Urteil des VG Berlin vom 05.11.2010

VG Berlin: gebühr, mittelwert, disziplinarverfahren, quelle, ermessen, link, sammlung, beitrag, verfügung, einzelrichter

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Gericht:
VG Berlin
Disziplinarkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
80 KE 2.10 OL
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 165 VWGO, § 14 RVG
Rechtmäßige Ermittlung der Rechtsanwaltsgebühren
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Erinnerungsführer.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 108,54 € Euro festgesetzt.
Gründe
Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Festsetzung jeweils nur der Mittelgebühr
für die im außergerichtlichen sowie im gerichtlichen Disziplinarverfahren angefallenen
Gebühren seines bevollmächtigten Rechtsanwalts sowie gegen die Ablehnung einer
Zusatzgebühr.
Der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers setzte die ihm zustehenden
Gebühren für seine Tätigkeit im behördlichen und im gerichtlichen Disziplinarverfahren
nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 6200 VV RVG (Grundgebühr), Nr. 6202 VV RVG
(außergerichtliche Verfahrensgebühr) sowie Nr. 6203 VV RVG (gerichtliche
Verfahrensgebühr) jeweils mit 20 v.H über der jeweiligen Mittelgebühr fest.
Demgegenüber setzte die Urkundsbeamtin die Gebühren mit Beschluss vom 8. Oktober
2010 jeweils nur mit der Mittelgebühr fest. Die von dem Prozessbevollmächtigten des
Erinnerungsführers geltend gemachte Zusatzgebühr (Nr. 6216 VV RVG) erkannte sie
nicht an.
Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenansatz, §§ 165,
151 VwGO), über die im Rahmen seiner Annexzuständigkeit der im Hauptsacheverfahren
zuständig gewesene Einzelrichter entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.
a) Die Höhe der unstreitig erstattungsfähigen Gebühren – Auslagen sind vorliegend nicht
im Streit – des hier bevollmächtigten Rechtsanwalts bestimmt sich nach den im Jahr
2004 in Kraft getretenen Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
Sehen – wie im vorliegenden disziplinarrechtlichen Fall (vgl. Teil 6 Abschnitt II des
Vergütungsverzeichnis [im Folgenden VV] RVG) – die einschlägigen Regelungen eine
Rahmengebühr vor, bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr nach billigem Ermessen
unter Berücksichtung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Auftraggebers (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dadurch, dass der
Gesetzgeber die Bestimmung der Gebühr dem billigen Ermessen des Rechtsanwalts
überlassen hat, hat er diesem einen gewissen Spielraum bei der Bestimmung der
Gebührenhöhe innerhalb des vorgegebenen Rahmens eingeräumt (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, - 6 C 13.04 -, Buchholz 363 § 14 RVG Nr. 1). Diese
Bestimmung ist lediglich dann nicht verbindlich für das Festsetzungsverfahren, wenn die
Gebühr von einem Dritten – wie hier dem Land Berlin – zu ersetzen ist und die von dem
Rechtsanwalt getroffene Bestimmung unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Fallen
mehrere Rahmengebühren an, ist – was bereits aus der Berücksichtigung der Intensität
der anwaltlichen Befassung folgt – die zutreffende Gebühr innerhalb des jeweiligen
Gebührenrahmens gesondert zu bestimmen.
Für durchschnittliche Fälle ist vom Mittelwert des jeweiligen Rahmens auszugehen. Ein
Spielraum für die Erhebung einer höheren Gebühr besteht erst und nur, wenn besondere
Umstände eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen (stRspr. des
Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Urteil vom 17. August 2005 a.a.O., m.w.N.). Ein
„pauschaler“ Zuschlag zur Mittelgebühr von 20 v.H., wie er hier ausschließlich geltend
gemacht, ist nicht anerkennungsfähig, weil auf diese Weise der für Verfahren mittlerer
Schwierigkeit vorgesehene mittlere Gebührensatz in Richtung des Höchstsatzes
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Schwierigkeit vorgesehene mittlere Gebührensatz in Richtung des Höchstsatzes
verschoben und der zur Verfügung stehende Gebührenrahmen nach oben verzerrt
würde (Bundesverwaltungsgericht a.a.O., ständige Rechtsprechung der
Disziplinarkammer Berlin, vgl. nur Beschluss vom 14. Januar 2004 – VG 80 A 35.01 –).
Besondere Umstände, die hier eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen
könnten, sind dagegen nicht vorgetragen; sie bestehen auch nicht nach Aktenlage. Es
ging um eine Disziplinarverfügung, mit der gegen den Erinnerungsführer wegen
mehrerer Vorwürfe eine Geldbuße in Höhe von 2.000,- € verhängt wurde, demnach eine
Disziplinarmaßnahme im eher unteren Bereich möglicher Sanktionen. Die Sache war
weder außergewöhnlich umfangreich noch schwierig; in Disziplinarverfahren geht es – wie
hier – häufig um mehrere Vorwürfe. Die Länge der Schriftsätze des Bevollmächtigten
hielt sich im üblichen Rahmen (etwa zwischen 5 und 8 Seiten); auch im Übrigen ist ein
außergewöhnlicher Aufwand nicht erkennbar.
b) Dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers steht darüber hinaus auch die geltend
gemachte Zusatzgebühr nach Nr. 6216 VV RVG nicht zu. Die Gebühr entsteht nach der
entsprechenden Erläuterung zu (1), wenn eine gerichtliche Entscheidung mit
Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergeht oder einer
beabsichtigten Entscheidung ohne Hauptverhandlungstermin nicht widersprochen wird.
Entsprechend der vergleichbaren Gebühr Nr. 4141 VV RVG im Strafverfahren ist hierfür
ein zumindest mitursächlicher Beitrag des Rechtsanwalts erforderlich, aber auch
ausreichend (vgl. LG Arnsberg, Beschluss vom 12.10. 2006 – 2 Qs 194/06 -, nach Juris;
auch JurBüro 2007, 82 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
Maßgeblich oder zumindest mitursächlich für die unstreitige Erledigung vor einer
mündlichen Verhandlung war nicht ein Verhalten des Bevollmächtigten des
Erinnerungsführers, sondern der Umstand, dass der Beklagte aufgrund eines
gerichtlichen Hinweises auf die durch die Zurruhesetzung des Erinnerungsführers
entstandene Änderung der Rechtslage die angegriffene Disziplinarverfügung aufgehoben
und den Erinnerungsführer damit klaglos gestellt hat. Der Rechtsstreit war damit
materiell erledigt. Dass der Bevollmächtigte danach die prozessual noch erforderliche
Erledigungserklärung abgegeben hat – eine Fortführung der Klage wäre ohnehin
unzulässig gewesen – rechtfertigt die Gebühr nach Nr. 6216 VV RVG nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG i.V.m. § 77 Abs. 4 BDG, § 154 Abs. 1
VwGO.
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