Urteil des VG Aachen vom 24.04.2008

VG Aachen: drucksache, leiter, ergänzung, mitbestimmung, kreis, vertreter, eng, entlastung, einverständnis, vertretungsbefugnis

Verwaltungsgericht Aachen, 16 K 767/08.PVL
Datum:
24.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
16. Kammer (Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen)
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 K 767/08.PVL
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
G r ü n d e :
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I.
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Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Antragstellers, zu den - wöchentlich
stattfindenden - Erörterungsterminen i. S. d. § 66 Abs. 2 Sätze 5 und 6 des
Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) weitere Mitarbeiter hinzuzuziehen.
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Zu dem Erörterungstermin vom 3. April 2008 brachte der Dienststellenleiter die Herren
K. , S. und X. mit. Der Beteiligte widersprach deren Anwesenheit unter Hinweis auf § 66
Abs. 2 LPVG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 9. Oktober 2007 (GV. NRW
S. 394). Nachdem der Erörterungstermin ohne die genannten Herren stattgefunden
hatte, erläuterte der Antragsteller mit Schreiben vom gleichen Tag seine
Rechtsauffassung. Die Novellierung des LPVG diene u. a. dazu, die
Verfahrenslaufzeiten zu verkürzen. Vor diesem Hintergrund sei es naheliegend, die
Hinzuziehung sachkundiger Beschäftigter in Erörterungsterminen als selbstverständlich
anzusehen. Diese Auffassung werde auch in der Literatur geteilt. Auch wenn § 66 Abs.
2 Satz 4 a. F. ersatzlos weggefallen sei, bedeute dies nicht, dass der Dienststellenleiter
nur noch allein an den Erörterungsterminen teilnehmen dürfe. Er sei - wie nach der
früheren Rechtslage - berechtigt, sich der Unterstützung sachkundiger Personen aus der
Dienststelle zu bedienen. Denn auch dem Personalrat müsse daran gelegen sein, die
anstehenden Fragen im Rahmen der Erörterung möglichst sachkompetent zu
besprechen.
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Demgegenüber wiederholte der Beteiligte seine Ansicht, dass die Gesetzesänderung
die Möglichkeiten des Dienststellenleiters eingeschränkt habe. Nunmehr sei allein der
Dienststellenleiter berechtigt, den Erörterungstermin i.S.d. § 66 Abs. 2 LPVG
wahrzunehmen. Er - der Personalrat - werde sich nur gegen die Teilnahme eines
Protokollführers nicht sperren, wobei klar sein müsse, dass es sich ausschließlich um
eine Protokollierung und nicht um eine Gesprächsteilnahme handele.
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Am 14. April 2008 hat der Antragsteller das vorliegende Verfahren anhängig gemacht.
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Er meint, die Novellierung des LPVG in dem hier strittigen Punkt habe keine Änderung
gegenüber der Altfassung des Gesetzes gebracht. Wenn früher sachkundige Mitarbeiter
zur Unterstützung des Dienststellenleiters an den Erörterungsterminen hätten
teilnehmen können, sei dies sachgerecht gewesen, weil der Dienststellenleiter häufig
nicht sämtliche Details der von ihm zur Mitbestimmung vorgelegten Maßnahmen wissen
könne. Des Weiteren äußere der Beteiligte bei seiner Bitte um Erörterung häufig nicht,
über welche konkreten Hintergründe er informiert werden wolle. Dies bringe es mit sich,
dass er - der Dienststellenleiter - weitere sachkundige Bedienstete zu den Gesprächen
hinzuziehen müsse.
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Der Antragsteller beantragt,
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festzustellen, dass der Beteiligte verpflichtet ist, zu den Erörterungsgesprächen gemäß §
66 Abs. 2 LPVG seitens des Antragstellers weitere sachkundige Mitarbeiter teilnehmen
zu lassen.
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Der Beteiligte beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er wolle sich - ebenso wie der Antragsteller - strikt an die gesetzlichen Vorschriften
halten. Da das LPVG in der novellierten Fassung nur noch die Teilnahme des
Dienststellenleiters an den Erörterungsgesprächen vorsehe, müssten beide Beteiligte
dies so akzeptieren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte verwiesen.
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II.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Gemäß § 66 Abs. 2 Sätze 5 und 6 LPVG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 9.
Oktober 2007 ist eine zur Mitbestimmung vorgelegte Maßnahme mit dem Ziel einer
Verständigung zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Personalrat zu erörtern,
wenn der Personalrat zuvor mitgeteilt hat, dass er beabsichtigt, der Maßnahme nicht
zuzustimmen. Die Formulierung ist eindeutig und lässt keinen Raum für eine
erweiternde Auslegung bzw. Ergänzung des Gesetzes im Sinne des Antragstellers. Der
Dienststellenleiter ist diejenige Person, die von Seiten der Dienststelle die Erörterung
mit dem Personalrat führen soll. Andere Personen als Teilnehmer der Erörterung
benennt das Gesetz nicht.
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Die war bis zur Novellierung des LPVG durch das Gesetz vom 9. Oktober 2007 noch
anders. In § 66 Abs. 2 Satz 4 LPVG a. F. war ausdrücklich geregelt, dass "der Leiter der
Dienststelle berechtigt ist, zu der Erörterung für Personal- und
Organisationsangelegenheiten zuständige Beschäftigte hinzuzuziehen".
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Diese Passage ist - wie einige andere Formulierungen des § 66 LPVG a. F. auch -
ersatzlos weggefallen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung vom 24. April 2007 (LT-
Drucksache 14/4239) sah sogar vor, dass ein Erörterungstermin überhaupt nicht (mehr)
stattfindet (LT-Drucksache S. 29, 30). In der Begründung zum Entwurf heißt es dazu,
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dass "mit der Neufassung des Absatzes 2 die Regelung des Bundes zum
Mitbestimmungsverfahren bei Bundesbehörden eingeführt werde. Damit entfalle die
bisher nur in Nordrhein-Westfalen vorgesehene 'förmliche Erörterung', wenn ein
Personalrat beabsichtige, einer Maßnahme nicht zuzustimmen." Diese - noch
weitergehende - Änderung des LPVG wurde indes nicht Gesetz. Der Innenausschuss
des Landtags übernahm in seiner Sitzung vom 12. September 2007 (LT-Drucksache
14/5034) die entgegenstehenden Änderungsvorschläge der Fraktionen von CDU und
FDP, wonach die förmliche Erörterung im Beteiligungsverfahren beibehalten werden
sollte. In dessen Bericht zu der Anhörung und den Änderungsvorschlägen der
Fraktionen heißt es (LT-Drucksache 14/5034, S. 66): "Die sogenannte 'förmliche
Erörterung' wird in modifizierter Form neu geregelt. Um einerseits die Streit schlichtende
Funktion des Erörterungsverfahrens zu erhalten, andererseits einen zeitlich begrenzten
Verfahrensablauf sicherzustellen, wird das Erörterungsverfahren mit strafferen
Fristvorgaben kombiniert. Dabei werden bei Verkürzung aller Fristen (durch die
Dienststelle) Verfahren innerhalb von 11 Arbeitstagen, bei Ausschöpfen aller Fristen
Verfahren von bis zu 30 Arbeitstagen möglich. Zeitlich unbefristete Verfahren sind im
Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr möglich." Entsprechend der
Beschlussempfehlung des Innenausschusses nahm der Landtag den Gesetzentwurf in
seiner Sitzung vom 19. September 2007 an.
Mithin gilt festzuhalten: Sowohl die Landesregierung als auch der Innenausschuss und
der Landtag haben sich umfangreich mit der Frage der Erörterung und deren
Ausgestaltung befasst. Wenn die Gesetzesformulierung als Ergebnis dieses Prozesses
nicht mehr - wie früher - die Hinzuziehung von weiteren Beschäftigten zu den
Erörterungsterminen vorsieht, ist dies zu respektieren. Der Wortlaut ist eindeutig und
lässt - insbesondere unter Beachtung ihrer Entstehungsgeschichte - keinen Raum für
eine gegenteilige Auslegung oder eine Ergänzung des Gesetzes. In seinem
Regelungsgehalt entspricht er vielmehr den Allgemeinen Vorschriften des
Landespersonalvertretungsgesetzes. In § 8 Abs. 1 LPVG ist ebenfalls nur der Leiter der
Dienststelle als derjenige genannt, der für die Dienststelle in
personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten handelt. Nach Satz 2 der Vorschrift
kann er sich durch seinen ständigen Vertreter oder den Leiter der für
Personalangelegenheiten zuständigen Abteilung vertreten lassen, wenn er denn
verhindert ist. Der Kreis der vertretungsberechtigten Personen ist bewusst eng gehalten,
um sicherzustellen, dass der Personalrat auf einen kompetenten Ansprechpartner trifft,
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vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personalvertretungsrecht in NRW, § 8
(a.F.) Rdn 19.
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Dies gilt auch nach der Erweiterung der Vertretungsbefugnis auf "sonstige Beauftragte"
gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LPVG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 9. Oktober
2007. Sie ist von dem Einverständnis des Personalrats abhängig und bedeutet eben
nicht, dass der Dienststellenleiter sich zu seiner Entlastung uneingeschränkt durch
weitere sachkundige Mitarbeiter gegenüber dem Personalrat vertreten lassen kann.
Auch hieraus erschließt sich, dass das Personalvertretungsgesetz die Sach- und
Handlungskompetenzen präzise vorgibt, so dass eine Hinzuziehung weiterer Mitarbeiter
zu den Erörterungsterminen nicht zulässig ist.
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Soweit in der Literatur das Gegenteil behauptet wird,
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vgl. Lechtermann/Klein, Das neue Personalvertretungsrecht NRW, § 66 Rdn. 10,
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fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Es dürfte zwar zutreffen, dass es dem
Dienststellenleiter aufgrund der Größe des Universitätsklinikums häufig unmöglich ist,
die Hintergründe einer geplanten Maßnahme in einer Erörterung in sämtlichen Details
zu erläutern, sodass es zur Verkürzung des Verfahrens dient, wenn er in dem
Erörterungstermin unmittelbar auf die Sachkenntnis von anwesenden Mitarbeiter
zurückgreifen kann. Auch kann er sich kaum vernünftig auf die Erörterung vorbereiten,
wenn der Personalrat die Gründe für die beabsichtigte Ablehnung zuvor nicht
ansatzweise mitgeteilt hat. Diese Überlegungen können aber nicht dazu führen, dass
das Gericht die Befugnis des Dienststellenleiters, weitere sachkundige Mitarbeiter zu
dem Erörterungstermin mitzubringen, in das Gesetz hineininterpretiert und so in die
Rolle eines "Ersatz-"Gesetzgebers schlüpft. Eine derartige Regelung ist dem
Gesetzgeber in einer erneuten Änderung des LPVG vorbehalten
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Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren.
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