Urteil des VG Berlin vom 20.01.2011

VG Berlin: sinn und zweck der norm, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, nebentätigkeit, beendigung, aktiven, anzeigepflicht, vollziehung, dienstleistung, verwaltung

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Gericht:
VG Berlin 7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 L 306.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 41 BeamtStG, § 68 BG BE, §
80 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 80 Abs 5
VwGO
Schutz des ehemaligen Dienstherren vor fachlicher und
wirtschaftlicher Konkurrenz eines Ruhestandsbeamten
Leitsatz
§ 41 BeamtStG und § 68 Abs. 1 LBG gewähren dem ehemaligen Dienstherrn bis zur Grenze
der Funktionsfähigkeit seiner Verwaltung keinen generellen Schutz vor fachlicher und
wirtschaftlicher Konkurrenz durch seine Ruhestandsbeamten.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller zum Verwaltungsgericht Berlin
erhobenen Klage (V.) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. September
2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 15. November 2010 wird
wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 128.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller war bei der Antragsgegnerin Beamter auf Lebenszeit und seit Juni 1984
als Professor für Allgemeine Pathologie und Spezielle Pathologische Anatomie am
Institut für Pathologie der C. sowie Chefarzt am U. beschäftigt. Sein Spezialgebiet ist die
histopathologische Diagnose von malignen Lymphomen und deren therapierelevante
Klassifikation; er ist einer von sechs bundesweit operierenden Referenzpathologen des
K.. Er schuf am C. das sog. „..., für dessen Leistungen (im Wesentlichen die Diagnostik
von anderen Krankenhäusern eingesandten Materials) er im Rahmen der ihm erteilten
Nebentätigkeitsgenehmigung privat liquidierte.
1996/1997 widerrief die Antragsgegnerin die Nebentätigkeitsgenehmigung; diese
beeinträchtige dienstliche Interessen, denn sie werde in einer Angelegenheit ausgeübt,
in der die Antragsgegnerin (aus Kostengründen) selbst tätig werden wolle. Der hiergegen
erhobenen Klage des Antragstellers gaben die Kammer und das Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg statt, weil der Widerruf wegen einer Bleibevereinbarung vom A.
unzulässig gewesen sei. Diese beinhaltete nämlich die Zusage, Diagnostikleistungen für
andere Krankenhäuser in Nebentätigkeit unbefristet ausüben zu dürfen; auf den
Konkurrenzschutz habe sich die Antragsgegnerin nicht berufen dürfen, weil sie sich durch
die Bleibevereinbarung gebunden habe, eine Konkurrenz nicht herbeizuführen.
Der Antragsteller trat – nachdem die Antragsgegnerin dies mehrfach für jeweils ein Jahr
hinausgeschoben hatte – nach Vollendung seines 68. Lebensjahres mit Ablauf des
September 2010 in den Ruhestand. Ohne dies der Antragsgegnerin anzuzeigen,
gründete er das „... (im Folgenden: P.). In diesem will er mit einigen seiner früheren
Mitarbeiter nunmehr in privater Trägerschaft seine bisherige Tätigkeit – unter Erbringung
von sowohl ambulanten vertragsärztlichen Leistungen als auch Tätigkeiten im Rahmen
seines Status als Referenzpathologe – fortführen.
Mit Bescheid vom 29. September 2010 untersagte die Antragsgegnerin den Betrieb und
die Unterhaltung der P. bis Ablauf des Jahres 2014. Unter Rekurs auf die Vorschriften zur
Zulässigkeit einer Nebentätigkeit sieht sie die dienstlichen Interessen beeinträchtigt, weil
der Antragsteller ihrem Institut für Pathologie unmittelbare Konkurrenz mache; es
bestehe im wesentlichen Aufgabenidentität; auf den Status eines Referenzpathologen
käme es nicht an. Der Antragsteller entziehe dem Institut für Pathologie Probenmaterial
und Personal sowie aktuelle und potentielle Kunden und damit letztlich die Substanz;
sein ganzes Verhalten sei illoyal. Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung
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sein ganzes Verhalten sei illoyal. Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung
des Untersagungsbescheides mit der Begründung an, dass bei einem Zuwarten die
Funktionsfähigkeit des Instituts für Pathologie nachhaltig beeinträchtigt würde und
verlorengegangenes Terrain nicht wieder gewonnen werden könne.
Der Antragsteller widersprach dem Untersagungsbescheid am 11. Oktober 2010. Der
Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15. November 2010 zurückgewiesen; über die
hiergegen am 14. Dezember 2010 erhobene Klage (V.) hat die Kammer noch nicht
entschieden.
Mit dem ebenfalls am 11. Oktober 2010 zum Verwaltungsgericht Berlin eingereichten
Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs meint der
Antragsteller obsiegen zu müssen, weil dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt seien.
Insbesondere verbiete sich der Rekurs auf die Konkurrenzregelungen in den
Nebentätigkeitsgenehmigungsvorschriften, denn was ihm zu Zeiten des aktiven
Dienstverhältnisses – wie gerichtlich geklärt – zeitlich unbeschränkt genehmigt war,
könne nach Eintritt in den Ruhestand nicht anders sein. Im Übrigen bestehe jedenfalls
auf dem Gebiet der ambulanten Versorgung keine Konkurrenz, weil die Antragsgegnerin
lediglich für die stationäre Versorgung ihrer Patienten zu sorgen habe. Der Antragsteller
habe sich weder illoyal verhalten noch Personal abgeworben. Er habe vielmehr bereits
erheblich investiert und stehe vor dem beruflichen Aus.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der
Hauptsache nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes
durch die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage
oder des Widerspruchs ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn der angefochtene
Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des
Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse
an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt. Die
Untersagungsverfügung erweist sich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
nur möglichen summarischen Prüfung als materiell rechtswidrig.
Dabei kann offenbleiben, ob die Rechtswidrigkeit der Tätigkeitsuntersagung – wie zur
aktiven Beamtenzeit des Antragstellers (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.
Februar 2007 - 4 B 10.04 -) auch nach dessen Eintritt in den Ruhestand – schon aus der
selbst auferlegten Verpflichtung der Antragsgegnerin folgte, dem Antragsteller keine
Konkurrenz zu machen; dies wäre (nur) der Fall, wenn die Auslegung der Zusage aus der
Bleibevereinbarung ergäbe, dass die Beteiligten entgegen der Regel (vgl. § 66 des
Berliner Landesbeamtengesetzes i.d.F. vom 19. März 2009 (LBG)) vereinbart hätten,
dass die Verpflichtung über die Beendigung des Hauptamtes hinauswirkt.
Die Antragsgegnerin kann ihren Untersagungsbescheid nämlich auch nicht mit Erfolg auf
§ 41 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) stützen. Nach dieser Norm ist eine
anzeigepflichtige Tätigkeit zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie
dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Eine gegenüber der letzten Dienstbehörde
anzeigepflichtige Tätigkeit ist gemäß § 41 Satz 1 BeamtStG i.V.m. § 68 Abs. 1 LBG u.a.
für Ruhestandsbeamte gegeben, die nach Beendigung des Beamtenverhältnisses
innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren oder, wenn die Beamten mit Erreichen der
Altersgrenze in den Ruhestand treten, innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren
außerhalb des öffentlichen Dienstes eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung
aufnehmen, die mit ihrer dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Beendigung
des Beamtenverhältnisses in Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen
beeinträchtigt werden können. An dem Letzten fehlt es hier.
Unstreitig plant der als Beamter im Ruhestand vom personellen Anwendungsbereich der
Norm umfasste Antragsteller mit dem Betrieb der P. eine sonstige Beschäftigung
außerhalb des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 41 Satz 1 BeamtStG und § 68 Abs. 1
LBG. Die neue Tätigkeit steht auch im Zusammenhang mit der (vorherigen) dienstlichen
Tätigkeit, weil sie sich qualitativ weitgehend mit den konkreten dienstlichen Aufgaben
des Antragstellers in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Beamtenverhältnisses
deckt. Die Antragsgegnerin hat jedoch keine Tatsachen für das Tatbestandsmerkmal der
Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen dargetan; insbesondere scheidet
nach verfassungskonformer Auslegung der Norm aus, Gesichtspunkte des Schutzes des
Dienstherrn vor (fachlicher und wirtschaftlicher) Konkurrenz seiner ehemaligen Beamten
unter den unbestimmten Rechtsbegriff der dienstlichen Interessen zu subsumieren.
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Zwar ist zutreffend – wie die Antragsgegnerin ausführt –, dass der im
Nebentätigkeitsrecht verortete spezielle Versagungsgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
LBG es dem aktiven Beamten verbietet, in fachliche und wirtschaftliche Konkurrenz zu
seinem Dienstherrn zu treten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 2007 - 2 BvR
1121/06 -, Juris Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 2 C 35/91 -, Juris Rn. 28
für die gleichlautende Vorgängernorm des § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LBG a.F.). Nach § 62
Abs. 2 Satz 1 LBG ist die Nebentätigkeitsgenehmigung nämlich zu versagen, wenn zu
besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Dies liegt
gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LBG insbesondere vor, wenn die Nebentätigkeit in einer
Angelegenheit ausgeübt wird, in der die Behörde, der der Beamte angehört, tätig wird
oder tätig werden kann.
Dies rechtfertigt jedoch nicht ohne weiteres die Tätigkeitsuntersagung gegenüber einem
Ruhestandsbeamten. Einen genau umgrenzten allgemeingültigen Begriff der
dienstlichen Interessen gibt es nämlich nicht. Vielmehr ist der Begriffsinhalt nur vor der
jeweils maßgeblichen Norm und deren Zweck zu gewinnen. Anders als die
Antragsgegnerin meint, kann daher zur Bestimmung des Begriffes der dienstlichen
Interessen im Rahmen des § 68 LBG nicht unbesehen auf die Regelungen des
Nebentätigkeitsrechts zurückgegriffen werden. § 41 BeamtStG und § 68 LBG sind keine
Bestimmungen zum Nebentätigkeitsrecht, sondern postulieren nachwirkende
Verpflichtungen aus einem beendeten Beamtenverhältnis. Es handelt sich um von
einander zu unterscheidende Regelungsmaterien, die zwar Ähnlichkeiten und
Beziehungen aufweisen, jedoch nicht identisch sind. Dies zeigen sowohl die
Normwortlaute als auch die Gesetzessystematik (nebst dem Wortlaut der Überschriften)
von § 40 BeamtStG und §§ 60-67 LBG einerseits und § 41 BeamtStG und § 68 LBG
andererseits (vgl. Schmiemann in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der
Länder, Gesamtausgabe A und B, 317. Aktualisierung Juni 2010, § 41 BeamtStG Rn. 6;
Lemhöfer in Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand September
2008, § 41 BeamtStG Rn. 2; Geis in Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht –
GKÖD, Bd. I BR Lfg. 6/08, K § 69 a BBG Rn. 1; Günther, DÖD 1990, 129 [130]).
Diese Unterscheidung ist auch verfassungsrechtlich geboten, denn der Rahmen für die
Beschränkung von Tätigkeiten Ruhestandsbeamter ist wesentlich enger als bei der
Beschränkung privater Nebentätigkeiten von aktiven Beamten (VG Regensburg, Urteil
vom 14. Mai 2003 - RN 1 K 03.133 -, Juris Rn. 15; Lemhöfer, a.a.O., § 41 BeamtStG Rn. 2;
Geis, a.a.O., § 69 a BBG Rn. 6; Günther, DÖD 1990, 129 [131, 134]). Schon bei diesen
folgt jedenfalls aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1
GG) unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes das grundsätzliche Recht auch auf
weitere entgeltliche Verwertung der Arbeitskraft, das nur zur Sicherung der geschuldeten
vollen und unparteiischen Dienstleistung – als einem hergebrachten Grundsatz des
Berufsbeamtentums – weitergehend als bei jedermann eingeschränkt werden kann
(BVerfG, Beschlüsse vom 28. September 2007 - 2 BvR 1121/06 -, Juris Rn. 19 und vom
25. November 1980 - 2 BvL 7/76 -, Juris Rn. 107 ff.; BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1980 - 2
C 37/78 -, Juris Rn. 22 und vom 25. Januar 1973 - II C 87.65 -, Juris Rn. 31). Erst recht
muss das für den ausgeschiedenen Beamten gelten, soweit hier nicht schon die Freiheit
der Wahl und Ausübung eines neuen Berufs (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreift, denn beim
Ruhestandsbeamten kommt das gegenläufige Verfassungsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG
– die Sicherung einer gegenwärtigen Dienstleistung – nicht mehr in Betracht.
Verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist der Eingriff in die Handlungs- und Berufsfreiheit
der ausgeschiedenen Beamten mithin nur zum Schutz der Funktionsfähigkeit des
Dienstes durch Sicherung der Integrität der (vorherigen) Dienstleistung und zur
Prävention eines Missbrauchs dienstlicher Kenntnisse und Kontakte (Lemhöfer, a.a.O., §
41 BeamtStG Rn. 2; Geis, a.a.O., § 69 a BBG Rn. 6; Günther, DÖD 1990, 129 [134]; vgl.
zum gleichlautenden § 20 a des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten:
BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1989 - 6 C 52/87 -, Juris Rn. 18 ff.; zuletzt: BVerwG,
Urteil vom 12. Dezember 1996 - 2 C 37/95 -, Juris Rn. 18 m.w.N., vgl. zum
gleichlautendem § 105 BBG: Bundesministerium des Innern, Erlass vom 16. März 2009 -
D 2-210 164/0 -, Juris Ziff. 5).
§ 41 BeamtStG, der den Kern der Vorgängerregelung des § 42 a BRRG aufnimmt, soll
demgemäß (nur) verhindern, dass durch die private Verwertung von Amtswissen nach
Ausscheiden aus dem Amt oder durch eine Tätigkeit bei einem unter den früheren
Amtsbereich fallenden Interessenten das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität
des öffentlichen Dienstes beeinträchtigt wird. Dienstliche Interessen sind damit
Interessen, die in der jeweiligen Verwaltung begründet sind, in der die Beamtin oder der
Beamte in dem genannten Zeitraum tätig war, nicht aber sonstige öffentliche Belange
(vgl. BT-Drucks. 16/4027 Seite 33; für die Vorgängerregelung des § 42 a BRRG vgl. BT-
Drucks. 10/1319 Seite 9 noch mit der insoweit missverständlichen Bezeichnung als
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Drucks. 10/1319 Seite 9 noch mit der insoweit missverständlichen Bezeichnung als
Konkurrenzverbot, vgl. dazu Günther, DÖD 1990, 129). Die Vorschrift beinhaltet damit –
anders als die Antragsgegnerin meint – kein generelles Konkurrenzverbot zugunsten des
Dienstherrn. Von seiner Fachkunde und Berufserfahrung darf der Ruhestandsbeamte
vielmehr Gebrauch machen (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1989 - 6 C 52/87 -, Juris
Rn. 19, VG Regensburg, Urteil vom 14. Mai 2003 - RN 1 K 03.133 -, Juris Rn. 19; Kohde in
v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG – Kommentar zum Beamtenstatusgesetz, 6.
Aktualisierung September 2009, § 41 Rn. 16; Battis, Bundesbeamtengesetz, 3. Auflage
2004, § 69 a Rn. 4). Dienstliche Interessen sind insoweit zu unterscheiden von den –
weitergehenden – öffentlichen Interessen. Insbesondere bedingen rein fiskalische Gründe
des Dienstherrn kein dienstliches Interesse im verfassungsgemäß verstandenen Sinn
der Norm.
Vor dem aufgezeigten Maßstab ist die Tätigkeitsuntersagung rechtswidrig. Die
Antragsgegnerin hat weder dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass der Antragsteller
mit dem Betrieb der P. dienstliche Interessen der Antragsgegnerin beeinträchtigen
könnte. Zweifel an der Integrität seiner vorherigen dienstlichen Leistungen hat sie nicht
behauptet; ein Missbrauch spezifisch dienstlicher Kenntnisse und Kontakte ist nicht
erkennbar.
Soweit der Antragsteller bei Fachkollegen werbend auf sich aufmerksam macht, ist nicht
vorgetragen oder ersichtlich, dass er nur ihm bekannte, sonst geheime Adressen oder
besondere Kontakte nutzt, die dem relevanten Kreis der auf diesem Fachgebiet sonst
Tätigen, insbesondere den verbliebenen Mitarbeitern der Antragsgegnerin, nicht offen
stünden. Wenn er aktiv oder passiv seinen Ruf und die in seiner Person liegende
fachliche Expertise für sich – aber wohl auch die Allgemeinheit – im Ruhestand Gewinn
bringend weiter anwenden will, missbraucht er kein spezifisches Amtswissen, was § 41
Satz 2 BeamtStG zu verhindern trachtet, sondern nutzt zulässigerweise seine
Fähigkeiten und sein Renommee.
Wenn er damit fachlich und wirtschaftlich in Konkurrenz zum Institut der Antragsgegnerin
tritt, mag dies vertraglich – wie hier nicht erfolgt – abdingbar sein, kann ihm von
Gesetzes wegen bis zur Grenze der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der
Verwaltung der Antragsgegnerin jedoch nicht verwehrt werden. So die darlegungs- und
beweisbelastete (vgl. Günther, DÖD 1990, 129 [138]) Antragsgegnerin in diesem
Zusammenhang vorgetragen hat, der Antragsteller habe sich illoyal verhalten,
insbesondere Sachmittel entnommen, Personal abgeworben und das Institut nunmehr
ausgehöhlt, ist dies bloße Behauptung ohne nähere Substanz geblieben und weder
dargetan noch sonst ersichtlich, dass obige Grenze erreicht wäre. Die Antragsgegnerin
hat nicht hinreichend konkret dargelegt, welche ihrer Sachmittel der Antragsteller an
sich genommen haben soll; soweit in diesem Zusammenhang der Vorwurf der Mitnahme
von Probenmaterial angesprochen ist, steht mindestens gleichberechtigt dessen
Rücksendung an die einsendenden Drittkrankenhäuser im Raum. Hinsichtlich des
Personals vermutet die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller fünf ihrer früheren
Mitarbeiter abgeworben habe; gegen eine Abwerbung spricht zumindest, dass sie für
den eingetretenen Fall des Ruhestands des Antragstellers selbst beschlossen hatte, den
auf dem C. befindlichen Teil der Pathologie personell zu verkleinern und im I. zu
integrieren. Dass es vor diesem Hintergrund mangels beruflicher Perspektiven zu
personellen Verwerfungen kommt, darf nicht dem Antragsteller angelastet werden.
Jedenfalls hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargetan, dass die
Funktionsfähigkeit des Instituts für Pathologie gefährdet wäre. Vielmehr reklamiert sie im
Gegenteil, (nach wie vor) im gleichen Maße befähigte Mitarbeiter und sächliche Mittel zu
haben, um die Arbeit des Antragstellers fortzuführen. Damit wird deutlich, dass es ihr im
Kern um die Verhinderung von Konkurrenz durch den Antragsteller mit befürchteten
Verlusten an Drittmitteleinnahmen, insbesondere durch die Abrechnung von
Diagnostikleistungen für andere Krankenhäuser als Institutsleistungen, geht. Dies ist
zwar ein wirtschaftliches, jedoch kein im Sinne der § 41 BeamtStG und § 68 Abs. 1 LBG
dienstliches Interesse der Antragsgegnerin. Dienstliches Interesse der Antragsgegnerin
ist es vielmehr, die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen zu können. Diese sind primär,
Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung zu gewährleisten (§ 2 Abs. 1 des
Hochschulrahmengesetzes (HRG) i.d.F. vom 27. April 2002 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Berliner
Hochschulgesetzes (BerlHG); vgl. auch die Satzung im Amtlichen Mitteilungsblatt der C.
vom 16. Februar 2010, Nr. 058). Daneben obliegt ihr im Einklang mit § 2 Abs. 9 Satz 2
HRG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 und § 69 a BerlHG die Krankenversorgung als zusätzliche
Aufgabe. Die Gefährdung dieser Aufgaben ist weder behauptet noch ersichtlich. Die
Antragsgegnerin ist – in der hier maßgeblichen beamtenrechtlichen Betrachtungsweise –
kein Wirtschaftsunternehmen; es darf ihr nicht um die Generierung von Mehreinnahmen
gehen; die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Mittel müssen ihr vielmehr bereit gestellt
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gehen; die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Mittel müssen ihr vielmehr bereit gestellt
werden.
Unabhängig vom bisher Ausgeführten ist die Tätigkeitsuntersagung jedenfalls auch
insoweit rechtswidrig, als die Antragsgegnerin diese über den Ablauf des September
2013 hinausgehend bis auf das Ende des Jahres 2014 festgesetzt hat. § 68 Abs. 1 LBG
sieht nämlich für die Anzeigepflicht eine Maximaldauer von drei Jahren, nachdem der
Beamte mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, vor. Verschiebt
sich der Beginn des Ruhestands – wie hier – auf einen späteren Zeitpunkt, beträgt die
Frist für die Anzeigepflicht nach Sinn und Zweck der Norm ebenfalls höchstens drei
Jahre. Da im weiteren das Verbot nach § 41 Satz 2 BeamtStG nicht für Tätigkeiten
erlassen werden kann, die einer Anzeigepflicht nicht mehr unterliegen, kann die
Tätigkeitsuntersagung auch nur für längstens drei Jahre nach Ruhestandsbeginn
ausgesprochen werden (Schmiemann, a.a.O. Rn. 24; Kohde, a.a.O. Rn. 21; vgl. zu § 69 a
BBG a.F.: Günther, DÖD 1990, 129 [135]).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, wobei sich diese an den aus dem
im Verwaltungsrechtsstreit vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (4...)
ersichtlichen Bruttoeinnahmen aus der früheren Nebentätigkeit von jährlich ca. 256.000
€ bemisst und wegen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren war.
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