Urteil des VG Berlin vom 03.02.2011

VG Berlin: in dubio pro reo, strafbefehl, daten, strafverfahren, disziplinarverfahren, anfang, firma, quelle, polizeibeamter, anklageschrift

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Gericht:
VG Berlin
Disziplinarkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
80 K 1.10 OL
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 20 S 2 BG BE, § 21 S 2 BG BE,
§ 36 Abs 1 BG BE, § 40 Abs 1 S
2 BG BE, § 101 S 2 BG BE
Tenor
Gegen den Kläger wird eine Geldbuße in Höhe von 500,- Euro verhängt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung, mit der gegen ihn eine
Geldbuße in Höhe von 1.000,- Euro verhängt wurde.
Der 19 ... geborene Kläger trat 19 ... als Polizeihauptwachtmeister-Anwärter ... in den
Polizeidienst des ... Landes Berlin ein. Er wurde – nach bestandener Laufbahnprüfung
und erfolgreicher Probezeit – im Jahr 19 ... im Amt eines Polizeimeisters zum Beamten
auf Lebenszeit ernannt und im Jahr 19 ... zum Polizeiobermeister befördert.
Der Kläger ist ledig und hat eine 19 ... geborene Tochter. Der Kläger ist bislang
disziplinarrechtlich unbelastet. Seine dienstliche Beurteilung lautete zuletzt „B“ (20 ... ).
Zwischen März 2000 und Ende 2006 war der Kläger der A ... zugeordnet; er wurde zum
2. Januar 2007 zum Abschnitt umgesetzt.
Am 30. Oktober 2006 leitete der Leiter der Direktion gegen den Kläger ein
Disziplinarverfahren ein, mit dem ihm die Nichteinhaltung von Zahlungsverpflichtungen
mit daraus resultierenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen bzw. Offenlegung
von Abtretungserklärungen vorgeworfen wurde; der Vorwurf wurde in der Folgezeit
mehrfach, zuletzt im Juli 2009, erweitert.
Mit Disziplinarverfügung vom 5. Juli 2010 verhängte der Beklagte – nach Beteiligung des
Personalrats und der Frauenvertreterin – gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von
1.000,- Euro. Dem liegen folgende Geschehnisse/Vorwürfe zugrunde:
Vorwurf zu 1.): Nichtabgabe von Ausrüstungsgegenständen:
Der Kläger wurde im Zuge seiner Umsetzung zum Abschnitt mehrfach schriftlich
aufgefordert, einzelne Ausrüstungsgegenstände, die ihm im Rahmen seiner früheren
Verwendung überlassen worden waren (Schreibtischschlüssel, Armbinde „Polizei“ und
eine Lupe) abzugeben. Der Kläger – so der Vorwurf – habe darauf nicht reagiert.
Vorwurf zu 2.) Verstoß gegen die Bestimmungen über Personalausweise:
Das Bezirksamt erließ am 5. Juli 2005 einen Bußgeldbescheid in Höhe von 35,- Euro
wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen über Personalausweise. Nachdem der
Kläger die Geldbuße nicht gezahlt hatte, ordnete das Amtsgericht Tiergarten
Erzwingungshaft von vier Tagen an und erließ einen Vorführungsbefehl. Am 15.
September 2007 suchten Polizeibeamte des Abschnitts den Kläger auf, um den
Vorführungsbefehl zu vollstrecken. Dieser fand sodann seine Erledigung, nachdem der
Kläger am selben Tag die Geldbuße bezahlte.
Vorwurf zu 3.) Warenkreditbetrug:
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Am 20. März 2007 lieferte die Firma R ... dem Kläger einen per Internet bestellten Miet-
Wasserspender und drei Flaschen an seine Wohnanschrift. Trotz wiederholter Mahnungen
seitens der Firma beglich der Kläger die entsprechende Rechnung nicht und hielt auch
einen Abholtermin für den Wasserspender nicht ein. Ein gegen den Kläger wegen
Warenkreditbetruges eingeleitetes Strafverfahren stellte die Amtsanwaltschaft unter
dem 20. November 2007 gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
Vorwurf zu 4.) Fehlende oder verspätet eintreffende ärztliche Atteste:
a) Zeitraum Januar bis Februar 2007: Nach seiner Umsetzung zum Abschnitt ab 2.
Januar 2007 meldete sich der Kläger zwischen dem 24. Januar und dem 28. Januar 2007
krank. Das entsprechende Attest ging der Dienststelle erst am 29. Januar 2007 zu. Im
Zeitraum zwischen dem 4. und 13. Februar 2007 war der Kläger erneut krank; das Attest
traf erst am 9. Februar 2007 auf der Dienststelle ein.
b) Zeitraum April bis Mai 2007: Mit Schreiben vom 23. März 2007 wurde der Kläger daran
erinnert, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten, die länger als drei Tage dauerten, mit
ärztlichem Attest nachzuweisen seien. Für die Krankschreibung vom 23. April bis 18. Mai
2007 traf das ärztliche Attest jedoch erst am 8. Mai 2007 auf der Dienststelle ein. Das
Folgeattest für die Zeit bis zum 20. Mai 2007 traf erst am 25. Mai 2007 ein.
c) Die Verlängerung seiner Krankschreibung über den 13. Juli 2007 hinaus teilte der
Kläger erst am 15. Juli 2007 mit.
d) Die Atteste für die Krankschreibung des Klägers vom 20. August bis 7. Dezember
2007 trafen erst auf der Dienststelle ein, nachdem mit – später aufgehobenem Bescheid
– vom 1. November 2007 der Verlust der Dienstbezüge wegen ungenehmigten
Fernbleibens vom Dienst festgestellt worden war.
e) Auch für den Krankheitszeitraum ab dem 3. März 2008 legte der Kläger keine Atteste
vor. Seine Dienstunfähigkeit wurde im August 2008 rückwirkend aufgrund einer
polizeiärztlichen Untersuchung bestätigt.
Vorwurf zu 5.) Nichtmitteilung der neuen Wohnanschrift
Der Kläger war unter dem 18. Dezember 2006 für eine neue Wohnanschrift gemeldet,
teilte dies seinem Dienstherrn jedoch zunächst nicht mit. Die neue Anschrift wurde dem
Beklagten Ende Januar 2007 zufällig durch die veränderte Absenderangabe auf einem
vom Kläger stammenden Brief bekannt.
Vorwurf zu 6.) Ungeordnete Wirtschaftführung
Zwischen Mai 2005 und Juli 2009 gingen insgesamt 9 Pfändungs- und
Überweisungsbeschlüsse und 2 offen gelegte Abtretungserklärungen bei der
Gehaltsstelle des Klägers ein. Sie betreffen unterschiedliche Gläubiger und
Forderungsarten, u.a. nicht bezahlte Heilbehandlungskosten, Kreditforderungen und
auch Unterhaltsrückstände, insgesamt mehr als 35.000,- Euro. Wegen der Einzelheiten
wird auf die Aufstellung in der Disziplinarverfügung Bezug genommen.
Vorwurf zu 7.) Verstoß gegen das Berliner Datenschutzgesetz
Durch Strafbefehl vom 2. Februar 2009 verhängte das Amtsgericht Tiergarten – 257 Ds
240/08 – gegen den Kläger eine Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30,- Euro
wegen unbefugten Abrufens von Daten. Der Kläger soll zwischen Oktober 2005 bis
Oktober 2006 von seinem Dienstcomputer auf dem „Abschnitt “ die im polizeilichen
Datensystem POLIKS erfasste Daten über anhängige Verfahren gegen die ihm
persönlich bekannte abgefragt haben, obwohl er gewusst habe, dass eine dienstlich
gerechtfertigte Datenabfrage nicht vorgelegen habe und er zur Datenabfrage nicht
befugt gewesen sei.
Mit der Klage erstrebt der Kläger zumindest eine Herabsetzung der
Disziplinarmaßnahme. Er wendet sich insbesondere gegen die Annahme in der
Disziplinarverfügung, gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen zu haben.
So könne es entgegen dem Strafbefehl nicht sein, dass er Daten auf dem
Dienstcomputer des Abschnitts abgefragt habe. Zu dieser Zeit habe er seinen Dienst
dort nicht versehen. Es bestehe daher Aufklärungsbedarf hinsichtlich der
Abfrageprotokolle. Die Person, die er abgefragt habe, sei seinerzeit Tippgeberin
gewesen. Er habe deren Glaubwürdigkeit überprüfen wollen. Die Abfragen hätten
mitunter nicht geklappt, weil die Abfragesysteme störanfällig gewesen seien und keine
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mitunter nicht geklappt, weil die Abfragesysteme störanfällig gewesen seien und keine
Ergebnisse ausgeworfen hätten; er habe daher Abfragen wiederholen müssen. Auch dies
lasse sich anhand der Abfrageprotokolle feststellen. Gegen den Strafbefehl habe er im
Übrigen rechtzeitig Einspruch eingelegt, der jedoch nicht beim Gericht angekommen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 3. Dezember 2009
aufzuheben bzw. eine niedrigere Disziplinarmaßnahme zu verhängen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der in der Disziplinarverfügung gegebenen Begründung fest. Die im
Strafverfahren vernichteten Abfrageprotokolle hinsichtlich der Datenabfragen könnten
nicht mehr rekonstruiert werden.
Der behördliche Disziplinarvorgang, die Personalakte des Klägers und die Akten des
oben genannten Strafverfahrens wurden beigezogen.
Durch Beschluss der Kammer vom 7. Oktober 2010 ist der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs.
1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die
Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die dem Kläger mit der
Disziplinarverfügung vorgeworfenen Dienstvergehen sind nur zum Teil erwiesen,
rechtfertigen insgesamt die Verhängung einer Geldbuße in der tenorierten Höhe:
Zum Vorwurf zu 2.) : Der Kläger hat sich dadurch, dass er die im bestandskräftig
gewordenen Bußgeldbescheid bezahlte Geldbuße in Höhe von 35 Euro nicht bezahlte
und es schließlich zur Anordnung der Erzwingungshaft durch das Amtsgericht Tiergarten
und den Erlass eines Vorführungsbefehls kommen ließ, achtungs- und
vertrauensunwürdig verhalten (§ 20 Satz 3 LBG a.F.; seit 1. April 2009: § 34 Satz 3
BeamtStG). Zugleich verstieß er gegen die besonderen Pflichten eines
Polizeivollzugsbeamten gemäß § 103 Satz 2 LBG a.F. (seit 1. April 2009: § 101 Satz 2
LBG), Ansehen der Polizei und Disziplin zu wahren.
Ein Verhalten eines Beamten – wie hier – außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen
allerdings nur dann, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß
geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des
Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a. F.).
Beides ist vorliegend der Fall.
Mit den Aufgaben eines Polizeibeamten, der selbst dienstlich dafür eingesetzt werden
kann, Haft- bzw. Vorführungsbefehle im Zusammenhang mit Bußgeldbescheiden zu
vollstrecken, ist es unvereinbar, sich selbst in dieser Weise verhaften zu lassen. Von
einem Polizeibeamten wird grundsätzlich ein gesetzestreues Verhalten erwartet, so dass
es schon nicht zur Verhängung von Bußgeldern gegen ihn kommen darf. Auch wenn
nicht bereits jedes dahin führende ordnungswidrige Verhalten eines Polizeibeamten
bereits die Erheblichkeitsschwelle für ein außerdienstliches Dienstvergehen erfüllt, ist
diese Grenze jedenfalls dann überschritten, wenn ein Polizeibeamter in hartnäckiger
Weise ein vergleichsweise geringes Bußgeld von 35 Euro nicht bezahlt und es zur
Anordnung von Erzwingungshaft und einem Vorführungsbefehl kommen lässt. Ein
derartiges durch Polizeibeamte an den Tag gelegtes Verhalten begegnet in der
Bevölkerung mit Recht großem Unverständnis und schadet nicht nur dem Ansehen und
der Vertrauensstellung des betroffenen Beamten, sondern der gesamten Berliner
Polizei.
Der Kläger handelte schuldhaft und zumindest fahrlässig.
Zum Vorwurf zu 4.) Der Kläger hat den Vorwurf in der mündlichen Verhandlung vom 16.
Dezember 2010 eingeräumt. Er handelte insofern der Gehorsamspflicht nach § 21 Satz
2 LBG a.F. zuwider, indem er entgegen § 36 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. in Verbindung mit der
ihm bekannten Weisungslage über den Nachweis der Dienstunfähigkeit in zahlreichen
Fällen Atteste nicht spätestens am 4. Tag einreichte. Er handelte schuldhaft und zwar
zumindest fahrlässig.
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Zum Vorwurf zu 6.) Der Kläger hat auch diesen Vorwurf in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt.
Seine jahrelange ungeordnete Wirtschaftsführung verletzte die Verpflichtung zu
achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes.
Zwar liegt ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten eines Beamten nicht bereits dann
vor, wenn dieser über seine wirtschaftlichen Verhältnisse lebt und damit auch über die
Grenze seiner eigenen wirtschaftlichen Belastbarkeit hinausgeht. Ein Beamter verletzt
seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten auch außerhalb des
Dienstes jedoch, wenn er seine Schulden nicht korrekt abwickelt (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Juni 1995 – 1 D 66.94 – Buchholz 232 § 54
Satz 3 BBG Nr. 1, m.w.N.; Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 21. Dezember 1995
– OVG 80 D 2.95 – S. 19 des Abdrucks), nebenher auch die innerdienstliche Pflicht,
seinen Dienstherrn nicht durch die mit Haftungsrisiken einhergehende Abwicklung seiner
Schulden zu belasten. Ein Beamter, der – wie im vorliegenden Fall – ungeachtet an sich
ausreichender laufender Einnahmen Verbindlichkeiten nicht bezahlt bzw. bei
Zahlungsschwierigkeiten keine Stundung bei den Gläubigern zu erreichen versucht,
beeinträchtigt sein und der Beamtenschaft Ansehen in einer auch für sein Amt
bedeutsamen Weise in besonderem Maß i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. Ein solcher
Fall liegt hier vor. Ein objektiv und besonnen wertender Dritter erwartet von einem
Beamten bei der Abwicklung von Schulden den Gläubigern gegenüber ein
angemessenes Verhalten.
Der Kläger handelte schuldhaft und ebenfalls zumindest fahrlässig.
Zum Vorwurf zu 7.) Es ist dem Kläger nicht nachzuweisen, dass er in den ihm
vorgeworfenen 18 Fällen ohne dienstlichen Grund und damit rechts- und
gehorsamswidrig Datenabfragen über das polizeiliche Informationssystem getätigt hat.
Der vom Amtsgericht Tiergarten am 2. Februar 2009 erlassene Strafbefehl hat insofern -
anders als rechtskräftige Strafurteile – keine Bindungswirkung für das
Disziplinarverfahren. Der Kläger hat den Vorwurf bestritten bzw. dienstliche Gründe für
die Datenabfragen behauptet. Zu Recht hat er darauf hingewiesen, dass die
Datenabfragen nicht – wie es im Strafbefehl unter Bezug auf die Anklageschrift heißt –
von seinem Dienstcomputer am Abschnitt aus getätigt worden sein können, da er zu der
fraglichen Zeit dort dienstlich nicht eingesetzt war. Es ist zwar zu vermuten, dass es sich
insoweit nur um ein Versehen in der Anklageschrift handelt. Um dies zu verifizieren und
auch Anzahl, Zeitpunkte und die Art und Weise der Datenabfragen (Wer und was wurde
jeweils genau abgefragt?) zu überprüfen hätten die entsprechenden Protokolle der
Datenabfragen dem Gericht vorliegen müssen. Das war jedoch nicht der Fall, da der
entsprechende Beweismittelordner nach Abschluss des Strafverfahrens vernichtet wurde
und der Beklagte wegen mittlerweile durchgeführter Datenlöschung die Abfragedaten
auch nicht mehr rekonstruieren kann. Die durch den Beweismittelverlust verbleibenden
Zweifel am Dienstvergehen gehen daher „in dubio pro reo“ zu Lasten des Beklagten.
Zum Vorwurf zu 3.) Der Kläger ist auch von diesem Vorwurf freizustellen. Es ist nach
Aktenlage und den Einlassungen des Klägers letztlich nicht nachweisbar, dass dieser
bereits bei Bestellung des Wasserspenders nicht gewillt war, den entsprechenden
Mietpreis zu bezahlen (Eingehungsbetrug). Nach der Darstellung des Klägers im
Disziplinarverfahren war er über die Höhe der späteren Rechnung überrascht.
Möglicherweise hatte er die Bedingungen des Vertrages nicht genau genug studiert und
war von niedrigeren Kosten ausgegangen. Da dies nicht zu widerlegen ist, kann ein
Eingehungsbetrug nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden. Das
Strafverfahren ist – ebenfalls ohne Schuldfeststellung – nach § 153 StPO eingestellt
worden.
Hinsichtlich der Vorwürfe zu 1. und 5. hat das Gericht von der Möglichkeit des § 56 BDG
(i.V.m. § 41 DiszG) Gebrauch gemacht und die entsprechenden Handlungen
ausgeschieden, weil sie für Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht
fallen.
Das einheitlich zu würdigende Dienstvergehen erfordert unter Abwägung aller Umstände
dieses Einzelfalls die Verhängung einer Geldbuße in der aus dem Tenor ersichtlichen
Höhe.
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der
Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie der
Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Hat der
Beamte mehrere Pflichtverletzungen begangen, bestimmt sich die zu verhängende
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Beamte mehrere Pflichtverletzungen begangen, bestimmt sich die zu verhängende
Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung. Das
Dienstvergehen wird hier gleichberechtigt von der jahrelangen ungeordneten
Wirtschaftsführung, aber auch von der hartnäckigen Ignorierung der Attestvorlagepflicht
geprägt.
Hohe Verschuldung und die damit verbundenen Zahlungsschwierigkeiten sind be-
amtenrechtlich dann zudem besonders bedeutsam, wenn sie die Zuverlässigkeit und
Vertrauenswürdigkeit des Betreffenden für einen bestimmten Dienstposten fraglich
erscheinen lassen (vgl. Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.
September 2006 – 10 L 4/06 – juris Rdn.20 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat
durch seine jahrelange unverantwortliche private Wirtschaftsführung einen
schwerwiegenden Charaktermangel zu erkennen gegeben. Ein Polizeibeamter, der wie
hier über mehrere Jahre hinweg verschuldet ist und nicht nachhaltig zur wirksamen
Besserung seiner desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse beiträgt, kann jederzeit der
Gefahr unterliegen, sich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Anderen, insbesondere auch
von Kriminellen zu begeben; die Integrität des Polizeidienstes erfordert es, ein solches
Risiko von vornherein auszuschließen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt a.a.O. Rdn. 24).
Schließlich unterstreicht die über einen langem Zeitraum gehende beharrliche
Missachtung der Pflicht, Dienstunfähigkeit spätestens am 4. Tag durch Attest
nachzuweisen – wobei diese Frist bei Folgeattesten zudem keine Anwendung findet (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Februar 1997 – 1 DB 12/96 – bei juris) –
das Bild eines in dem betreffenden Zeitraum pflichtvergessenen Menschen, das mit
dem zu fordernden Bild eines Polizeivollzugsbeamten unvereinbar ist.
Erheblich mildernd zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Kläger jedenfalls ab Anfang
2007 psychisch ernsthaft erkrankt war und über den ganz überwiegenden Zeitraum
(wenngleich teilweise rückwirkend diagnostiziert) polizeiärztlich bestätigte
Dienstunfähigkeit vorlag. Der Kläger war im Jahr 2008 mehrfach wegen psychischer
Zusammenbrüche und Suizidankündigungen in stationärer Behandlung. Anlässlich der
polizeiärztlichen Untersuchung im August 2008 hielt die untersuchende Polizeiärztin den
Kläger sogar für nicht in der Lage, seine Rechte in einem eventuellen
Zurruhesetzungsverfahren wahrzunehmen. Angesichts dieser starken psychischen
Beeinträchtigungen ist davon auszugehen, dass der Kläger zur ordnungsgemäßen
Erfüllung seiner Pflichten und Angelegenheiten (Attesteinreichung, Klärung der
Schuldensituation) jedenfalls ab Anfang 2007 ebenfalls nur mit erheblichen
Einschränkungen in der Lage war.
Positiv zu beurteilen ist, dass der Kläger seine psychische Erkrankung – soweit erkennbar
– mittlerweile weitgehend überwunden hat und seit Oktober letzten Jahres im Hamburger
Modell wieder Dienst leistet; seinen Angaben nach sollen es seit Januar 2011 auch wieder
acht Stunden täglich sein. Es spricht daher Einiges dafür, dass sich das Dienstvergehen
ganz überwiegend in einer negativen Lebensphase des Klägers abgespielt hat, die so
heute nicht mehr besteht.
Angesichts dessen und aufgrund des Umstandes, dass ein erheblicher Vorwurf der
Disziplinarverfügung – die unbefugten Datenabfragen – weggefallen ist, hält das Gericht
die Verhängung einer mäßigen Geldbuße in Höhe von 500 Euro als Pflichtenmahnung für
ausreichend, aber – auch aus generalpräventiven Aspekten – für erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG i. V. m. § 77 Abs. 1 BDG, § 155 Abs. 1
Satz 1 VwGO und berücksichtigt, dass sich ein Teil der Vorwürfe nicht erweisen ließ und
auch deshalb die Höhe der Geldbuße niedriger als in der Disziplinarverfügung
ausgefallen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 3 DiszG
i. V. m. § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.
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