Urteil des VerfG Nordrhein-Westfalen vom 09.12.1996

VerfG Nordrhein-Westfalen (land, höhe, aufgaben, erstattung, bund, asylbewerber, 1995, unterbringung, freiwillige leistung, verhältnis zu)

Verfassungsgerichtshof NRW, VerfGH 38/95
Datum:
09.12.1996
Gericht:
Verfassungsgerichtshof NRW
Spruchkörper:
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
VerfGH 38/95
Leitsätze:
1.
Art. 78 Abs. 3 LV NW findet bei einer Aufgabenübertragung auf
Gemeinden durch Bundesgesetz keine Anwendung.
2.
Eine Kostenerstattungspauschale ist jedoch insgesamt an den
Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV NW zu messen, wenn sie nicht
aufspaltbar ist in Anteile, die auf einer Aufgabenübertragung durch
Bundesgesetz und einer solchen durch Landesgesetz beruhen.
Tenor:
§ 6 Abs. 1 FlüAG i. d. F. des 4. Änderungsgesetzes vom 29. November
1994 (GV NW S. 1087) sowie die Nichtgewährung einer
Betreuungspauschale für den Personenkreis des § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG
i. d. F. des 4. Änderungsgesetzes sind mit Art. 78 Abs. 3 LV unvereinbar.
Bis zum Inkrafttreten einer alsbald zu treffenden Neuregelung ist § 6
Abs. 1 FlüAG in der geltenden Fassung weiter anzuwenden.
Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin die Hälfte
der durch das Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu
erstatten.
A.
1
Die Beschwerdeführerin - eine kreisfreie Stadt - wendet sich gegen die
Kostenerstattungsregelungen im Zusammenhang mit der ihr übertragenen Aufgabe der
Unterbringung und Versorgung von ausländischen Flüchtlingen durch das Gesetz zur
Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AG AsylbLG) und das 4. Gesetz zur
Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) vom 29. November 1994 (GV NW
2
S. 1087) - Artikelgesetz -.
I.
3
Das Artikelgesetz ist durch das am 1. November 1993 in Kraft getretene Gesetz zur
Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl. S. 1074) -
AsylbLG - veranlaßt worden, dessen Ziel eine Absenkung der Leistungen war, die
Asylbewerber zuvor gemäß § 120 BSHG erhalten hatten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AG
AsylbLG (Art. 1 Artikelgesetz) sind für die Durchführung des
Asylbewerberleistungsgesetzes grundsätzlich die Gemeinden zuständig. Sie tragen
nach § 2 Satz 1 AG AsylbLG die Kosten für die Durchführung des Gesetzes. Das Land
Nordrhein-Westfalen beteiligt sich nach § 3 AG AsylbLG an den mit der Durchführung
des Asylbewerberleistungsgesetzes verbundenen Aufwendungen nach Maßgabe des
Flüchtlingsaufnahmegesetzes.
4
Für jeden ausländischen Flüchtling im Sinne des § 2 Nrn. 1 bis 6 FlüAG i. d. F. des 4.
Gesetzes zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (Art. 2 Artikelgesetz) - FlüAG
n. F. -, der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG oder laufende Hilfe zum Lebensunterhalt
entsprechend dem Bundessozialhilfegesetz (§ 2 AsylbLG) oder unmittelbar nach dem
Bundessozialhilfegesetz durch eine kreisfreie Stadt oder durch eine nach § 3 AG BSHG
herangezogene kreisangehörige Gemeinde erhält, gewährt das Land eine
Vierteljahrespauschale. Für Flüchtlinge im Sinne des § 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG n. F.
beträgt die Vierteljahrespauschale 1.935,-- DM (§ 4 Abs. 1 FlüAG n. F.) zuzüglich 90,--
DM zur Abgeltung des besonderen Betreuungsaufwandes (§ 4 Abs. 2 FlüAG n. F.). Für
Flüchtlinge im Sinne des § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n. F. wird eine Vierteljahrespauschale
in Höhe von 960,-- DM gewährt, für Flüchtlinge im Sinne des § 2 Nrn. 5 und 6 FlüAG n.
F. jedoch nur, wenn die Landesregierung die Zahlung beschließt (§ 6 Abs. 1 FlüAG n.
F.). Die Pauschalen werden für Flüchtlinge im Sinne des § 2 Nr. 1 FlüAG n. F. längstens
für die Dauer von vier Monaten nach unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags, für
Flüchtlinge im Sinne des § 2 Nrn. 2 bis 6 FlüAG n. F. längstens für die Dauer von drei
Jahren seit der Einreise bzw. der erstmaligen Anordnung nach §§ 32, 54 AuslG gewährt
(§ 3 Abs. 3 FlüAG n. F.).
5
Art. 4 Artikelgesetz sieht verschiedene Übergangsregelungen zum 4. Gesetz zur
Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vor. Nach Art. 4 Nr. 1 Artikelgesetz werden
von der Regelung des § 2 Nr. 6 FlüAG n. F. auch Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina
erfaßt, für die vor dem 1. Januar 1995 die Aussetzung der Abschiebung nach § 54
AuslG angeordnet worden ist. Für diesen Personenkreis beginnt die Anrechnung und
Erstattung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 3 und § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. am 1. Januar 1995
und endet mit Ablauf des 31. Dezember 1997. Nach Art. 4 Nr. 4 Artikelgesetz können die
Kostenträger für die Jahre 1995 und 1996 auch eine Erstattung auf der Grundlage der
bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Vorschriften verlangen. Die Erstattung für die
nach näherer Maßgabe zu ermittelnden Aufwendungen beträgt für das Jahr 1995 90 v.
H., für das Jahr 1996 80 v. H..
6
II.
7
1.
Artikelgesetzes verletzten sie in ihrem Recht auf Selbstverwaltung.
8
Die Beschwerdeführerin beantragt,
9
Die Beschwerdeführerin beantragt,
9
festzustellen, daß das Gesetz zur Ausführung des AsylbLG und das 4. Gesetz
zur Änderung des FlüAG vom 29. November 1994 (GV NW S. 1087) nichtig
sind.
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Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die angegriffenen Gesetze enthielten keine
den Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV genügende Regelung über die Deckung der
den Gemeinden entstehenden Kosten. Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner
bisherigen Rechtsprechung die Schutzfunktion des Art. 78 Abs. 3 LV weitgehend
ausgehöhlt. Art. 78 Abs. 3 LV gewährleiste ein relatives Konnexitätsprinzip. Dieses
verlange vom Gesetzgeber eine gesonderte Kostendeckungsregelung, die erkennbar
und nachprüfbar in einem Zusammenhang mit den übertragenen Aufgaben stehe und
nicht im allgemeinen Finanzausgleich aufgehe. Aber auch nach der bisherigen
Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes habe der Gesetzgeber den
Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV nicht genügt, weil die finanzielle Basis der
kommunalen Selbstverwaltung durch die angefochtenen Gesetze ausgehöhlt werde.
Die Bestimmungen über die Kostendeckung seien zudem willkürlich, unverhältnismäßig
und unzumutbar. Die unterschiedliche Höhe der Kostenerstattungspauschalen in § 4
Abs. 1 und § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. für die verschiedenen Gruppen von Flüchtlingen sei
sachlich nicht gerechtfertigt. Die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen beider
Gruppen stelle einen im wesentlichen gleichen Sachverhalt dar. Ein sachliches
Unterscheidungsmerkmal liege auch nicht darin, daß der Bund im Verhältnis zu den
Ländern möglicherweise die Hälfte der Kosten für Bürgerkriegsflüchtlinge zu tragen
habe. Die Gemeinden hätten nicht das Risiko zu tragen, daß zwischen Bund und
Ländern keine Einigung zustandekomme. § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. verstoße auch insoweit
gegen Art. 78 Abs. 3 LV, als die Kostenerstattungspflicht von einem Beschluß der
Landesregierung abhängig gemacht werde. Es sei ferner kein sachlicher Grund
ersichtlich, der es rechtfertige, lediglich für Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG n.
F., nicht jedoch für solche i. S. d. § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n. F. eine Betreuungspauschale
zu gewähren. Die in § 4 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 FlüAG n. F. vorgesehene Begrenzung
der Erstattung für abgelehnte Asylbewerber auf einen Zeitraum von bis zu vier Monaten
nach Unanfechtbarkeit der Ablehnung verstoße ebenfalls gegen das Willkürverbot. Die
zeitliche Begrenzung sei in den Fällen willkürlich, in denen eine rasche Abschiebung
aus Gründen unmöglich sei, die nicht im Einflußbereich der Gemeinden lägen.
Sachwidrig und willkürlich sei auch die zeitliche Begrenzung der Kostenerstattung auf
drei Jahre bei den sonstigen Flüchtlingen. Fiskalpolitische Motive seien kein sachliches
Kriterium für eine Begrenzung der Kostenerstattung. Die Abschläge in Höhe von 10 %
und 20 % bei der "Spitzabrechnung" gemäß Art. 4 Nr. 4 Artikelgesetz seien sachlich
nicht vertretbar. Schließlich fehle für die zu duldenden (Bürger-) Kriegsflüchtlinge ein
Verteilungsverfahren, so daß es zu einer ungleichgewichtigen Belastung der einzelnen
Gemeinden komme.
11
2.
wesentlichen vor: Die von Art. 78 Abs. 3 LV geforderte Kostenregelung müsse zwar der
Finanzsituation der Gemeinden insgesamt gerecht werden. Art. 78, 79 LV legten jedoch
keine bestimmte Deckungsquote für Kostenerstattungsregelungen fest, so daß dem
Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zustehe. Bei der Anpassung des
Flüchtlingsaufnahmegesetzes an das Asylbewerberleistungsgesetz seien den
Kommunen in ihrer Gesamtheit keine neuen Lasten entstanden. Die Leistungen der
Kommunen an die Asylbewerber seien durch das Asylbewerberleistungsgesetz nicht
erhöht, sondern vermindert worden. Den Kommunen sei auch keine neue Aufgabe
12
auferlegt worden, weil die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz der
Sache nach Sozialleistungen seien. Die Versorgungspauschale nach § 4 Abs. 1 FlüAG
n. F. in Höhe von 645,-- DM monatlich beruhe auf realistischen Annahmen, strebe
allerdings eine Vollkostenerstattung nicht an, sondern belasse den Gemeinden einen
durchschnittlich geringen Eigenanteil. Dabei sei zu berücksichtigen, daß Asylbewerber
in den ersten zwölf Monaten ihres Aufenthalts nur eingeschränkte Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhielten, daß die Pauschale für alle
leistungsbeziehenden Asylbewerber unabhängig von ihrem Familienstand gelte und
daß die Pauschale auch dann in voller Höhe gewährt werde, wenn ein Asylbewerber
aufgrund eigener Einkünfte nur ergänzende Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhalte. Zur Vermeidung von Härtefällen sei die
Übergangsregelung in Art. 4 Nr. 4 Artikelgesetz geschaffen worden. Höhere
Krankenhilfeaufwendungen im Einzelfall könnten regelmäßig im Rahmen der
Gesamtpauschale ausgeglichen werden. Gemeinden, die einer Überforderung
vorbeugen wollten, könnten auf freiwilliger Basis einen Fonds bilden, über den sie das
Risiko teilten. Die unterschiedliche Kostenerstattung für Flüchtlinge nach § 2 Nrn. 1 bis
3 und solche nach § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n. F. sei gerechtfertigt, weil sie aus
verschiedenen Wurzeln entstanden sei. Die Kostenerstattungspauschale nach § 6
FlüAG n. F. habe das Land zur Entlastung der Kommunen freiwillig übernommen. Anlaß
für die Kostenpauschale des § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. sei die Entschließung des Landtags
vom 3. Februar 1994 gewesen, die auch die Höhe der Leistung vorgegeben habe.
Danach habe das Land seinen Anteil in Höhe der Hälfte der für Asylbewerber
vorgesehenen Kostenerstattungspauschale übernehmen und den Bund auf eine hälftige
Beteiligung an den Kosten drängen wollen. Die Gemeinden und Gemeindeverbände
seien insgesamt durch das Asylbewerberleistungsgesetz nicht belastet, sondern
entlastet worden, so daß kein Grund für höhere Landeszuschüsse bestanden habe.
Soweit Leistungen nur für Flüchtlinge erbracht würden, zu deren Gunsten Anordnungen
ab dem 1. Januar 1995 getroffen worden seien, und nur, soweit die Landesregierung
einen entsprechenden Beschluß fasse (§ 6 Abs. 1 FlüAG n. F. ), handele es sich um
freiwillige Leistungen des Landes, die das Land durch eine Stichtagsregelung und
darüber hinaus unter Wahrung des Gleichheitssatzes begrenzen dürfe. Sowohl die Vier-
Monats-Frist für abgelehnte Asylbewerber als auch die Drei-Jahres-Frist für sonstige
Flüchtlinge fänden sich bereits in der Urfassung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes von
1984. Grundlage der Befristung sei die zutreffende Einschätzung, daß Flüchtlinge die
Gemeinden in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft stärker belasteten und mit
zunehmender Aufenthaltsdauer ihren Lebensunterhalt selbst sicherstellen könnten.
B.
13
Die nach Art. 75 Nr. 4 LV, § 50 VerfGHG zulässige Verfassungsbeschwerde ist
begründet, soweit § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. für ausländische Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 4
bis 6 FlüAG n. F. eine Vierteljahrespauschale in Höhe von 960,-- DM vorsieht und die
Gewährung dieser Pauschale von einem Beschluß der Landesregierung abhängig
macht und soweit eine Betreuungspauschale für den vorgenannten Personenkreis nicht
gewährt wird. Insoweit wird das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung der
beschwerdeführenden kreisfreien Stadt wegen Verstoßes gegen Art. 78 Abs. 3 LV
verletzt. Im übrigen ist sie unbegründet.
14
I.
15
Der Verfassungsgerichtshof hat die finanziellen Auswirkungen des
16
Flüchtlingsaufnahmegesetzes i. d. F. des Artikelgesetzes für die Beschwerdeführerin
umfassend zu prüfen. Er ist an einer solchen Prüfung nicht dadurch gehindert, daß
möglicherweise einzelne Teilregelungen des angegriffenen Gesetzes der Sache nach
bereits in früheren Fassungen enthalten waren. Mit dem Artikelgesetz hat der
Gesetzgeber auf der Grundlage neuer leistungsgewährender Vorschriften die
Zuständigkeiten der Verwaltung geändert, den Personenkreis, für den die Gemeinden
und Gemeindeverbände Kostenerstattungen erhalten, erweitert und ein neues, im
wesentlichen auf Kostenpauschalen beruhendes Erstattungsmodell eingeführt. Mit
diesen grundlegenden Veränderungen hat der Gesetzgeber eine Gesamtlösung
verabschiedet, die auch übernommene Bestandteile in einen neuen -
verfassungsgericht-lich überprüfbaren - Zusammenhang stellt.
II.
17
Nach Art. 78 Abs. 3 LV kann das Land die Gemeinden und Gemeindeverbände durch
gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher
Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten
getroffen werden.
18
1.
Abs. 2 LV (Art. 28 Abs. 2 GG) gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltung. Ihr Sinn
besteht darin, den kommunalen Gebietskörperschaften die finanzielle Grundlage für
eine ausreichende, eigenverantwortliche Selbstverwaltungstätigkeit zu erhalten. Die
Gemeinden und Gemeindeverbände können ihre Aufgaben im eigenen und im
übertragenen Wirkungskreis nur erfüllen, wenn sie über die notwendigen Finanzmittel
verfügen. Art. 78 Abs. 3 LV will verhindern, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände
infolge einer Überlastung mit Pflichtaufgaben ihre traditionellen Aufgaben
vernachlässigen müssen. Da die Übertragung von Aufgaben auf die Kommunen ohne
Erstattung der zusätzlichen Kosten zu Lasten der Erfüllung von (freiwilligen)
Selbstverwaltungsaufgaben gehen kann, weil sie die finanziellen Mittel für diese
mindert, kann sich infolge der Übertragung eine Aushöhlung der finanziellen Basis der
Selbstverwaltung ergeben. Deshalb verpflichtet Art. 78 Abs. 3 LV den
Landesgesetzgeber, nicht nur zu prüfen, in welchem Umfang den
Selbstverwaltungskörperschaften aus Anlaß der Aufgabenübertragung neue
Deckungsmittel zuzuführen sind, sondern auch dazu, eine Regelung zu treffen (vgl.
VerfGH NW, OVGE 38, 301, 302 f.). Das Land soll nicht beliebig Aufgaben auf die
Kommunen verlagern dürfen, ohne für deren Finanzierung Sorge zu tragen. Der
Landesgesetzgeber hat sich bei jeder Übertragung von neuen öffentlichen Aufgaben auf
die Gemeinden und Gemeindeverbände bewußt zu machen, daß diese damit finanziell
belastet werden. Das gilt auch bei einer Erweiterung bereits früher übertragener
Aufgaben (VerfGH NW, NWVBl. 1993, 7, 11).
19
2.
"Gleichzeitigkeit" einer Kostenregelung, weder die Modalitäten der Kostenregelung
noch eine bestimmte Höhe der Kostendeckung ausdrücklich vor.
20
a)
"bestimmter öffentlicher Aufgaben", ohne zwischen einzelnen Aufgabenarten zu
unterscheiden (vgl. VerfGH NW, OVGE 38, 301). Dieser umfassende, nicht auf eine
Aufgabenart beschränkte Wortlaut unterscheidet sich von der niedersächsischen
21
Regelung des Art. 57 NV ("staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung"), die nach
Auffassung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs einen Aufgabendualismus zum
Ausdruck bringt (NdsStGH, DVBl. 1995, 1175 ff).
b)
es verfassungsrechtlich nicht geboten sei, Kosten im Sinne des Art. 78 Abs. 3 LV - sei
es im Rahmen des Aufgabenübertragungsgesetzes, sei es im Rahmen des
Finanzausgleichsgesetzes - gesondert abzugelten, und daß den Gemeinden und
Gemeindeverbänden verfassungsrechtlich eine angemessene Finanzausstattung zur
Erfüllung aller ihrer Aufgaben nur als Gesamtvolumen gewährleistet sei (OVGE 38, 301,
305 f. m. w. N.; NWVBl. 1993, 7, 11 f.). Soweit demgegenüber die Beschwerdeführerin
sowie die beschwerdeführenden Gemeinden des Parallelverfahrens die Auffassung
vertreten, die Landesverfassung enthalte eine "dualistische Finanzgarantie" des Inhalts,
daß Art. 79 Satz 2 LV eine für die Aufgabenerfüllung insgesamt ausreichende
Finanzausstattung der Gemeinden gewährleiste und Art. 78 Abs. 3 LV eine
aufgabenakzessorische und finanzkraftunabhängige Kostenerstattung bei Übertragung
neuer Pflichtaufgaben auf die Gemeinden (Konnexitätsprinzip) vorsehe, ist diese Frage
für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens letztlich ohne Bedeutung. Der
Gesetzgeber hat die Frage der Deckung der hier in Rede stehenden Kosten nicht im
Zusammenhang mit dem allgemeinen Finanzausgleich geregelt, sondern - nach
Ermittlung des Kostenbedarfs - gesonderte Bestimmungen im Artikelgesetz getroffen,
die eine aufgabenakzessorische und finanzkraftunabhängige Kostenerstattung
vorsehen. Er hat die übertragene Einzelaufgabe und die durch sie bewirkten
Zusatzkosten für die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Grundlage der
Kostendeckungsregelung gemacht. Es bedarf daher auch keiner Erörterung, ob einer
dualen Finanzgarantie, wie sie von der Beschwerdeführerin vertreten wird, nicht bereits
dann genügt wäre, wenn im allgemeinen Finanzausgleich ein einheitlicher Ansatz für
unterschiedliche Pflichtaufgaben in der Form einer pauschalierenden
Zusammenfassung vorgesehen wäre (so NdsStGH, DVBl. 1995, 1175, 1176).
22
c)
Einzelaufgabe bezogene Kostendeckungsregelung entscheidet, verlangt die
Verfassung nicht, daß der Gesetzgeber eine Erstattung der Kosten gemeindlicher
Pflichtaufgaben in vollem Umfang anordnet. Dem Gesetzgeber steht bei der Festlegung
der Deckungshöhe ein Gestaltungsspielraum zu, der jedoch nicht unbegrenzt ist.
Bindungen ergeben sich für den Gesetzgeber aus dem systematischen Zusammenhang
von Art. 78 Abs. 3 LV, der der finanziellen Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung
dient, mit Art. 78 Abs. 1 und 2 LV. Deshalb hat der Gesetzgeber bei der Ausfüllung der
Verfassungsdirektive des Art. 78 Abs. 3 LV jedenfalls die Sicherung der kommunalen
Selbstverwaltung nach Art. 78 Abs. 1 und 2 LV (Art. 28 Abs. 2 GG) und das Verbot zu
beachten, willkürliche, unverhältnismäßige und unzumutbare Regelungen zu treffen
(VerfGH NW, OVGE 38, 301, 302, 306; VerfGH NW, NWVBl. 1993, 7, 11). Gemessen an
Art. 78 Abs. 3 LV ist eine Kostenerstattungsregelung willkürlich, die im Rahmen eines
Erstattungssystems ohne rechtfertigenden Grund für Aufgaben mit gleich hohem
Kostenaufwand unterschiedlich hohe Erstattungen vorsieht.
23
Bei der Bestimmung der Deckungshöhe ist auch von Bedeutung, daß die Gemeinden
und Gemeindeverbände mit Bund und Ländern in einem gemeinsamen Finanzverbund
zusammengeschlossen sind, so daß die Aufgaben und Belange der übrigen Mitglieder
des Finanzverbundes zu berücksichtigen sind (VerfGH NW, OVGE 38, 301, 308). Eine
Eigenbeteiligung kann sich darüber hinaus als Anreiz für den gebotenen sparsamen
24
Umgang mit öffentlichen Mitteln erweisen, zumal dann, wenn die im Rahmen von Art. 78
Abs. 3 LV zu beachtende Haushaltslage des Landes eine besondere Sparsamkeit
angezeigt sein läßt (VerfGH NW, NWVBl. 1993, 7, 12).
Bei der Festlegung einer Deckungsquote hat der Gesetzgeber ferner die Finanzsituation
der Gemeinden insgesamt zu berücksichtigen. Je höher die Deckungsquote ist, umso
geringer sind die nach finanzkraftabhängigen Maßstäben zu verteilenden Mittel.
Andererseits haben die besonders finanzstarken Gemeinden ein berechtigtes Interesse,
gesondert ausgewiesene Zuweisungen zu den Kosten der Pflichtaufgaben zu erhalten
(vgl. VerfGH NW, OVGE 38, 301, 309, m. w. N.; NdsStGH, DVBl. 1995, 1175, 1176 f.).
25
Im Rahmen des ihm von der Verfassung zugestandenen Gestaltungsspielraums kann
der Gesetzgeber die Kostenerstattungsregelung auch in typisierender und
pauschalierender Form treffen. Der hierfür gegebene Spielraum ist umso weiter, je mehr
sich der zu regelnde Sachverhalt aufgrund seiner Komplexität und
Wandlungsanfälligkeit einer Prognose entzieht. Im Einzelfall kann sich deshalb jede
nicht offensichtlich sachwidrige Regelung als willkürfrei erweisen (VerfGH NW, NWVBl.
1996, 97, 99). Der Gesetzgeber hat seiner Prognoseentscheidung realistische
Kostenberechnungen zugrundezulegen.
26
III.
27
Das Artikelgesetz ist mit den genannten verfassungsrechtlichen Maßstäben nur in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang vereinbar.
28
1.
Abgeltung des besonderen Betreuungsaufwandes gemäß § 4 Abs. 1 und 2 FlüAG n. F. -
also monatlich 645,-- DM zuzüglich 30,-- DM - für jeden ausländischen Flüchtling i. S. d.
§ 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG n. F. wird den Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV gerecht.
29
a)
d. § 2 Nr. 1 FlüAG n. F., sondern auch insoweit Prüfungsmaßstab, als die
Kostenpauschale für Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 2 und 3 FlüAG n. F. gewährt wird. Zwar
ist Art. 78 Abs. 3 LV bei einer Aufgabenübertragung auf Gemeinden durch
Bundesgesetz nicht anwendbar (1). Die mit der Kostenpauschale für Flüchtlinge i. S. d.
§ 2 Nrn. 2 und 3 FlüAG n. F. abgegoltenen Kosten betreffen jedoch nicht nur
Aufgabenwahrnehmungen aufgrund des Bundessozialhilfegesetzes, also kraft
Bundesrechts, sondern auch solche aufgrund des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, also
kraft Landesrechts (2). Die in Rede stehende einheitliche Kostenpauschale ist
insgesamt an den Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV zu messen, da sie nicht
aufspaltbar ist in einen Anteil, der auf Aufgabenübertragung durch Bundesgesetz beruht,
und in einen solchen, der auf Aufgabenübertragung durch Landesgesetz beruht (3).
30
(1)
Voraussetzungen Aufgaben auf die Gemeinden zu übertragen. Zu einer Ermächtigung
des Bundes wäre der Landesgesetzgeber bereits bundesverfassungsrechtlich nicht
befugt. Der Wortlaut insbesondere des ersten Halbsatzes des Art. 78 Abs. 3 LV macht
deutlich, daß nur für den Fall Kostendeckungsregelungen zu treffen sind, daß das Land
selbst durch gesetzliche Vorschriften die Gemeinden zur Aufgabenübernahme und -
durchführung verpflichtet. Eine Erstreckung der Verfassungsdirektive auf
31
bundesrechtliche Aufgabenübertragungen folgt auch nicht aus der Überlegung, daß ein
aufgabenübertragendes Bundesgesetz den Ländern wegen der
Zustimmungspflichtigkeit desselben (vgl. Art. 84 Abs. 1 GG) zugerechnet werden kann
(so aber Hofmann-Hoeppel, Die (finanz-) verfassungsrechtliche Problematik des BSHG-
Vollzugs durch kommunale Gebietskörperschaften, 1992, S. 129 f.; Waechter,
Verwaltungsarchiv 1994, 208, 218). Die Zustimmungsbedürftigkeit eines
aufgabenübertragenden Bundesgesetzes ändert nichts an dem Umstand, daß nicht das
Land, sondern der Bund die Gemeinden zur Aufgabenwahrnehmung verpflichtet. Eine
Inpflichtnahme durch den Bund wird jedoch von dem eindeutigen Wortlaut des Art. 78
Abs. 3 LV nicht erfaßt (für die insoweit vergleichbare Bestimmung des Art. 78 Abs. 3 LV
BW, ebenso StGH BW, DVBl. 1994, 206).
(2)
Kreisen und kreisfreien Städten sowohl zur Abgeltung der Leistungsgewährung nach
dem Bundessozialhilfegesetz als auch der Aufgabenwahrnehmung nach dem
Flüchtlingsaufnahmegesetz gewährt. Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 2 und 3 FlüAG n. F.
sind nicht nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt (§ 1 Abs. 1 und 2
AsylbLG), sondern erhalten Leistungen unmittelbar nach dem Bundessozialhilfegesetz.
Sachlich zuständig für die Leistungsgewährung sind nach §§ 9, 96 BSHG die kreisfreien
Städte und die Landkreise als örtliche Träger der Sozialhilfe. Insoweit erfolgt eine
konstitutive Übertragung der Sozialhilfeaufgaben an die Kreise und kreisfreien Städte
durch Bundesgesetz (ebenso StGH BW, DVBl. 1994, 206 f.).
32
Die Kostenpauschale nach § 4 Abs. 1 FlüAG n. F. soll jedoch nicht nur die
Leistungsgewährung an die Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 2 und 3 FlüAG n. F. nach dem
Bundessozialhilfegesetz, sondern auch die Aufwendungen für die Aufnahme und
Unterbringung der Flüchtlinge abdecken. Diese Pflichtaufgabe ergibt sich für die
Gemeinden und Gemeindeverbände nicht aus dem Bundessozialhilfegesetz, sondern
aus der landesrechtlichen Vorschrift des § 1 FlüAG. Die Hilfe zum Lebensunterhalt i. S.
d. § 12 BSHG umfaßt die Unterkunft nur in der Form der Unterkunftskosten; § 12 BSHG
verpflichtet hingegen nicht zur Beschaffung einer Unterkunft. Zwar wird nach der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die Gewährung und Sicherung einer
Unterkunft auf Dauer, soweit ein Hilfebedürftiger sich ausnahmsweise nicht selbst
helfen kann und die Hilfe auch nicht von anderen erhält, grundsätzlich als Aufgabe des
zuständigen Trägers der Sozialhilfe angesehen (vgl. VGH BW, Beschluß vom 30.
Oktober 1986, DÖV 1987, 256; VGH BW, Urteil vom 15. April 1992, FEVS 43, 470, 471).
Ein Anspruch auf Zuweisung einer Wohnung besteht jedoch nach dem
Bundessozialhilfegesetz grundsätzlich nicht (VGH BW, Urteil vom 15. April 1992, aaO,
S. 472; im Ergebnis ebenso HessVGH, Beschluß vom 31. August 1983, FEVS 33, 189;
HessVGH, Beschluß vom 10. Januar 1986, FEVS 35, 417; OVG Saarlouis, Beschluß
vom 8. April 1987, FEVS 37, 242; ferner Oestreicher u. a. BSHG, § 12 Rdnr. 7). Eine
solche Pflicht begründet vielmehr § 1 FlüAG. Danach sind die Gemeinden, unabhängig
von der Sozialhilfeträgerschaft, zur Unterbringung der Flüchtlinge durch Bereitstellen
von Wohnraum verpflichtet. Vor Inkrafttreten des Artikelgesetzes fand diese
Verpflichtung ihre besondere Ausprägung in § 4 FlüAG a. F., der die Errichtung und
Unterhaltung von Übergangsheimen durch die Gemeinden vorsah, um die Flüchtlinge
unterbringen zu können. Insoweit stand den Gemeinden ein gesonderter
Kostenerstattungsanspruch gemäß § 6 Abs. 2 FlüAG a. F. (vgl. auch § 6 Abs. 1 FlüAG a.
F.) zu. Das Flüchtlingsaufnahmegesetz i. d. F. des Artikelgesetzes hat an der
Verpflichtung der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Aufnahme und Unterbringung
der Flüchtlinge festgehalten und lediglich von einer gesonderten Regelung hinsichtlich
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der Unterbringung in Übergangsheimen abgesehen.
(3)
78 Abs. 3 LV unterworfen, da sie nicht zwischen den Kosten für die
Leistungsgewährung nach dem Bundessozialhilfegesetz und den Kosten für die
Aufnahme und Unterbringung nach § 1 FlüAG n. F. differenziert. Sie läßt sich mangels
hinreichend verläßlicher Kriterien auch nicht fiktiv auf verschiedene Kostenanteile
aufspalten.
34
Die Betreuungspauschale des § 4 Abs. 2 FlüAG n. F. ist ebenfalls an Art. 78 Abs. 3 LV
zu messen, da sie zumindest auch den mit der Aufnahme und Unterbringung der
Flüchtlinge i. S. d. § 1 FlüAG n. F. entstehenden Betreuungsaufwand erfaßt. Dieses
Verständnis wird durch die Entwicklungsgeschichte der Betreuungspauschale bestätigt.
Bereits § 6 Abs. 3 FlüAG a. F. sah eine Pauschale in gleicher Höhe für die Betreuung
ausländischer Flüchtlinge bei deren Unterbringung vor, unabhängig davon, ob den
betreuenden Gemeinden zugleich die Leistungsgewährung nach dem
Bundessozialhilfegesetz oblag.
35
b)
FlüAG n. F.) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Umfang der durch das
Asylbewerberleistungsgesetz und das Bundessozialhilfegesetz bei den Gemeinden
verursachten Kosten hängt von einer Vielzahl von Variablen ab und läßt sich nicht exakt
ermitteln. So schwanken etwa die Unterbringungskosten für ausländische Flüchtlinge
zwischen 50,-- und 400,-- DM in den einzelnen Kommunen (vgl. Gutachten von
Mummert und Partner, S. 45 f.). Sofern die den Asylbewerbern in den ersten 12 Monaten
zu gewährenden sonstigen Grundleistungen i. S. d. § 3 AsylbLG, wie vom Gesetz
angestrebt, durch Sachleistungen gedeckt werden, hängen deren Kosten ebenfalls vom
sparsamen und wirtschaftlichen Handeln der Gemeinden ab; Anhaltspunkte für deren
Höhe geben die in § 3 Abs. 2 AsylbLG subsidiär vorgesehenen Geldleistungen, die je
nach Familienstatus differieren. Die den übrigen Personenkreisen in entsprechender
oder unmittelbarer Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes zu gewährenden
Leistungen liegen höher. Die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt,
die von den Gemeinden nicht zu beeinflussen sind, weisen ebenfalls erhebliche
Unterschiede auf. Die Pauschale des § 4 Abs. 1 und 2 FlüAG n. F. in Höhe von
umgerechnet 675,-- DM monatlich deckt demnach - auch nach Auffassung der
Landesregierung - in einem Teil der Gemeinden die tatsächlich entstehenden Kosten
nicht voll.
36
Daß die demnach nicht gedeckten, von den Gemeinden zu tragenden Kosten die
finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden berühren, läßt sich gleichwohl nicht
feststellen. In den Anhörungen vor Erlaß des Gesetzes wurde von den kommunalen
Spitzenverbänden ein Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 800,-- DM monatlich
(einschließlich Betreuungspauschale) als ausreichend erachtet. Soweit die
Beschwerdeführerin und die beschwerdeführenden Gemeinden des Parallelverfahrens
hierzu Angaben gemacht haben (zum Teil auf der Grundlage von Hochrechnungen),
betrugen ihre Kosten für Unterbringung, Versorgung und Betreuung einschließlich der
Kosten der Krankenversorgung im Jahr 1995 je Person monatlich überwiegend
zwischen 540,-- DM und 850,-- DM. Unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums
des Gesetzgebers, der bei der Regelung der Kostenerstattung neben der finanziellen
Lage der Gemeinden auch die des Landes berücksichtigen, einen Eigenanteil der
Gemeinde vorsehen und eine Pauschalierung vornehmen darf, ist nicht erkennbar, daß
37
die in § 4 Abs. 1 und 2 FlüAG n. F. geregelte Kostenerstattungspauschale in Höhe von
675,-- DM monatlich verfassungsrechtlich unvertretbar ist.
2.
des § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG in Höhe von 960,-- DM vierteljährlich bzw. 320,-- DM
monatlich verletzt die Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 78 Abs. 3 LV, weil sie
sich im Rahmen des vom Gesetzgeber gewählten Erstattungssystems als willkürlich
erweist.
38
a)
Anwendung, als die Kostenpauschale des § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. sich auf Flüchtlinge i.
S. d. § 2 Nrn. 4 und 5 FlüAG n. F. bezieht, die - wie die Flüchtlingsgruppen des § 2 Nrn.
2 und 3 FlüAG n. F. - Leistungen unmittelbar nach dem Bundessozialhilfegesetz
erhalten.
39
b)
Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV auch insoweit unterworfen, als sie eine
Kostenpauschale für die Flüchtlingsgruppe des § 2 Nr. 6 FlüAG n. F. normiert. Entgegen
der Auffassung der Landesregierung handelt es sich dabei nicht um eine "freiwillige"
Leistung an die Gemeinden. Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nr. 6 FlüAG n. F. sind nicht nach
dem Bundessozialhilfegesetz, sondern nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigt und
erhalten Leistungen entsprechend dem Bundessozialhilfegesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 2
AsylbLG); mit der Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes hat das Land die
Gemeinden beauftragt (§ 1 Satz 1 AG AsylbLG). Diese Aufgabenübertragung
verpflichtet das Land zu einer "gleichzeitigen", nicht notwendig gesonderten
Kostenregelung i. S. d. Art. 78 Abs. 3 LV. Entschließt sich der Gesetzgeber - wie hier -
im Rahmen seines Gestaltungsspielraums zu einer gesonderten Kostenerstattung, so ist
diese Kostenerstattung keine "freiwillige", sondern an den Grundsätzen des Art. 78 Abs.
3 LV und damit auch am Willkürverbot zu messen.
40
c)
in einzelnen Merkmalen gleichen, ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu
entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder
Ungleichbehandlung ansieht. Das Willkürverbot verwehrt ihm grundsätzlich nur, Art und
Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer acht zu lassen. Auch bei der
Finanzausstattung der Gemeinden hat er eine weitgehende Gestaltungsfreiheit.
Angesichts des generellen Charakters der gesetzgeberischen Einschätzung ist eine
Typisierung und Pauschalierung zulässig (VerfGH NW, NWVBl. 1993, 7, 9). Von einem
selbst gesetzten Regelungsystem oder von ihm getroffenen Wertungen darf der
Gesetzgeber abweichen, wenn dies durch plausible Gründe gerechtfertigt und vertretbar
ist (vgl. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 4. Aufl. 1992, Art.
3 Rdnr. 30 m. w. N.; Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 837 f.).
41
d)
Landesgesetzgeber hat den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum überschritten. Es
widerspricht dem vom Gesetzgeber gewählten Erstattungssystem, wenn § 6 Abs. 1
FlüAG n. F. für die Personengruppen des § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n. F. lediglich die Hälfte
der Erstattungspauschale vorsieht, die nach § 4 Abs. 1 FlüAG n. F. für die
Personengruppen des § 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG n. F. gewährt wird.
42
Ein rechtfertigender Grund für diese Differenzierung liegt nicht darin, daß den
Gemeinden im Zusammenhang mit den Personengruppen des § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n.
F. geringere Kosten als bei den Personengruppen des § 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG n. F.
entstünden. Dies ist weder von den Beteiligten behauptet worden, noch liegen
Anhaltspunkte für eine solche Annahme vor. Der Leistungsumfang für Asylbewerber in
den ersten zwölf Monaten ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nach §§
3 ff. AsylbLG ist sogar geringer als der für andere Flüchtlinge in entsprechender oder
unmittelbarer Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes, sofern die Grundleistungen
an Asylbewerber in Form von Geldleistungen gewährt werden.
43
Ein sachlicher Differenzierungsgrund ist auch nicht die für die Entscheidung des
Landesgesetzgebers maßgebliche Vorstellung, der Bund sei aufgrund des sogenannten
Asylkompromisses verpflichtet, die andere Hälfte der Kostenerstattung zu übernehmen.
Die Entstehungsgeschichte der "hälftigen" Kostenpauschale des § 6 Abs. 1 FlüAG n. F.,
die spätere Rechtfertigung der Vorschrift durch die Landesregierung sowie die
Stellungnahme der Landesregierung im vorliegenden Verfahren lassen keinen Zweifel
daran, daß das allein maßgebliche und entscheidende Motiv für die Regelung die
Auffassung war, daß der Bund für verpflichtet gehalten wurde, die andere Hälfte der
Kostenerstattung zu übernehmen. Alle Fraktionen im Landtag stimmten darin überein,
daß der Bund sich seiner Verantwortung zur "hälftigen Kostenübernahme" entzogen
habe und daß deshalb das Land Nordrhein-Westfalen (lediglich) "seinen Anteil" an der
Erstattung der Kosten der Kommunen übernehmen müsse (vgl. Landtags-Drucksachen
11/6698, 11/6640 und 11/6705 sowie Plenarprotokoll 11/121 vom 3. Februar 1994, S.
15322 ff.). Der Landtag beschloß daher, daß die Bemühungen um eine Beteiligung des
Bundes an den Aufwendungen der Kommunen fortgesetzt werden sollten und daß das
Land "schon jetzt seinen Anteil an den Kosten der Kommunen für die
Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina (übernehmen sollte), und zwar mit
einem Zuschuß in Höhe der Hälfte der Pauschale, die für Asylbewerber in Betracht
kommt" (Plenarproto-koll 11/121 vom 3. Februar 1994, S. 15332 f. i. V. m. Landtags-
Drucksachen 11/6640 und 11/6705).
44
Das danach maßgebliche Motiv für die "Halbierung" der Kostenpauschale ist sachwidrig
und rechtfertigt die Differenzierung nicht. Das Land kann die Gemeinden zwecks
angemessener Finanzausstattung nicht an den Bund verweisen, ohne gegen seine
Verpflichtung aus Art. 78 Abs. 3 LV zu verstoßen. Der Bund ist weder berechtigt noch
verpflichtet, die finanziellen Verhältnisse der Gemeinden unmittelbar ohne Einschaltung
der Länder zu ordnen, sieht man von hier nicht vorliegenden ausdrücklich normierten
Ausnahmefällen (z.B. Art. 106 Abs. 7 GG) ab. Ein unmittelbarer Durchgriff auf die
Gemeinden wird dem Bund durch die bundesstaatliche Ordnung deshalb versagt. Die
Sorge für die Gemeindefinanzen fällt grundsätzlich in die ausschließliche Kompetenz
der Länder (BVerfGE 26, 172, 181 m. w. N.). Dementsprechend sind im Bundesstaat
nicht Bund und Gemeinden Partner bei Finanzhilfen des Bundes zugunsten von
Gemeinden, sondern stets Bund und Länder (BVerfGE 41, 291, 313). Die vom Land
angenommene Verpflichtung des Bundes, sich an den Kosten für (Bürger-)
Kriegsflüchtlinge zu beteiligen, kann daher nur gegenüber dem Land bestehen; sie
berechtigt das Land nicht, seine eigene Verpflichtung gegenüber den Gemeinden zu
einer Kostenregelung i. S. d. Art. 78 Abs. 3 LV zu ignorieren und die Gemeinden auf die
Kostenerstattung durch den Bund zu verweisen. Ist es mithin Sache des Landes, eine
etwaige Verpflichtung des Bundes zur Kostenbeteiligung durchzusetzen, vermag die
vom Land erhoffte Bundesbeteiligung die Reduzierung der Kostenpauschale nicht zu
rechtfertigen.
45
Die systemwidrige hälftige Kostenpauschale kann nicht über den Finanzausgleich
kompensiert werden. Das Gemeindefinanzierungsgesetz kann zwar
Finanzierungsdefizite ausgleichen, nicht aber Systemwidrigkeiten im gewählten
Erstattungsmodell. Normiert der Gesetzgeber ein bestimmtes Erstattungssystem, so
werden willkürliche, in sich nicht stimmige Regelungen innerhalb des
Erstattungssystems nicht durch den allgemeinen Finanzausgleich gerechtfertigt.
46
Auch eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die finanzielle Belastung der
Gemeinden durch die Unterbringung und Versorgung ausländischer Flüchtlinge statt in
einer gesonderten Kostenerstattungsregelung lediglich im Rahmen des allgemeinen
Finanzausgleichs berücksichtigen zu können, würde - entgegen der Auffassung der
Landesregierung - nicht die Verletzung des Willkürverbots im normierten
Erstattungssystem rechtfertigen. Hat der Gesetzgeber sich für eine bestimmte
gesonderte Kostenerstattungsregelung entschieden, muß diese Regelung dem
Willkürverbot genügen; der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum, auf eine
gesonderte Kostenregelung verzichten zu können, berechtigt nicht zu einer
sachwidrigen Regelung.
47
Die Beschwerdeführerin kann für die Jahre 1995 und 1996 auch nicht auf die - wie noch
darzulegen sein wird - verfassungsmäßige Übergangsregelung des Art. 4 Nr. 4
Artikelgesetz verwiesen werden; denn die Systemwidrigkeit der Kostenpauschale nach
§ 6 Abs. 1 FlüAG n. F. bliebe davon unberührt.
48
3.
Flüchtlinge im Sinne des § 2 Nrn. 5 und 6 FlüAG n. F. die Gewährung einer
Kostenpauschale nur für den Fall vorsieht, daß die Landesregierung die Erstattung unter
Bezugnahme auf diese Regelung beschließt.
49
Art. 78 Abs. 3 LV verlangt, daß bei einer Aufgabenübertragung "gleichzeitig
Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden". Dem Wortlaut der
Vorschrift ist nicht eindeutig zu entnehmen, in welcher Form die "Bestimmungen" über
die Kostendeckung zu treffen sind. Aufbau sowie Sinn und Zweck der Vorschrift
ergeben indes, daß die Kostendeckung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu
regeln ist. Muß die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf die Gemeinden und
Gemeindeverbände nach Art. 78 Abs. 3 LV durch "gesetzliche Vorschriften" erfolgen, so
hat eine "gleichzeitige Bestimmung" über die Kostendeckung ebenfalls der
Landesgesetzgeber zu treffen. Sinn des Art. 78 Abs. 3 LV ist es, dem Gesetzgeber bei
jeder Aufgabenübertragung vor Augen zu führen, daß diese eine finanzielle Belastung
der Gemeinden bewirkt. Der Gesetzgeber ist nicht nur zu einer Prüfung der finanziellen
Belastung verpflichtet, sondern auch dazu, selbst eine Regelung zu treffen (ständige
Rechtsprechung seit VerfGH NW, OVGE 38, 301, 302). Der die Aufgabenübertragung
regelnde Landesgesetzgeber wird der Schutzfunktion des Art. 78 Abs. 3 LV nicht
gerecht, wenn er die Frage der Kostendeckung - wie hier - dem Belieben der Exekutive
überläßt.
50
4.
verletzt, als ihr für die Personengruppen des § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n. F. nicht die
Betreuungspauschale im Sinne des § 4 Abs. 2 FlüAG n. F. in Höhe von 30,-- DM
monatlich gewährt wird. Darin liegt ebenfalls ein Verstoß gegen das Willkürverbot.
51
Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, den Gemeinden
zwar für die Personengruppen des § 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG n. F. eine
Betreuungspauschale zu gewähren, nicht jedoch für die Personengruppen des § 2 Nrn.
4 bis 6 FlüAG n. F.. Es sind weder Anhaltspunkte vom Land vorgetragen noch sonst
ersichtlich, daß für Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 4 bis 6 FlüAG n. F. grundsätzlich
geringere Betreuungskosten entstünden als für Flüchtlinge i. S. d. § 2 Nrn. 1 bis 3 FlüAG
n. F..
52
5.
1 FlüAG n. F. (Asylbewerber) längstens für die Dauer von vier Monaten nach
unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags in § 4 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 1 FlüAG
n. F. ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist weder unzumutbar noch
unvertretbar, wenn der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden
Prognosespielraums von einer Kostenerstattung über diesen Zeitpunkt hinaus
abgesehen hat.
53
Bereits § 6 Abs. 4 Nr. 1 FlüAG vom 27. März 1984 (GV NW S. 214), der eine
Kostenerstattung des Landes zugunsten der Träger der Sozialhilfe (Kreise und kreisfreie
Städte) vorsah, beschränkte die Erstattung auf einen Zeitraum von längstens vier
Monaten nach rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens. Der
Verfassungsgerichtshof hat diese Vorschrift, ohne zu der zeitlichen Beschränkung
ausdrücklich Stellung zu nehmen, als verfassungsgemäß angesehen (VerfGH NW,
NWVBl. 1993, 7; VerfGH NW, NWVBl. 1993, 132).
54
Die zeitliche Beschränkung der Erstattung verfolgt das legitime Ziel, auf eine zügige
Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern hinzuwirken, um öffentliche Mittel zu
sparen. Dieses Ziel rechtfertigt es, in pauschalierender Form die Erstattung der von den
Gemeinden zu erbringenden Leistungen generell auf einen bestimmten Zeitraum nach
Ablehnung des Asylantrags zu begrenzen. Der Gesetzgeber war insbesondere nicht
verfassungsrechtlich gehalten, solche Fallgestaltungen von der zeitlichen
Beschränkung auszunehmen, in denen eine Verzögerung oder gar Unmöglichkeit der
Abschiebung nicht in der Macht oder dem Einflußbereich der Gemeinde liegt. Die Frage,
aus welchen Gründen eine Abschiebung nicht oder verspätet möglich ist, kann im
Einzelfall nur schwer und mit nicht unerheblichem Aufklärungsaufwand zu beantworten
sein.
55
Der pauschalierenden Beschränkung der Erstattung auf einen Zeitraum von bis zu vier
Monaten nach Ablehnung des Asylantrags liegt allerdings die Prognose des
Gesetzgebers zugrunde, daß im Regelfall eine Abschiebung möglich ist. Trotz der nach
Angaben der betroffenen Gemeinden wachsenden Zahl nicht abschiebbarer Flüchtlinge
ist für den Verfassungsgerichtshof nicht feststellbar, daß dieser Prognose derzeit eine
hinreichende Grundlage fehlt. Der Gesetzgeber wird die in Rede stehende Regelung
unter Kontrolle zu halten und die zugrundeliegende Prognosebasis darauf zu
überprüfen haben, ob sie sich in erheblicher Weise geändert hat.
56
6.
Nrn. 2 bis 6 FlüAG n. F. längstens für die Dauer von drei Jahren seit der Einreise bzw.
der erstmaligen Anordnung (§ 6 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 FlüAG n. F.)
begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der
Grundgedanke dieser Regelung, andere Flüchtlinge als Asylbewerber längstens für drei
Jahre bei den Erstattungsregelungen zu berücksichtigen, war bereits in § 6 Abs. 4 Nr. 2
57
FlüAG vom 27. März 1984 (GV NW S. 214) verwirklicht. Der Verfassungsgerichtshof hat
diese Vorschrift - wie ausgeführt - ebenso als verfassungsrechtlich zulässig angesehen
wie die Anrechungsvorschrift des § 3 Abs. 3 FlüAG i. d. F. des 3. Gesetzes zur
Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 25. März 1993 (GV NW S. 102),
wonach diese Flüchtlingsgruppen längstens für die Dauer von drei Jahren bei der
Zuweisung von Flüchtlingen angerechnet werden (VerfGH NW, NWVBl. 1996, 97).
Mit der pauschalierenden Beschränkung der Erstattung in § 6 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 3
Nrn. 2 und 3 FlüAG n. F. auf drei Jahre hat der Gesetzgeber keine offensichtlich
sachwidrige oder willkürliche Regelung getroffen. Den zitierten Vorschriften liegt die
plausible Annahme zugrunde, daß die Integration von ausländischen Flüchtlingen mit
der Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland fortschreitet. Ihre Plausibilität wird nicht
dadurch in Frage gestellt, daß sie nicht für jede der zahlreichen und vielfältigen
Ausländergruppen in Deutschland in gleichem Maße gilt. Ausmaß und Zeiterfordernis
der Eingliederung werden je nach Kulturkreis bzw. Herkunftsland, aus dem die
Flüchtlinge stammen, verschieden sein. Außerdem hängt die Möglichkeit einer
kontinuierlichen Integration von den unterschiedlichen wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Verhältnissen in den Aufnahmegemeinden (etwa von der Lage auf
dem Arbeits- und Wohnungsmarkt) ab (VerfGH NW, NWVBl. 1996, 97, 99). Je weiter die
Integration der ausländischen Flüchtlinge fortschreitet, um so eher entfällt eine
Hilfebedürftigkeit und ist ihre Situation derjenigen deutscher Familien vergleichbar.
Dabei durfte der Gesetzgeber in Rechnung stellen, daß die Gemeinden für alle
Einwohner, also auch für ausländische Flüchtlinge, Schlüsselzuweisungen erhalten, die
auch die Soziallasten abdecken. Sinkt aber der prozentuale Anteil der
unterstützungsbedürftigen Personen unter den ausländischen Flüchtlingen mit längerer
Aufenthaltsdauer, ist es sachlich vertretbar, in bezug auf diese Personengruppen nicht
mehr von einer Sonderlast auszugehen, für die besondere Erstattungsregelungen
gelten.
58
7.
n. F. auf solche, deren Anordnung nach § 32 AuslG bzw. nach § 54 AuslG ab dem 1.
Januar 1995 getroffen worden ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
59
Der Gesetzgeber wollte mit dem Stichtag in § 2 Nrn. 5 und 6 FlüAG n. F. im Sinne
eindeutiger Verhältnisse nur solche Flüchtlinge erfassen, deren Anordnung nach § 32
AuslG bzw. nach § 54 AuslG nach dem Inkrafttreten der Änderungen durch das
Artikelgesetz getroffen worden ist. Zugleich hat der Gesetzgeber für die große Gruppe
der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina in Art. 4 Nr. 1 Artikelgesetz eine für die
Beschwerdeführerin vorteilhafte Ausnahmeregelung geschaffen, nach der - ungeachtet
einer früheren Anordnung - die dreijährige Anrechnung und Erstattung (erst) mit dem 1.
Januar 1995 beginnt. Diese in einem inneren Zusammenhang stehenden
Übergangsregelungen dienen der Schaffung klarer Verhältnisse bei Inkrafttreten der
Neuregelung und dürften bei einer Gesamtbetrachtung die Gemeinden gegenüber der
ohne sie geltenden Normlage sogar begünstigen. Als Übergangsregelungen von
begrenzter Dauer und Auswirkung sind sie jedenfalls nicht offensichtlich sachwidrig.
60
8.
unzumutbaren oder unvertretbaren Belastungen der Beschwerdeführerin. Daß die
Umstellung der Erstattung von einer konkreten Abrechnung der tatsächlichen
Aufwendungen auf eine Abrechnung nach Pauschalen im Einzelfall zu finanziellen
Einbußen einzelner Gemeinden führen kann, ist systembedingt. Der Gesetzgeber hat
61
dies erkannt und durch die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende
Übergangsregelung in Art. 4 Nr. 4 Artikelgesetz berücksichtigt.
Die abgestufte Übergangs- und Härteregelung ist im Rahmen des dem Gesetzgeber
zustehenden Gestaltungsspielraums sachlich vertretbar. Sie läßt keine hinreichenden
Anhaltspunkte für eine unzumutbare Belastung der Beschwerdeführerin erkennen. Der
Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehalten, bei einer Umstellung des
Erstattungssystems die betroffenen Kostenträger von jeder nachteiligen Veränderung
freizustellen. Mit der beschriebenen Übergangsregelung hat der Gesetzgeber seiner
Pflicht, übermäßige Härten zu vermeiden, genügt.
62
IV.
63
Die Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 FlüAG n. F. verletzt die
Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 78
Abs. 1 und 2 LV (Art. 28 Abs. 2 GG) i. V. m. dem Willkürverbot.
64
Soweit die Beschwerdeführerin Bedenken gegen die Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 1
FlüAG n. F. vorbringt, wendet sie sich der Sache nach ausschließlich gegen die je nach
Flüchtlingsgruppe unterschiedlichen Kostenerstattungsvorschriften. Die
Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 FlüAG n. F. wird allein deshalb als nicht
sachgerecht und willkürlich angesehen, weil mit der Zuweisung der einzelnen
Flüchtlinge je unterschiedliche Kostenlasten für die betroffenen Gemeinden verbunden
sind. Dies kann jedoch nicht zu einem "eigenständigen" Verstoß der
Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 FlüAG n. F. gegen das Willkürverbot
führen. Soweit die Kostenerstattungsregelungen - wie ausgeführt - nicht willkürlich sind,
ist auch die Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 FlüAG n. F. und die mit ihr
verbundene Kostenlast nicht sachwidrig. Soweit die hälftige Kostenpauschale des § 6
Abs. 1 FlüAG n. F. - wie ausgeführt - verfassungswidrig ist, beruht die sich daraus
ergebende ungleichgewichtige Belastung der Gemeinden allein auf der
Kostenerstattungsregelung des § 6 Abs. 1 FlüAG n. F., nicht jedoch auf der
Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 FlüAG n. F.. Nicht die Anrechnung der
fraglichen Personengruppe ist sachwidrig, sondern ausschließlich die zugehörige
Kostenerstattungsregelung des § 6 Abs. 1 FlüAG n. F.. Dementsprechend kann das
Land die insoweit systemwidrige Belastung der Gemeinden auch nur durch Änderung
der Kostenerstattungsregelungen, nicht aber der Anrechnungsvorschrift beseitigen.
65
V.
66
Die Unvereinbarkeit des § 6 Abs. 1 FlüAG n. F. mit der Landesverfassung bestand für
den gesamten Geltungszeitraum der Vorschrift. Ob und inwieweit eine Rückabwicklung
bereits abgeschlossener Haushaltsperioden im Hinblick auf eine verläßliche und
kalkulierbare Haushalts- und Finanzwirtschaft ausscheidet (vgl. BVerfGE 72, 330, 422 f.;
BVerfGE 86, 148, 279), wird der Gesetzgeber unter Berücksichtigung aller Umstände zu
entscheiden haben. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alsbald eine Neuregelung zu
treffen (§ 52 Abs. 3 i. V. m. § 49 Satz 1 VerfGHG). Bis zum Inkrafttreten einer
Neuregelung ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nach der
bisherigen Vorschrift zu verfahren.
67
VI.
68
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs. 4 VerfGHG.
69