Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz vom 12.07.2010

VerfGH Rheinland-Pfalz: heimarbeit, verfassungsbeschwerde, fürsorgepflicht, wohnung, gleichbehandlung, dienstort, reisekosten, entschädigung, präsident, willkürverbot

VerfGH
Rheinland-Pfalz
12.07.2010
VGH B 74/09
Verfassungsrecht
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Beschluss
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
betreffend die Verfassungsbeschwerde
des Herrn …,
gegen § 2 Abs. 4 Satz 5, § 5 Abs. 4 des Landesreisekostengesetzes
– LRKG – in der Fassung vom 7. Juli 2009 (GVBl. S. 279)
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 12. Juli 2010, an
der teilgenommen haben
Präsident des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Meyer
Präsident des Oberlandesgerichts Bartz
Präsident des Oberlandesgerichts Kestel
Präsidentin des Landgerichts Wolf
Landrat Dr. Saftig
Universitätsprofessor Dr. Hufen
Universitätsprofessor Dr. Robbers
Kreisverwaltungsdirektorin Nagel
Historikerin Meier-Hussing
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 2 Abs. 4 Satz 5 in Verbindung mit § 5 Abs. 4
Landesreisekostengesetz – LRKG – in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung
reisekostenrechtlicher Vorschriften und zur Verlängerung der Altersteilzeit vom 7. Juli 2009 (GVBl. S. 279).
Der Beschwerdeführer wirft darin die Frage auf, in welcher Höhe Beamten, denen ein Heimarbeitsplatz
zugewiesen ist, die Kosten der Nutzung des privaten Kraftfahrzeugs für Dienstreisen zu erstatten sind.
I.
Gemäß § 3 Abs. 1 LRKG haben Beamte, die eine Reise zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb
ihres Dienstortes ausführen, Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich
veranlassten Mehraufwendungen. Dies schließt nach § 6 Abs. 1 LRKG eine Wegstreckenentschädigung
für Fahrten ein, die der Dienstreisende mit einem privaten Kraftfahrzeug zurücklegt.
1. Der Berechnung der Entschädigung ist grundsätzlich die tatsächlich gefahrene Strecke zum
Geschäftsort – dem Ort, an dem das auswärtige Dienstgeschäft zu erledigen ist – zugrunde zu legen.
Diesen Anspruch schränkt § 6 Abs. 7 i.V.m. § 5 Abs. 4 LRKG jedoch ein, wenn die Dienstreise nicht am
Behördensitz, sondern an der Wohnung des Beamten angetreten oder beendet wird. In diesem Fall
werden höchstens die Kosten erstattet, die bei der Abreise oder der Ankunft an der Dienststätte
entstanden wären.
2. Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 3 LRKG bestimmte in der bis zum 17. Juli 2009 geltenden Fassung
(im Folgenden: LRKG a.F.), bei Tele- oder Wohnraumarbeit gelte der Sitz der zuständigen Dienststelle als
Dienstort. Das Land Rheinland-Pfalz sowie zunächst auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
(vgl. OVG Rh-Pf, LKRZ 2007, 152) folgerten hieraus, in Fällen der Heimarbeit berechne sich die Weg-
streckenentschädigung nach der Entfernung zwischen dem Sitz der Behörde und dem Geschäftsort, wenn
diese kürzer als die tatsächlich zurückgelegte Strecke von der Wohnung bis zum Geschäftsort sei. Das
Bundesverwaltungsgericht hingegen hob die vorgenannte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts mit
Urteil vom 24. April 2008 (NVwZ 2008, 1126) auf und entschied, Kosten einer Dienstreise, die ein zur
Heimarbeit berechtigter Beamter an seinem Heimarbeitstag an seiner Wohnung antrete und beende,
seien in voller Höhe dienstlich veranlasste Mehraufwendungen und deshalb uneingeschränkt zu erstat-
ten. Die Kappungsvorschrift des § 5 Abs. 4 LRKG greife nur ein, wenn Wohnort und Dienststätte
auseinanderfielen. Im Falle der genehmigten Wohnraumarbeit sei jedoch an den Tagen, an denen der
Beamte nicht zum Aufsuchen der Dienststelle verpflichtet sei, seine Wohnung der Ort, an dem er seine
Dienstpflicht zu erfüllen habe, und daher zugleich Dienststätte im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 4 LRKG a.F.
3. Durch Artikel 1 Nr. 1 des Landesgesetzes vom 7. Juli 2009 – in Kraft getreten am 18. Juli 2009 – wurde
§ 2 Abs. 4 LRKG neugefasst. Satz 5 der Vorschrift bestimmt nunmehr, bei Tele- oder Wohnraumarbeit
gelte der Sitz der zuständigen Dienststelle als Dienststätte und Dienstort. Aufgrund dieser
gesetzgeberischen Fiktion fallen bei der Heimarbeit Wohnung und Dienststätte auseinander mit der Folge,
dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts § 5 Abs. 4 LRKG Anwendung findet.
Bei Antritt und/oder Beendigung der Dienstreise an der Wohnung ist daher die
Wegstreckenentschädigung auf die Kosten beschränkt, die für die direkte Fahrt zwischen der Dienststelle
und dem Geschäftsort entstanden wären.
II.
1. Der Beschwerdeführer ist Amtsinspektor im Dienst des Landes Rheinland-Pfalz und als
Steueraußenprüfer beim Finanzamt X. eingesetzt. Er unterhält seit dem Jahr 2002 einen genehmigten
Heimarbeitsplatz an seinem in sieben Kilometer Entfernung gelegenen Wohnort in Y. Seine
Dienstleistung erbringt er nahezu ausschließlich dort sowie in den Betrieben, in denen er die
Steuerprüfungen durchführt. Bis Anfang des Jahres 2007 wurden ihm hierfür Reisekosten unter
Zugrundelegung der zurückgelegten Wegstrecke zwischen seinem Wohn- und dem jeweiligen
Geschäftsort erstattet. Ab März 2007 wurde die Entschädigung jedoch auf die Entfernung zwischen dem
Sitz des Finanzamts und dem Geschäftsort begrenzt, wenn diese kürzer war.
Seine hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht Mainz verurteilte das Land
Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 15. Oktober 2008, dem Beschwerdeführer Wegstreckenentschädigung in
unverminderter Höhe zu gewähren. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Mai 2009 (OVG Rh-Pf, AS 37, 287) zurück.
Seit Inkrafttreten der Neufassung des § 2 Abs. 4 LRKG am 18. Juli 2009 wird der Berechnung der
Wegstreckenentschädigung des Beschwerdeführers wiederum nur die Entfernung zwischen dem Sitz der
Dienststelle und dem Geschäftsort zugrundegelegt, wenn diese kürzer als die vom Beschwerdeführer von
seinem Wohnort zurückgelegte Strecke ist. Hiergegen hat er nach erfolgloser Durchführung des Wider-
spruchsverfahrens Klage beim Verwaltungsgericht Mainz erhoben. Das Verwaltungsgericht hat das
Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ausgesetzt.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
Zur Begründung legt er dar, infolge der Neufassung des Reisekostenrechts müsse er Dienstreisen
teilweise auf eigene Kosten durchführen. Er könne seine Aufwendungen auch nicht bei der
Einkommensteuererklärung als Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend
machen, da diese nicht tatsächlich durchgeführt worden seien. Steuerrechtlich sei allenfalls eine
Erstattung in Höhe von 0,05 € pro Kilometer möglich. Die aufgeworfenen Fragen stellten sich landesweit
in über 50 Fällen. Die Verfassungsbeschwerde sei daher von allgemeiner Bedeutung und deshalb vor
Erschöpfung des Rechtswegs zulässig.
Darüber hinaus lege das Land Rheinland-Pfalz der Abrechnung der Dienstreisen unzutreffende
Entfernungsangaben zugrunde. Auch blieben bei ihm – anders als bei Beamten ohne Heimarbeitsplatz –
Straßensperrungen und Umleitungen unberücksichtigt, weil nicht die tatsächlich gefahrenen Kilometer,
sondern fiktive Wegstrecken angesetzt würden.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Landtag Rheinland-Pfalz sowie die Landesregierung Stellung
genommen.
1. Nach Ansicht des Landtags Rheinland-Pfalz ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, jedenfalls aber
unbegründet.
Die angegriffene Vorschrift bedürfe der Umsetzung durch einen Vollzugsakt des Dienstherrn. Diesen
müsse der Beschwerdeführer zunächst vor den Fachgerichten anfechten, weil die Frage einer Verletzung
der Fürsorgepflicht vom Umfang und von der Zumutbarkeit der Belastungen abhänge, die dem Beamten
verblieben. Diese festzustellen, obliege zunächst den Verwaltungsgerichten. Die Verfassungsbeschwerde
habe auch in der Sache keinen Erfolg. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht verpflichtet,
Dienstreisende mit häuslichem Arbeitsplatz reisekostenrechtlich anders zu behandeln als Beamte ohne
Heimarbeitsplatz. Das Reisekostenrecht werde von dem Gebot einer sparsamen Verwendung öffentlicher
Gelder geprägt. Erstattet würden deshalb nur dienstlich veranlasste Mehraufwendungen. Im Falle der
Heimarbeit könnten zwar nicht die Aufwendungen für die tatsächlich durchgeführten, wohl aber diejenigen
der aufgrund der fehlenden Anwesenheitspflicht ersparten Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle
den Kosten der allgemeinen Lebensführung zugerechnet werden. Lägen diese mithin bereits unterhalb
derjenigen der Beamten ohne Heimarbeitsplatz, so bestehe kein Anlass für eine zusätzliche
Besserstellung durch eine Ausnahme von der Anrechnungsvorschrift des § 5 Abs. 4 LRKG. Aus der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn könnten keine weitergehenden Ansprüche hergeleitet werden, zumal
bereits die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes im Interesse des Beamten und nur auf dessen Antrag
erfolge.
2. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Rechtswegerschöpfung für
unzulässig. Sie sei darüber hinaus unbegründet. Die angegriffene Neuregelung diene der Vermeidung
einer reisekostenrechtlichen Privilegierung der Heimarbeit. Andernfalls werde der Beamte, der von
zuhause aus arbeite, gegenüber den Beamten bevorzugt, die in der Dienststelle tätig seien und die
Kosten ihrer Fahrt vom Wohn- zum Dienstort selbst tragen müssten. Die Einführung von Heim-
arbeitsplätzen erfolge regelmäßig aus sozialen und familiären, nicht aber aus Gründen der Einsparung
von Kosten durch den Dienstherrn. Für eine darüber hinausgehende weitere Begünstigung des Beamten
gebe es keine Rechtfertigung. Des Weiteren beruhe die Neuregelung auf dem Grundsatz, wonach die
Wahl des Wohnortes eines Bediensteten den Dienstherrn nicht finanziell belasten dürfe. Aufgrund dessen
genüge das Land Rheinland-Pfalz mit der angefochtenen Regelung zugleich seiner beamtenrechtlichen
Fürsorgepflicht.
B.
Die Verfassungsbeschwerde, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 des
Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – ohne mündliche Verhandlung
entscheidet, bleibt ohne Erfolg.
I.
Sie ist – überwiegend – zulässig.
1. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er beruft sich auf die Verletzung eigener, in der
Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – enthaltener Rechte im Sinne von Art. 130a LV und § 44 Abs. 1
VerfGHG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Willkürverbot sind in Art. 17 Abs. 1 und 2 LV, die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn seinen Beamten gegenüber in Art. 126 und 127 LV
landesverfassungsrechtlich verbürgt (VerfGH Rh-Pf, AS 36, 346 [356]). Die letztgenannten Vorschriften be-
gründen ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten, soweit ein hergebrachter Grundsatz des
Berufsbeamtentums ihre persönliche Rechtsstellung bestimmt. Hierzu gehört die Fürsorgepflicht, sodass
sich der Beschwerdeführer auch insoweit auf ein eigenes Recht im Sinne von Art. 130a LV, § 44 Abs. 1
VerfGHG beruft.
2. Der Beschwerdeführer ist nicht gehalten, die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 4 Satz 5 LRKG
zunächst im fachgerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.
a) Zwar entscheidet der Dienstherr über den Antrag des Beamten auf Reisekostenvergütung durch
Verwaltungsakt. Dieser kann gegen die vollständige oder teilweise Ablehnung der
Wegstreckenentschädigung vor den Verwaltungsgerichten eine Verpflichtungsklage erheben (vgl.
BVerwGE 24, 253 [258 f.]). Jedoch schließt dies die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht aus.
Das unmittelbare Betroffensein trotz Vollzugsbedürftigkeit eines Gesetzes ist nämlich dann zu bejahen,
wenn die vorherige Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Normvollzugs entbehrlich
und eine Vorabentscheidung über die verfassungsrechtlichen Fragen sachgerecht ist (vgl. VerfGH Rh-Pf,
AS 31, 348 [351]; 37, 292 [303]; 38, 238 [245]).
Danach muss der Beschwerdeführer nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Verwaltungsgerichte
anzurufen. Die Beurteilung der erhobenen Rügen setzt nicht die Prüfung einfachrechtlicher oder
tatsächlicher Fragen voraus. Für den Umfang und die Art der Betroffenheit des Beschwerdeführers kommt
es auf keine weitere einfachgesetzliche Vorschrift als die des § 2 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. § 6 Abs. 7, § 5 Abs. 4
LRKG an. Wegen des eindeutigen Wortlauts der Normen entfällt die Möglichkeit einer ihm günstigeren
Auslegung. Zugleich hat die angegriffene Regelung auf andere Rechtsgebiete keine Auswirkungen, die
die Verfassungsmäßigkeit beeinflussen könnten. Damit beantwortet sich die Frage, ob die Beschränkung
der Wegstreckenentschädigung für Beamte mit Heimarbeitsplatz dem Gleichheitsgebot und dem
Willkürverbot sowie der Fürsorgepflicht des Dienstherrn genügt, allein nach verfassungsrechtlichen
Kriterien.
Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht der Einwand des Landtags entgegen, zu-
nächst müsse der Umfang der Belastungen des Beschwerdeführers ermittelt werden, um die Vereinbarkeit
der angefochtenen Norm mit der Fürsorgepflicht überprüfen und die Zumutbarkeit des Eigenanteils
bewerten zu können. Schon weil es keine bezifferbare Grenze hierfür gibt, ist – wenn überhaupt – nicht
der genaue Betrag, sondern die Größenordnung der Kosten maßgeblich, die dem Beschwerdeführer
verbleiben. Hierfür bieten die Abrechnungszeiträume, die Gegenstand des Verfahrens 2 A 11376/08.OVG
vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz waren, hinreichende Anhaltspunkte.
b) Soweit der Beschwerdeführer allerdings darüber hinaus die Ordnungsgemäßheit der
Reisekostenabrechnungen mit der Begründung rügt, im Einzelfall werde eine zu kurze Entfernung
zugrunde gelegt, bedarf dies zunächst der fachgerichtlichen Klärung. Hinsichtlich dieser Rügen ist seine
Verfassungsbeschwerde deshalb unzulässig.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Die angegriffenen Regelungen
verstoßen nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (1.). Sie widersprechen darüber hinaus nicht der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn (2.).
1. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 17 Abs. 1 und 2 LV ist nicht verletzt. Er
gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln.
Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für
gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Un-
gleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter
Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der
Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug
auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Der Gleichheits-
satz ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich – bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs –
ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die
betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 29, 23 [30 f.];
32, 74 [81]; LKRZ 2010, 216 [218]).
An diesen Maßstäben gemessen hat der Gesetzgeber bei der Regelung der Wegstreckenentschädigung
den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 5 LRKG
bewirkt in Verbindung mit § 6 Abs. 7, § 5 Abs. 4 LRKG für die Reisekostenvergütung eine
Gleichbehandlung von Beamten mit Heimarbeitsplatz und solchen, die ihren Dienst in der Dienststätte
verrichten. Danach werden im Rahmen der Wegstreckenentschädigung für beide Beamtengruppen in den
Fällen, in denen sie eine Dienstreise an ihrer Wohnung antreten oder beenden, höchstens die Kosten
erstattet, die bei der Abreise oder Ankunft an der Dienststelle entstanden wären.
Diese Gleichbehandlung kann zwar nicht mit Kostenersparnissen des Beamten mit Heimarbeitsplatz
begründet werden (a). Auch ist zweifelhaft, ob Heimarbeit stets vorrangig im Interesse des Beamten
gewährt wird und deshalb eine teilweise Kostenbelastung rechtfertigt (b). Jedenfalls findet die Kappung
des Erstattungsanspruchs ihren sachlichen Grund in dem Grundsatz, dass Mehrkosten, die aus der Wahl
des Wohnortes des Beamten folgen, grundsätzlich von diesem zu tragen sind (c).
a) Der das Reisekostenrecht prägende Grundsatz, wonach nur reisebedingte Mehraufwendungen zu
erstatten sind und dem Beamten weder wirtschaftliche Nachteile noch besondere Vorteile entstehen
dürfen, stellt keinen Grund dafür dar, die Wegstreckenentschädigung von Beamten mit Heimarbeitsplatz
derjenigen von Beamten gleichzustellen, die ihren Dienst in der Behörde verrichten. Zwar sind danach
Kosten, die ohne die Dienstreise gleichermaßen aufgrund der allgemeinen Lebensführung entstanden
wären, nicht erstattungsfähig. Hierzu zählen insbesondere Aufwendungen für die arbeitstäglichen Fahrten
zwischen Wohnung und Dienststätte, die der Beamte zur Erfüllung seiner Anwesenheitspflicht auf eigene
Kosten durchführen muss und die er aufgrund der Dienstreise erspart. Hingegen liegt keine Ersparnis vor,
wenn der Beamte – wie im Fall der Heimarbeit – die Dienststelle am Reisetag auch ohne die Dienstreise
nicht aufsuchen müsste (vgl. BVerwGE 82, 148 [153 f.]; BVerwG NVwZ 2008, 1126 [1127]).
Hiernach kann die Gleichbehandlung zudem nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, mit der
Kappungsvorschrift des § 5 Abs. 4 LRKG würden die aufgrund der Heimarbeit generell ersparten Kosten
für Fahrten von und zur Dienststelle angerechnet. Auch insoweit gilt, dass der Beamte, der von zuhause
aus arbeitet, mangels Anwesenheitspflicht keine Kosten erspart.
b) Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Gleichbehandlung ihren sachlichen Grund in der Annahme finden
kann, die Einführung von Heimarbeit erfolge stets vorrangig im Interesse des Beamten, wodurch etwaige
Nachteile bei der Reisekostenvergütung abgegolten seien. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, wenigstens
im Fall des Beschwerdeführers sei zumindest gleichermaßen einer Raumnot in der Dienststelle und damit
öffentlichen Belangen Rechnung getragen worden. Sein dahingehender Vortrag findet jedenfalls in zwei
Schreiben des Vorstehers des Finanzamts vom 14. Mai und 1. September 2002 eine Bestätigung, in
denen dieser dem Beschwerdeführer für seine Bereitschaft dankt, „freie Arbeitsplätze für andere Kollegen
des Hauses zu schaffen.“ Der vorliegende Fall stellt daher die Annahme eines grundsätzlich vorrangigen
Interesses des Beamten infrage. Hinzu kommt, dass dieser unabhängig davon durch die Einführung von
Heimarbeit nicht ausnahmslos begünstigt, sondern beispielsweise durch die Vorhaltekosten des
häuslichen Arbeitsplatzes auch belastet wird.
c) Dessen ungeachtet konnte der Gesetzgeber die Begrenzung der Wegstreckenentschädigung auch bei
Wohnraumarbeit jedenfalls auf die Begründung stützen, die Wahl des Wohnortes dürfe für den
Dienstherrn keine weitergehende reisekostenrechtliche Erstattungspflicht begründen (vgl. LTDrucks.
15/3250, S. 6).
Der Gesetzgeber macht das Wohnen des Beamten am Dienstort schon lange nicht mehr zur Bedingung
für die Aufnahme in das Beamtenverhältnis. Die Aufhebung der sogenannten Residenzpflicht kann den
Dienstherrn nunmehr aber von Verfassungs wegen nicht zwingen, hierdurch entstehende Mehrkosten
gleichfalls zu übernehmen. Die Wahl des Wohnortes und die dadurch bedingten zusätzlichen
Aufwendungen sind durch die persönliche Lebensplanung des Beamten bestimmt. Dem trägt § 5 Abs. 4
LRKG Rechnung (vgl. OVG Rh-Pf, NVwZ-RR 2008, 803). Es obliegt daher der Einschätzung des Beamten,
ob die persönlichen Vorteile, die ihn zur Wahl des Wohnortes sowie zur Teilnahme am Heimarbeitsmodell
bewogen haben, damit verbundene Nachteile überwiegen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Dienst-
herrn, diese auszugleichen, besteht nicht. Zwar wohnt der Beschwerdeführer in einer Entfernung von
lediglich sieben Kilometern. Ohne die Einschränkung des § 5 Abs. 4 LRKG müsste der Dienstherr jedoch
auch bei einer erheblich größeren Distanz die Reisekosten voll erstatten, und zwar auch dann, wenn
diese überwiegend oder – bei einem Dienstgeschäft am Dienstort – ausschließlich auf der Wahl des
Wohnortes beruhen.
Diese Gesichtspunkte gelten unabhängig davon, ob der Beamte, der eine Dienstreise antritt,
normalerweise in der Dienststelle oder daheim arbeitet. Die Gleichbehandlung ist deshalb sachlich
gerechtfertigt und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Dem steht nicht entgegen, dass der Dienstherr aufgrund § 5 Abs. 4 LRKG in den Fällen, in denen der
Wohnort näher am Geschäftsort liegt, reisekostenrechtlich Nutzen daraus zieht, dass der Beamte nicht am
Wohnort näher am Geschäftsort liegt, reisekostenrechtlich Nutzen daraus zieht, dass der Beamte nicht am
Sitz der Dienststelle wohnt. Zum einen ist dies Folge der Beschränkung der Kostenerstattung auf die
tatsächlich entstandenen, dienstlich bedingten Aufwendungen. Zum anderen schafft die Vorschrift erst die
Voraussetzungen dafür, dass der Dienstherr über die Gewährung von Heimarbeit in der – durch das
Gebot sparsamer Haushaltsführung geforderten – Gewissheit entscheiden kann, hierdurch keine
Mehrkosten zu verursachen.
Die vorstehenden Erwägungen gelten allerdings nur so lange, wie die Einrichtung von Tele- und
Wohnraumarbeitsplätzen für die Beamten freiwillig und widerrufbar ist. Werden hingegen Arbeitsplätze
dadurch in den häuslichen Bereich der Beamten ausgelagert, dass diese zur Teilnahme am
Heimarbeitsmodell verpflichtet werden, so beruhen etwaige höhere Fahrkosten allein auf der Entschei-
dung des Dienstherrn mit der Folge, dass auch der Gesetzgeber an ihrer Abwälzung auf den Beamten
gehindert ist.
2. Die Beschränkung der Wegstreckenentschädigung widerspricht nicht der Fürsorgepflicht.
Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat aus Art. 126 und 127 LV hergeleitet, dass die
Landesverfassung als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums auch die Fürsorgepflicht
verbürgt (vgl. VerfGH Rh-Pf, AS 36, 346 [356]). Diese begründet jedoch keinen Anspruch des Beamten
gegen den Dienstherrn auf Erstattung von Mehrkosten, die aufgrund seiner Wohnortwahl entstehen, wenn
und soweit die Teilnahme des Beamten am Heimarbeitsmodell freiwillig ist und er sie widerrufen kann.
3. Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt
(§ 21a Abs. 1 VerfGHG).
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Kestel gez. Dr. Saftig