Urteil des VG Berlin vom 07.10.2010

VG Berlin: botschaft, schengen, sachprüfung, kiew, quelle, rechtsschutz, vollstreckung, wiederholungsgefahr, rechtsmittelbelehrung, sammlung

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Gericht:
VG Berlin 20.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 K 367.10 V
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 42 Abs 1 VwGO, § 113 Abs 1 S
5 VwGO
Rechtsschutzbedürfnis bei Verpflichtungsklage über ein
Visumsbegehren
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils beizutreibenden Betrages
leistet.
Tatbestand
Die Klägerin, eine ukrainische Staatsangehörige begehrt die Erteilung eines Schengen-
Visums zum Zweck des Besuchs einer Freundin.
Die Klägerin beantragte im Mai 2009 bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
in Kiew (Botschaft) erfolglos die Erteilung eines Schengen-Visums zum Zweck des
Besuchs einer Bekannten, Frau …, der die Klägerin nach ihren Angaben bei
Antragstellung bei der Betreuung ihres Kindes helfen wollte.
Die Klägerin beantragte am 17. Juli 2009 bei der Botschaft erneut, diesmal für den
Zeitraum vom 25. Juli bis 25. September 2009, die Erteilung eines Schengen-Visums
zum Besuch ihrer Bekannten und gab nach dem Zweck ihres Aufenthalts befragt an,
„Hilfe mit den Kindern“ leisten zu wollen. Der Antrag wurde im Juli 2009 abgelehnt. Auf
die Remonstration der Klägerin trat die Botschaft erneut in eine Sachprüfung ein, hielt
jedoch an der Visumsverweigerung mit Remonstrationsbescheid vom 25. September
2009, der Klägerin zugegangen am 12. Oktober 2009, fest. Zur Begründung hieß es im
Wesentlichen, es bestünden Zweifel an dem angegebenen Aufenthaltszweck.
Mit ihrer am 7. November 2009 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter. Sie wendet sich gegen den Verdacht, eine illegale Beschäftigung
aufnehmen zu wollen und trägt näher zu der mit der Bekannten und deren Sohn
bestehenden Verbindung, zu ihrer Erwerbstätigkeit sowie zu ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen sowie weiterer, persönlicher Motive für den beabsichtigten
Besuchsaufenthalt vor.
Am 11. Mai 2010 stellte die Klägerin bei der Botschaft erneut einen Antrag auf Erteilung
eines Schengen-Visums zum Zweck des Besuchs ihrer Bekannten. Gegen die nach
erneuter Sachprüfung ergangene Ablehnung dieses Antrages mit Bescheid der
Botschaft vom 12. Mai 2010 remonstrierte die Klägerin. Das Remonstrationsverfahren ist
noch nicht abgeschlossen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Verhandlungstermin den schriftsätzlich
gestellten, auf den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2010 bezogenen Antrag, mit
dem er die Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit begehrt hatte, zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Aufhebung des Remonstrationsbescheides der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Kiew vom 25. September 2009 zu verpflichten, ihr ein
Schengen-Visum zu Besuchszwecken zu erteilen,
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hilfsweise,
festzustellen, dass der Remonstrationsbescheid der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Kiew vom 25. September 2009 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Visumsverfahren und führt
ergänzend an, die Klage sei bereits unzulässig, da der beantragte Besuchszeitraum
verstrichen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und
die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hat durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entschieden, weil die
Kammer ihr den Rechtsstreit gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch
Beschluss übertragen hat.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist - mit Haupt- und Hilfsantrag - bereits unzulässig.
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Verpflichtungsklage ist mangels
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Zwar kann es Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes
(GG) auch nach Ablauf der im Visumsantrag bezeichneten Reisedaten gebieten, im
Wege der Verpflichtungsklage über das Visumsbegehren zu entscheiden, wenn dem
Begehren erkennbar kein zeitlich bestimmter Reiseanlass zugrunde liegt, sondern dieses
fortbesteht und vom Antragsteller weiterverfolgt wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 24. Juni 2010 – OVG 2 B 16.09 –, juris, Rn. 17, 19; a.A. OVG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2009 – OVG 3 B 6.09 –, juris, Rn. 19).
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Klageverfahren, mit dem der fortbestehende,
auf möglichst zeitnahe Verwirklichung gerichtete Besuchswunsch weiterverfolgt wird,
nicht durch einen erneuten Visumsantrag überholt wird, mit dem der Sache nach das
dasselbe Besuchsbegehren geltend gemacht wird. Stellt der Einreisewillige – wie
vorliegend die Klägerin – einen solchen, erneuten Visumsantrag, muss er jedenfalls
dann, wenn die Beklagte – wie vorliegend - daraufhin in eine erneute Sachprüfung
eintritt, im Rahmen dieses (neuen) Visumsverfahrens um gerichtlichen Rechtsschutz
nachsuchen. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es mangels Rechtsschutzlücke in einem solchen
Fall nicht, eine nach Ablehnung eines vorangegangenen Visumsantrages erhobene
Verpflichtungsklage trotz Ablaufs der im Visumsantrag angegebenen Reisedaten als
zulässig anzusehen.
2. Auch die mit dem Hilfsantrag verfolgte Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1
Satz 4 VwGO entsprechend) ist unzulässig. Der Klägerin fehlt es an dem erforderlichen
besonderen Feststellungsinteresse. Dieses ergibt sich entgegen der von ihr vertretenen
Rechtsauffassung auch nicht unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr. Denn die
Gefahr, dass in absehbarer Zeit bei im Wesentlichen gleichen tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnissen mit einer gleichartigen negativen Entscheidung zu rechnen ist,
hat sich bereits aufgrund des von der Klägerin am 11. Mai 2010 gestellten
Visumsantrages und des Eintritts der Beklagten in eine erneute Sachprüfung realisiert.
Die Klägerin muss sich daher auf die im Rahmen des neuen Visumsverfahrens
gegebenen Möglichkeiten, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. die
dem ablehnenden Bescheid der Botschaft vom 12. Mai 2010 beigegebene
Rechtsmittelbelehrung), verweisen lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 der
Zivilprozessordnung.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124
Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.
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