Urteil des VG Berlin vom 28.06.2010

VG Berlin: frequenz, veranstaltung, vergleich, gestaltung, ukw, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, materielles recht, veranstalter, musik, daten

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Gericht:
VG Berlin 27.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
27 K 240.10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 29 Abs 3 MedienDStVtr, § 32
MedienDStVtr, § 33 Abs 1
MedienDStVtr, § 33 Abs 2
MedienDStVtr, § 33 Abs 3
MedienDStVtr
Mediendienstrecht: Sendeerlaubnis zur Veranstaltung eines
Hörfunkprogramms auf UKW-Hörfunkfrequenzen
Tenor
Die Bescheide der Beklagten vom 28. Juni 2010 mit den Geschäftszeichen HF– 3-2010
und HF-6-2010 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, wendet sich gegen die der Beigeladenen
erteilte Sendeerlaubnis zur Veranstaltung eines Hörfunksprogramms auf insgesamt vier
drahtlos empfangbaren UKW-Hörfunkfrequenzen in Berlin und Brandenburg und begehrt
die Neubescheidung ihres Antrages auf Erteilung einer Sendeerlaubnis zur
Veranstaltung von Hörfunk auf diesen Frequenzen.
Die Beklagte erteilte der R., deren Gesellschafter u. a. e... waren und sind, mit Bescheid
vom 28. Oktober 1996 die Sendeerlaubnis zur Veranstaltung eines täglich
vierundzwanzigstündigen Hörfunkprogramms auf der drahtlos empfangbaren UKW-
Hörfunkfrequenz 9... MHz mit Senderstandort Berlin. Die Programmart und die
wesentlichen Merkmale des Programms, das die erwähnte GmbH „R.“ nannte, wurden in
diesem Bescheid wie folgt bezeichnet: „Es wird ein christliches gemeinnütziges
Hörfunkprogramm veranstaltet, wie es in den Antragsunterlagen und den ergänzenden
Schreiben näher beschrieben ist. Das Programm wird hauptsächlich durch Spenden und
Sponsoring finanziert; Werbeeinnahmen spielen eine untergeordnete Rolle.“
Die genannte GmbH nahm die Sendetätigkeit am 12. Februar 1997 auf. Die
Sendeerlaubnis wurde mit Bescheid vom 12. Oktober 1998 dahin geändert, dass
Veranstalter des Hörfunkprogramms künftig die Klägerin ist. Persönlich haftende
Gesellschafterin der Klägerin ist besagte GmbH, die seit dem 17. Februar 1997 R.
firmiert. Kommanditisten sind unter anderem die E. und die I..
Die Sendeerlaubnis wurde mit Bescheid vom 20. Juni 2001 dahin geändert, dass die
Bezeichnung der Programmart und der wesentlichen Merkmale des Programms in
Auszügen wie folgt lautete: „Es wird ein christlich gemeinnütziges Hörfunkprogramm
veranstaltet, wie es in den Antragsunterlagen und den ergänzenden Schreiben näher
beschrieben ist. Die Finanzierung erfolgt durch Sponsoring und Werbung aus dem
kirchlich-diakonischen sowie sozialen Bereich und aus dem Bereich der freien Wirtschaft.
Überschüsse sind in die stetige Qualifizierung des Programms, insbesondere des
christlich geprägten Wortprogramms, zu investieren. … Der gemeinnützige Charakter
manifestiert sich neben der christlichen Orientierung und dem überdurchschnittlichen
Wortanteil auch in § 3 des Gesellschaftsvertrages des Veranstalters, nach dem eine
Gewinnausschüttung an die Gesellschafter nicht möglich ist. Bei der Auswahl der
auszustrahlenden Werbung sind … insbesondere die Grundsätze der christlichen
Publizistik zu wahren.“
Die Beklagte verlängerte die Sendeerlaubnis mit Bescheid vom 24. März 2003 um
sieben Jahre. Der Verlängerungszeitraum begann nach diesem Bescheid am 1.
Dezember 2003.
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Die Beklagte erteilte der Beigeladenen, einer GmbH, mit Bescheid vom 28. Dezember
2004 die Sendeerlaubnis zur Veranstaltung eines täglich vierundzwanzigstündigen
Hörfunkprogramms auf der drahtlos empfangbaren UKW-Hörfunkfrequenz 1... MHz mit
Senderstandort Oranienburg. Die Beigeladene, deren einziger Gesellschafter Herr O. ist,
nahm die Sendetätigkeit am 21. März 2005 auf. Sie nennt ihr Programm „o...“.
Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 26. Juli 2005 die Sendeerlaubnis zur Veranstaltung
eines täglich vierundzwanzigstündigen Hörfunkprogramms auf den drahtlos
empfangbaren UKW-Hörfunkfrequenzen 1...MHz am Senderstandort Frankfurt/Oder, 9...
MHz am Senderstandort Eisenhüttenstadt und 9... MHz am Senderstandort Guben
erteilt. Diese Sendeerlaubnis wurde als Erweiterung der bereits zuvor zu Gunsten der
Klägerin bestehenden Sendeerlaubnis bezeichnet und auf deren Dauer befristet. Wegen
der Grundlagen der Sendeerlaubnis, der Programmart und der wesentlichen Merkmale
des Programms wurde auf die bestehende Sendeerlaubnis Bezug genommen.
Grundlage der Sendeerlaubnis ist nach letzterem Bescheid weiter die Erfüllung der
Zusagen der Klägerin für die Programmgestaltung auf den Brandenburger Frequenzen,
nämlich u. a.: „Ab Sendestart zweisprachige G. ca. zu jeder halben Stunde.“
Die Klägerin nahm die Sendetätigkeit in Frankfurt (Oder) im Januar 2006, in Guben im Juli
2006 und in Eisenhüttenstadt im Oktober 2007 auf.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 erteilte die Beklagte der Beigeladenen in
Erweiterung deren Sendeerlaubnis die Sendeerlaubnis zur Veranstaltung eines täglich
vierundzwanzigstündigen Hörfunkprogramms auf der drahtlos empfangbaren UKW-
Hörfunkfrequenz 9... MHz am Senderstandort P.
Die Beklagte schrieb die derzeit von der Klägerin in Berlin und Brandenburg genutzten
UKW-Hörfunkfrequenzen im Januar 2010 aus, wobei sie bekannt gab, dass die bereits
einmal verlängerte Sendeerlaubnis der Klägerin am 30. November 2010 abläuft. Bei der
Beklagten gingen innerhalb der Ausschlussfrist, die für die Stellung von Anträgen auf
Erteilung einer Sendeerlaubnis für die Veranstaltung von Hörfunk auf den
ausgeschriebenen Frequenzen festgesetzt worden war, unter anderem diesbezügliche
Anträge der Klägerin und der Beigeladenen ein.
Nach Anhörung der Antragsteller wählte der Medienrat der Beklagten am 11. Mai 2010
unter ihnen die Beigeladene aus. Am 22. Juni 2010 beschloss dieser Rat die
Sendeerlaubnis für die Beigeladene mit Auflagen und Begründung. Die Beklagte erteilte
der Beigeladenen mit Bescheid vom 28. Juni 2010 (Geschäftszeichen HF-3-2010) die
Sendeerlaubnis zur Veranstaltung eines täglich vierundzwanzigstündigen
Hörfunkprogramms auf den ausgeschriebenen UKW-Hörfunkfrequenzen. Zur
Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus:
Nach § 29 Abs. 3 Satz 3 MStV seien bei der Entscheidung zusätzlich zu den
Auswahlkriterien des § 33 MStV die Kriterien des § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 MStV
sowie das Interesse des Veranstalters, das Programm mit den von ihm geschaffenen
personellen und sachlichen Mitteln weiterzuführen, angemessen zu berücksichtigen.
Nach den Auswahlkriterien des § 33 MStV liege der Antrag von o... vor allen anderen
Anträgen. Wichtigstes Auswahlkriterium sei das der Vielfalt (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV).
Unter dem Gesichtspunkt der Programmvielfalt rage o... unter allen Antragstellern
heraus, was Umfang und Gestaltung des Wortanteils betreffe. Alle anderen Programme
fielen mit Blick auf die Vielfältigkeit, journalistische Qualität und regionale Verankerung
des Wortanteils deutlich hinter o... zurück. Dies sei für den Medienrat unter
Vielfaltsgesichtspunkten letztlich der ausschlaggebende Gesichtspunkt für die Auswahl
von o... gewesen. Dies gelte gerade auch im Verhältnis zu R.. Der Wortanteil und die
journalistische Qualität liege bei o... konstant mit deutlichem Abstand vor R., wie die von
der Beklagten in Auftrag gegebenen Untersuchungen durch L. durchweg ergeben
hätten.
Der Wortanteil von R. sei tatsächlich sowohl quantitativ als auch von der journalistischen
Qualität her unterdurchschnittlich; zu 90 % bestehe das Programm aus Musik der Farbe
„Soft AC“. Die christliche Orientierung komme wochentags durch die stündlich
wiederholten „G.“ von durchschnittlich 14 Sekunden Dauer zum Ausdruck. Weitere
christliche Elemente konzentrieren sich auf das Wochenende. Im Übrigen präsentiere
sich das Programm als Wohlfühlradio.
Das Musikprogramm von o... stelle ebenfalls einen Vielfaltsbeitrag dar. Die Musikfarbe
„Deutsche Schlager und Oldies“ fülle eine Lücke im Musikangebot der
Hörfunklandschaft.
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Unter dem Vielfaltsaspekt mit Blick auf die Zusammensetzung der Gesellschafter gebe
es zwischen o... und R. keine ausschlaggebenden Unterschiede. Alle Veranstalter seien
konzernunabhängig und auf dem Berlin-Brandenburger Radiomarkt sonst nicht
nennenswert vertreten.
Unter dem Gesichtspunkt der Zusammensetzung des Veranstalters sei die kirchliche
Beteiligung an R. grundsätzlich ein Beitrag zur Vielfalt. Allerdings wirke sich dieser
Umstand nur sehr eingeschränkt auch auf die tatsächliche Programmgestaltung aus.
Praktisch sei die Programmgestaltung von der Ausrichtung an der Werbevermarktung
dominiert.
Unter dem Gesichtspunkt des Anteils von Eigen- und Auftragsproduktionen (§ 33 Abs. 2
Nr. 2 MStV) liege o... wegen seines hohen Anteils eigenproduzierten redaktionellen
Wortes deutlich vor R. und allen anderen Antragstellern.
Unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Vielfalt im Gesamtangebot der
Medien (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 MStV) habe der Medienrat zu würdigen gehabt, dass R. mit
dem „R.“ eine eigene Radiovermarktung aufgebaut habe, die neben R. auch weitere
kleinere Sender wie J., J. und R. vermarkte und diesen so Zugang zu regionalen
Werbegeldern vermittele. O. habe in der Anhörung allerdings die Bereitschaft erklärt, an
dem Aufbau entsprechender Vermarktungsstrukturen mitzuwirken. Zudem sei R. nicht
die einzige Vermarktungsalternative für kleine Radios, so dass sich die negativen
Auswirkungen für die anderen Veranstalter in Grenzen hielten.
Unter dem Aspekt der bereits bestehenden Sendemöglichkeiten (§ 33 Abs. 2 Nr. 4
MStV) habe der Medienrat berücksichtigt, dass o... zwar bereits Frequenzen im an den
Norden Berlins angrenzenden Teil Brandenburgs nutze. Diese Sendemöglichkeiten
böten aber auf Dauer keine tragfähige Grundlage für das Programm.
Unter dem Aspekt der Erfüllung der Verpflichtungen aus der Sendeerlaubnis (§ 29 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 und 2 MStV) sei nach Auffassung des Medienrats von Gewicht, dass das
Programm des bisherigen Veranstalters über knapp vierzehn Jahre hinter den
ursprünglichen Programmplanungen, wie sie der Auswahlentscheidung zugrunde
gelegen hätten, zurückgeblieben sei. Es habe sich zwar im Grundsatz die christliche
Orientierung bewahrt, über weite Strecken des Programms sei diese allerdings nicht
wahrnehmbar.
Zudem hätten die alle zwei Jahre im Auftrag der Beklagten durchgeführten
Untersuchungen in den Jahren 2004 und 2008 deutliche, über diese allgemeine
Unterschreitung des eigenen Anspruchs hinausgehende Defizite des Programms
ergeben. Statt des lizenzierten überdurchschnittlichen Wortanteils habe sich R. in diesen
Untersuchungszeiträumen nicht nur lediglich im Durchschnitt gehalten, sondern sich
jeweils weit unterdurchschnittlich entwickelt. Der Veranstalter sei auf die Defizite auch
jeweils ausdrücklich hingewiesen worden.
Die Ergebnisse der Radioprogramm-Untersuchung 2009, in der L. die Brandenburger
Lokalradios anhand einer Woche im November 2009 ausgewertet habe und in der auch
R. Brandenburg untersucht worden sei, eigneten sich nur bedingt zum Vergleich mit den
2008 erhobenen Programmdaten. Bei R. Brandenburg sei vom Umfang Wort her mit 131
Minuten zwar fast eine Verdopplung zu 2008 festgestellt worden, im Vergleich mit den
anderen Brandenburger Lokalprogrammen habe sich dieses Programm jedoch an
vorletzter Stelle positioniert. O. sei in der Rubrik „Wort Gesamt“ wieder auf den
Spitzenplatz mit einem fast doppelt so hohen Wortanteil wie R. Brandenburg gekommen.
Mit dem Antrag von o... liege ein Bewerber vor, der unter den gesetzlichen
Auswahlkriterien klaren Vorrang vor R. habe. Das Bestandsinteresse des bisher
sendenden Veranstalters (§ 29 Abs. 3 Satz 3 MStV) gehe nicht so weit, dass dieser auch
dann noch Vorrang vor einem anderen Bewerber genieße, wenn dieser – wie hier – unter
wesentlichen inhaltlichen Gesichtspunkten deutlich vorzugswürdig sei.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 28. Juni 2010 (Geschäftszeichen HF-6-
2010) die Ablehnung deren Verlängerungsantrages mit und bezog sich zur Begründung
auf die der Beigeladenen erteilte Sendeerlaubnis vom selben Tag, die diesem Bescheid
beigefügt war.
Die Klägerin hat gegen die Bescheide vom 28. Juni 2010 Klage erhoben, mit der sie unter
Bezugnahme auf ihr Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren VG 27 L 224.10
vorträgt:
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Das Medienratsmitglied P. hätte nach § 21 VwVfG an der angegriffenen
Auswahlentscheidung nicht mitwirken dürfen, da bei ihm die Besorgnis der Befangenheit
bestanden habe.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beigeladenen sei entgegen § 27 Abs. 4 Nr. 3
MStV im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht hinreichend nachgewiesen gewesen.
Die Auswahlentscheidung leide zudem an Abwägungsfehlern:
Die Reduzierung der Vielfaltsabwägung auf den quantitativen Vergleich von
Wortbeiträgen werde dem gesetzlichen Auswahlkriterium des § 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV
nicht gerecht.
Die Beurteilung der Beklagten, das Wortprogramm der Beigeladenen überrage
hinsichtlich Umfang und Gestaltung die Angebote der Klägerin sowie der weiteren
Bewerber und biete damit im Sinne des § 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV den größten
Vielfaltsbeitrag bei der Programmgestaltung, beruhe auf einem unzutreffend
festgestellten Sachverhalt und verkenne die christliche Prägung ihres Programms.
Die Feststellung eines sowohl quantitativ als auch qualitativ unterdurchschnittlichen
Wortanteils ihres Programms beruhe auf fehlerhaften Sachverhaltsfeststellungen.
Ihre GEMA-Meldungen zeigten, dass der Musikanteil ihres Programms im Jahresmittel
lediglich bei 76,77 % (2008) bzw. 77 % (2009) gelegen habe.
Die Feststellung eines unterdurchschnittlichen Wortprogramms der Klägerin könne auch
nicht auf die so genannten Wichert-Studien gestützt werden. Diese Studien wiesen
gravierende methodische Mängel auf, die in den gutachterlichen Stellungnahmen von
Prof. Dr. D. und Prof. Dr. W. aufgezeigt würden.
Unabhängig davon spiegelten die Wichert-Studien insbesondere in den Jahren 2004,
2008 und 2009 ihr Wortprogramm nicht in angemessener Weise wider. Die 2004 und
2008 punktuell festgestellten Defizite beruhten jeweils auf besonderen Umständen des
Untersuchungszeitraums. Und die Untersuchung des Brandenburger Programms im Jahr
2009 sei gerade in die einzige Woche gefallen, in der wegen Krankheit und Fortbildung
keine Regionalnachrichten gesendet worden seien.
Der redaktionelle Wortanteil ihres Programms, der sich durch Abzug der Werbezeiten
vom Gesamtwortanteil berechne, sei tatsächlich weit höher gewesen, als von der
Beklagten im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung angenommen. Im jährlichen
Durchschnitt habe er 2008 15,54 % und 2009 16,21 % betragen.
Die Feststellungen der Beklagten zum Umfang der christlichen Elemente in ihrem
Programm seien ebenfalls unzutreffend. Die jeweils zur halben Stunde gesendeten „G.“
seien im Schnitt nicht lediglich 14 Sekunden lang, sondern deutlich länger. Nach einer
exemplarischen Auswertung ihres Berliner Programms habe die durchschnittliche Dauer
dieser Gedanken im Zeitraum Januar bis Mai 2010 etwa 35 Sekunden betragen. Weiter
übersehe die Beklagte die Ausstrahlung des zweistündigen Kirchenmagazins „Mehr als
Ja & Amen“ am Donnerstagabend.
Mit der Bewertung, die christliche Orientierung sei über weite Strecken des Programms
der Klägerin nicht wahrnehmbar, verkenne die Beklagte sowohl ihr Programmkonzept als
auch den rechtlichen Inhalt der festgelegten Lizenzbedingungen.
Die Beklagte habe § 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV auch hinsichtlich der Zusammensetzung der
Veranstalter fehlerhaft gewürdigt. Die kirchlichen Träger übernähmen teilweise die
Finanzierung von christlichen Programmteilen oder stellten Mieträume oder sonstige
Betriebsmittel zu Sonderkonditionen zur Verfügung. Sie seien an der Produktion
einzelner Programmbestandteile unmittelbar beteiligt.
Die Beklagte verkenne die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf die Vielfalt im
Gesamtangebot der Medien. Sie habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass bei einer
Einstellung des Sendebetriebs der Klägerin auch die Vermarktungsgesellschaft R. ihre
Geschäftstätigkeit beenden müsste und dadurch die von R. weiter vermarkteten Sender
ebenfalls in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht wären.
Die Bewertung der Musikfarbe als einen bei der Beigeladenen gegenüber der Klägerin
vorrangigen Vielfaltsbeitrag werde den tatsächlichen Programmen dieser Beteiligten
nicht gerecht. Das Musikprogramm der Beigeladenen überschneide sich zu einem
erheblichen Teil mit dem ihrigen.
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erheblichen Teil mit dem ihrigen.
Für die Bewertung der Beklagten, die Beigeladene liege hinsichtlich des Anteils von
Eigen- und Auftragsproduktionen deutlich vor der Klägerin und den übrigen Anbietern,
fehle es angesichts der Mängel bei Ermittlung und Beurteilung ihres Wortprogramms an
einer tragfähigen Grundlage.
Die Beurteilung ihrer bisherigen Sendetätigkeit nach § 29 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. S. 1 Nr. 1
und 2 MStV sei fehlerhaft. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten würden die
christliche Prägung ihres Programmkonzepts verkennen.
Die Beklagte habe auch ihr Bestandsinteresse entgegen § 29 Abs. 3 Satz 3 MStV nicht
hinreichend berücksichtigt. Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung sei schon
deshalb mangelhaft, weil sie zu Unrecht von einem eindeutigen Vorrang des Programms
der Beigeladenen ausgegangen sei. Im Übrigen lasse auch eine etwaige Verletzung der
Lizenzbedingungen das Bestandsinteresse des betroffenen Senders nicht automatisch
zurücktreten. Darüber hinaus hätte die Beklagte ihrem Bestandsinteresse zumindest
dadurch Rechnung tragen müssen, dass sie die Sendeerlaubnis zunächst kurzfristig mit
entsprechenden Auflagen verlängere.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2010 mit dem Geschäftszeichen HF-
3-2010 aufzuheben und
2. die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides HF-6-2010 vom 28.
Juni 2010 zu verurteilen, den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Sendeerlaubnis zur
Veranstaltung eines täglich vierundzwanzigstündigen Hörfunkprogramms auf den
drahtlos empfangbaren UKW-Hörfunkfrequenzen 9... MHz (Berlin), 1... MHz
(Frankfurt/Oder), 9... MHz (Eisenhüttenstadt) und 9... MHz (Guben) für den Zeitraum ab
dem 1. Dezember 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren VG
27 L 224.10 vor:
Der Wortanteil an dem Programm der Klägerin habe nach den Untersuchungen von L. im
Jahr 2002 14,1 %, im Jahr 2006 18,0 %, im Jahr 2008 7,1%, im Jahr 2009 – für
Brandenburg – 12,8 % betragen. Verglichen mit dem durchschnittlichen Wortanteil der
Hörfunkprogramme in der Region, der nach den Erhebungen des Gutachters W. rund 20
% betrage, liege der Wortanteil des Programms der Klägerin – mit der einzigen
Ausnahme des Jahres 2002, unmittelbar vor Verlängerung ihrer Sendeerlaubnis –
konstant in erheblichem Maß unter dem Durchschnitt.
Die Untersuchungen von W. spiegelten die prägenden, für die angefochtene
Entscheidung maßgeblichen Aspekte des Programms der Klägerin hinreichend präzise
wider. Es gehe vorliegend allein um die Feststellung eines – deutlichen – Vorsprungs des
Wortanteils im Programm der Beigeladenen im Vergleich zum Programm der Klägerin,
deren Programm nach ihrem Antrag ja dem zuvor gesendeten habe entsprechen sollen.
Mittels der von W. angewendeten Methodik werde das journalistische Profil jedes
einzelnen Programms genau erfasst und würden durch Gegenüberstellung der Vielzahl
der relevanten Programme aussagekräftige Ergebnisse zur Einordnung des jeweiligen
Radioprogramms innerhalb des Vielfaltsspektrums generiert. Methodische Mängel, die
Zweifel an der Geeignetheit der Untersuchungen des Gutachters W. mit Blick auf die für
die Beklagte maßgeblichen Untersuchungszwecke begründen könnten, lägen nicht vor.
Die von der Klägerin behaupteten „gravierenden methodischen Mängel“ dieser
Untersuchungen seien rein abstrakter Natur.
Die von der Klägerin zuletzt berechneten Wortanteile ihres Programms seien
unzutreffend. Die Berechnung der Klägerin entspreche bereits in methodischer Hinsicht
nicht den anerkannten Standards der Programmanalyse. Zum vielfaltsrelevanten
Wortanteil gehörten nicht die Anteile für Werbung, Gewinnaktionen, bestimmte Formen
der Hörerbeteiligung, Merchandising und Promotion. Es sei daher nicht zulässig aus dem
Musikanteil den Wortanteil eines Programms ableiten zu wollen. Im Übrigen bezögen sich
die von der Klägerin genannten Zahlen nur auf den Anteil der von der GEMA „erfassten“
Musik, der nicht ohne Weiteres mit dem Musikanteil insgesamt gleichgesetzt werden
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Musik, der nicht ohne Weiteres mit dem Musikanteil insgesamt gleichgesetzt werden
könne und überdies auch auf Eigenangaben der Sender basiere.
Die Klägerin lege ihrer Berechnung des Wortanteils ihres Programms fälschlich die These
zugrunde, „was nicht Musik ist, ist Wort einschließlich Werbung“ und von diesem Wert
könnten die erfassten und gemeldeten Werbezeiten abgezogen werden. Selbst wenn
man die Richtigkeit der von der Klägerin zuletzt berechneten Werte unterstelle, lägen
diese immer noch weit unter den Wortanteilen, wie sie für das Programm der
Beigeladenen ermittelt worden seien. Letzteres Programm habe gemäß W. im Jahr 2009
einen Wortanteil von 23,8 % gehabt. Dieser Wert liege weit über dem von der Klägerin
zuletzt geltend gemachten Wert von 16,21 % in dem genannten Jahr.
Auf das Fehlen der Regionalnachrichten Brandenburg in der Untersuchungswoche für die
2009er Studie des Gutachters W. komme es vorliegend schon deswegen nicht an, weil
die Bewertung dieses Befunds die Untersuchung der Brandenburger Radiosender
betreffe, die für die streitgegenständliche Ausschreibung mit Blick auf die Frequenz 9...
MHz (Berlin) keine Relevanz gehabt habe. Der Medienrat habe bei seiner
Auswahlentscheidung den vom Programm der Klägerin zu erwartenden Vielfaltsbeitrag
naturgemäß grundsätzlich anhand ihres Berliner Programms bewertet und dabei nur –
mit negativem Ergebnis – die Frage zu erwägen gehabt, ob jüngere Entwicklungen (etwa
eine merkliche Qualitätssteigerung) des Brandenburger Regionalprogramms
Rückschlüsse beispielsweise auf einen künftig höheren Wortanteil des Berliner
Programms zuließen, die insoweit wiederum einen höheren Vielfaltsbeitrag dieses
Programms hätte erwarten lassen können. Zum anderen sei es für die Feststellungen
und Wertungen im Vergleich zwischen den Programmen der Klägerin und der
Beigeladenen im Ergebnis unerheblich, dass Regionalnachrichten in den anderen
Wochen gesendet worden seien. So fänden sich eigene journalistische Beiträge zu
regionalen Themen nur im Programm der Beigeladenen. Im Übrigen trage die Klägerin
auch nicht vor, dass ihr Wortanteil bei einer fiktiven Einbeziehung von
Regionalnachrichten über demjenigen des Programms der Beigeladenen gelegen hätte.
Sie habe die in § 29 Abs. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. § 32 f. MStV geregelten gesetzlichen
Maßstäbe und Auswahlkriterien beurteilungsfehlerfrei angewendet.
Die Klägerin leiste im Hinblick auf die Quantität des Wortanteils des Programms einen
erheblich geringeren Vielfaltsbeitrag als die Beigeladene. Mit dem Wortanteilen von 7,1
% im Jahr 2008 und, bezogen auf ihr Brandenburger Programm, 12,8 % im Jahr 2009
liege die Klägerin erheblich unter dem Durchschnitt der untersuchten Berliner und
Brandenburger Hörfunkprogramme und bleibe hinter dem Wortanteil der Beigeladenen
deutlich zurück.
Die Klägerin leiste von der journalistischen Qualität her einen geringeren Beitrag zur
Meinungsvielfalt, als er von der Beigeladenen auf der Grundlage des von dieser in
Brandenburg aktuell veranstalteten Programms zu erwarten sei.
Neben dem vergleichsweise geringen spezifischen Vielfaltsbeitrag, der durch die wenigen
spezifisch christlichen Programmelemente vermittelt werde, sei der übrige
Vielfaltsbeitrag durch journalistisch-redaktionell gestaltete Wortbeiträge gering.
Insbesondere der Anteil an Nachrichten am Programm der Klägerin falle sehr klein aus.
Aufgrund der in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Abwärtsbewegung bei
Quantität und Qualität des Wortanteils im Programm der Klägerin sei die Beklagte auch
zu Recht davon ausgegangen, dass eine nennenswerte Verbesserung des
Hörfunkprogramms in der streitgegenständlichen Lizenzperiode 2010 bis 2017 nicht zu
erwarten sei.
Das Interesse der Klägerin, ihr Programm auf den bisherigen Frequenzen samt der
geschaffenen personellen und sachlichen Mittel fortzuführen, vermittele der Klägerin
schutzwürdige Rechtspositionen nur bezogen auf die Fortführung ihrer bisherigen, durch
die Sendeerlaubnis vom 24. März 2003 lizenzierten Tätigkeit. Die Klägerin habe sich
jedoch von den Lizenzbedingungen der Sendeerlaubnis vom 24. März 2003 erheblich
entfernt, so dass von ihr die „Fortführung“ eines gemäß dieser Sendeerlaubnis christlich
geprägten Programms mit überdurchschnittlich hohem Wortanteil nicht zu erwarten sei.
Die Beigeladene, die keinen Antrag stellt, trägt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren VG 27 L 224.10 vor, ihr sei es seit dem Sendestart im
Frühjahr 2005 stets Jahr für Jahr gelungen, positive wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen.
Sie verfüge über langjährige Vermarktungskooperationen, die lediglich erweitert werden
müssten. In dem größeren Berliner Markt bestünden viel bessere
Vermarktungsmöglichkeiten als in der ihr bisher zugewiesenen Region im Norden von
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Vermarktungsmöglichkeiten als in der ihr bisher zugewiesenen Region im Norden von
Berlin und Brandenburg.
R. werbe aktiv um die Vermarktung weiterer Radiosender, wobei betont werde, auch in
Zukunft, unabhängig von R., tätig sein zu können. Im Übrigen gebe es zahlreiche
andere, auch regional tätige Vermarkter und Konkurrenten von R., wie z. B. die I. und T..
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Streitakte, der Streitakte VG 27 L 224.10 (4 Bände) und der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten (7 Ordner), die vorgelegen haben und Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise zulässig (I.) und in dem zulässigen Umfang auch begründet (II.).
I.1. Sie ist zulässig, soweit die Klägerin die Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom
28. Juni 2010 mit den Geschäftszeichen HF-3-2010 und HF-6-2010 begehrt. Die Klage ist
insoweit als Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) statthaft. Bei den beiden
vorstehend bezeichneten Bescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte, die die
Klägerin belasten. Die der Beigeladenen erteilte Sendeerlaubnis (Bescheid mit dem
Geschäftszeichen HF-3-2010) ist ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, der die
Beigeladene begünstigt und zugleich die Klägerin als nicht berücksichtigte Mitbewerberin
belastet (vgl. zum Kabelbelegungsbescheid OVG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 1995 -
OVG 8 S 393.95 -, ZUM-RD 1997, 31, 38). Der an die Klägerin gerichtete Bescheid mit
dem Geschäftszeichen HF-6-2010, mit dem der Antrag dieser Beteiligten auf
Verlängerung ihrer Sendeerlaubnis abgelehnt wurde, ist ein zusätzlicher und
selbständiger Verwaltungsakt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 16. August 1991 - OVG 8
S 136.91 -, DVBl. 1991, 1265, 1267), den die Klägerin mit dem Klagantrag zu 2.
angefochten hat.
Die Klägerin ist klagebefugt. Sie macht geltend, durch die angefochtenen
Verwaltungsakte in ihrem Anspruch auf Teilhabe an knappen terrestrischen
Übertragungsmöglichkeiten verletzt zu sein (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Solche Ansprüche
ergeben sich aus dem Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und
Brandenburg im Bereich des Rundfunks vom 29. Februar 1992 (GVBl. 1992, 150) in der
Fassung des Sechsten Änderungsstaatsvertrages vom 6. Januar 2009/22. Januar 2009
(GVBl. 2009, 251) - im Folgenden: MStV -. Der MStV gewährt nach näherer Maßgabe
subjektiv-öffentliche Rechte auf Sendeerlaubnis (§§ 24 ff., 32 f. MStV) bzw. beurteilungs-,
gegebenenfalls ermessensfehlerfreie Entscheidung. Diese Ansprüche umfassen die
Bewahrung vor selbst temporärer rechtswidriger Zulassung von Konkurrenten (vgl. OVG
Berlin, Beschluss vom 30. Mai 1995, a.a.O., 38).
Ein Vorverfahren ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. VwGO i.V.m. § 7 Abs. 3 1. Halbsatz
MStV entbehrlich.
Die am 28. Juli 2010 bei Gericht eingegangene Klage ist rechtzeitig, nämlich innerhalb
eines Monats nach der am 28. Juni 2010 erfolgten Bekanntgabe der angefochtenen
Verwaltungsakte erhoben worden (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
2. Die Klage ist im Übrigen, d.h. soweit die Klägerin mit dem Klagantrag zu 2. auch die
erneute Bescheidung ihres Verlängerungsantrages unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erstrebt, unzulässig. Das erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis für dieses Klagebegehren, das die Klägerin in nach § 44 VwGO
zulässiger Weise mit dem Anfechtungsbegehren verbunden hat, ist nicht vorhanden. Die
mit dem Bescheidungsbegehren erstrebte Situation wird bereits durch Kassation im
Wege der Anfechtungsklage bewirkt (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 1995,
a.a.O., 38, und Bumke, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Auflage, § 20 RStV Rn. 118).
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die nach Art. 20 Abs. 3
GG an Gesetz und Recht gebundene Beklagte den Verlängerungsantrag im Falle der
rechtskräftigen Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte auch ohne
Vollstreckungsdruck unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
bescheiden wird.
II. Das mit der Klage verfolgte Anfechtungsbegehren ist begründet. Die angefochtenen
Verwaltungsakte sind rechtwidrig und die Klägerin ist dadurch in ihrem Teilhabeanspruch
verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Es kann dahinstehen, ob die angefochtene Sendeerlaubnis frei von formell-rechtlichen
Fehlern zustande gekommen ist. Denn sie ist zumindest materiell rechtswidrig.
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Es mag letztlich auf sich beruhen, ob die Klägerin nach § 29 Abs. 3 Satz 1 MStV, nach
dem der Veranstalter unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf
eine einmalige Verlängerung der Sendeerlaubnis hat, eine Verlängerung ihrer
Sendeerlaubnis, die hinsichtlich der drei umstrittenen Frequenzen mit Senderstandorten
in Brandenburg noch nicht verlängert worden ist, wenigstens in Bezug auf diese
Frequenzen verlangen kann. Denn die angefochtene Sendeerlaubnis verstößt selbst
dann gegen materielles Recht, wenn – wie geschehen – alle vier umstrittenen
Frequenzen in dem für drahtlose terrestrische Übertragungsmöglichkeiten
vorgesehenen Verfahren zur Auswahl zu vergeben gewesen sind. Nach § 29 Abs. 3 Satz
2 MStV leitet der Medienrat andernfalls, d. h., falls insbesondere kein Fall des § 29 Abs. 3
Satz 1 MStV vorliegt, unter Hinweis auf den Antrag des Veranstalters das für die
jeweilige Übertragungsmöglichkeit vorgesehene Verfahren zur Auswahl ein. Das
Verfahren zur Vergabe drahtloser terrestrischer Übertragungsmöglichkeiten – wie den
umstrittenen Frequenzen –, das ein Verfahren zur Auswahl eines zukünftigen
Veranstalters beinhaltet (vgl. § 32 Abs. 3 MStV), ist in §§ 21 ff., 32 MStV geregelt.
Materiell-rechtliche Grundlage für die Erteilung einer Sendeerlaubnis zur Veranstaltung
von privatem Hörfunk auf derartigen Übertragungsmöglichkeiten sind §§ 24 ff., 32 f.
MStV. Im vorliegenden Fall sind nicht alle Voraussetzungen letzterer Vorschriften erfüllt.
Es kann offen bleiben, ob die in § 27 Abs. 4 Nr. 3 MStV bestimmte Voraussetzung der
Sendeerlaubnis hier vorliegt. – Nach dieser Vorschrift muss der Antragsteller in der Lage
sein, die notwendigen finanziellen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen
für das geplante Programm zu treffen. – Denn jedenfalls ist die vom Medienrat
getroffene Auswahlentscheidung rechtsfehlerhaft. Der Medienrat hat in dem in Rede
stehenden Vergabeverfahren nach § 32 Abs. 3 Satz 4 MStV eine Auswahlentscheidung
zu treffen, wenn – wie hier – mehr als ein Antragsteller die formellen
Antragsvoraussetzungen erfüllt (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 1 MStV) und kein
Einigungsverfahren durchgeführt wird (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 4 MStV). Diese Entscheidung
ist durch Beschluss zu treffen (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 MStV), auf dessen Grundlage die
Sendeerlaubnis erteilt wird (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. MStV). Der Medienrat wählte
durch Beschluss vom 11. Mai 2010 die Beigeladene als künftige Veranstalterin von
Hörfunk auf den umstrittenen Frequenzen aus.
Die Auswahlentscheidung ist nicht voll gerichtlich überprüfbar, da der Gesetzgeber der
Beklagten bzw. dem Medienrat insoweit inzident eine Beurteilungsermächtigung
eingeräumt hat (vgl. OVG Berlin, Beschlüsse vom 25. September 1996 – OVG 8 S
280.96 –, juris Rn. 17, und vom 5. Januar 1995 – OVG 8 S 898.94 –, juris Rn. 16). Die
gerichtliche Kontrolle muss darauf beschränkt bleiben, ob der Medienrat den Sinn der
gesetzlichen Auswahlkriterien zutreffend erfasst hat, von einem richtigen, vollständigen
Sachverhalt ausgegangen ist, die normativen Maßstäbe fehlerfrei angewandt, sich
insbesondere nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, sowie, ob
Verfahrensregeln gewahrt sind. Die im Streit stehende Auswahlentscheidung leidet an
derartigen Fehlern.
1. Der Medienrat hat den Sinn einiger gesetzlicher Auswahlkriterien nicht zutreffend
erfasst.
Gemäß § 33 Abs. 1 MStV legt der Medienrat seiner Auswahlentscheidung innerhalb der
durch den Rundfunkstaatsvertrag und durch die Bestimmungen des MStV gezogenen
Grenzen die in den nachfolgenden Absätzen genannten Auswahlkriterien zugrunde. Für
Regionalprogramme (vgl. dazu § 2 Nr. 2 MStV) und Lokalprogramme (vgl. dazu § 2 Nr. 4
MStV) – wie sie auf den umstrittenen Übertragungsmöglichkeiten allenfalls verbreitet
werden können und sollen – gelten die im Absatz 2 des § 33 MStV aufgeführten
Auswahlkriterien sinngemäß mit Ausnahme des Vorrangs von Vollprogrammen (vgl. § 33
Abs. 3 Satz 1 MStV). Ist die zu vergebende Übertragungskapazität – wie die
umstrittenen Frequenzen, die hier zu vergeben gewesen sind – nicht im gesamten
Geltungsbereich des MStV zu empfangen, so berücksichtigt der Medienrat die
genannten Auswahlkriterien mit der Maßgabe, dass anstelle des Geltungsbereichs
dieses Staatsvertrages auf das tatsächliche Verbreitungsgebiet abzustellen ist (§ 33
Abs. 3 Satz 2 MStV). Zusätzlich zu diesen, für drahtlose terrestrische
Übertragungsmöglichkeiten geltenden Auswahlkriterien sind bei der
Auswahlentscheidung die § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 MStV und das Interesse des –
bisherigen – Veranstalters, das Programm mit den von ihm geschaffenen personellen
und sachlichen Mitteln weiterzuführen, angemessen zu berücksichtigen (vgl. § 29 Abs. 3
Satz 3 MStV), wenn – wie hier angenommen – ein Fall des § 29 Abs. 2 Satz 2 MStV
vorliegt.
§ 33 Abs. 3 Satz 2 MStV bezweckt, dass in dem dort genannten Fall bei den
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§ 33 Abs. 3 Satz 2 MStV bezweckt, dass in dem dort genannten Fall bei den
Auswahlkriterien des § 33 Abs. 2 MStV anstelle des Geltungsbereichs des MStV das
tatsächliche Verbreitungsgebiet tritt. Diesen Sinn hat der Medienrat nicht vollständig
erfasst. Der Medienrat hat bei der umstrittenen Auswahlentscheidung nicht erkannt,
dass bei der Berücksichtigung der zuletzt genannten Auswahlkriterien neben dem
tatsächlichen Verbreitungsgebiet des Programms, das auf der Frequenz 9... MHz mit
Senderstandort Berlin ausgestrahlt werden kann, auch auf das tatsächliche
Verbreitungsgebiet des Programms, das auf den übrigen umstrittenen Frequenzen
empfangen werden kann, abzustellen ist. Nach der Begründung der angefochtenen
Sendeerlaubnis, die für die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung
maßgeblich ist, hat der Medienrat bei der Bewertung dieser Auswahlkriterien auf ersteres
Verbreitungsgebiet abgestellt. Zumindest dieser Bewertung hat der Medienrat nämlich
das auf der Frequenz 9... MHz verbreitete Programm der Klägerin zugrunde gelegt.
a) Dies zeigen insbesondere folgende Sätze aus der Begründung der angefochtenen
Sendeerlaubnis (S. 7 des Bescheides mit dem Geschäftszeichen HF-3-2010): „…; zu 90
% besteht das Programm“ – der Klägerin – „aus Musik der Farbe ‚Soft AC’. Die
christliche Orientierung des Programms kommt wochentags durch die stündlich
wiederholten ‚G.’ von durchschnittlich 14 Sekunden Dauer zum Ausdruck.“ Diese
Aussagen über „das“ Programm der Klägerin, die auf den vier umstrittenen Frequenzen
zumindest teilweise unterschiedliche Programme verbreitet und verbreitete, betreffen
das auf der Frequenz 9... MHz gesendete Programm dieser Beteiligten. Die Aussagen
stützen sich auf Ergebnisse der von L. im Jahr 2008 durchgeführten Untersuchung von in
Berlin und Brandenburg verbreiteten Hörfunkprogrammen. In diese Untersuchung war
von den Programmen der Klägerin lediglich das auf der zuletzt genannten Frequenz
verbreitete Programm einbezogen (vgl. Wichert „Radioprofile in Berlin-Brandenburg 2008
– Die privaten und ein öffentlich-rechtliches Programm im Vergleich“ – künftig: Wichert
2008 – S. 13, insbesondere Fn.13).
Die zitierten Sätze, in denen das Präsens verwendet wurde, stellen keine generellen
Aussagen über „das“ Programm der Klägerin dar, sondern beziehen sich auf das
Programm der Klägerin, das nach Auffassung des Medienrates „aktuell“, d. h. im
Zeitpunkt der Auswahlentscheidung, auf der Frequenz 9... MHz verbreitet wurde. Die in
Rede stehenden Aussagen wurden zu dem Auswahlkriterium des § 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV,
genauer gesagt zu dem „Gesichtspunkt der Programmvielfalt“ (S. 7 und 8 des zuletzt
genannten Bescheides), gemacht. Nach dieser Vorschrift berücksichtigt der Medienrat
bei Länderprogrammen im Rahmen seiner Auswahlentscheidung den Beitrag, den ein
Programm auf Grund des eingereichten Programmschemas und der Zusammensetzung
des Veranstalters zur Vielfalt des Gesamtprogrammangebots der in Berlin und
Brandenburg empfangbaren Hörfunk- und Fernsehprogramme erwarten lässt. Die
danach erforderliche Prognose dieses Beitrages hat sich an der künftigen Gestaltung
des Programms zu orientieren, auf die wiederum auf Grund des eingereichten
Programmschemas und der Zusammensetzung des Veranstalters zu schließen ist. Der
Medienrat, der unter der „Programmvielfalt“ dementsprechend die Vielfalt „nach der
Programmgestaltung“ (S. 7 des Bescheides) verstanden hat, ist bei seiner Prognose des
von „dem“ Programm der Klägerin zu erwartenden Vielfaltsbeitrags davon
ausgegangen, dass sich die künftige Gestaltung „des“ Programms der Klägerin nicht
von der im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellen Gestaltung dieses Programms
unterscheidet und dass die seinerzeit aktuelle Gestaltung „des“ Programms zumindest
weitgehend derjenigen entspricht, die die von L. im Jahr 2008 durchgeführte
Untersuchung ergeben hatte.
Seine Prognose hat der Medienrat ausdrücklich nicht etwa auf eines der von der Klägerin
eingereichten Programmschemata, sondern auf die Ergebnisse von
Radioprogrammuntersuchungen gestützt, die W. im Auftrag der Beklagten durchgeführt
hatte, mithin auf Erkenntnisse über in der Vergangenheit gesendetes Programm der
Klägerin. So wird auf Seite 7 des in Rede stehenden Bescheides zu dem „für den
Medienrat unter Vielfaltsgesichtspunkten letztlich ausschlaggebenden Gesichtpunkt für
die Auswahl“ der Beigeladenen im Verhältnis zur Klägerin ausgeführt: „Der Wortanteil
und die journalistische Qualität liegt bei o... konstant mit deutlichem Abstand vor R., wie
die von der mabb in Auftrag gegebenen Untersuchungen durch L. durchweg ergeben
haben“.
Die Aussage, das Programm der Klägerin bestehe zu 90 % aus Musik der Farbe „Soft
AC“, passt nur zu den Ergebnissen der von W. in dem Jahr 2008 durchgeführten
Untersuchung von Hörfunkprogrammen. Zum einen entspricht dem Anteil des –
journalistischen – Worts von 7,1 % (Wichert 2008 S. 24), den W. für das in diese
Untersuchung einbezogene Programm der Klägerin ermittelte, ungefähr ein Musikanteil
von 90 %. Des Weiteren lag der Musikanteil der von W. in den Vorjahren und dem
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von 90 %. Des Weiteren lag der Musikanteil der von W. in den Vorjahren und dem
Folgejahr untersuchten Programme der Klägerin immer deutlich unter 90 %, was sich
aus dem jeweils ausgewiesenen Wortanteil dieser Programme ergibt. Der Wortanteil an
dem untersuchten Programm der Klägerin betrug nach Wichert, Radioprofile in Berlin-
Brandenburg – Die privaten und zwei öffentlich-rechtliche Programme im Vergleich – in
dieser Schrift sind die Ergebnisse der vom 11. bis 17. November 2002 durchgeführten
Untersuchung veröffentlicht –, S. 22, 14,1 %, nach Wichert, Radioprofile in Berlin-
Brandenburg 2006 – Die privaten und ein öffentlich-rechtliches Programm im Vergleich,
S. 22, 18,0 % und nach Wichert, Radioprofile in Brandenburg 2009 – Die
Lokalprogramme im Vergleich – künftig: Wichert 2009 –, S. 12, 12,8 %.
Ins Bild passt ferner, dass die durchschnittliche Dauer der „G.“ von 14 Sekunden, die in
dem auf die zuvor erörterte Aussage folgenden Satz des Bescheides genannt ist, sich
ebenfalls – nur – aus der von W. in dem Jahr 2008 durchgeführten Untersuchung ergibt.
Die durchschnittliche Länge dieser Gedanken lag nach den von W. in den Vorjahren und
dem Folgejahr durchgeführten Untersuchungen von Hörfunkprogrammen jeweils über
diesem Wert (vgl. dazu Wichert, Anmerkungen zu programmlichen Aspekten des
Verwaltungsgerichtsverfahrens R. – MABB – künftig: Wichert Anmerkungen –, S. 9).
b) Die Beklagte hat zudem wiederholt bestätigt, dass ihr Medienrat bei der umstrittenen
Auswahlentscheidung die in § 33 Abs. 2 MStV genannten Auswahlkriterien anhand des
auf der Frequenz 9... MHz verbreiteten Programms der Klägerin bewertet hat. In der
mündlichen Verhandlung hat der Direktor der Beklagten, der an den Sitzungen des
Medienrats teilnimmt (§ 12 Abs. 2 Satz 2 MStV), sogar dargelegt, dass dies deswegen
geschehen ist, weil es sich bei dieser Frequenz der wirtschaftlichen Bedeutung nach um
die Haupt- bzw. Kernfrequenz der Klägerin handele.
2. Der Medienrat ist auch von einem unvollständigen und teilweise unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen.
a) Er hat im Rahmen seiner Bewertung der gemäß § 33 Abs. 2 und 3 MStV zu
berücksichtigenden Auswahlkriterien das auf den drei umstrittenen Frequenzen mit
Senderstandorten in Brandenburg geplante Programm der Klägerin außer Betracht
gelassen.
b) Außerdem ist der Medienrat in dem genannten Rahmen hinsichtlich des auf der
Frequenz 9... MHz verbreiteten Programms der Klägerin zum Teil von unrichtigen
tatsächlichen Annahmen ausgegangen. Dieser Rat hat – wie oben aufgezeigt – insoweit
die Ergebnisse der von W. im Jahr 2008 durchgeführten Untersuchung zugrunde gelegt.
Diese Ergebnisse spiegelten weder das auf der genannten Frequenz im Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung verbreitete Programm der Klägerin noch das dort damals von der
Klägerin geplante Programm wider. Es mag letztlich auf sich beruhen, ob aus
Erkenntnissen über die Gestaltung eines Hörfunkprogramms in der Vergangenheit
überhaupt zuverlässig auf die gegenwärtige und künftige Gestaltung dieses Programms
geschlossen werden kann. Denn die Prämisse, unter der dies allenfalls möglich ist –
nämlich die Prämisse, dass das Programm unverändert fortgeführt wurde bzw. werden
soll –, ist hier nicht erfüllt. Der Medienrat hat im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung
nicht davon ausgehen können, dass das in Rede stehende Programm der Klägerin nach
der erwähnten Studie ohne Änderungen fortgeführt worden war, geschweige denn
davon, dass es unverändert weitergeführt werden sollte. Dagegen sprach bereits das –
für die Interpretation der von der Klägerin eingereichten Programmschemata
bedeutsame – Vorbringen dieser Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Die Klägerin trug
mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 vor, dass sie ihr Programm im Jahre 2009
weiterentwickelt und dessen Wortanteil gesteigert habe. So habe die Morgensendung im
Herbst 2009 einen vollständigen Relaunch erfahren und enthalte nunmehr insbesondere
Kabarett mit E..In dem Verlängerungsantrag vom 15. März 2010 legte die Klägerin unter
anderem Folgendes über ihr auf der Frequenz 9... MHz ausgestrahltes Wortprogramm
dar: Im Rahmen der stündlich ausgestrahlten „G.“ werde seit Frühjahr 2010 eine
Kooperation mit der Iona-Community, einem ökumenischen Begegnungszentrum auf
einer Hebriden-Insel, umgesetzt. Seit März 2010 würden einmal täglich anstelle dieser
Gedanken „G.“ des Kabarettisten F. gesendet. Jeden Donnerstagabend werde das
freikirchliche Magazin „M.“ wiederholt.
Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Angaben über die erwähnten programmlichen
Neuerungen bestehen nicht. Das gilt auch für die Wiederholung des genannten
Magazins. Die Klägerin hat zuletzt, nämlich in der mündlichen Verhandlung,
unwidersprochen vorgetragen, dass das Magazin schon seit etwa eineinhalb Jahren
Donnerstagabends in ihren Programmen wiederholt wird.
Der Medienrat ist bei seiner Bewertung des in § 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV geregelten
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Der Medienrat ist bei seiner Bewertung des in § 33 Abs. 2 Nr. 1 MStV geregelten
Auswahlkriteriums fälschlicherweise insbesondere davon ausgegangen, dass das
Magazin am Donnerstagabend nicht wiederholt wird. In dem Bescheid (S. 7) heißt es in
besagtem Zusammenhang, dass die christliche Orientierung des Programms
wochentags durch die stündlich wiederholten „G.“ zum Ausdruck komme und sich
weitere christliche Elemente auf das Wochenende konzentrierten.
Der Medienrat hat ferner den Umfang des Musikanteils des in Rede stehenden
Programms der Klägerin unrichtig angenommen. Die Beklagte hat in der mündlichen
Verhandlung eingeräumt, dass der im Bescheid angegebene Musikanteil von 90 % zu
hoch ist.
Angesichts der aufgezeigten Fehler mag es letztlich auf sich beruhen, ob auch die im
Bescheid genannte Dauer der „G.“ von durchschnittlich 14 Sekunden in der Stunde
unzutreffend, nämlich zu kurz ist – wofür vieles spricht.
c) Des Weiteren hat der Medienrat nicht in nachvollziehbarer Weise begründet, warum
der Wortanteil des Programms der Beigeladenen gegenüber demjenigen „des“
Programms der Klägerin qualitativ vorrangig sein soll. Der Medienrat hat nicht dargelegt,
auf Grund welcher Erkenntnisse er zu der Wertung gekommen ist, alle anderen
Programme fielen mit Blick auf die Vielfältigkeit, journalistische Qualität und regionale
Verankerung des Wortanteils deutlich hinter o... zurück. Soweit sich der Medienrat im
Verhältnis zu „dem“ Programm der Klägerin darauf berufen hat, die von der Beklagten in
Auftrag gegebenen Untersuchungen durch L. hätten durchweg ergeben, dass der
Wortanteil und die journalistische Qualität bei o... konstant mit deutlichem Abstand vor
R. liege (S. 7 des Bescheides), ist dies nicht nachvollziehbar. Es gibt nur eine
Untersuchung der genannten Art, die sowohl ein Programm der Klägerin als auch das
Programm der Beigeladenen zum Gegenstand hatte, nämlich die im Jahr 2009
durchgeführte Untersuchung von Brandenburger Lokalprogrammen. Diese
Untersuchung hatte von den Programmen der Klägerin lediglich das Programm zum
Gegenstand, das seinerzeit auf den drei umstrittenen Frequenzen mit Senderstandorten
in Brandenburg verbreitet wurde. Sollte sich die in Rede stehende Aussage – zumindest
auch – auf die Ergebnisse anderer Untersuchungen beziehen, so ist bereits die
Vergleichbarkeit der vom Medienrat herangezogenen Untersuchungsergebnisse nicht
einsichtig. Bei dem Programm der Beigeladenen, das nur in einem kleinen Teil
Brandenburgs sowie in nördlichen Randbereichen Berlins empfangbar ist, handelt es sich
um ein Lokalprogramm. Das auf der Frequenz 9... MHz ausgestrahlte Programm der
Klägerin, das mit Ausnahme des Jahres 2009 Gegenstand derjenigen Untersuchungen
W. war, in die ein Programm der Klägerin einbezogen war, stellt dagegen ein
Regionalprogramm dar. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse von Untersuchungen solch
unterschiedlicher Programmtypen ist weder dargelegt noch liegt sie auf der Hand.
Überdies hat der Medienrat bei seiner Beurteilung der – journalistischen – Qualität des
Wortanteils des Programms der Beigeladenen und desjenigen „des“ Programms der
Klägerin zumindest auch Bestandteile des Brandenburger Programms der Klägerin
außer Acht gelassen, die nach den dieser Beurteilung zugrunde gelegten Kriterien von
Bedeutung gewesen sind. Der Medienrat hat nicht berücksichtigt, dass im Programm
von R. Brandenburg „G.“ auch in polnischer Sprache gesendet werden sollen. Dieses
Programmelement ist wenigstens für die sprachliche Vielfältigkeit und – im Hinblick auf
den polnisch- bzw. sorbischsprachigen Hörerkreis – für die regionale Verankerung des
Wortanteils relevant, zumal der Medienrat die Vergabe der drei umstrittenen Frequenzen
mit Senderstandorten in Brandenburg an die Klägerin von der Zusage der Ausstrahlung
zweisprachiger G. abhängig gemacht hatte und diese Zusage ausdrücklich als
Grundlage der Sendeerlaubnis vom 26. Juli 2005 bezeichnet wurde. Der Medienrat hat
außerdem nicht beachtet, dass im Programm von R. Brandenburg an Werktagen
während eines Teils des Tages stündlich Regionalnachrichten gesendet werden sollen,
die die Klägerin redaktionell teilweise selbst produzieren will. Dieses Programmelement
spielt für die Beurteilung der Qualität des Wortanteils, nämlich für dessen Vielfältigkeit
und regionale Verankerung und wohl auch für dessen journalistische Qualität, eine Rolle.
Dies ist daran zu ersehen, dass eigenproduzierte Regionalnachrichten in dem Bescheid
(S. 8) ausdrücklich als Teil des Programms der Beigeladenen, das der Medienrat mit
„dem“ Programm der Klägerin verglichen hat, aufgeführt werden. Ferner hat dieser Rat
die lokalen Elemente im Brandenburger Programm der Klägerin nicht in seine Bewertung
einbezogen. Zu diesen Elementen zählen die Beiträge „F.“ und „E.“. In dem
Programmelement „D.“ sollen möglichst ebenfalls lokale Themen umgesetzt werden
(Verlängerungsantrag der Klägerin vom 15. März 2010 S. 39).
d) Der Medienrat ist zudem im Rahmen seiner Bewertung des „Aspekts der Erfüllung der
Verpflichtungen aus der Sendeerlaubnis (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 MStV)“ von
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Verpflichtungen aus der Sendeerlaubnis (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 MStV)“ von
einem zu niedrigen Wortanteil des auf den drei umstrittenen Frequenzen mit
Senderstandorten in Brandenburg ausgestrahlten Programms der Klägerin
ausgegangen. In dem Bescheid (S. 10) wird in diesem Rahmen ausgeführt, dass in W. im
Jahr 2009 durchgeführter Untersuchung der Brandenburger Lokalradios bei R.
Brandenburg ein Umfang „Wort“ von 131 Minuten festgestellt worden ist. Es mag
letztlich auf sich beruhen, ob das „Wort“ des Brandenburger Programms der Klägerin in
der Woche vom 16. bis zum 22. November 2009, in der Daten der von Lothar Wichert im
Jahre 2009 untersuchten Brandenburger Lokalprogramme erhoben wurden – genauer
gesagt, in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 22.00 Uhr zweier nicht aufeinanderfolgender
Werktage dieser Woche (bei o... dagegen in besagter Zeit des 16. und des 19. Oktober
2009 [Wichert 2009 S. 12]), deren Daten von Wichert ausgewertet wurden – (vgl. Wichert
2009 S. 6 und 8), einen Umfang von 131 Minuten hatte. Denn die Annahme des
Medienrats, der Anteil „Wort“ dieses Programms habe auch während einer den
Erhebungs- bzw. den Auswertungszeitraum überschreitenden Zeitspanne den gleichen
Umfang gehabt wie in diesem Zeitraum, ist jedenfalls falsch.
aa) Der Medienrat ist bei seiner Bewertung des erwähnten Aspekts stillschweigend
davon ausgegangen, dass der Umfang des in Rede stehenden Programmanteils nicht
nur in dem Erhebungs- oder dem Auswertungszeitraum, sondern auch über diese
Zeiträume hinaus 131 Minuten betrug. Die von L. im Jahre 2009 durchgeführte
Untersuchung erhebt nicht nur den Anspruch, dass ihre Ergebnisse bezogen auf den
Erhebungs- bzw. Auswertungszeitraum richtig sind, sondern auch denjenigen, dass
besagte Ergebnisse für eine über diesen Zeitraum hinausgehende Zeitspanne
aussagekräftig sind. Die Untersuchungen der Hörfunkprogramme in Berlin und/oder
Brandenburg, die L. im Auftrag der Beklagten durchführte, dienten zumindest auch
dazu, aussagekräftige Ergebnisse zur Einordnung von Radioprogrammen innerhalb des
Vielfaltsspektrums zu erhalten (vgl. Wichert, Bausteine für ein Instrument zur
Programmbeobachtung – künftig: Wichert Bausteine – S. 7 sowie Schriftsatz der
Beklagten vom 6. Oktober 2010, S. 6 f.). Um diesem Zweck genügen zu können, dürfen
ihre Ergebnisse nicht nur für den jeweiligen, relativ kurzen Erhebungszeitraum Gültigkeit
beanspruchen, sondern müssen dies für einen längeren Zeitraum tun. Die
Untersuchungen haben – wie ihre Titel schon sagen – dementsprechend die Aufgabe, die
journalistischen und die musikalischen Profile der jeweils untersuchten Programme zu
kennzeichnen (vgl. Wichert Bausteine S. 7). Diesen Profilen schreiben die Beklagte und
ihr Medienrat eine in zeitlicher Hinsicht über den Erhebungszeitraum hinausgehende
Aussagekraft über die inhaltliche Gestaltung der betreffenden Programme zu. Dem liegt
– unausgesprochen – die Annahme zugrunde, dass die Profile sich erfahrungsgemäß
über eine längere, den jeweiligen Erhebungszeitraum überschreitende Zeitspanne nicht
ändern. Diese Annahme beruht wiederum auf der Prämisse, dass die von Wichert
untersuchten Hörfunkprogramme Formatradios sind (vgl. Wichert Anmerkungen S. 3),
die ihr jeweiliges Format und damit auch ihr Profil erfahrungsgemäß während einer
derartigen Zeitspanne beibehalten. Formatradio ist ein Hörfunkprogramm, das – meist –
für seine gesamte Sendezeit einem einheitlichen Stil, einem bestimmten Radioformat,
also einer festgelegten Musikausrichtung, Moderation, Programmfarbe und
Programmstruktur unterworfen ist (vgl. www.mediamanual.at/.../formatradio.phpsowie
de.wikipedia.org/wiki/Hörfunkformat).
Die den Ergebnissen von W. Untersuchungen seitens der Beklagten beigemessene
Aussagekraft zeigt sich auch daran, dass die Beklagte die für diese Untersuchungen
jeweils erhobene Stichprobe von Daten der untersuchten Programme, auf deren
Grundlage Wichert die Inhalte dieser Programme auf die wesentlichen
Programmmerkmale (vgl. Wichert Bausteine S. 7), insbesondere die jeweilige
Programmcharakteristik für die werktägliche Woche – Montag bis Freitag – (vgl. Wichert
Anmerkungen S. 12), analysierte, für repräsentativ hält. Diese Stichprobe bildet nach
Auffassung W., auf den sich die Beklagte bezieht, die programmliche „Normalität“ der
untersuchten Programme ab. Er begründet dies damit, dass die erwähnten Daten
während einer „natürlichen Woche“ – im Monat November – erhoben wurden und er
durch Kontrollen zu erkennen versuchte, ob es im Erhebungszeitraum außergewöhnliche
Ereignisse bzw. senderspezifische Aktionen gab, die zu einer Verzerrung der – üblichen –
Programmgestaltung bzw. des üblichen Sendeformats führen konnten (vgl. allgemein
Wichert Anmerkungen S. 3 und 12 sowie speziell für die 2009 erhobene Stichprobe
Wichert 2009 S. 8).
bb) Die Annahme des Medienrats, das Brandenburger Programm der Klägerin habe
auch während einer über den Erhebungszeitraum hinausgehenden Zeitspanne den von
Wichert stichprobenartig ermittelten Umfang „Wort“ gehabt, ist unzutreffend. Der Anteil
„Wort“ dieses Programms war im Jahr 2009 außerhalb des Erhebungszeitraums höher
als innerhalb dieses Zeitraums. Denn die von Wichert in der Woche vom 16. bis zum 22.
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als innerhalb dieses Zeitraums. Denn die von Wichert in der Woche vom 16. bis zum 22.
November 2009 durchgeführte Erhebung von Daten von Brandenburger
Lokalprogrammen berücksichtigt nicht, dass im Brandenburger Programm der Klägerin
im Jahr 2009 außerhalb besagten Zeitraums regelmäßig Regionalnachrichten gesendet
wurden. Die Beklagte hat dies zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen.
Es ist für die Entscheidung unerheblich, wie hoch die Differenz zwischen dem vom
Medienrat angenommenen Umfang „Wort“ des Brandenburger Programms der Klägerin
und dem tatsächlichen Umfang „Wort“ dieses Programms im Jahr 2009 außerhalb des
genannten Zeitraums war. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei
zutreffender Ermittlung des Wortanteils besagten Programms eine andere
Auswahlentscheidung getroffen worden wäre.
Es ist für die Entscheidung auch ohne Bedeutung, ob der Wortanteil des auf der
Frequenz 9... MHz verbreiteten Programms der Klägerin – wie vom Medienrat
angenommen – im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung tatsächlich unterdurchschnittlich
war. Denn die dargelegten Rechtsfehler führen in jedem Fall zur Rechtswidrigkeit der
gesamten Auswahlentscheidung. Zumindest ein Teil dieser Fehler betrifft – wie oben
ausgeführt – die Bewertung der Qualität des Wortanteils letzteren Programms seitens
des Medienrats sowie das Verständnis gesetzlicher Auswahlkriterien, das der Medienrat,
der für alle vier umstrittenen Frequenzen aus denselben Gründen denselben
Veranstalter ausgewählt hat, seiner ganzen Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist aus den gleichen Gründen rechtswidrig wie
die im Streit stehende Sendeerlaubnis, auf die zu seiner Begründung Bezug genommen
wurde und deren Gegenstück, Entsprechung, er rechtlich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 und 162 Abs. 3
VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht
der unterlegenen Beklagten oder der Staatskasse aufzuerlegen, zumal die Beigeladene
mangels Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 1. Hs.
VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Kammer hat die Berufung nicht zuzulassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3
oder Nr. 4 VwGO hier nicht vorliegen (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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