Urteil des VG Berlin vom 22.01.2008

VG Berlin: versetzung, beendigung, vollstreckung, konsolidierung, vollstreckbarkeit, entlastung, behörde, zivilprozessordnung, sammlung, quelle

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Gericht:
VG Berlin 26.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 A 47.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 2 StPoolG BE
Unmöglichkeit der Beschäftigung; Organisationsentscheidung
des Dienstherrn
Tenor
Der Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin vom 22. Januar 2008 wird
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweiligen Vollstreckungsbetrages
leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Versetzung zum Zentralen
Personalüberhangmanagement (Stellenpool).
Die 1968 geborene Klägerin steht als Stadtinspektorin (Besoldungsgruppe A 9) im
gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst des Beklagten. Mit Wirkung vom 1.
Februar 2006 wurde sie mit Bescheid des Zentralen Personalüberhangmanagements
vom 1. März 2006 in den Geschäftsbereich des Bezirksamtes Spandau von Berlin
(Bezirksamt) versetzt. Sie wurde dort im JobCenter Spandau (JobCenter) als
Arbeitsvermittlerin eingesetzt.
Mit Schreiben vom 16. November 2007 wurde die Klägerin zu ihrer beabsichtigten
Versetzung zum Stellenpool zum nächstmöglichen Zeitpunkt angehört. Zur Begründung
hieß es, die Klägerin sei seit dem 1. Oktober 2007 ununterbrochen erkrankt, so dass das
Jobcenter Spandau unter Bezugnahme auf die Vereinbarung über die
Personalkostenerstattung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben
nach dem SGB II zwischen der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg und der
Senatsverwaltung für Finanzen vom 13. März 2007 (Vereinbarung über die
Personalkostenerstattung) darum gebeten habe, ihre Umsetzung zu beenden. Es sei
beabsichtigt, diesem Wunsch nachzukommen. Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit im
Bezirksamt Spandau sei nicht gegeben. Der örtliche Personalrat stimmte der geplanten
Maßnahme nicht zu; am 19. Dezember 2007 fand ein Erörterungsgespräch mit diesem
statt.
Mit Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin vom 22. Januar 2008, zugestellt am
20. Januar 2008, wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 2008 zum Stellenpool
versetzt.
Hiergegen wendet sie sich mit ihrer am 21. Februar 2008 bei Gericht eingegangenen
Klage. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor: Es habe eine andere
Einsatzmöglichkeit für sie gegeben, da der Beklagte bzw. das Bezirksamt Spandau von
Berlin aufgrund der Vereinbarung über die Personalkostenerstattung das Recht gehabt
habe, ausscheidendes Personal nachzubesetzen. Der Beklagte hätte jedenfalls eine
Auswahlgruppe bilden müssen, in die sie jedoch nach der maßgeblichen,
ermessensbindenden Verwaltungsvorschrift erst gar nicht hätte einbezogen werden
dürfen, da sie innerhalb der letzten drei Jahre bereits von Maßnahmen zum Abbau des
Personalüberhangs betroffen gewesen und zu einer anderen Dienststelle versetzt
worden sei. Soweit der Beklagte sich auf ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten sowie -
sekundär - auf ihre vermeintlich schlechte Arbeitsleistung als Arbeitsvermittlerin
beziehe, stelle dies keine sachgerechte Erwägung für ihre Zuordnung zum
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beziehe, stelle dies keine sachgerechte Erwägung für ihre Zuordnung zum
Personalüberhang dar. Darüber hinaus sei der Personalrat im Hinblick auf die
Stellenverlagerung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bezirksamtes Spandau von Berlin vom 22. Januar 2008
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bringt er vor: Es sei alles versucht worden, um den Arbeitsplatz der
Klägerin beim JobCenter Spandau zu erhalten. Der Fall der Klägerin, die im gesamten
Jahr 2007 kaum Dienst getan und zudem nur mangelhafte Arbeitsleistungen erbracht
habe, sei abschließend am 18. September 2007 mit der Geschäftsleitung des
JobCenters beraten worden. Im Ergebnis habe es zur Beendigung der Umsetzung keine
Alternative gegeben. Da eine freie, adäquate Stelle für die Klägerin beim Bezirksamt
nicht zur Verfügung gestanden habe, sei für diese eine Stelle mit „kw („kann wegfallen“)
- Vermerk“ eingerichtet und zeitgleich zum Stellenpool verlagert worden. Die Klägerin sei
daher entsprechend der Verwaltungsvorschrift über die Zuordnung von Beschäftigten
zum Personalüberhang (VV-Auswahl) vom 28. Juni 2005 (DBl. I S. 58 f.) dem
Personalüberhang ohne Sozialauswahl zuzuordnen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte und des Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug
genommen, die vorgelegen haben und - soweit erheblich - Gegenstand des
Erörterungstermins und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin
entscheiden konnte, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101
Abs. 2 und § 87a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), hat Erfolg.
Die Klage ist zulässig; insbesondere ist sie als Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs.
1, 1. Alt. VwGO statthaft, da die Versetzung zum Stellenpool ein Verwaltungsakt im
Sinne von § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist (vgl.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006 - 4 B 15.04 -
, juris, dort Rn. 15 ff.). Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die angefochtene, als Versetzung bezeichnete Maßnahme ist § 1
Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes zur Errichtung eines Zentralen
Personalüberhangmanagements - Stellenpool - (Stellenpoolgesetz - StPG) vom 9.
Dezember 2003 (GVBl. S. 589). Nach dieser Vorschrift werden die
Personalüberhangkräfte zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool)
versetzt; dabei dient die Versetzung einem dienstlichen Bedürfnis (§ 1 Abs. 2 Satz 4
StPG). Personalüberhangkräfte sind solche Dienstkräfte, die von den Dienstbehörden
oder Personalstellen dem Personalüberhang zugeordnet worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1
StPG). Da die Versetzung zum Stellenpool zwingend an die Zuordnung zum
Personalüberhang geknüpft ist und dieser damit eine für die Rechtsstellung des
Beamten entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September
2008 - 2 C 3/07 -, juris, dort Rn. 27), ist die Rechtmäßigkeit der Zuordnungsentscheidung
nach dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gerichtlich nachprüfbar (vgl. OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006, a.a.O. Rn. 51 f). Maßgebliche Bedeutung
kommt insoweit § 1 Abs. 1 Satz 2 StPG zu, der bestimmt, dass dem Stellenpool
diejenigen Dienstkräfte unterstellt werden, deren Beschäftigung durch den Wegfall von
Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer
Dienstbehörde nicht mehr möglich ist. Die danach erforderliche, der Zuordnung von
Dienstkräften zum Personalüberhang zugrundeliegende organisatorische
Umstrukturierungsentscheidung ist allein daraufhin überprüfbar, ob die Gründe des
Dienstherrn für diese Entscheidung willkürlich sind. Soweit diese eine Auswahl unter
mehreren Dienstkräften erfordert, steht dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu.
Hat sich der Dienstherr bei der Entscheidung über die Zuordnung zum
Personalüberhang - etwa über eine Verwaltungsvorschrift oder eine ständige
Verwaltungspraxis - selbst „gebunden“, ist zu prüfen, ob er diese Selbstbindung im
konkreten Einzelfall eingehalten hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.
November 2006, a.a.O. Rn. 53).
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Ausgehend hiervon sind vorliegend bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die
Versetzung der Klägerin zum Stellenpool nicht gegeben, da deren Zuordnung zum
Personalüberhang mit Rechtsfehlern behaftet ist. Es bedarf daher keiner Entscheidung,
ob § 1 Abs. 2 Satz 3 StPG mit höherrangigem Recht vereinbar ist (so noch OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 14. November 2006, a.a.O. Rn. 22 ff.) oder wegen der
fehlenden Verleihung eines Funktionsamtes gegen den Kernbereich der hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums verstößt (vgl. zu diesen Bedenken ausführlich
BVerwG, Urteil vom 18. September 2008, a.a.O. Rn. 9 ff.).
Die Klägerin ist zwar vom Beklagten formal dem Personalüberhang zugeordnet worden.
Gleichwohl ist sie keine Personalüberhangkraft im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 StPG, da
ihre Beschäftigung weder durch den Wegfall von Aufgaben noch durch die Verlagerung
von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer Dienstbehörde unmöglich geworden ist
(vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 StPG). Die entsprechende Unmöglichkeit der (Weiter-
)Beschäftigung im Sinne des Stellenpoolgesetzes setzt eine personenungebundene,
aufgabenbezogene Organisationsentscheidung des Dienstherrn voraus, bei der
entweder infolge aufgabenkritischer Würdigung bestimmte Aufgaben als überflüssig
erachtet oder die gleichbleibenden Aufgaben in anderer Weise auf das vorhandene
Personal verteilt werden (ebenso VG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009 - VG 28 A 62.07 -, S.
8 f. des Entscheidungsabdrucks). Zwar wurde im Zusammenhang mit der Beendigung
der Tätigkeit der Klägerin bei dem JobCenter für diese eine Stelle mit „kw-Vermerk“
geschaffen, die zeitlich zum Stellenpool verlagert wurde. Diese stellenwirtschaftliche
Maßnahme stellt sich jedoch als Folge der Zuordnung der Klägerin zum Stellenpool und
nicht als deren Anlass dar. Sie entbehrt zudem einer (personenunabhängigen)
allgemeinen Organisationsentscheidung über den Wegfall oder die Verlagerung von
Aufgaben. Vielmehr sollte die Tätigkeit der Klägerin beim JobCenter nach dem
Vorbringen des Beklagten nicht wegen einer Neuorganisation der dortigen Aufgaben,
sondern deswegen beendet werden, weil die für sie anfallenden Personalkosten aufgrund
ihrer mehr als sechs Wochen andauernden krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit unter
Hinweis auf § 2 Abs. 3 der Vereinbarung über die Personalkostenerstattung nicht mehr
erstattet wurden. Entsprechend begründet der Beklagte seine Entscheidung, die Klägerin
nicht länger im JobCenter einzusetzen - unter Bezugnahme auf dieselbe Regelung - mit
deren krankheitsbedingten Fehlzeiten und der Qualität der von dieser erbrachten
Leistungen. Ziel des Stellenpoolgesetzes ist jedoch nicht die „Entlastung“ der Behörde
von aus ihrer Sicht schwer verwendbaren Mitarbeitern, sondern - ausweislich der
Gesetzesbegründung (Abg.-Drs. 15/1564, S. 6) - die sozialverträgliche Bewältigung der
zur Konsolidierung des Berliner Landeshaushalts erforderlichen
Personalkostenreduzierung (ebenso VG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2009, a.a.O.).
Es kommt daher streitentscheidend weder darauf an, ob wegen der Schaffung einer „kw-
Stelle“ von der Bildung einer Auswahlgruppe entsprechend § 3 Nr. 1 Auswahl-VV
abgesehen werden könnte, die Klägerin im Hinblick auf § 4 Abs. 2 Auswahl-VV in eine
etwa erforderliche Sozialauswahl nicht einzubeziehen gewesen wäre oder der Personalrat
im Hinblick auf die Verlagerung der „kw-Stelle“ zum Stellenpool ordnungsgemäß
beteiligt wurde.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, weil keine Gründe
im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711
der Zivilprozessordnung.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes
auf 5.000,00 Euro festgesetzt (Auffangstreitwert).
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