel
ermittelt und Aussagen zur weiteren Standortentwicklung des Einzelhandels sowie
zur Verträglichkeit zusätzlicher Einzelhandelsansiedlungen in Q. getroffen werden
sollten.
Im Rahmen der Bearbeitung der Bauvoranfrage wurden unter anderem die
Gemeinde Q. sowie die Stadt Z. beteiligt. Während die Gemeinde Q. ihr
gemeindliches Einvernehmen für das – entsprechend einem vorausgegangenen
Urteil des erkennenden Gerichts vom 26.11.2003 (Az: 2 E 584/02) im unbeplanten
Innenbereich gelegene – Bauvorhaben erteilte, erhob die Klägerin dergestalt
Einwände, dass schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in
ihrem Gebiet von dem Vorhaben zu erwarten seien. Bei der Konzeption sei ein
sachgerechter Ausgleich gemeindlicher, interkommunaler und regionaler
Interessen nicht vorgenommen worden. Die Ansiedlung des Vorhabens erfolge
näher an Wohngebieten der Stadt Z. als an denjenigen der Gemeinde Q.. Im
Hinblick auf die bereits standortnah vorhandenen Fachmärkte und das nunmehr
vorgesehene Warensortiment sei von einer erheblichen Konkurrenzsituation zu
Lasten des Mittelzentrums Z. auszugehen.
Auch die Industrie- und Handelskammer A-Stadt teilte in einem Schreiben vom
18.05.2007 gegenüber der Bauaufsicht unter anderem Bedenken hinsichtlich der
städtebaulichen Auswirkungen für die benachbarten Kommunen mit.
Mit Bescheid vom 27.06.2007 wurde der Beigeladenen der beantragte
Bauvorbescheid erteilt, wobei als Prüfungsumfang die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit nach § 34 BauGB angegeben wurde.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 24.07.2007 Widerspruch eingelegt,
den sie unter Vorlage einer selbst in Auftrag gegebenen Stellungnahme der L.
vom Oktober 2007 dahingehend ergänzend begründete, dass bislang der
Verpflichtung zur Prüfung, ob von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen im
Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf zentrale Versorgungsbereiche der Stadt Z.
ausgingen, nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Dies gelte auch im
Hinblick auf das vorgelegte Gutachten des Büros N., insbesondere werde die darin
enthaltene Ergänzungsbedarfsberechnung der Verkaufsflächen für die Gemeinde
Q. in Zweifel gezogen. Jedenfalls sei bei einer Umsetzung des Vorhabens mit
erheblichen Umverteilungseffekten zu Lasten der Z.er Innenstadt zu rechnen.
Nach der Sitzung des Anhörungsausschusses am 13.11.2007 wies der Beklagte
mit Bescheid vom 18.12.2007 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet
zurück. Es sei zunächst zweifelhaft, welche Teile ihres Gemeindegebiets als
zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB anzusehen seien.
Als solcher könne allenfalls das Innenstadtzentrum der Stadt Z. angesehen
werden. Auch wenn es bei Verwirklichung des Planvorhabens „zu gewissen
Auswirkungen im Innenstadtbereich“ kommen könne, seien jedoch jedenfalls keine
im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB beachtlichen Auswirkungen durch das Vorhaben
zu erwarten. Dabei sei unter anderem zu berücksichtigen, dass ausweislich der
Stellungnahme des Büros N. aus dem Jahr 2007 der Gemeinde Q. ein weiterer
Verkaufsflächenbedarf im Lebensmitteleinzelhandel in der Größenordnung von
3.000 qm („Entwicklungsreserve“) zugesprochen werde. Darüber hinaus seien der
Abstand des Planvorhabens zum maßgeblichen Versorgungsbereich sowie die
konkret gegebene städtebauliche Situation insgesamt zu berücksichtigen.
Schließlich habe die Klägerin selbst in der K. Straße einen Einzelhandelsstandort
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Schließlich habe die Klägerin selbst in der K. Straße einen Einzelhandelsstandort
bereits planfestgestellt, der zwischen dem hier streitgegenständlichen
Planvorhaben und dem Innenstadtbereich liege und eine Verkaufsfläche für Güter
des täglichen Gebrauchs in einer Größenordnung von über 3.000 qm vorsehe.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 17.01.2008 Klage erhoben.
Sie trägt erneut vor, das streitgegenständliche Vorhaben sei zentrenrelevant, da
es Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Klägerin habe. Solche
zentralen Versorgungsbereiche könnten sich nicht nur aus entsprechenden
Darstellungen und Festsetzungen in Bauleitplänen ergeben, sondern auch aus den
tatsächlichen Verhältnissen. Es handele sich dabei um solche Gebiete, die
aufgrund ihrer baulichen Nutzung, ihrer räumlichen Zuordnung, ihrer
verkehrsmäßigen Anbindung beziehungsweise der vorhandenen
Einzelhandelsnutzungen für die Versorgung der Bevölkerung insbesondere mit
Waren und Dienstleistungen des kurz-, mittel- und langfristigen Bedarfs eine
zentrale städtebauliche Bedeutung hätten. Der Bereich müsse nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine für die Versorgung der
Bevölkerung in einem bestimmten räumlichen Einzugsbereich zentrale und
bestimmte Funktion haben.
Vom streitgegenständlichen Vorhaben betroffene zentrale Versorgungsbereiche
der Klägerin seien im oben beschriebenen Sinne die Z.er Innenstadt inklusive des
geplanten J.-Forums, das „I.“ in H., die Bereiche „G.-J.-Straße“ und „K. Straße“ in
Z. und der Bereich „F.straße“ in H..
Bei der Innenstadt handele es sich um ein verkehrsgünstig gelegenes
Innenstadtzentrum, welches nach seiner Lage, seiner Art und seiner
Zweckbestimmung nicht nur der Versorgung der Innenstadtbewohner selbst,
sondern der Versorgung des gesamten Stadtgebietes sowie der näheren
Umgebung diene.
Das I. in H. halte ein tief gestaffeltes Angebot von Lebensmittelgeschäften und
anderen Fachgeschäften vor und diene damit ebenso wie die Innenstadt in
bedeutsamem Maße der Versorgung der Bevölkerung mit Waren des kurz-, mittel-
und langfristigen Bedarfs. Ebenso wie die Bereiche „G.-J.-Straße“ und „K. Straße“
im Kernstadtgebiet der Klägerin sowie der Bereich „F.straße“ in H. stelle das I. ein
Neben- bzw. Grund- und Nahversorgungszentrum dar. Dem könne nicht mit Erfolg
entgegen gehalten werden, es handele sich teilweise nur um nicht integrierte
Einzelhandelsagglomerationen. Für die Annahme eines zentralen
Versorgungsbereiches sei ausreichend, wenn die Gesamtheit der auf die
Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzung in dem jeweiligen
Gebiet aufgrund der verkehrsmäßigen Erschließung und der verkehrlichen
Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich
habe und dazu diene, die Versorgung des Gemeindegebiets oder eines
Teilbereichs dessen mit einem auf den Einzugsbereich abgestimmten Spektrum
an Waren des kurz-, mittel- oder langfristigen Bedarfs sicherzustellen.
Die seitens der Klägerin benannten Gebiete seien auch nicht zu klein, um die
Funktion zentraler Versorgungsbereiche zu erfüllen. Vielmehr könnten zentrale
Versorgungsbereiche je nach ihrer konkreten Funktion auch auf einen engeren
Bereich einwirken, nur dessen Versorgung dienen und dabei einen nur
eingeschränkten Versorgungsbereich abdecken. Werde nur ein relativ enger
Bereich versorgt, werde auch der jeweilige zentrale Versorgungsbereich klein
ausfallen, ohne dass dies etwas an seiner Einstufung ändere.
Vorliegend seien auch schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB
auf diese Versorgungsbereiche zu erwarten. Es werde diesbezüglich Bezug
genommen auf die Stellungnahme der E. vom Oktober 2007. Danach sei aufgrund
der Nähe des Q.er Vorhabens zum Stadtgebiet der Klägerin, der in der
unmittelbaren Nachbarschaft des Vorhabens ansässigen Einzelhandelsbetriebe
und dem ergänzenden Besatz in kleinteiliger und mittlerer Betriebsgröße zunächst
davon auszugehen, dass die Attraktionswirkung des Standortbereichs rund um
das geplante Vorhaben durch dessen Realisierung deutlich erhöht und auch
benachbarte Städte, insbesondere die benachbarte Klägerin, erreichen werde.
Diese Einschätzung werde nicht nur durch die Randlage im Q.er Stadtgebiet
gestützt, sondern auch durch die dortige gute Verkehrsanbindung. In Bezug auf
die geplanten Sortimente sei festzuhalten, dass es sich mit Ausnahme von
Teilsortimenten des Bettenfachmarktes um nahversorgungs- und
zentrenrelevante Sortimente handele. Nach der Stellungnahme der E. seien
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zentrenrelevante Sortimente handele. Nach der Stellungnahme der E. seien
massive Umverteilungseffekte – insbesondere mit Blick auf die Innenstadt – zu
befürchten . Nach Einschätzung der E. erreichten diese Effekte ein Niveau, das
Existenzgefährdungen nicht ausschließe und versorgungsstrukturelle und
städtebauliche Auswirkungen i. S. d. § 34 Abs. 3 BauGB auslöse. Auch seien
kontraproduktive Effekte hinsichtlich der laufenden Sanierung der Innenstadt der
Klägerin zu befürchten. Dazu zähle auch die Planung zum J.-Forum in der
Innenstadt.
Die Versorgungsbereiche seien auch nicht weit genug von dem Vorhaben entfernt,
um schädliche Wirkungen ausschließen zu können, insbesondere betrage die
Wegstrecke von dem Vorhaben über die Straßen „DD Straße.“, „CC. Straße“, „BB.
Straße“, „AA. Straße“, „ZZ. Straße“ und „YY. Straße“ bis zum Marktplatz in Z. nur
ca. 5 km. Hinzu komme, dass das Q.er Planvorhaben im Wege des motorisierten
Individualverkehrs durch die Lage an einer Landstraße in der Nähe einer
Autobahnabfahrt – auch im Vergleich zur Innenstadt der Klägerin –
verkehrsgünstig gelegen sei.
Auch der Einwand, die Klägerin betreibe mit dem J.-Forum in der Innenstadt sowie
den Bereichen „G.-J.-Straße“ und „K. Straße“ selbst Planungen, welche schädliche
Auswirkungen auf die bereits bestehenden zentralen Versorgungsbereiche der
Klägerin haben könnten, sei nicht stichhaltig. Im Gegensatz zum geplanten
Vorhaben seien im J.-Forum nur Einzelhandelsgeschäfte mit in der Innenstadt
bislang unterrepräsentierten Sortimenten geplant. Auf diesem Weg komme es
nach allgemeiner Erfahrung nicht zu Umsatzumverteilungen zu Lasten
bestehender Geschäfte, sondern – im Gegenteil – zu so genannten „spill-over-
Effekten“. Hinsichtlich der Bereiche „G.-J.-Straße“ und „K. Straße“ seien
Wechselwirkungen dieser Standorte mit den bestehenden zentralen
Versorgungsbereichen im Stadtgebiet ermittelt und bei der Planung berücksichtigt
worden. Als Resultat betrage die geplante Verkaufsfläche im Bereich „G.-J.-Straße“
mit 4.692 m² nur etwa 64% der in Q. vorgesehenen Fläche. Zudem umfasse das
dortige Vorhaben lediglich fünf Einzelhandelsbetriebe, namentlich einen
Lebensmittelvollsortimenter, einen Lebensmitteldiscounter, einen Drogeriemarkt,
eine Videothek und ein Geschäft für Tierbedarf. Innenstadtrelevante Sortimente
seien durch den in besagtem Gebiet geltenden Bebauungsplan ausgeschlossen
bzw. bei den Randsortimenten auf 10% der Verkaufsfläche beschränkt. Im Bereich
„K. Straße“ entstünde ein Baumarkt mit 11.323 m² und ein SB-Warenhaus
(Schwerpunkt Lebensmittel) mit 5.728 m² Verkaufsfläche. Innenstadtrelevante
Sortimente würden auch hier auf Grundlage eines eingeholten
„Verträglichkeitsgutachtens“ detailliert eingeschränkt.
Schließlich könne sich der Beklagte auch nicht auf das von der Beigeladenen in
das Verfahren eingebrachte Gutachten der Fa. XX. aus dem Jahre M. sowie die
diesbezügliche Aktualisierung durch das Büro N. vom März 2007 berufen, um
einen Verstoß gegen § 34 Abs. 3 BauGB zu widerlegen. Insbesondere sei das
Aktualisierungsgutachten deshalb ungeeignet, weil es mit keinem Wort auf die
Zulässigkeit nach § 34 Abs. 3 BauGB eingehe.
Auf das ursprüngliche Gutachen der Fa. XX. könne sich der Beklagte aber auch
deshalb nicht berufen, weil dieses Gutachten von einem Standort in der Q.er
Ortsmitte ausgegangen sei. Der Standort sei aber im vorliegenden Fall
entscheidungserheblich. Durch die Verlagerung des Vorhabens in das südöstliche
Stadtgebiet Q.s würden nicht mehr alle Q.er Bürger gleichermaßen erreicht.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich Bürger der Klägerin stärker in Richtung
des Planvorhabens orientierten. Ferner sei dem Gutachten der XX. und der
Aktualisierung der Fa. N. entgegen zu halten, dass sie nicht schlüssig bzw.
fehlerhaft seien, was sich aus der entsprechenden Stellungnahme der E. vom
Oktober 2007 ergebe.
Die Klägerin beantragt,
den Bauvorbescheid vom 27.06.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 18.12.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und trägt
ergänzend vor, der Vortrag der Klägerin hinsichtlich schädigender Einwirkungen auf
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ergänzend vor, der Vortrag der Klägerin hinsichtlich schädigender Einwirkungen auf
zentrale Versorgungsbereiche in ihrem Gemeindegebiet sei zu pauschal. Es gebe
keine belastbaren Erkenntnisse, die die Annahme beachtlicher negativer
Auswirkungen stützten. Die Ausführungen der Klägerin wiesen keine konkreten
Feststellungen dahingehend auf, dass die Funktionsfähigkeit von zentralen
Versorgungsbereichen so nachhaltig beeinträchtigt werde, dass diese ihren
Versorgungsauftrag nicht mehr wahrnehmen könnten. Einer Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 11.10.2007 – 4 C 7.07 – lasse sich entnehmen,
dass für die hier interessierende Frage der schädlichen Auswirkungen zwar auch
auf den Vergleich zwischen der Größe der Verkaufsfläche des Vorhabens und der
Größe der Verkaufsfläche derselben Branche im betroffenen zentralen
Versorgungsbereich abgestellt werden könne. Diesbezüglich bringe der
erkennende Senat dann aber deutlich zum Ausdruck, dass die Relation der
Verkaufsflächen nur eines von mehreren Hilfsmitteln sei, anhand derer sich
schädliche Auswirkungen ermitteln ließen. Als weitere Faktoren würden namentlich
der Abstand zwischen dem betrachteten Vorhaben und dem betroffenen zentralen
Versorgungsbereich, die Konstellation der „Vorschädigung“ des zentralen
Versorgungsbereichs oder die Gefährdung eines im zentralen Versorgungsbereich
vorhandenen „Magnetbetriebs“ angesehen. Diese seitens des Gerichts
herausgearbeiteten Wertentscheidungen seien auch im vorliegenden Fall zu
berücksichtigen. Zwar werde man danach einerseits dem von der Klägerin für alle
Bereiche angeführten Kaufkraftabfluss im Grundsatz nicht jede Bedeutung
absprechen können, jedoch reiche allein die nicht näher konkretisierte und lediglich
auf die entsprechende Passage im Gutachten der E. gestützte Aussage der
Klägerin zu den aus ihrer Sicht zu erwartenden erheblichen Umverteilungseffekten
nicht aus, um die hier erforderliche negative Prognose zu stützten. Gerade der hier
besonders zu berücksichtigende räumliche Abstand bleibe dabei außen vor.
Auch könne dem Vortrag der Klägerin im Hinblick auf das I. in H. nicht gefolgt
werden. Der Einwand, es handele sich um einen Standort, der bereits längerfristig
bestehe, überzeuge nicht. Neben dem Umstand, dass das I. in dem Gutachten der
E. kaum Berücksichtigung finde, sei anzumerken, dass auch dieses Gebiet über
eine vergleichbare verkehrliche Anbindung verfüge wie das Planvorhaben.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie schließt sich jedoch dem Sachvortrag des Beklagten an und trägt zunächst
ergänzend vor, dass zur Beurteilung der Klage auch das beim Verwaltungsgericht
Darmstadt vorausgegangene Verfahren 2 E 584/02 von Bedeutung sei. In diesem
Verfahren sei seitens des erkennenden Gerichts geklärt worden, dass die
Beigeladene Anspruch auf zwei Bauvorbescheide habe. Diese lägen seit Juni 2004
vor und würden weiter verlängert. Wenngleich im Zentrum des damaligen
Verfahrens die Errichtung eines „ALDI-Marktes“ gestanden habe, so sei die
Errichtung einer Halle mit einem Bürofachmarkt einschließlich Stellplätzen und
einer separat vermieteten gewerblichen Lagerhalle in diesem Verfahren mit
umfasst gewesen. Die beiden Bauvorhaben müssten in der Gesamtbewertung mit
berücksichtigt werden, da sie bereits der Beigeladenen zugesprochen seien.
Weiter ignoriere die Klägerin weitgehend das entscheidende Gutachten N. aus dem
Jahr 2007 zur Verträglichkeit weiterer Einzelhandelsansiedlungen in der Gemeinde
Q.. Auch sei die eigene Ansiedlungspolitik der Klägerin zu berücksichtigen, welche
zu Schädigungen der von ihr als zentrale Versorgungszentren benannten Gebiete
führe und geführt habe. Das Motiv ihrer Klage bestehe allein darin, Konkurrenz von
außerhalb abwehren zu wollen, was indessen durch die Vorschrift des § 34 Abs. 3
BauGB gerade nicht gedeckt sei.
Betrachte man den unmittelbar am Ortsrand der Klägerin in Richtung Q.
gelegenen Großvollsortimenter „Kaufland“ (K. Straße) in seiner abschirmenden
Wirkung, so erkenne man , dass diese Ansiedlung zu Lasten der eigenen –
reklamierten – Versorgungszentren, aber auch der Umlandgemeinden, wirke. Dass
„Kaufland“ durch die Klägerin an Ort und Stelle in dieser Weise geplant und
realisiert worden sei, zeige, dass die Klägerin damit einen Kaufkraftabfluss bzw.
Umsatzverteilungen aus den eigenen Bereichen in Kauf genommen habe. Diese
könnten dann – eine solche Behauptung einmal als wahr unterstellt – nicht noch
zusätzlich durch das geplante Vorhaben in Abzug gebracht werden, denn durch
Kaufland sei das Abschöpfen weiterer Kaufkraft aus den Umlandgemeinden und
damit auch aus Q. per se angelegt und seitens der Klägerin beabsichtigt gewesen.
Dagegen müsse der Bedarf der Gemeinde Q. ebenfalls als schützenswert erachtet
werden, der für die Realisierung des Planvorhabens der Beigeladenen spreche.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin sei als berücksichtigungsfähige zentrale
Versorgungslage im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB allenfalls die Innenstadt der
Stadt Z. anzusehen. Selbst das Gutachten der E. spreche im Zusammenhang mit
dem Bereich der Z.er Innenstadt jedoch allenfalls von möglichen
Wettbewerbsverzerrungen, erschwerter Mieterakquise und veränderten
Rentabilitätsberechnungen. Eine wie auch immer geartete Nachhaltigkeit des
Kaufkraftabflusses werde weder dargelegt noch nachgewiesen. Demgegenüber
habe das Bundesverwaltungsgericht neben anderen Kriterien allein solche
Auswirkungen für berücksichtigungsfähig erklärt, die in einer groben, im jeweiligen
Einzelfall grundsätzlich noch zu substantiierenden Formel zwischen mindestens 10
und 30 Prozent des Abflusses der Kaufkraft je nach Warenangebot beziffert werden
müssten. Weiter sei dem Gutachten N. zu entnehmen, dass mit dem
angegriffenen Vorhaben allenfalls Kaufkraft nach Q. zurückgeholt werde, die zuvor
durch entsprechende Planungstätigkeit der Klägerin von dort abgezogen worden
sei. Dadurch erfolge somit keine Beeinträchtigung der Rechte der Klägerin,
sondern lediglich eine Korrektur von Entwicklungen, die sich in der Vergangenheit
zu Lasten der Gemeinde Q. vollzogen hätten.
Am 15.09.2009 fand vor dem erkennenden Gericht eine erste mündliche
Verhandlung statt, in der unter anderem zwischen den Beteiligten
Übereinstimmung darüber hergestellt wurde, dass es sich jedenfalls bei der
Innenstadt von Z. um einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne von § 34 Abs.
3 BauGB handele. Mit Beweisbeschluss vom selben Tage wurde das Büro Dr. D.
mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen
beauftragt:
„Mit welchen Kaufkraftabflüssen/Umsatzeinbußen ist durch das geplante Vorhaben
unter Zugrundelegung der Verkaufsflächenzahlen vom Dezember 2007 in den von
der Klägerin genannten Versorgungsbereichen jeweils getrennt nach Sortimenten
zu rechnen?
Kann eine Aussage darüber getroffen werden, ob und inwieweit aufgrund der
festgestellten Kaufkraftveränderungen vorhandene Gewerbe in den von der
Klägerin genannten Versorgungsbereichen – getrennt nach Sortimenten –
beeinträchtigt bzw. in ihrer Existenz gefährdet werden?“
Nach einer mit Einverständnis der Beteiligten erfolgten Präzisierung des
Gutachten-auftrags (vgl. Schriftsatz des Büros D. vom 23.12.2009, Schreiben der
erkennenden Gerichts vom 23.02.2010) legte das Büro Dr. D. mit Schriftsatz vom
28.05.2010 dem Gericht eine gutachterliche Prüfung bezüglich der „Ansiedlung
eines Einzelhandelsvorhabens in Q. und dessen Auswirkungen auf die
Nachbarstadt Z.“ vor. In dieser wird unter Ziffer 4 („Zusammenfassung und
Ergebnis“) unter anderem ausgeführt, die durchgeführten Berechnungen führten
zu Anhaltspunkten für schädliche Wirkungen entsprechend § 34 Abs. 3 BauGB
durch das Vorhaben auf die Innenstadt von Z., unter anderem, weil das Vorhaben
im Bereich Nahrungs- /Genussmittel die Verkaufsfläche in der Innenstadt erheblich
übersteige, im Bereich Gesundheit/Körperpflege (Drogerie/Parfümerie und
Apotheke) dasjenige in der Innenstadt nur um rund 20 Prozent unterschreite, im
Bereich Bekleidung zwar die Innenstadt ein deutlich größeres Angebot aufweise, in
diesem Bereich aber auch besonders anfällig sei, weil dieser Bereich mehr als ein
Drittel der gesamten innerstädtischen Verkaufsfläche ausmache, im Bereich
Spielwaren/Sport/Freizeit die vorgesehene Dimension größer ausfalle als das
entsprechende Angebot in der Innenstadt und schließlich das das Vorhaben
insgesamt eine Verkaufsflächendimension erreiche, die bei zwei Dritteln des
gesamten Innenstadtangebots liege.
Hinsichtlich des Bereichs „F.straße“ in H. ergäben sich – wenn man diesen Bereich
als zentralen Versorgungsbereich einstufe – ebenfalls starke Hinweise auf
schädliche Auswirkungen. In den Bereichen „G.-J.-Straße“ und „I.“ seien ebenfalls
Überschreitungen der im Vorhaben vorgesehenen Verkaufsfläche gegenüber dem
Bestand festzustellen, wobei es sich nach Ansicht des Gutachters bei diesen
Bereichen jedoch nicht um zentrale Versorgungsbereiche handele.
Zu diesem Gutachten haben die Beteiligten jeweils nochmals ausführlich Stellung
genommen (vgl. Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 01.07.2010,
13.07.2010, 20.07.2010, 29.07.2010 und 13.08.2010; Schriftsatz des Beklagten
vom 02.07.2010, Schriftsätze der Bevollmächtigten der Beigeladenen vom
11.07.2010 und 06.09.2010). Darüber hinaus nahm auch der Gutachter selbst,
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11.07.2010 und 06.09.2010). Darüber hinaus nahm auch der Gutachter selbst,
Herr Dr. WW. vom Büro Dr. D., auf Bitte des Gerichts in seinem Schriftsatz vom
19.08.2010 ausführlich zu der seitens der Beigeladenen an dem Gutachten vom
28.05.2010 geäußerten Kritik Stellung.
Wegen des Inhalts dieser Schriftsätze und der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des
früheren Verfahrens 2 E 584/02 nebst den beigezogenen Behördenakten Bezug
genommen, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlungen vom 15.09.09
und 08.09.2010 gewesen sind.
In der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 hat der Gutachter Dr. WW. aus
dem Büro Dr. D. ergänzend sein Gutachten erläutert. Darüber hinaus wurde der
ebenfalls anwesende Gutachter VV. zu seinem Gutachten informatorisch
angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Verhandlungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, denn der streitgegenständliche Bauvorbescheid
vom 27.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2007 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz
1 VwGO).
Vorliegend richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des klägerischen
Vorhabens, die allein Gegenstand der Bauvoranfrage der Beigeladenen vom
02.04.2007 ist, nach § 34 BauGB, nachdem das erkennende Gericht in einem
vorausgegangenen Verfahren (Az. 2 E 584/02) mit – rechtskräftigem – Urteil vom
26.11.2003 festgestellt hat, dass der für das entsprechende Gebiet von der
Gemeinde Q. aufgestellte Bebauungsplan unwirksam ist.
Unabhängig von der Prüfung der übrigen – unter den Beteiligten nicht streitigen –
Voraussetzungen des § 34 BauGB steht der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit
des Vorhabens vorliegend jedenfalls Absatz 3 dieser Vorschrift entgegen. Danach
dürfen von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf
zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu
erwarten sein.
Dies ist nach Überzeugung der Kammer hier der Fall.
Zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB sind nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.10.2007, 4 C 7.07,
NVwZ 2008, 308; Urte. v. 17.12.2009, 4 C 1.08 und 4 C 2.08, Juris) räumlich
abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener
Einzelhandelsnutzungen – häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und
gastronomische Angebote – eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren
Nahbereich hinaus zukommt. Bei der Beurteilung, ob ein Versorgungsbereich
einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB bildet, bedarf
es einer wertenden Gesamtbetrachtung der städtebaulich relevanten
Gegebenheiten. Auch eine räumlich konzentrierte Ansiedlung von
Einzelhandelsbetrieben, die darauf angelegt ist, einen fußläufigen Einzugsbereich
zu versorgen, kann nach dieser Rechtsprechung einen zentralen
Versorgungsbereich im Sinne der vorgenannten Vorschrift bilden. Entscheidend ist
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der
Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die
Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale
Funktion hat. Der Begriff ist danach nicht geografisch im Sinne einer
Innenstadtlage oder Ortsmitte, sondern funktional zu verstehen. Weiter wird in den
genannten Entscheidungen ausgeführt, Ziel der vorgenannten Vorschrift sei die
Erhaltung gewachsener städtebaulicher Strukturen und die Entwicklung integrierter
Lagen auch im Interesse der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, die
angesichts der demografischen Entwicklung besonderen Schutzes bedürfe. Ein
zentraler Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB setze daher
jedenfalls eine integrierte Lage voraus.
Vorliegend lässt die Kammer dahingestellt, ob es sich bei den von der Klägerin
genannten Bereichen „I.“ und „F.straße“ in H., „G.-J.-Straße“ sowie „K. Straße“ in
Z. um zentrale Versorgungsbereiche im vorgenannten Sinne handelt, weil es sich
– insoweit auch unter den Beteiligten unstreitig – jedenfalls bei der Innenstadt der
Klägerin (entsprechend der in dem eingeholten Gutachten des Büros Dr. D. unter
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Klägerin (entsprechend der in dem eingeholten Gutachten des Büros Dr. D. unter
Punkt 5.1 beschriebenen Ausdehnung) um einen zentralen Versorgungsbereich
handelt und für diesen bei Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens
schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sind.
Die Innenstadt Z.s wird nach dem vorgenannten Gutachten in erster Linie durch
die beiden größtenteils als Fußgängerzone ausgewiesenen Einkaufsachsen UU.
und TT. geprägt. Dortige Leitsortimente sind Bekleidung und Schuhe, die in
mehreren Geschäften angeboten werden. Darüber hinaus gibt es nach dem
Gutachten ein vielfältiges Lebensmittelangebot, das von einem Supermarkt und
einem Discounter über eine Vielzahl an Betrieben des Lebensmittelhandwerks
(Bäcker und Metzger) und Betrieben mit Nahrungs-/Genussmitteln als
Randsortiment (insbesondere zwei Drogerie-Märkte) bis zu spezialisierten
Lebensmittelfachgeschäften und dem Wochenmarkt reicht. Dieses vielfältige
Einzelhandelsangebot, das alle drei Bedarfsbereiche (kurz-, mittel- und langfristig)
umfasse, finde im Bereich der Fußgängerzone seine höchste Konzentration. Unter
Berücksichtigung dieses Warenangebots in der Innenstadt und deren
Verkaufsflächengrößen (vgl. Tabelle 3 in dem Gutachten Dr. D.) sowie der darüber
hinaus vorhandenen Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe handelt es sich
somit nach Überzeugung der Kammer bei der Innenstadt von Z. ohne weiteres um
einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne § 34 Abs. 3 BauGB (vgl. auch
BVerwG, Urt. v. 11.10.2007, a. a. O., wo ausgeführt wird, dass Innenstädte, wenn
auch nicht stets, so doch in der Regel als Versorgungsbereiche zentral seien, weil
sie nach Lage, Art und Zweckbestimmung nicht nur der Versorgung ihrer
Bewohner dienten, sondern auf einen Kundenkreis aus einem größeren
Einzugsbereich ausgerichtet seien. So sei für Innenstädte typisch, dass in ihnen
ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf
angeboten würden).
Nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind
schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf einen zentralen
Versorgungsbereich zu erwarten, wenn die Funktionsfähigkeit des betroffenen
zentralen Versorgungsbereichs in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit
gestört wird. Eine solche Funktionsstörung liegt vor, wenn der Versorgungsbereich
seinen Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen
voraussichtlich nicht mehr in substantieller Weise wird wahrnehmen können.
Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche sind allerdings nicht erst dann
schädlich, wenn sie die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreiten. Schutzzweck
des § 34 Abs. 3 BauGB ist vielmehr die Vermeidung städtebaulich „nachhaltiger“
Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche.
Bei der diesbezüglich vom Gericht vorzunehmenden Prognose sind alle Umstände
des jeweiligen Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind dabei
unter anderem die Verkaufsfläche des Vorhabens im Vergleich zu den im
zentralen Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen derselben Branche
und ein daraus herzuleitender voraussichtlicher Kaufkraftabfluss
(Umsatzverteilung), die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen
zentralen Versorgungsbereich, die Bedeutung der „Frequenzbringer“ bzw.
„Magnetbetriebe“ im Versorgungsbereich und deren Gefährdung, eine etwaige
„Vorschädigung“ des zentralen Versorgungsbereichs z.B. durch das
Vorhandensein branchengleicher Einzelhandelsangebote an nichtintegrierten
Standorten im Einzugsbereich des Versorgungsbereichs und die
Kundenattraktivität des geplanten Vorhabens durch standortbedingte
Synergieeffekte (BVerwG, Urteile v. 11.10.2007, a. a. O., und vom 17.12.2009, 4 C
2.08, a. a. O.).
Weiter ist zu beachten, dass sich die rechtlich gebundene Entscheidung in § 34
BauGB grundsätzlich am vorhandenen Bestand zu orientieren hat (BVerwG, Urt. v.
17.12.2009, 4 C 1.08, a. a. O.) und der hierfür maßgebliche Zeitpunkt zur
Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend – da es sich um eine
Drittanfechtungsklage handelt – der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,
hier also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2007 ist.
Schließlich gilt festzuhalten, dass § 34 Abs. 3 BauGB wegen der grundsätzlichen
Wettbewerbsneutralität des Planungsrechts nur vor schädlichen städtebaulichen
Auswirkungen schützt. Zentrale Versorgungsbereiche sollen erhalten werden, weil
ihnen eine herausragende Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung von
Städten und Gemeinden zukommt. Bezweckt wird nicht der Schutz der
vorhandenen Einzelhandelsbetriebe um ihrer selbst willen; schon gar nicht geht es
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vorhandenen Einzelhandelsbetriebe um ihrer selbst willen; schon gar nicht geht es
um die Verhinderung von Konkurrenz. Vielmehr soll eine bestimmte
städtebauliche Struktur erhalten werden, die sich durch Zentralität auszeichnet
und eine diffuse Verteilung von Einrichtungen in die Fläche vermeidet (so: BVerwG,
Urt. v. 17.12.2009, 4 C 1.08, a. a. O.).
Dies vorangestellt ist die Kammer der Überzeugung, dass das streitige Vorhaben
zum hier maßgeblichen Zeitpunkt im Dezember 2007 schädliche Auswirkungen im
Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf den zentralen Versorgungsbereich Innenstadt
der Klägerin erwarten ließ.
Hierfür spricht zunächst insbesondere die in dem seitens des Gerichts eingeholten
Gutachten Dr. D. vom 28.05.2010 festgestellte Relation der im Vorhaben
vorgesehenen Verkaufsflächen zu den jeweiligen in der Innenstadt von Z. zum
damaligen Zeitpunkt vorhandenen Verkaufsflächen des selben
Sortimentsbereichs, und die hieraus abzuleitenden prognostischen
Kaufkraftabflüsse. So wird in dem vorgenannten Gutachten unter anderem
festgestellt, dass im Sortimentsbereich Nahrungs-/Genussmittel die in dem
streitgegenständlichen Vorhaben vorgesehene Fläche 187% der in der Z.er
Innenstadt vorhandenen Verkaufsfläche beträgt (3.185 m² vorgesehene
Verkaufsfläche im Planvorhaben gegenüber 1.700 m² Verkaufsflächenbestand in
der Innenstadt Z.s). Dabei geht die Kammer entsprechend dem
Einzelhandelserlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und
Landesentwicklung vom 02.05.2005 (Staatanzeiger Nr. 5/2003, S. 453 mit
Ergänzung Nr. 18/2005, S. 1596) davon aus, dass es sich bei den Nahrungs-
/Genussmitteln um Sortimente der Grundversorgung und des kurzfristigen Bedarfs
der Bevölkerung und damit um ein zentren- bzw. innenstadtrelevantes Sortiment
handelt. Selbst wenn man zugunsten der Beigeladenen davon ausginge, dass der
Verkaufsflächenbestand an Nahrungs- und Genussmitteln in der Z.er Innenstadt
Ende 2007 entsprechend dem beigezogenen Gutachten der E. statt 1.700 m²
tatsächlich 2570 m² betragen hätte, würde die vorgesehene Verkaufsfläche in dem
Q.er Projekt immer noch ca. 124 % des Angebots an Nahrungs- und
Genussmitteln in der gesamten Z.er Innenstadt betragen. Weiter wird in dem
Gutachten Dr. D. festgestellt, dass die Verkaufsfläche des Vorhabens im Bereich
Gesundheit/ Körperpflege (Drogerie, Parfümerie und Apotheke) etwa 80% des in
der Innenstadt von Z. vorhandenen Bestandes erreicht (1.012 m² vorgesehene
Verkaufsfläche im Planvorhaben gegenüber 1.250 m² Verkaufsflächenbestand in
der Innenstadt Z.s), was – ebenso wie im Bereich Nahrungs- und Genussmittel –
nach Aussage des Gutachters als starker Hinweis auf Umverteilungswirkungen von
deutlich mehr als 10% in diesen Bereichen anzusehen sei. Diesbezüglich wird in
dem Gutachten ausgeführt, mit diesen beiden Teilbereichen werde der für die
Innenstadt von Z. bedeutsame aperiodische Bedarf, der mit einem
Verkaufsflächenanteil von mehr als ¼ als wichtiger Frequenzbringer für die
Innenstadt anzusehen sei, beeinträchtigt. Diese Einschätzung ist angesichts der
Größenordnungen auch für die Kammer durchaus nachvollziehbar (vgl. hierzu auch
das der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.10.2007
vorausgegangene Urteil des OVG Münster vom 11.12.2006, 7 A 964/05, in dem die
vorgesehene Verkaufsfläche im Bereich Elektro/Foto etwa 75 % der in der
Innenstadt bereits vorhandenen Gesamtverkaufsfläche betrug, was nach
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch ohne sachverständige
Bestätigung unter Berücksichtigung der übrigen städtebaulichen Gegebenheiten
den Schluss zuließ, dass schädliche Auswirkungen zu erwarten waren).
Auch die Relation der übrigen Sortimente in dem streitgegenständlichen
Vorhaben, die mit Ausnahme des Bettenmarktes nach dem Einzelhandelserlass
allesamt zentren- bzw. innenstadtrelevant sind, lässt nach Angaben des
Gutachters relevante Umverteilungswirkungen erwarten: So beträgt die
vorgesehene Verkaufsfläche im Bereich Bekleidung etwa 40% des Bestandes der
Z.er Innenstadt (1.666 m² gegenüber 4.060 m²), im Bereich Multimedia/Foto/Optik
ebenfalls etwa 40% (301 m² gegenüber 740 m²) und im Bereich
Spielwaren/Sport/Freizeit über 100% (472 m² gegenüber 430 m²; vgl. zu allem:
Tabellen 2 und 3 des Gutachtens Dr. D.). Zusammenfassend wird seitens des
Gutachters bezüglich der Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Z.er
Innenstadt festgestellt, dass das Vorhaben insgesamt eine Dimension erreiche,
die bei zwei Dritteln des gesamten Innenstadtangebots liege, wodurch sich –
entsprechend dem Gutachter der E. vom Oktober 2007, dort Seite 17 –
Anhaltspunkte für erhebliche Umverteilungseffekte und damit schädliche
Auswirkungen auf die Z.er Innenstadt ergäben.
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Diese Schlussfolgerung ist nach Auffassung der Kammer plausibel, insbesondere
ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Relation
zwischen der Größe der Verkaufsfläche des Vorhabens und der Größe der
Verkaufsfläche derselben Branche im betroffenen zentralen Versorgungsbereich
eines von mehreren tauglichen Hilfsmitteln zur Quantifizierung des erwarteten
Kaufkraftabflusses (BVerwG, Urt. vom 11.10.2007, a. a. O.).
Für erhebliche Auswirkungen des vorgenannten, zu erwartenden
Kaufkraftabflusses spricht weiter der Umstand, dass es sich bei der Z.er
Innenstadt ausweislich des Gutachtens Dr. D. nicht um einen „stabilen“ zentralen
Versorgungsbereich, sondern um einen bereits erheblich vorgeschädigten Bereich
handelt, der einerseits zwar noch schutzwürdig, andererseits aber dadurch
besonders schutzbedürftig ist (vgl. auch hierzu: BVerwG, Urt. vom 17.12.2009, 4 C
1.08, a. a. O.). So geht aus Ziffer 5.1 des Gutachtens hervor, dass als
Frequenzbringer mit starker Magnetfunktion seit der Schließung der Karstadt-
Filiale vor mehr als neun Jahren in der Innenstadt Z.s nur noch das großflächige
Modekaufhaus SS. fungiere. Weitere zugkräftige Einzelhandelsmagneten, die zu
einer Attraktivitätssteigerung der Innenstadt führen könnten, seien nur bedingt
vorhanden. Zwar seien mit mehreren größeren Schuh- und Modemärkten wichtige
und frequenzstarke Betriebe vorhanden, jedoch könnten diese bei weitem nicht
den aufgegebenen Standort des Kaufhauses kompensieren. Weiter heißt es, die
Angebotsqualität und das Preisniveau der Einzelhandels-, aber auch
Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe sei oftmals dem niedrigeren Segment
zuzuordnen. Höherwertige Angebote seien so gut wie nicht vorhanden. Diese
Qualität des Angebotes schlage sich auch in einer oftmals unbefriedigenden
Warenpräsentation nieder, die stellenweise nicht den Ansprüchen an eine
moderne, kundenorientierte Innenstadt entspreche. Zwar seien mit dem Rathaus,
der evangelischen Kirche und der Agentur für Arbeit wichtige öffentliche
Einrichtungen inmitten der Innenstadt bzw. unmittelbar an diese angrenzend
vertreten; gleichwohl sei der Großteil der öffentlichen Einrichtungen (z. B. Theater,
Schulen, Fachhochschulen, Behörden) außerhalb der Innenstadt ohne räumlich-
funktionalen Bezug zu dieser angesiedelt, so dass potenzielle Synergieeffekte für
die innerstädtischen Geschäfte verloren gingen. Weiter seien bereits mehrere
Leerstände zu verzeichnen bzw. eine entsprechende Nachnutzung von
Ladenlokalen durch Wettbüros und Spielhallen festzustellen, was deutliche
Indikatoren für einen „Trading-down-Prozess“ in diesem Bereich der Innenstadt
seien. Aber auch in den weiteren Bereichen riefen die in der Regel nicht
zwischengenutzten bzw. nicht kaschierten Leerstände im Zusammenhang mit der
Bebauung und der überwiegend schwachen Warenpräsentation eine städtebaulich-
gestalterisch unbefriedigende Situation hervor. Neben der Beeinträchtigung des
Erscheinungsbildes schwächten derartige städtebauliche Missstände in Verbindung
mit den funktionalen Defiziten auch den Investitionswillen der Eigentümer bzw.
führten zu Wertverlusten der innerstädtischen Immobilien. Zusammenfassend
heißt es, in der Z.er Innenstadt seien verschiedene Indikatoren festzustellen, die
trotz der aufgezeigten Qualitäten und der in der Vergangenheit getätigten
Investitionen auf einen eingesetzten „Trading-down-Prozess“ in der Innenstadt
hinwiesen. Angesichts dieses „Status quo“ – Zustandes seien negative
Auswirkungen durch regional bedeutsame Vorhaben nicht auszuschließen.
Dementsprechend wird auch in dem sogenannten „Verträglichkeitsgutachten“ der
RR. vom Oktober 2005 (dort: S. 11) ausgeführt, die derzeitige Konstitution der Z.er
Innenstadt müsse als schwach eingestuft werden. Die im Gutachten dargestellten
Beispiele von innerstädtischen Leerständen gäben einen guten Eindruck über die
derzeitige Situation des Einzelhandels. Dabei scheine der negative Trend der
Innenstadtentwicklung noch nicht gestoppt zu sein. Mit dem Verlust des Lidl-
Standortes habe ein weiterer Frequenzbringer die Innenstadt Z. verlassen.
Diesen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass es sich bei der Z.er Innenstadt
um einen bereits erheblich vorgeschädigten Versorgungsbereich handelt, der nach
Überzeugung der Kammer erheblich „sensibler“ auf weitere Umsatzabflüsse
reagieren wird als ein stabiler Versorgungsbereich, der beispielsweise über
mehrere „Magnetbetriebe“ oder eine aus sonstigen Gründen attraktive Innenstadt
verfügt.
Weiter ist vorliegend in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich im
Einzugsbereich der Z.er Innenstadt in räumlicher Nähe an anderer Stelle zum
maßgeblichen Zeitpunkt bereits großflächige Einzelhandelsbetriebe befanden, die
ebenfalls zu Umsatzverteilungen zu Lasten der Z.er Innenstadt und damit zu einer
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ebenfalls zu Umsatzverteilungen zu Lasten der Z.er Innenstadt und damit zu einer
Schwächung derselben beigetragen haben dürften. Hierbei sind insbesondere das
I. in H. sowie das Einkaufszentrum QQ. in PP. zu berücksichtigen. Entgegen der
Auffassung der Beigeladenen ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend,
inwieweit die Klägerin selbst durch eigene Planung in der Vergangenheit eine
Vorschädigung ihrer Innenstadt (mit-)verursacht hat; vielmehr ist bei der Prognose
der Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB allein von der zum
maßgeblichem Zeitpunkt konkret gegebenen städtebaulichen Situation
auszugehen (vgl. hierzu: BVerwG, Beschl. v. 12.02.2009, 4 B 3.09, Juris, Rdnr. 6).
Nach der Überzeugung der Kammer ist aufgrund der zuvor beschriebenen
Situation bezüglich der erheblichen Vorschädigung der Z.er Innenstadt die
Einschätzung im Gutachten Dr. D., wonach sich bei einer weiteren Schwächung der
Innenstadt mittels des geplanten Vorhabens Anhaltspunkte für schädliche
Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB ergäben, nachvollziehbar. In
diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls in seiner
Entscheidung vom 17.12.2009 (4 C 2.08, a. a. O.) ausgeführt, schädliche
Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB könnten sich auch daraus ergeben,
dass das geplante Vorhaben zusammen mit bereits vorhandenen Betrieben eine
Beeinträchtigung des geschützten zentralen Versorgungsbereichs bewirke. Denn
ein gerade noch unbedenkliches Nebeneinander von Einzelhandelsbetrieben an
nicht integrierten Standorten in räumlicher Nähe zum Versorgungsbereich und
Angeboten der selben Branche im geschützten Versorgungsbereich könne durch
das Hinzutreten eines weiteren branchengleichen Vorhabens in eine städtebaulich
beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs
umschlagen.
Dies ist vorliegend aufgrund der vorgenannten Ausführungen nach Überzeugung
der Kammer zu besorgen.
Für die gutachterliche Schlussfolgerung, insbesondere die prognostizierten
Umverteilungswirkungen zu Lasten der Z.er Innenstadt, spricht weiter auch die
erhebliche Attraktivität des geplanten Standortes in Q. an der Gemarkungsgrenze
zu der Stadt Z.. So befanden sich dort zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits
mehrere sogenannte „Magnetbetriebe“ bzw. „Frequenzbringer“ wie u.a.
Mediamarkt, Möbel-Roller, McDonald‘s sowie eine Tankstelle. Die hiervon
ausgehende Attraktivität würde durch das geplante großflächige
Einzelhandelsvorhaben noch erheblich gesteigert werden, da dann an diesem
Standort nahezu das gesamte Sortiment für den kurz-, mittel- und langfristigen
Bedarf mit einem „Stop“ gedeckt werden könnte (sogenanntes „One-Stop-
Shopping“). Hinzu kommt die überdurchschnittlich gute Verkehrsanbindung dieses
Standorts unmittelbar an der Autobahnausfahrt sowie das Vorhandensein
kostenfreier und in großer Anzahl vorhandener Parkmöglichkeiten. Unter
Berücksichtigung dieser erheblichen Standortvorteile kann nach der Überzeugung
des Gerichts der Entfernung zwischen dem streitgegenständlichen Vorhaben und
der Innenstadt von Z. (nach „Google Earth“ ca. 5 km über die Straßen „D.“, „C.“,
„BB.“, “AA. Straße“, „ZZ.“ und „YY.“) keine entscheidungserhebliche, gegen das
Vorhandensein schädlicher Auswirkungen sprechende Bedeutung beigemessen
werden (ebenso Gutachten Dr. D. vom 28.05.2010, wo auf Seite 44 sogar von
einer Entfernung zwischen dem Vorhaben und der Innenstadt von Z. von ca. 7 bis
8 km ausgegangen wird).
Die Plausibilität des von dem Gutachter Dr. D. gefundenen Ergebnisses und die
daraus unter Berücksichtigung aller vorgenannter Kriterien gewonnene
Überzeugung des Gerichts, wonach von dem geplanten Vorhaben in den
beantragten Dimensionen und mit dem dort vorgesehenen Sortimentsangebot
schädliche Auswirkungen auf die Z.er Innenstadt im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB
zu erwarten sind, wird auch nicht durch die sonstigen, im Verfahren vorgelegten
Gutachten erschüttert.
Sämtliche dieser Gutachten haben zunächst gemein, dass es sich um sogenannte
Parteigutachten handelt, denen von vornherein ein geringerer Beweiswert
beigemessen werden kann als einem „neutralen“, seitens des Gerichts im
Rahmen einer Beweisaufnahme eingeholten Gutachten.
Dies vorangestellt vermag die Kammer zunächst der im Jahr M. seitens der
Gemeinde Q. eingeholten Markt- und Standortanalyse der Firma XX. keinen
entscheidungserheblichen Aussagewert für die im vorliegenden Verfahren zu
treffende Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB zu entnehmen, weil sich das
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treffende Prognose nach § 34 Abs. 3 BauGB zu entnehmen, weil sich das
entsprechende Gutachten allein mit einer Analyse des Standorts Q., der
Bestimmung des dort bindungsfähigen Umsatzpotentials sowie der Ermittlung
freier Marktpotentiale in Q. beschäftigt und Aussagen zur weiteren
Standortentwicklung dieser Gemeinde enthält. Im übrigen bezieht sich dieses
Gutachten, in dem der Gemeinde Q. u.a. empfohlen wurde, am geplanten
Standort keine weiteren Ansiedlungen mit innenstadtrelevanten und nicht-
innenstadtrelevanten Sortimenten zuzulassen, um das
Verkaufsflächenübergewicht des Außenbereichs zur Ortsmitte nicht noch weiter zu
vergrößern, auf das Jahr M. und damit auf einen Zeitraum, der mehr als fünf Jahre
von dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zurückliegt.
Auch die von der Beigeladenen in Auftrag gegebene „Aktualisierung der
Einzelhandelskonzeption Q.“ durch das Büro N. vom März bzw. Juni 2007 vermag
die vorgenannte Einschätzung des Gerichts nicht in Frage zu stellen. Unabhängig
davon, dass die dort aufgetretene Differenz des Verkaufsflächenbestandes im
Lebensmitteleinzelhandel in der Gemeinde Q. zwischen dem Gutachten der XX.
aus dem Jahr 2002 und dem Gutachten N. (Bestand von 5.345 m² im Jahr M.
gegenüber 3.786 m² festgestellter Bestand im Jahr 2005) auch in der mündlichen
Verhandlung vom 08.09.2010 nicht nachvollziehbar aufgeklärt werden konnte, ist
jedenfalls das Ergebnis dieses Gutachtens für die hier relevante Streitfrage, ob von
dem geplanten Vorhaben schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3
BauGB auf die Z.er Innenstadt zu erwarten sind, nicht aussagekräftig. So wird in
der dortigen Zusammenfassung u.a. ausgeführt, mit der aktuell geplanten
Erweiterung des Einzelhandelsstandorts „OO.“ werde lediglich der durch das XX.-
Gutachten rechnerisch nachgewiesene örtliche Bedarf für Q. befriedigt, so dass
nicht davon auszugehen sei, dass mit diesem Vorhaben schädliche Auswirkungen
im Sinne des § 34 Abs. 3a BauGB (gemeint ist wohl: § 34 Abs. 3 BauGB, Anm. des
Gerichts) auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen
Gemeinden auftreten könnten. Dieser Schluss ist für die Kammer nicht
nachvollziehbar. Selbst wenn das geplante Vorhaben eine noch nicht
„abgeschöpfte“ Kaufkraft der Gemeinde Q. binden sollte, lässt sich hieraus nach
Auffassung der Kammer nicht auf entsprechende Auswirkungen im Sinne des § 34
Abs. 3 BauGB auf außerhalb der Gemeindegebiets liegende Versorgungszentren
schließen, was auch der Gutachter Dr. WW. in der mündlichen Verhandlung vom
08.09.2010 auf Nachfrage bestätigt hat. Weiter überzeugt auch die Aussage des
Gutachters VV. in seinem Gutachten vom Juni 2007 bzw. in der mündlichen
Verhandlung vom 08.09.2010 nicht, wonach hinsichtlich zu erwartender
Auswirkungen zwischen dem Käuferkreis des sogenannten „One-Stop-Shopping“,
der von dem geplanten Vorhaben angesprochen werde, und demjenigen
Käuferkreis, der den Erlebniseinkauf suche und daher die Innenstadt als
Einkaufsbereich bevorzuge, zu unterscheiden sei. Diesbezüglich hat der Gutachter
Dr. WW. zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Betrachtung jedenfalls nicht den
Schluss zulässt, dass von nicht integrierten Standorten wie dem hier geplanten
grundsätzlich keine schädliche Auswirkungen auf innerstädtische
Versorgungsbereiche ausgehen können. Dieser Annahme steht bereits entgegen,
dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 34 Abs. 3 BauGB durch das
Europarechtsanpassungsgesetz Bau 2004 gerade der Verteilung von
Einzelhandelsvorhaben in die Fläche und der sich aus seiner Sicht daraus
ergebenden Schwächung der Innenentwicklung und Urbanität der Städte
entgegenwirken wollte (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache 15/2550, S. 22).
Schließlich steht auch das seitens der Stadt Z. im Jahr 2005 eingeholte
„Verträglichkeitsgutachten“ für den Handelsstandort „K. Straße“ der Annahme
schädlicher Auswirkungen des streitgegenständlichen Vorhabens auf die Z.er
Innenstadt nicht entgegen.
So enthält das vorgenannte Gutachten, das unter Ziffer 5 die Nutzung des
Standortes „K. Straße“ als Einzelhandelsstandort mit großflächigen
Einzelhandelsbetrieben für die Stadt Z. als empfehlenswert einstuft, für die
Kammer bereits deshalb keinen entscheidungsrelevanten Aussagewert für die hier
zu treffende Prognoseentscheidung, weil ausweislich der Tabelle 5 in diesem
Gutachten offenbar der gesamte Nahrungs- und Genussmittelbereich als nicht
zentrenrelevant angesehen wurde (vgl. auch Tabelle 15 des Gutachtens), was –
neben der allgemeinen Lebenserfahrung – insbesondere dem vorgenannten
Hessischen Einzelhandelserlass widerspricht, wonach die Sortimente der
Grundversorgung bzw. des kurzfristigen Bedarfs der Bevölkerung, unter anderem
auch Lebensmittel, als zentren- bzw. innenstadtrelevant zu werten sind. Hätte das
Gutachten – wie im Gutachten Dr. D. erfolgt – die Nahrungs- und Genussmittel bei
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Gutachten – wie im Gutachten Dr. D. erfolgt – die Nahrungs- und Genussmittel bei
der Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens auf den Innenstadtbereich mit
berücksichtigt und die diesbezüglich geplante Verkaufsfläche von 3.600 m² der in
der Innenstadt von Z. mit Stand Mai 2007 vorhandenen Verkaufsfläche von
Nahrungs- und Genussmitteln in Höhe von 1.700 m² gegenübergestellt, wäre der
Gutachter möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen. Jedenfalls ist
die in dem Gutachten getroffene Aussage, das (damals noch projektierte) Objekt
am Standort K. Straße sei so konzipiert, dass eine notwendige und weitgehend für
die Innenstadt wettbewerbsfreie und ergänzende Angebotsstruktur geschaffen
werde (Ziff. 3.4), in Anbetracht der vorgenannten Verkaufsflächenzahlen für die
Kammer nicht nachvollziehbar.
Weiter wird der Beweiswert dieses Gutachtens auch noch dadurch in Frage gestellt,
dass dieses unter Ziffer 3.3 von „positiven Synergieeffekten“ durch das Projekt
auch für die Innenstadt Z.s ausgeht, obwohl nach dortiger Feststellung eine
fußläufige Anbindung an die innerstädtischen Einkaufslagen nicht möglich sei
(Fußwegezeiten von 15 bis 20 Minuten bis zur Fußgängerzone; vgl. Ziff. 3.3) und
die Entfernung über öffentliche Straßen zu der Z.er Innenstadt nach „Google
Earth“ ca. zwei bis drei Kilometer beträgt. Demgegenüber hat der Gutachter Dr.
WW. in der mündlichen Verhandlung vom 08.09.2010 nachvollziehbar ausgeführt,
dass mit derartigen positiven Synergieeffekten allenfalls bis zu einer Entfernung
von 200 Metern zu rechnen sei.
Soweit Herr NN. vom Stadtplanungsamt der Stadt Z. in der mündlichen
Verhandlung vom 08.09.2010 in diesem Zusammenhang mitgeteilt hat, dass nicht
festgestellt werden könne und es auch keine entsprechenden Erhebungen gebe,
ob seit der Eröffnung des SB-Warenhauses in der K. Straße im Jahr 2008 positive
oder negative Effekte auf die Innenstadt von Z. zu verzeichnen seien, können
hieraus keine entscheidungsrelevanten Rückschlüsse auf das vorliegende
Verfahren gezogen werden, weil gerade keine – in irgendeine Richtung weisende –
Aussage darüber getroffen werden kann, wie sich das Projekt in der K. Straße seit
dessen Bestehen tatsächlich auf die Z.er Innenstadt ausgewirkt hat, insbesondere
ob es positive, keine oder schädliche Auswirkungen auf diese hatte, unabhängig
davon, dass für die hier zu entscheidende Frage der Rechtmäßigkeit des
Bauvorbescheids – wie bereits ausgeführt – auf den Zeitpunkt des letzten
Behördenentscheidung am 18.12.2007 abzustellen ist.
Auch die Einwände der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 11.07.2010 sind
nicht geeignet, den Aussagewert des seitens des Gerichts eingeholten Gutachtens
Dr. D. in Frage zu stellen. Soweit dem Gutachter zunächst vorgehalten wird, die
Beurteilung nach § 34 Abs. 3 BauGB dürfe nach ständiger Rechtsprechung nicht
allein aus einem Vergleich von Verkaufsflächen hergeleitet werden, vielmehr seien
hierzu multiple Faktoren heranzuziehen und zu würdigen, ist dem
entgegenzuhalten, dass die Bewertung der gutachterlichen Stellungnahmen sowie
die Berücksichtigung der genannten „multiplen Faktoren“ zur Beurteilung der nach
§ 34 Abs. 3 BauGB abzugebenden Prognose allein seitens des Gerichts
durchzuführen ist. Die Einschätzung des Gutachtens Dr. D., wonach sich
Anhaltspunkte für schädliche Auswirkungen auf die Z.er Innenstadt im Sinne des §
34 Abs. 3 BauGB ergäben, ist seitens des Gerichts ebenso einer eigenen
Bewertung zu unterziehen und in seiner Entscheidung zu berücksichtigen wie
beispielsweise die Einschätzung des Gutachters in dem
„Verträglichkeitsgutachten“, wonach von dem Vorhaben in der K. Straße keine
schädlichen Auswirkungen auf die Z.er Innenstadt zu erwarten seien.
Soweit in dem vorgenannten Schriftsatz weiter ausgeführt wird, raumplanerische
Erwägungen hätten nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung des § 34 Abs. 3
BauGB außer Betracht zu bleiben, folgt die Kammer dieser Auffassung;
insbesondere hat das Gericht bei der vorzunehmenden Beurteilung
unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei der Gemeinde Q. nach dem
Landesentwicklungsplan um ein Unterzentrum und bei der Stadt Z. um ein
Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums handelt, und hat die
gegebenenfalls hieraus zu ziehenden Konsequenzen für etwaige
Bedarfsberechnungen, wie sie seitens des Gutachtens der XX. im Jahr 2002
angestellt wurden, nicht in seine Prognoseentscheidung nach § 34 Abs. 3 BauGB
eingestellt. Auch das Gutachten Dr. D. hat nach eigenen Angaben die Frage der
Vereinbarkeit des Vorhabens mit regionalplanerischen Zielen nicht untersucht (vgl.
Gutachten Dr. D., S. 4 a. E.).
Der weiteren Kritik, die Herleitung der Verkaufsflächenzahlen von Tabelle 2 aus
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Der weiteren Kritik, die Herleitung der Verkaufsflächenzahlen von Tabelle 2 aus
Tabelle 1 des Gutachtens werde nicht erläutert, vermag die Kammer nicht zu
folgen. Vielmehr enthält der Text zwischen beiden Tabellen exakt diese
Erläuterung, die auch für die Kammer durchaus nachvollziehbar ist. Soweit darin
von „Pauschalannahmen“ ausgegangen wird, beispielsweise dass in einem
Lebensmitteldiscounter zu 90% Nahrungs- und Genussmittel und zu 10%
Drogeriewaren angeboten werden, ist dies nach Auffassung des Gerichts nicht zu
beanstanden, weil diese Annahme jedenfalls nicht als realitätsfern angesehen
werden kann, eine exaktere Aussage in Anbetracht der unterschiedlichen
Sortimentszusammenstellungen in den Lebensmitteldiscountern auch kaum
möglich sein dürfte und schließlich – wie die Beigeladene selbst vorträgt – das
gesamte Zahlenwerk letztlich in eine Gesamtbewertung einer Vielzahl von
Faktoren einfließt, aus der die von § 34 Abs. 3 BauGB geforderte Prognose
herzuleiten ist. Gleiches gilt für die seitens des Gutachters prognostizierten
Umsatzverschiebungen. Soweit in diesem Zusammenhang – allerdings insoweit
unsubstantiiert – vorgetragen wird, von der Rechtsprechung werde auch eine zu
erwartende Umsatzverteilung von 10% als nicht relevant im Sinne des § 34 Abs. 3
BauGB anerkannt, wird dies zum einen durch eine aktuelle Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 01.02.2010 (Az. 7 A 1635/07,
Juris) widerlegt, in dessen Leitsatz ausgeführt wird, dass im Einzelfall auch ein
(weiterer) Kaufkraftabfluss von 7,9 bis 8,8% in dem betroffenen Warenbereich
(dort: Lebensmittel und sonstiger periodischer Bedarf) zu einer städtebaulich
nachhaltigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des zentralen
Versorgungsbereichs und damit zu einer Störung führen könne, wenn dieser
Versorgungsbereich – wie auch vorliegend – bereits erheblich „vorgeschädigt“ sei.
Im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang zu gegenwärtigen, dass allein eine
umfassende Gesamtbetrachtung sämtlicher städtebaulich relevanter Faktoren wie
möglicher Kaufkraftabfluss, Vorschädigung, Gefährdung eines im
Versorgungsbereich vorhandenen Magnetbetriebs, Verkehrsanbindung,
Entfernung und Attraktivität des geplanten Standorts durch dortige
Magnetbetriebe der Prognoseentscheidung zugrunde zu legen ist und in diesem
Zusammenhang eine zu erwartende Umsatzverteilung von mehr oder weniger als
10% lediglich als Indiz in die Bewertung einfließen kann (vgl. BVerwG, 17.12.2009, 4
C 2.08, a . a. O.). Der weitere Einwand der Beigeladenenseite, bei dem im
Gutachten Dr. D. vorgenommenen Verkaufsflächenvergleich zwischen dem
Vorhaben und dem Bestand in der Z.er Innenstadt sei nicht berücksichtigt worden,
dass neuerdings in den nicht integrierten Standorten großzügigere
Verkaufsflächen angelegt würden, um mehr Platz beim Einkaufen zu schaffen und
die Attraktivität des Standorts zu steigern, hat der Gutachter in der mündlichen
Verhandlung – für das Gericht nachvollziehbar – dargelegt, dass dies aus seiner
Sicht nicht berücksichtigt werden könne, da sich zum einen durch die
großzügigeren Verkaufsflächen auch die Attraktivität des Vorhabens und dadurch
auch dessen Umsatz erhöhen dürfte, was auch gerade der Sinn dieser Maßnahme
sei, zum anderen inzwischen auch die Märkte in der Innenstadt nach diesem
veränderten Verkaufskonzept handelten.
Soweit seitens der Beigeladenen weiter die Kausalität der schädlichen
Auswirkungen angesprochen und in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, zur
Beantwortung dieser Frage „wäre es unabdingbar gewesen, weitere Vorhaben in
unmittelbarer Nähe der angeblich bedrohten Innenstadt Z.s in den Blick zu
nehmen“, insbesondere auch „solche, die zeitlich sowohl vor als auch während
und nach der Genehmigung des angegriffenen Vorbescheids realisiert wurden und
sämtlich im Verantwortungsbereich der Klägerin selbst“ lägen, und weiter in
diesem Zusammenhang insbesondere auf die Standorte „K. Straße“ und das
Einkaufszentrum QQ. in PP., das laut Verträglichkeitsgutachten überwiegend von
der Z.er Bevölkerung frequentiert werde, abgestellt wird, vermag auch dies den
Beweiswert des Gutachtens Dr. D. nicht in Frage zu stellen. Vielmehr wurde bereits
mehrfach darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der Prognose auf den
„Status quo“ zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides im
Dezember 2007 abzustellen ist, womit schon fraglich ist, inwieweit das 2008
eröffnete Vorhaben in der K. Straße (aufgrund des im Jahr 2007 bereits weit
fortgeschrittenen Planungsstandes) zu berücksichtigen ist. Jedenfalls aber führen
sowohl dieses Einzelhandelsobjekt als auch dasjenige in PP. („QQ.“) allein zu einer
weiteren Vorschädigung der Innenstadt Rüsselheims zum maßgeblichen
Zeitpunkt, unabhängig davon, ob die Stadt Z. selbst für diese „Vorschädigung“
verantwortlich ist oder – wie im Falle des Einkaufszentrums in PP. – nicht. Insoweit
ist auch für die vorliegende Prognoseentscheidung irrelevant, ob die Stadt Z. – wie
behauptet – vor, während und nach der Genehmigungsphase des hier
streitgegenständlichen Vorhabens eine „intensive Expansionspolitik“ betrieben
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streitgegenständlichen Vorhabens eine „intensive Expansionspolitik“ betrieben
hat, weil – wie bereits ausgeführt – die jeweilige Verantwortlichkeit für eine
eingetretene Vorschädigung im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB keine
Berücksichtigung findet. Vielmehr ist allein von der zum maßgeblichen Zeitpunkt
gegebenen konkreten städtebaulichen Situation auszugehen und diese zu
bewerten (BVerwG, Beschl. v. 12.02.2009, 4 B 3.09, a. a. O.).
Zusammenfassend liegen damit nach Überzeugung der Kammer bei umfassender
Würdigung dieser konkreten städtebaulichen Situation zum Zeitpunkt des Erlasses
des Widerspruchsbescheids im Dezember 2007 und unter Berücksichtigung des
eingeholten Gutachtend Dr. D. sowie der sonstigen beigezogenen Gutachten
hinreichend konkrete Anhaltpunkte dafür vor, dass bei Verwirklichung des
geplanten Vorhabens an dem vorgesehenen Standort trotz der Entfernung von ca.
5 km zur Z.er Innenstadt insbesondere aufgrund der sich aus dem
Verkaufsflächenvergleich der innenstadtrelevanten Sortimente ergebenden
Umsatzverteilungsprognose, der erheblichen Vorschädigung und der damit
verbundenen „Sensibilität“ der Z.er Innenstadt durch die bereits vorhandenen
großflächigen Einzelhandelsvorhaben in der näheren Umgebung und die weiteren
im Gutachten Dr. D. genannten Versäumnisse, die zu erwartende Schwächung des
dortigen einzig verbliebenen Magnetbetriebs C&A, der erheblichen
Attraktionswirkung des vorgesehenen Standortes durch dortige Magnetbetriebe
und schließlich der außergewöhnlich guten Verkehrsanbindung nebst kostenfreien
Parkmöglichkeiten am vorgesehenen Standort die Funktionsfähigkeit der Z.er
Innenstadt im beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört worden
wäre und damit schädliche Auswirkungen auf diesen zentralen Versorgungsbereich
zu erwarten waren.
Da auch der sonstige Vortrag des Beklagten bzw. der Beigeladenen die
vorgenannte Überzeugung der Kammer nicht in Frage zu stellen vermag, war der
entsprechende Bauvorbescheid des Kreises X. vom 27.06.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.12.2007 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.