Urteil des VG Berlin vom 26.09.2010

VG Berlin: republik gambia, aufschiebende wirkung, guinea, auslandsvertretung, heimatstaat, staatsangehörigkeit, vorführung, vwvg, androhung, kinderrechtskonvention

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Gericht:
VG Berlin 16.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 L 252.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 5 VwGO, § 82 Abs 4
AufenthG
Tenor
Die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz und Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom
26. September 2010 werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des ohne Ausweispapiere eingereisten, nach seinen Angaben am 1…
geborenen und aus Guinea-Bissau stammenden Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage - VG 16 K 253.10 - gegen den Bescheid
des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin vom 3. September
2010 wiederherzustellen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid,
mit dem der Antragsteller aufgefordert wurde, zur Klärung seiner Identität und zur
Erlangung eines Heimreisedokuments persönlich bei der Botschaft der Republik Gambia
- Vorführungs-ort: Ausländerbehörde des Landkreises Halberstadt - zu erscheinen, wo er
einem Botschaftsvertreter der Republik Gambia vorgeführt werden soll, ist bei der hier
nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig. Auch die
Vollziehungsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist sachlich gerechtfertigt.
Deshalb überwiegt das öffentliche Interesse an der unverzüglichen Durchführung der
Maßnahme das Interesse des Antragstellers, davon vorerst verschont zu bleiben.
Nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung
von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist, angeordnet werden, dass ein
Ausländer bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen
Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint. Diese Voraussetzungen
sind hier erfüllt. Der nach illegaler Einreise vollziehbar ausreisepflichtige und notfalls
abzuschiebende Antragsteller besitzt nach seinen Angaben kein Heimreisedokument.
Dessen Beschaffung setzt unstreitig die persönliche Vorsprache bei der Vertretung
seines Heimatstaates voraus, die der Antragsteller pflichtwidrig (vgl. §§ 48 Abs. 3, 49
Abs. 2 AufenthG) noch nicht unternommen hat. Welches der Heimatstaat des
Antragstellers ist, ist indessen unklar. Zwar hat der Antragsteller Guinea-Bissau als das
Land seiner Staatsangehörigkeit bezeichnet. Die vom Antragsgegner in Auftrag
gegebene Sprachanalyse hat aber ergeben, dass Guinea-Bissau als Herkunftsland
ausgeschlossen werden kann, der Antragsteller vielmehr mit hoher Wahrscheinlichkeit
aus Gambia stammt. Damit ist ein hinreichend konkreter sachlicher Anhaltspunkt (vgl.
zu diesem Erfordernis z.B.: Renner, AuslR, 8. Aufl., § 82 AufenthG Rn. 6; HK-
AuslR/Hofmann, § 82 AufenthG Rn. 36) dafür gegeben, dass Gambia der Heimatstaat
des Antragstellers ist, was die Anordnung zur Vorsprache vor Vertretern Gambias
rechtfertigt. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, in Fällen mehrerer in Betracht
kommender Herkunftsländer zunächst den Angaben des Ausländers zu folgen, besteht
nicht. Dass die Vorsprache nicht in einer gambischen Auslandsvertretung erfolgen soll,
sondern in den Räumen der Ausländerbehörde in Halberstadt, hat nach Angaben des
Antragsgegners allein organisatorische Gründe. Dass die Reise nach Halberstadt für den
Antragsteller eine unverhältnismäßige Belastung darstellte, ist weder vorgetragen noch
sonst erkennbar, zumal die Fahrtkosten durch die öffentliche Hand getragen werden.
Sonstige Ermessensfehler der Anordnung (vgl. § 114 VwGO) sind nicht ersichtlich.
Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist es nicht geboten, vor der
Vorsprache zu klären, welchen Personen er konkret vorgestellt wird, durch wen diese
Personen autorisiert wurden und ob sie mit Zustimmung des Auswärtigen Amts nach
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Personen autorisiert wurden und ob sie mit Zustimmung des Auswärtigen Amts nach
Deutschland eingereist sind. Eine solche Prüfung, die ohnehin nur auf diplomatischem
Wege erfolgen könnte und mithin sehr aufwändig wäre, sieht das Gesetz nicht vor, das
davon ausgeht, dass in diesen Fällen ermächtigte Bedienstete der jeweiligen
Auslandsvertretung tätig werden. Konkrete oder gar gravierende Zweifel, ob wirklich die
Mitarbeiter der gambischen Auslandsvertretung zur Vornahme von Amtshandlungen
ermächtigt sind (vgl. dazu HK-AuslR/Hofmann, a.a.O., Rn. 35), hat der Antragsteller
weder dargetan, noch sind sie sonst ersichtlich, wie es beispielsweise in dem seitens des
Antragstellers angeführten Verfahren vor dem VG Bremen (Beschluss vom 08. Januar
2010, 4 V 1306/09, zit. n. Juris) der Fall war.
Dass der auf den 27. September 2010 festgesetzte Vorstellungstermin inzwischen
fruchtlos verstrichen ist, gebietet keine andere Entscheidung. Die Beschwer des
Antragstellers ist damit nicht entfallen, denn der Antragsgegner hat bereits angekündigt,
ihm einen neuen Termin mitzuteilen, um dem jugendlichen Antragsteller aus Gründen
des Kindeswohls zunächst erneut Gelegenheit zu geben, freiwillig zur Vorführung zu
erscheinen. Dass dem die UN-Kinderrechtskonvention entgegenstünde, vermag die
Kammer nicht zu erkennen. Etwaige Anhörungsmängel wären gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3
VwVfG im vorliegenden Verfahren geheilt.
Die für den Fall der Weigerung des Antragstellers ausgesprochene Androhung der
zwangsweisen Vorführung ist gemäß § 5 a) Abs. 2 VwVfG Bln i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 12 und
13 VwVG nicht zu beanstanden. Insofern und auch wegen der Anordnung der sofortigen
Vollziehung infolge eines besonderen öffentlichen Interesses wird auf die Begründung
des angefochtenen Bescheids (unter Ziffern 2. und 3.) verwiesen, der der Antragsteller
nicht entgegengetreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Wertfestsetzung beruht auf
den §§ 52 f. GKG.
Wegen der eindeutigen Erfolglosigkeit des Sachbegehrens muss auch der
Prozesskostenhilfeantrag erfolglos bleiben (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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