Urteil des VG Berlin vom 24.09.2010

VG Berlin: bundesamt für migration, ablauf der frist, verlängerung der frist, abschiebung, subjektives recht, aufschiebende wirkung, mitgliedstaat, flug, verordnung, asylbewerber

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Gericht:
VG Berlin 33.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
33 L 530.10 A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 26a AsylVfG, § 27a AsylVfG, §
34a Abs 1 AsylVfG, § 34a Abs 2
AsylVfG, Art 19 Abs 4 EGV
343/2003
Überstellung eines Asylbewerbers nach Frankreich zur
Duchführung des Asylverfahrens
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung der Klage VG 33 K 515.10 A gegen die
Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
vom 24. September 2010 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Er ist gemäß § 34a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) unzulässig.
Gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG darf eine Abschiebung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG nicht
nach § 80 oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgesetzt werden.
§ 34a Abs. 1 AsylVfG bestimmt, dass, soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§
26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§
27a AsylVfG) abgeschoben werden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die
Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durch geführt werden
kann.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom
24. September 2010 gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung des Antragstellers
nach Frankreich als den für das Verfahren des Antragstellers zuständigen Staat (§ 27a
AsylVfG) angeordnet, nachdem festgestellt worden war, dass der Antragsteller bereits in
Frankreich einen Asylantrag gestellt hatte. Frankreich hat mit Schreiben vom 15. Juni
2010 seine Zustimmung für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers erklärt.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 19
Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin-II-
Verordnung) auf Deutschland übergegangen. Vielmehr ist Frankreich nach wie vor
zuständig.
Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 bzw. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-VO geht die Zuständigkeit
auf den Mitgliedsstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, wenn die
Überstellung in den (zunächst) zuständigen Mitgliedstaat nicht innerhalb einer Frist von
sechs Monaten durchgeführt wird. Gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 2 bzw. 20 Abs. 2 Satz 2
Dublin-II-VO kann die sechsmonatige Frist höchstens auf ein Jahr verlängert werden,
wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des
Asylbewerbers nicht erfolgen kann, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der
Asylbewerber flüchtig ist.
Es kann dahinstehen, ob die Bestimmungen der Dublin-II-VO, jedenfalls aber Art. 19 Abs.
4 bzw. 20 Abs. 2 der Dublin-II-VO, dem Antragsteller überhaupt ein subjektives Recht
vermitteln, auf welches er sich berufen kann. Die Dublin-II-VO hat die Verteilung der
Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedsstaaten im Auge. Art. 19 Abs. 4 bzw.
Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung stützt sich auf die Überlegung, dass der
Mitgliedstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben – nämlich die Überstellung in den
eigentlich zuständigen Mitgliedstaat – nicht zeitgemäß durchführt, gegenüber den
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eigentlich zuständigen Mitgliedstaat – nicht zeitgemäß durchführt, gegenüber den
Partnerländern die negativen Folgen tragen muss. Sie stellt sich deshalb als
Sanktionsnorm für den betreffenden Mitgliedsstaat dar (vgl. Filzwieser/Liebminger,
Dublin-II-VO, 2. Auflage, S. 150, K 30).
Jedenfalls hat sich die sechsmonatige Überstellungsfrist, die mit der Zustimmung der
Wiederaufnahme durch den zuständigen Mitgliedsstaat zu laufen beginnt, über den 15.
Dezember 2010 hinaus gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 2 bzw. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO
auf 18 Monate verlängert. Der Antragsteller war als flüchtig zu betrachten, weil er sich
der für Freitag, den 10. Dezember 2010, vorgesehenen Überstellung nach Frankreich
vorsätzlich und unentschuldigt entzogen hat.
Der Antragsteller hatte vorliegend keinen Anlass, von einer Stornierung des Termins am
10. Dezember 2010 auszugehen. Weder aus den Schreiben der Ausländerbehörde
(Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, im Folgenden: LABO) ergaben
sich Anhaltspunkte für eine solche Annahme noch hat die von den
Verfahrensbevollmächtigten angeschriebene Antragsgegnerin eine Stornierung der
Überstellung mitgeteilt.
Der Antragsteller ist mit an seine Verfahrensbevollmächtigte gerichtetem Schreiben des
LABO vom 2. Dezember 2010 davon unterrichtet worden, dass seine Überstellung nach
Frankreich am 10. Dezember 2010 stattfinden soll, und aufgefordert worden, sich zwecks
Durchführung der Überstellung an diesem Tag um 9 Uhr beim Polizeipräsidenten in
Berlin einzufinden. Darüber hinaus ist er gebeten worden, bis zum 7. Dezember 2010
mitzuteilen, ob er dieser Aufforderung Folge leisten werde.
Des weiteren wurden dem Antragsteller der Bescheid der Antragsgegnerin vom
24.9.2010 sowie die Aufforderung, sich zur Durchführung der Abschiebung am 10.
Dezember 2010 beim Polizeipräsidenten in Berlin einzufinden und bis zum 7. Dezember
2010 mitzuteilen, ob er dieser Aufforderung Folge leisten werde, am 6. Dezember 2010
durch das LABO ausgehändigt.
Der Antragsteller war zuvor am 23. November 2010 durch den ärztlichen Dienst des
Polizeipräsidenten in Berlin polizeiärztlich-psychiatrisch begutachtet und als flug- und
reisefähig eingeschätzt worden.
Auf die mit Schreiben vom 6. und 8. Dezember 2010 durch die
Verfahrensbevollmächtigte eingereichten ärztlichen Atteste des Dr. D. vom 6. Dezember
2010, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. D. vom 7. Dezember 2010 und den
Bericht über die Notfallbehandlung im Bundeswehrkrankenhaus am 3. Dezember 2010
reagierte das LABO mit Schreiben vom 8. und 9. Dezember 2010 per Fax an die
Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers. Das LABO teilte mit, dass trotz der am 7.
Dezember 2010 beim Abgeordnetenhaus von Berlin eingereichten Petition an der
Abschiebung am 10. Dezember 2010 festgehalten werde. Dem übersandten Attest vom
7. Dezember 2010 seien keine neuen Erkenntnisse zu entnehmen. Die Flug- und
Reisefähigkeit sei bereits mehrfach ärztlich bestätigt worden. Es verbleibe bei den
Schreiben vom 2. und 8. Dezember 2010. Zuvor hatte die Ärztin des
Bundeswehrkrankenhauses Dr. S., wo der Antragsteller am 3. Dezember 2010 in
Behandlung gewesen war, mit Fax vom 6. Dezember 2010 dem LABO bestätigt, dass für
den Antragsteller außerhalb einer hypertensiven Krise Flug- und Reise[un]fähigkeit
bestehe. Der Antragsteller könne seine Erkrankung jederzeit in Frankreich weiter
behandeln lassen. Einschränkungen, die eine Rückführung nach Frankreich auf dem
Luftwege behinderten, lägen zurzeit nicht vor. Eine Stornierung der Abschiebung des
Termins wurde seitens des LABO oder der Antragsgegnerin somit zu keiner Zeit in
Aussicht gestellt.
Der Antragsteller hat sein Nichterscheinen zur Überstellung am 10. Dezember 2010
nicht ausreichend vor Durchführung der Abschiebung entschuldigt. Er sprach erst am 13.
Dezember 2010 beim LABO vor und teilte mit, er sei am 10. Dezember 2010 beim Arzt
gewesen. Entgegen dem Vortrag des Antragstellers findet sich in der Ausländerakte
auch kein Vermerk über eine etwaige telefonische Information des LABO am 10.
Dezember 2010 durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales, das der
Antragsteller aufgesucht und über den beabsichtigten Arztbesuch informiert haben will.
Die nachträgliche Entschuldigung am 13. Dezember 2010 war nicht ausreichend. Aus
der – erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegten – Bescheinigung der Fachärztin für
Allgemeinmedizin Dr. D. vom 10. Dezember 2010, nach der der Antragsteller am 10.
Dezember 2010 von 8.30 Uhr bis 9.10 Uhr in der Arztpraxis anwesend gewesen sei und
bei einem Blutdruck von 185 zu 120 mmHg über Schwindel, Kopfschmerz, allgemeine
Schwäche und thorakale Schmerzen geklagt habe, ergibt sich nämlich keineswegs, dass
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Schwäche und thorakale Schmerzen geklagt habe, ergibt sich nämlich keineswegs, dass
der Antragsteller aus Gesundheitsgründen nicht in der Lage gewesen wäre, sich
unmittelbar nach dem Arztbesuch noch am 10. Dezember 2010 beim Polizeipräsidenten
einzufinden bzw. sein Nichterscheinen unverzüglich nach dem Arztbesuch zu
entschuldigen. Dieser war ja bereits um 9.10 Uhr beendet. Es ist auch überhaupt nicht
ersichtlich, dass der Antragsteller nicht in der Lage gewesen wäre, das LABO oder den
Polizeipräsidenten vor 9.00 Uhr – spätestens als er sich entschloss, zur Ärztin zu fahren
– über sein Nichterscheinen telefonisch zu informieren. Eine Flug- oder Reiseunfähigkeit
ergibt sich aus der ärztlichen Bescheinigung ebenfalls nicht.
Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller damit gerechnet hat,
dass seine Abschiebung wie vorgesehen am 10. Dezember 2010 stattfinden sollte, und
er somit billigend in Kauf genommen hat, dass diese durch sein Nichterscheinen nicht
durchgeführt werden kann.
Der Antragsteller war damit am 10. Dezember 2010 „flüchtig“ im Sinne der Art. 19 Abs.
4 Satz 2 bzw. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO.
Zum einen war der Antragsteller entgegen seinem Vortrag keineswegs bis 9.00 Uhr in
dem Wohnheim, in dem er gemeldet war, anzutreffen. Laut bereits genannter
Bescheinigung der Frau Dr. D. befand er sich zu dieser Zeit bereits in ihrer Arztpraxis.
Dafür dass dem LABO der Aufenthalt des Antragstellers bei seiner Ärztin in dieser Zeit
bekannt war, gibt es wie bereits ausgeführt keine Belege. Selbst wenn also – wie die
Verfahrensbevollmächtigte vorliegend vorschlägt – das LABO versucht hätte, den
Antragsteller nach dessen Nichterscheinen aus dem Wohnheim abzuholen, ist nicht
belegt, dass der Antragsteller im Wohnheim auch tatsächlich angetroffen worden wäre.
Zum anderen ist ein Asylbewerber entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht erst
dann flüchtig im Sinne der zitierten Bestimmungen, wenn er seine Wohnung (dauerhaft)
verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und dadurch dem Zugriff der Behörden
entzogen ist. Die Formulierung „flüchtig ist“ knüpft an die Überstellung des Asylbewerbs
an. Dies erlaubt es, auch den Sachverhalt vom Wortlaut und -sinn erfasst anzusehen, in
dem der Asylbewerber sich – wie hier – seiner Überstellung vorsätzlich und
unentschuldigt durch Nichterscheinen entzieht (vgl. insoweit Beschluss der Kammer vom
10. Juni 2010, VG 33 L 182.10 A, BA S. 5).
Einen Sachverhalt wie diesen unter Art. 19 Abs. 4 Satz 2 bzw. 20 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-
VO zu subsumieren, ist auch mit deren Sinn und Zweck vereinbar. Die Regelungen
haben Sanktionscharakter. Ein Staat, der die sechsmonatige Frist missachtet, soll
nunmehr zuständig sein. Es kann aber keine Rede davon sein, dass Deutschland die
Frist missachtet hat. Vielmehr hat sich das LABO fristgemäß um die Überstellung des
Antragstellers bemüht, die letztlich nur daran gescheitet ist, dass der Antragsteller
vorsätzlich und unentschuldigt nicht zu dem Überstellungstermin erschienen ist.
Dem steht nicht entgegen, dass das LABO theoretisch die Möglichkeit gehabt hätte, den
Antragsteller am 10. Dezember 2010 vom Wohnheim abzuholen, nachdem er nicht beim
Polizeipräsidenten erschienen war. Zum einen ist keineswegs sicher, dass der
Antragsteller angetroffen worden wäre. Zum anderen widerspricht dies dem
Selbstgestellungsverfahren, das bei Abschiebungen zunächst aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit gewählt wird.
Dass das LABO nach dem 13. Dezember 2010, an dem der Antragsteller dort erneut
vorsprach, sein Ausbleiben am 10. Dezember 2010 erklärte und somit für das LABO
wieder erreichbar war, noch zwei Tage zur Durchführung der Abschiebung Zeit gehabt
hätte, stellt sich als angesichts des organisatorischen Aufwands einer Überstellung und
der hierfür zu treffenden Vorbereitungen als rein theoretische Möglichkeit dar und steht
dem Merkmal „flüchtig“ somit ebenfalls nicht entgegen (anders dagegen im Verfahren,
dass dem Beschluss der Kammer im Verfahren VG 33 L 260.09 A vom 14.12.2009
zugrunde lag).
Eine Berufung Deutschlands auf die Fristverlängerung ist auch nicht nach Art. 9 Abs. 2
der Verordnung 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit
Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur
Festlegung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem
Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag zuständig ist –
Durchführungsverordnung-Dublin-II – ausgeschlossen. Danach ist der Mitgliedstaat, der
die Überstellung aus einem der in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO
genannten Gründen nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist vornehmen kann,
verpflichtet, den zuständigen Mitgliedstaat darüber vor Ablauf der Frist zu unterrichten.
Anderenfalls fällt die Zuständigkeit für den Asylantrag bzw. die sonstigen Verpflichtungen
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Anderenfalls fällt die Zuständigkeit für den Asylantrag bzw. die sonstigen Verpflichtungen
aus den Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 2 diesem Mitgliedstaat zu.
Eine solche Unterrichtung innerhalb der sechsmonatigen Frist ist vorliegend erfolgt. Wie
sich aus dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin ergibt, hat das Bundesamt
Frankreich am 10. Dezember 2010 per Fax erfolgreich ein Formularschreiben
übermittelt, in dem mitgeteilt wird, dass eine Überstellung derzeit nicht möglich ist, weil
der Betroffene untergetaucht sei. Unerheblich ist, dass das im Formular vorgesehene
Wort „untergetaucht“ den hier gegebenen Sachverhalt nicht zutreffend beschreibt.
Maßgeblich ist allein, dass tatsächlich eine Information über eine Fristverlängerung aus
den Gründen der Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 2 Dublin-II-VO eingetreten ist.
Das Gericht folgt auch nicht der Ansicht, dass die Unterrichtung verlangt hätte, dass
Frankreich der Verlängerung der Frist ausdrücklich zugestimmt hat (so allerdings
vertreten von VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 16.6.2009, 5 K 1166/08.NW,
Rn. 23 f., Juris; VG Berlin, Beschluss vom 2.10.2009, VG 9 L 452.09 A, UA S. 4).
Abgesehen davon, dass dies kaum praktikabel erscheint, spricht viel dafür, dass ein
Schweigen des ersuchten Mitgliedstaates auf die Unterrichtung über das Untertauchen
des Asylsuchenden nicht bedeutet, dass die Übernahme bzw. Wiederaufnahme des
Asylsuchenden nunmehr abgelehnt wird. Die Dublin-II-Verordnung geht nämlich an
anderer Stelle – in Art. 18 Abs. 7 – sogar davon aus, dass ein Schweigen des ersuchten
Mitgliedstaates Zustimmung bedeutet (wie hier im Ergebnis auch VG Cottbus, Urteil
vom 20.2.2009, 7 K 848/08.A, Rn. 25, Juris). Auch in diesem Zusammenhang ist im
Übrigen nochmals darauf hinzuweisen, dass bereits fraglich ist, ob der Antragsteller aus
diesen Fristbestimmungen überhaupt subjektive Rechte herleiten kann.
Die übrigen Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 AsylVfG liegen vor.
Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Antragstellers rechtlich unzulässig oder
aus tatsächlichen Gründen unmöglich war, so dass ihre Anordnung zu unterbleiben
hatte, liegen nicht vor. Das nach der Dublin-II-VO erforderliche Übernahmeverfahren war
positiv abgeschlossen. Frankreich hatte am 15. Juni 2010 ausdrücklich einer Übernahme
des Antragstellers zugestimmt und hat einer solchen im Übrigen bis heute nicht
widersprochen. Dahinstehen kann, ob im Falle einer Abschiebung in einen zuständigen
Staat nach § 27a AsylVfG wegen der Verwendung des Wortes „durchgeführt werden
kann“ in § 34 a Abs. 1 AsylVfG – anders als sonst – vom Bundesamt auch
inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu berücksichtigen sind. Denn nach den
zuletzt vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen (s. oben) ist von der Transport- und
Reisefähigkeit des Antragstellers – in ärztlicher Begleitung – auszugehen, zumal es
lediglich um eine Überstellung in das Nachbarland Frankreich geht.
§ 34a Abs. 2 AsylVfG, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfG,
Urteil vom 14. Mai 1996, 2 BvR 1938/93 u.a., BVerfGE 94, 49 ff.; zusammengefasst von
OVG Münster, Beschluss vom 17. Juni 1996, 13 B 410/96.A, InfAuslR 1996, 365, 366),
mutet es damit dem Antragsteller zu, die Rechtsverfolgung vom Ausland aus zu
betreiben.
Auch liegt kein Ausnahmefall vor, der es nach dem genannten Urteil des
Bundesverfassungsgerichts gebietet, entgegen dem Wortlaut des § 34a Abs. 2 AsylVfG
einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Dem Antrag ist insbesondere nicht schon
deshalb stattzugeben ist, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8.
September 2009 (2 BvQ 56/09, Juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010, 2 BvR
1902/10, Juris) angekündigt hat, das Konzept der normativen Vergewisserung mit Blick
auf die derzeitige Lage in Griechenland neu bewerten zu wollen. Denn der Antragsteller
ist jeden Nachweis für das Bestehen gleichartiger Bedenken in Bezug auf Frankreich
schuldig geblieben, zumal an die Darlegung, in einem vom normativen
Vergewisserungskonzept nicht aufgegangenen Sonderfall betroffen zu sein, strenge
Anforderungen zu stellen sind. Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei in
Frankreich nicht human behandelt worden, habe zeitweise auf der Straße leben müssen
und keinen Zugang zu medizinischer Behandlung gehabt, bestehen Zweifel an der
Glaubhaftigkeit dieses Vortrags, da nach der Auskunft des deutschen Liaisonbeamten in
Frankreich dort die Asylstandards eingehalten werden. Sollte dies im Falle des
Antragstellers dennoch nicht der Fall gewesen sein, ist nicht ersichtlich, weshalb der
Antragsteller nicht in der Lage sein sollte, seine diesbezüglichen Ansprüche in Frankreich
gerichtlich durchzusetzen.
Die Beklagte hat auch ihr Ermessen hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechts
gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II VO fehlerfrei ausgeübt.
Das Bundesamt hat – wie sich aus dem Bescheid ergibt – von seinem Ermessen
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Das Bundesamt hat – wie sich aus dem Bescheid ergibt – von seinem Ermessen
Gebrauch gemacht, denn es hat von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts mangels
Vorliegens außergewöhnlicher humanitärer Gründe abgesehen. Für eine
Ermessensreduzierung auf Null liegen keine Anhaltspunkte vor. Die geltend gemachten
Erkrankungen sind in Frankreich adäquat behandelbar. Der Antragsteller hat in
Frankreich als Asylbewerber auch Zugang zu medizinischer Behandlung und Betreuung.
Die Flug- und Reisefähigkeit des Antragstellers außerhalb einer hypertensiven Krise
wurde durch den polizeiärztlichen Dienst bzw. die Ärztin des Bundeswehrkrankenhauses
bestätigt. Auch aus der zuletzt eingereichten ärztlichen Bescheinigung der Frau Dr. D.
vom 10. Dezember 2010 ergibt sich nichts Gegenteiliges.
Das Attest der Frau Dr. D. vom 7. Dezember 2010 bescheinigt zwar, dass eine große
Wahrscheinlichkeit bestehe, dass anlässlich der Reise eine erneute
Herzrhythmusstörung auftrete mit den damit verbundenen hohen Risiken. Eine Reise am
10. Dezember 2010 sei mit größten gesundheitlichen Risiken für den Antragsteller
verbunden. Andererseits bescheinigte die Ärztin des Bundeswehrkrankenhauses am 6.
Dezember 2010 Flug- und Reisefähigkeit außerhalb hypertensiver Krisen. Eine
hypertensive Krise wurde für den 10. Dezember 2010 nicht ärztlich bescheinigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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