Urteil des VerfG Nordrhein-Westfalen vom 18.01.2011

VerfG Nordrhein-Westfalen (anordnung, höhe, hauptsache, abschluss, erlass, vollzug, rücklage, wichtiger grund, drohende gefahr, antrag)

Verfassungsgerichtshof NRW, VerfGH 19/10
Datum:
18.01.2011
Gericht:
Verfassungsgerichtshof NRW
Spruchkörper:
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VerfGH 19/10
Tenor:
Der Landesregierung wird im Wege einer einstweiligen Anordnung
aufgegeben, bis zu einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren
VerfGH 20/10 von einem Abschluss der Bücher im Sinne des § 76 Abs.
1 LHO NRW abzusehen und bis dahin keine weiteren Kredite auf der
Basis des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 aufzunehmen.
Für den Fall, dass die Landesregierung bis zu einer Entscheidung im
Verfahren VerfGH 20/10 Zahlungen bezogen auf das Haushaltsjahr
2010 zu leisten hat, hierfür liquide Mittel aber nicht mehr zur Verfügung
stehen, sind entsprechende Mittel ausschließlich durch Rückführung aus
den auf der Basis des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 gebildeten
Rücklagen und Sondervermögen zu beziehen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
A.
1
Die Antragsteller, die 80 Abgeordneten der Fraktionen der CDU und der FDP im
Landtag Nordrhein-Westfalen, begehren im Hauptsacheverfahren die Feststellung der
Nichtigkeit des Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des
Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2010 (Nachtragshaushaltsgesetz
2010) vom 16. Dezember 2010 (GV. NRW. S. 665), insbesondere seiner Art. 1 Nr. 1, 2,
6, 14 und 15 in Verbindung mit dem beigefügten Gesamtplan und dem beigefügten
Haushaltsplan. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung streben die
Antragsteller eine vorläufige Aussetzung des Gesetzesvollzugs an.
2
I.
3
1.
Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) vom
17. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 878) wurde der Haushaltsplan des Landes
Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2010 in Einnahmen und Ausgaben auf
53.111.416.800 € festgestellt. § 2 Abs. 1 Satz 1 Haushaltsgesetz 2010 ermächtigte das
Finanzministerium, zur Deckung der Ausgaben des Haushaltsplans 2010 Kreditmittel
4
bis zum Höchstbetrag von 6.703.000.000 € aufzunehmen. Der Kreditfinanzierungsplan
2010 sah eine Netto-Neuverschuldung in Höhe von 6.575,4 Mio. € vor, die die
anrechenbaren Investitionen in Höhe von 3.700,7 Mio. € um 2.874,7 Mio. € überschritt.
2.
2010 die neue Landesregierung konstituiert hatte, brachte die Landesregierung am
21. September 2009 den Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 (LT-Drs.
15/200) in den Landtag ein, das in der Fassung einer Ergänzung vom 18. November
2010 (LT-Drs. 15/600) am 16. Dezember 2010 verabschiedet wurde (GV. NRW. S. 665).
5
Durch Art. 1 Nr. 1 Nachtragshaushaltsgesetz 2010 wurde das Gesamtvolumen des
Haushalts für das Jahr 2010 auf 56.180.910.300 EUR erhöht. Die Kreditermächtigung
wurde durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes auf 8.535.000.000 EUR angehoben. Die Netto-
Neuverschuldung stieg durch die Änderungen des Gesamtplans und des
Haushaltsplans durch Art. 1 Nr. 14 und 15 auf 8.407,4 Mio. €. Zugleich erhöhte sich die
Summe der veranschlagten Ausgaben für Investitionen auf 3.905,5 Mio. €. Die Netto-
Neuverschuldung überschreitet damit die Summe der veranschlagten Investitionen um
4.501,8 Mio. €. Durch Art. 1 Nr. 6 Nachtragshaushaltsgesetz 2010 wurde ein neuer § 17
Haushaltsgesetz 2010 eingefügt. Dieser lautet:
6
"§ 17
7
Sonderrücklagen
8
Das Finanzministerium wird gemäß § 62 Absatz 3 Landeshaushaltsordnung
ermächtigt, eine besondere Rücklage zur Abrechnung der kommunalen
Beteiligung an den Einheitslasten zu bilden. Das Finanzministerium wird gemäß
§ 62 Absatz 3 Landeshaushaltsordnung ermächtigt, eine besondere Rücklage zum
Ausgleich konnexitätsrelevanter Kosten im Zusammenhang mit dem
Kinderförderungsgesetz aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichtshofs für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 2010 (Az.: VerfGH 12/09) zu bilden."
9
In der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/200, Anlage 2, S. 8) wurden als Gründe für die
erhöhte Kreditaufnahme unter Berücksichtigung von erhöhten Steuereinnahmen wegen
der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Höhe von 400 Mio. € verbleibende
Haushaltsverschlechterungen in Höhe von insgesamt etwa 2.293,0 Mio. € angeführt.
Die Mindereinnahmen und Mehrausgaben setzen sich wie folgt zusammen:
10
Verringerung steuerähnlicher Abgaben um etwa 23 Mio. €,
Mehrausgaben auf Grund von Vorsorgemaßnahmen in Höhe von 1.769 Mio. €,
11
12
davon
13
14
Zuführung zum Sondervermögen "Risikoabschirmung WestLB AG" in Höhe von
1.300 Mio. €, weil für die Jahre 2010 bis Mitte 2013 Garantieverpflichtungen des
Landes in Höhe von 2.420 Mio. € erwartet würden, bislang aber nur 1.160 Mio. €
angesammelt worden seien,
Zuführung zum Sondervermögen "Versorgungsfonds NRW", wegen einer
gutachtlich ermittelten Unterdeckung von rund 94 Mio. €,
Bildung einer Rücklage für künftige Haushaltsbelastungen aus dem
Einheitslastenabrechnungsgesetz in Höhe von 375 Mio. € mit Blick auf eine
erwartete kommunale Verfassungsbeschwerde,
15
Mehrausgaben zur finanziellen Entlastung der Kommunen in Höhe von 299,9
Mio. € (Wegfall des bisherigen Befrachtung des Gemeindefinanzierungsgesetzes
und Wiedereinführung der kommunalen Beteiligung an vier Siebteln der
Landeseinnahmen aus der Grunderwerbssteuer),
weitere Haushaltsverschlechterungen in Höhe von insgesamt 596,95 Mio. €,
16
17
davon unter zahlreichen weiteren Positionen
18
Zuweisungen an Kommunen für den Ausbau von U3-Betreuungsplätzen in Höhe
von 150 Mio. €,
Nachteilsausgleich "Wohngeldentlastung" in Höhe von 236,5 Mio. €; der noch
2010 vorzunehmende Ausgleich soll nachfolgend innerhalb des Systems der
Wohngeldentlastung für den Landeshaushalt wieder ausgeglichen werden,
19
20
Mehrausgaben auf Grund von Veränderungen im Personalhaushalt in Höhe von
etwa 6,8 Mio. €.
21
22
In ihrer Ergänzung zum Gesetzentwurf vom 18. November 2010 (LT-Drs. 16/600) war
die Bildung einer weiteren Rücklage zum Ausgleich konnexitätsrelevanter Kosten im
Zusammenhang mit dem Kinderförderungsgesetz auf Grund des Urteils des
Verfassungsgerichtshofs vom 12. Oktober 2010 (VerfGH 12/09) in Höhe von 370 Mio. €
vorgesehen. Diese sollte durch die nach einer aktuellen Steuerschätzung wiederum
zusätzlich zu erwartenden Steuereinnahmen in Höhe von 460 Mio. € gedeckt werden.
23
II.
24
1.
Regierungsfraktionen und einiger Abgeordneter der Fraktion Die Linke beschlossenen
Nachtragshaushaltsgesetzes 2010, haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag
sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit ihrem
Anordnungsantrag möchten sie verhindern, dass das Land mit Blick auf die
beschlossene zusätzliche Nettoneuverschuldung von 1,832 Mrd. € mit zusätzlichen
Zinszahlungsverpflichtungen von etwa 6,1 Mio. € im Monat und rund 73 Mio. € jährlich
(bei einem Schuldzinssatz von 4 % p. a.) belastet wird.
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Sie beantragen,
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den Vollzug des Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum
Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2010
(Nachtragshaushaltsgesetz 2010) vom 16. Dezember 2010 (GV. NRW.
S. 665), insbesondere den Vollzug von dessen Art. 1 Nr. 1, 2, 6, 14 und 15
in Verbindung mit dem beigefügten Gesamtplan und dem beigefügten
Haushaltsplan, mit Wirkung bis zur Entscheidung in der Hauptsache
auszusetzen und
27
bereits vollzogene Bewirtschaftungsmaßnahmen auf der Ausgaben- wie auf
der Einnahmenseite vorläufig rückabzuwickeln oder in anderer Weise
rückgängig zu machen.
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Sie machen im Wesentlichen geltend, eine einstweilige Anordnung müsse zur Abwehr
schwerer Nachteile für das gemeine Wohl ergehen, weil ihr Normenkontrollantrag in der
Hauptsache nach bereits erfolgter Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen durch den
Verfassungsgerichtshof NRW und das Bundesverfassungsgericht offensichtlich
begründet sei. Selbst wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen
angesehen werde, ergebe eine Folgeabwägung, dass eine einstweilige Anordnung
ergehen müsse.
29
2.
Blick auf die Eigenart des Haushaltsgesetzes als Ermächtigungsvorschrift im
organschaftlichen Rechtskreis und seine maßgebliche Bedeutung für die Staatsleitung
bezogen auf den Streitgegenstand der Hauptsache zu einer Überschreitung einer
interimistischen Sicherung und einer Vorwegnahme der Hauptsache. Denn mit dem
Abschluss der Bücher, der sehr früh im Jahr 2011 erfolgen solle, ende die Möglichkeit,
den festgesetzten Haushaltsplan 2010 in der Gestalt des Nachtragshaushalts zu
vollziehen. Bis dahin sei mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im
Hauptsacheverfahren nicht zu rechnen.
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Das Verfahren habe sich im Übrigen erledigt, weil die umfänglichsten und im Rahmen
dieses Verfahrens im Vordergrund stehenden Ausgabeposten inzwischen vollzogen
worden seien. Das gelte namentlich für den Erhöhungsbetrag von 1.300 Mio. € für das
Sondervermögen "Risikoabschirmung WestLB AG", die zusätzlichen Haushaltsmittel
von insgesamt 114 Mio. € für das Sondervermögen "Versorgungsfonds für das Land
Nordrhein-Westfalen", die veranschlagten 375 Mio. € für die Abrechnung der
Kommunalen Beteiligung an den Einheitslasten, die Zuführung an die Rücklage zum
31
Kommunalen Beteiligung an den Einheitslasten, die Zuführung an die Rücklage zum
Ausgleich konnexitätsrelevanter Kosten im Zusammenhang mit dem
Kinderförderungsgesetz in Höhe von 370 Mio. €, die Mehrausgaben von rund 300 Mio. €
im Rahmen des Aktionsplans Kommunalfinanzen, die zusätzlichen Haushaltsmittel in
Höhe von 150 Mio. € für den Ausbau von U3-Betreuungsplätzen sowie für die
Haushaltsmittel in Höhe von etwa 237 Mio. €, die in Umsetzung des Urteils des
Verfassungsgerichtshofs NRW vom 26. Mai 2010 − VerfGH 17/08 − an die Kreise und
kreisfreien Städte zu zahlen gewesen seien. Eine vorläufige Rückgängigmachung sei
aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Das gelte namentlich für die erfolgten
Zuführungen zu gesetzlich geregelten, außerhalb des Landeshaushalts geführten
Sondervermögen sowie für die an die Kommunen erfolgten Auszahlungen.
Jedenfalls sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet. Bei
der nach § 27 VerfGHG vorzunehmenden Folgenabwägung sei ein strenger Maßstab
anzulegen. Das Gebot größter Zurückhaltung bedürfe bei der Überprüfung eines
Haushaltsgesetzes gesteigerter Beachtung. Hieraus folge, dass selbst bei
offensichtlicher Begründetheit der Hauptsache, von der hier keine Rede sein könne,
lediglich eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Folgenabwägung erfolgen dürfe.
Diese ergebe, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung unterbleiben müsse.
Während bei einem Verzicht darauf die Folgen des Vollzugs des Nachtragshaushalts
2010 gegebenenfalls in erheblichem Umfang unschädlich bzw. reversibel wären, würde
der Erlass einer einstweiligen Anordnung den Vollzug des Nachtragshaushalts 2010,
soweit er nicht schon erfolgt sei, aller Voraussicht nach endgültig und irreversibel
vereiteln.
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Durch den Vollzug des Nachtragshaushalts drohten keine irreparablen Auswirkungen in
Gestalt einer zusätzlichen Staatsverschuldung mit der Folge einer erheblichen
Zinsbelastung der nachfolgenden Haushaltsjahre. Die erhöhte Nettokreditaufnahme sei
im Wesentlichen auf Rücklagenbildungen und Zuführungen von Sondervermögen
zurückzuführen, die sich aus notwendiger Vorsorge rechtfertigten. Sie belaste daher
nicht künftige Generationen, ohne ihnen zugute zu kommen. Die Bildung der im
Landeshaushalt geführten Rücklagen löse nicht unmittelbar die Notwendigkeit einer
Kreditaufnahme in entsprechender Höhe aus. Die Zuführungen an die Rücklage führten
zwar in der Haushaltsrechnung zu Ausgaben. Eine zusätzliche Kreditaufnahme des
Landes sei jedoch zunächst entbehrlich, weil die durch die Rücklagenbildung
zugeflossenen liquiden Mittel im Kassenbestand gehalten würden. Eine erhöhte
Kreditaufnahme werde erst in dem Haushaltsjahr erforderlich, in dem die Rücklage
aufgelöst werde, weil erst in diesem Moment der tatsächliche Liquiditätsabfluss durch
eine Kreditaufnahme zu finanzieren sei. Hinsichtlich der an die Sondervermögen
abgeflossenen Mittel werde eine Kreditaufnahme im Rahmen des Kassenabschlusses
Landes ein Mittelzufluss, weil die Mittel des Sondervermögens vor Verausgabung für
Garantiezahlungen angelegt würden. Die Folgen des Vollzugs des
Nachtragshaushaltsgesetzes seien nicht so weitgehend irreparabel, wie die
Antragsteller geltend machten. Die Bildung von Rücklagen könne rückgängig gemacht
werden, wenn eine verfassungsgerichtliche Hauptsacheentscheidung sie für
verfassungswidrig erkläre. Nach dem Abschluss der Bücher sei die Bildung der
Rücklage wegen § 76 Abs. 2 LHO NRW zwar für das Haushaltsjahr 2010 irreversibel;
im Vollzug des nächstjährigen Haushalts müssten jedoch die in der Rücklage
vorhandenen Mittel zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung eingesetzt werden.
Demgegenüber könnten die Zuführungen zu außerhalb des Landeshaushalts geführten
Sondervermögen auch nach Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit nach den
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maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben nicht mehr rückgängig gemacht werden. Auch die
Zahlung von Mehrausgaben an die Kommunen könne wegen der entgegenstehenden
Regelungen im Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzierungsgesetzes für das Jahr
2010 nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Demgegenüber begründe der Erlass einer einstweiligen Anordnung gravierende,
als verfassungsgemäß erweise. Selbst wenn man den Vollzug der Festsetzungen des
Haushalts 2010 noch bis zu einer Hauptsacheentscheidung offen halten könnte, würde
dies voraussetzen, den Abschluss der Bücher für das Haushaltsjahr 2010
hinauszuschieben und ggf. zwei Haushaltsjahre parallel kassenmäßig aufzuhalten, was
erheblichen Verwaltungsmehraufwand erzeugen würde. Es stehe aber so gut wie fest,
dass der Abschluss der Bücher für 2010 aus verfassungsrechtlichen Gründen vor einer
verfassungsgerichtlichen Hauptsacheentscheidung erfolgen müsse. Damit wäre der
Vollzug der von der einstweiligen Anordnung erfassten Haushaltsfestsetzungen
endgültig vereitelt.
34
3.
35
4.
Landesregierung angeregt, von einer − ohnehin nicht unmittelbar beabsichtigten − auf
das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 gestützten Kreditaufnahme zur Deckung von
Zuführungen an Rücklagen und Sondervermögen bis zur innerhalb der nächsten drei
Monate zu treffenden Entscheidung in der Hauptsache (VerfGH 20/10) abzusehen. Eine
auf diese Verfügung Bezug nehmende Pressemitteilung des Finanzministeriums vom
12. Januar 2011 mit dem Inhalt, das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 sei bereits
vollzogen, hat der Verfassungsgerichtshof zum Anlass genommen, die Landesregierung
am 13. Januar 2011 um Klarstellung zu bitten, ob auf der Basis des
Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 bereits Kreditaufnahmen erfolgt seien.
Gegebenenfalls werde um Vorlage der entsprechenden Unterlagen und Nachweise
gebeten.
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Mit Schreiben vom 13. Januar 2011 hat der Finanzminister erwidert, er komme den
zur Problematik der Kreditfinanzierung hat er unter anderem darauf hingewiesen, den
Sondervermögen hätten die im Haushalt veranschlagten Mittel zugeführt werden
müssen. Eine zusätzliche Kreditaufnahme würde hierfür nur dann notwendig, wenn die
liquiden Mittel nicht ausreichten. Nach dem Gesamtdeckungsprinzip könne einer
Ausgabe keine konkrete Einnahme − und damit auch keine konkrete Einnahme aus
Kreditaufnahmen − zugeordnet werden. Nur soweit die liquiden Mittel nicht ausreichten,
um die fälligen Ausgaben zu leisten, würden die fehlenden Mittel im Wege der
Kreditaufnahme beschafft. Ob Haushaltskredite notwendig würden, entscheide sich erst
im Rahmen des Haushaltsabschlusses.
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Am 17. Januar 2011 hat die Landesregierung erneut bestätigt, die innerhalb des
Landeshaushalts gebildeten Rücklagen erfordere aktuell keine Kreditaufnahme. Anders
verhalte es sich bei den veranschlagten Zuführungen zu den Sondervermögen. Diese
würden zwar zunächst weiterhin auf separaten Konten innerhalb des Kassenbestandes
des Landes nachgewiesen. Auf Grund einer der Verwahrung zu Grunde liegenden
Verzinsungsabrede sei dieser Vorgang aber als Kassenkredit zu qualifizieren. Im
Zeitpunkt der Anlage der Mittel durch die Verwaltung der Sondervermögen verließen die
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Mittel den Kassenbestand des Landes und erzeugten insoweit einen Liquiditätsbedarf,
der durch Kassenkredite gedeckt werde. Der Umfang erforderlicher Kassenkredite
entscheide sich im Rahmen des Haushaltsabschlusses, der für das Haushaltsjahr 2010
noch nicht stattgefunden habe. Bei der Berechnung dieses Saldos seien die durch die
vollzogenen Maßnahmen bedingten Ausgaben als Rechengröße einzubeziehen und
belasteten insoweit die Kreditermächtigung des Haushaltsgesetzes 2010. Bereits jetzt
sei erkennbar, dass − gemessen an den bisherigen Erwartungen − Minderausgaben
und Mehreinnahmen realisiert worden seien, die annähernd in die Größenordnung der
Zuführungen zu den Sondervermögen gingen. Vorgaben zur Kreditaufnahme seien
daher kein geeignetes Instrument, den Vollzug des Nachtragshaushalts noch zu
beeinflussen, insbesondere anzuhalten. Die Landesregierung sichere aber zu, die im
Landeshaushalt gebildeten Rücklagen (betreffend Einheitslasten und
Kinderförderungsgesetz) nicht vor einer Entscheidung in der Hauptsache aufzulösen.
Der Sicherungszweck, dem eine einstweilige Anordnung dienen solle, sei schon durch
diese Zusicherung erfüllt.
B.
39
Der Antrag ist gemäß Art. 75 Nr. 3 LV NRW, §§ 12 Nr. 6, 47 lit. a), 27 VerfGHG NRW
zulässig. Die besondere Bedeutung des Haushaltsgesetzes für die Erfüllung staatlicher
Aufgaben stellt die Zulässigkeit des Antrags nicht in Frage, sondern ist im Rahmen der
Folgenabwägung angemessen zu berücksichtigen.
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Das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller an einer einstweiligen Regelung ist nicht
dadurch entfallen, dass von den Ausgabenermächtigungen des
Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 in den letzten Tagen des Jahres 2010 bereits
umfänglich Gebrauch gemacht worden ist. Zumindest die im Zentrum des Begehrens
stehende einstweilige Verhinderung einer endgültig zu Lasten des Haushaltsjahres
2010 erfolgende Kreditaufnahme auf der Basis des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010
ist nach den Angaben der Landesregierung noch möglich. Danach ist die
Landeshaushalts aktuell auf eine Kreditaufnahme noch nicht angewiesen. Eine
Aufnahme von Haushaltskrediten hinsichtlich der Zuführungen an Sondervermögen
außerhalb des Landeshaushalts ist nach Darstellung der Landesregierung − erst − zum
Haushaltsausgleich vor Abschluss der Bücher für das Jahr 2010 erforderlich. Für das
Haushaltsjahr 2010 sind die Bücher noch nicht geschlossen worden. Trotz der
Zusicherung der Landesregierung, lediglich die im Landeshaushalt gebildeten
Rücklagen nicht vor einer Entscheidung in der Hauptsache aufzulösen, besteht das
Sicherungsinteresse der Antragsteller wegen des unmittelbar bevorstehenden
Haushaltsabschlusses und der hierfür unter Umständen erforderlichen
Inanspruchnahme der Kreditermächtigung des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 fort.
41
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die erhöhte Kreditermächtigung nach dem
bisherigen Vollzug des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 zum Haushaltsausgleich in
Anspruch genommen werden müsste, weil die erfolgte Rücklagenbildung innerhalb des
Landeshaushalts oder die Zuführung von Haushaltsmitteln zu Sondervermögen bereits
jetzt irreversibel sein könnten. Von der Berechtigung, Rücklagenbildungen bis zum
Rechnungsabschluss rückgängig zu machen, geht die Landesregierung selbst aus. Mit
Blick auf die Zuführungen zum Sondervermögen "Risikoabschirmung WestLB AG", das
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Risikofondsgesetz − RiFoG − durch das Finanzministerium
selbst verwaltet wird, vermögen die von der Landesregierung angedeuteten Gründe für
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die Irreversibilität der Zuführungen nicht zu überzeugen. Soweit die Landesregierung
auf § 6 Abs. 1 RiFoG verweist, steht die darin bestimmte Zweckbindung für die "Mittel
des Sondervermögens" einer Rückführung nicht entgegen, weil diese Bindung nur für
Mittelzuführungen auf der Basis eines verfassungsgemäßen Haushalts gilt (vgl. § 4
Verfassungswidrigkeit des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 noch im Rahmen einer –
verfassungsrechtliche Anforderungen sichernden – einstweiligen Anordnung aus.
C.
43
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist insoweit begründet, als der
Landesregierung aufzugeben ist, von einem Abschluss der Bücher für das
Haushaltsjahr 2010 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abzusehen und bis
dahin keine weiteren Kredite auf der Basis des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010
aufzunehmen. Die darin liegende Teilstattgabe ist als weniger weit reichende
Anordnung vom Antrag erfasst, den Vollzug des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010
vorläufig auszusetzen. Der Abschluss der Bücher für das Haushaltsjahr 2010 ist ebenso
wie die weitere Kreditaufnahme Bestandteil des Vollzugs des
Nachtragshaushaltsgesetzes 2010.
44
1.
anhängigen Verfahren eine einstweilige Anordnung treffen, wenn dies zur Abwehr
schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen
wichtigen Grunde zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs
NRW ist bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung, die in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren meist weitreichende
Folgen auslöst, insbesondere dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn mit der
einstweiligen Anordnung eine Rechtsnorm außer Vollzug gesetzt werden soll. Dabei
müssen die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschrift
sprechen, grundsätzlich außer Betracht bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache
begehrte Feststellung erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich
unbegründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss der
Verfassungsgerichtshof die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige
Anordnung nicht erginge, die angegriffene Maßnahme in dem Hauptsacheverfahren
jedoch später für verfassungswidrig erklärt wird, gegenüber den Nachteilen abwägen,
die entstünden, wenn die angegriffene Regelung vorläufig außer Anwendung gesetzt
würde, sich aber später als verfassungsgemäß erwiese (vgl. BVerfGE 117, 126, 135;
VerfGH NRW, OVGE 42, 266, 267 f. jeweils m. w. N.). Die Gründe, die für den Erlass
einer einstweiligen Anordnung sprechen, müssen im Vergleich zu Anordnungen, die
weniger schwer in die Interessen der Allgemeinheit eingreifen, bei Gesetzen
besonderes Gewicht haben (vgl. BVerfGE 108, 45, 49). Gerade wenn dem Gericht die
erforderliche Zeit fehlt für eine gewissenhafte und vollständige Prüfung der
Rechtsfragen, die für die Entscheidung der Hauptsache erheblich sind, wäre es nicht
vertretbar, den Erlass einer einstweiligen Anordnung von einer summarischen
Abschätzung der Erfolgschancen in der Hauptsache abhängig zu machen (vgl. BVerfGE
104, 23, 28 f.). Eine Ausnahme ist indes für das Haushaltsgesetz als Gesetz mit zeitlich
begrenzter Wirkung geboten. Hier sind die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit mit
ihrem Gewicht in die Folgenabwägung einzustellen.
45
2.
46
die dem Hauptsacheverfahren vorzubehaltende Frage auf, ob die Art. 83 Satz 2 LV
NRW, Art. 81 Abs. 3 LV NRW und Art. 86 Abs. 2 Satz 1 LV NRW unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls der Erhöhung der Kreditaufnahme durch den
Nachtragshaushalt 2010 entgegenstehen.
3.
47
a)
Kreditermächtigung durch Art. 1 Nr. 2 Nachtragshaushaltsgesetz 2010 im
Hauptsacheverfahren als verfassungswidrig und nichtig, ist konkret zu befürchten, dass
zwischenzeitlich unter Inanspruchnahme dieser Bestimmung Kredite in Milliardenhöhe
unter Verstoß gegen die oben unter 2. genannten Verfassungsbestimmungen
aufgenommen werden. Diese Befürchtung liegt nahe, weil von den
Ausgabenermächtigungen des Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 trotz des anhängigen
verfassungsgerichtlichen Verfahrens bereits innerhalb weniger Tage umfänglich
Gebrauch gemacht worden ist und die Landesregierung angekündigt hat, der Abschluss
der Bücher solle "sehr früh im Jahr 2011" erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass der
Finanzminister in seinem Schreiben vom 13. Januar 2011 mitgeteilt hat, er komme den
Anliegen der gerichtlichen Verfügungen vom 12. und 13. Januar 2011 nach. Dasselbe
gilt für die Zusicherung der Landesregierung vom 17. Januar 2011, die im
Landeshaushalt gebildeten Rücklagen nicht vor einer Entscheidung in der Hauptsache
aufzulösen. Weder den Schriftsätzen der Landesregierung vom 4. und 17. Januar 2011
noch dem Schreiben des Finanzministers vom 13. Januar 2010 lässt sich nämlich
entnehmen, dass bis zu einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag (VerfGH
20/10) die Bücher offen gehalten werden sollen. Auch eine Inanspruchnahme der
erhöhten Kreditermächtigung nach dem Nachtragshaushaltsgesetz 2010 wird zum
Haushaltsabschluss im Rahmen des Gesamtdeckungsprinzips nicht ausgeschlossen.
48
Den drohenden Kreditaufnahmen stünden keine entsprechend hohen
Investitionsausgaben gegenüber. Für den Fall, dass dies verfassungsrechtlich nicht
ausnahmsweise gerechtfertigt wäre, stünde dies in Widerspruch zu dem in der
demokratischen Ordnung des Staates hochrangigen Verfassungsgrundsatz, dass Kredit
nur in dem Umfang der Ausgaben mit zukunftsbegünstigendem Charakter in Anspruch
genommen werden darf (vgl. BVerfGE 99, 57, 67; VerfGH NRW, OVGE 51, 262, 265).
Dadurch sowie durch einen damit unter Umständen verbundenen Verstoß gegen das
Wirtschaftlichkeitsgebot in Verbindung mit dem Jährlichkeitsprinzip würden Bürger und
Parlamente der Zukunft in Höhe der durch die Kreditaufnahme ausgelösten
Belastungen in verfassungswidriger Weise den zur Bewältigung dann anstehender
Probleme benötigten finanziellen Handlungsspielraum verlieren. Durch eine spätere
Rückführung der Verschuldung und die Erzielung von Erträgen aus der Wiederanlage
der in Sondervermögen gehaltenen Mittel ließen sich die in der Zwischenzeit
angefallenen, spätere Haushaltsjahre belastenden Zinsverpflichtungen lediglich in ihren
Wirkungen abmildern, aber nicht mehr rückgängig machen. Der Haushalt 2010 bliebe
verfassungswidrig und künftige Haushalte durch den Verbrauch von Liquidität belastet,
deren Wert zugunsten der Zukunft erhalten bleiben müsste. In der Verhinderung dieser
möglichen Folge zum gemeinen Wohl liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 27
VerfGHG NRW, der geeignet ist, den Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend
erscheinen zu lassen. Auch wenn die durch das Nachtragshaushaltsgesetz 2010
eröffnete erhöhte Kreditaufnahme zu einem wesentlichen Teil der Finanzierung von
Rücklagen und Zuführungen zu Sondervermögen für Zahlungsbedarfe in Folgejahren
dient und damit künftige Haushalte entlasten soll, wäre dieses Ziel ggf. nur unter
49
verfassungswidriger Inkaufnahme damit verbundener zukunftsbelastender
Zahlungsverpflichtungen zu erreichen.
b)
Hauptsacheverfahren zu verhindern, bedarf es allerdings weder der beantragten
vollständigen Aussetzung des Gesetzesvollzugs noch der Rückgängigmachung aller
insbesondere mit Blick auf etwaige gesetzliche Zahlungsverpflichtungen des Landes zu
weitgehend, deren Erfüllung ohne Kreditfinanzierung aus dem
Nachtragshaushaltsgesetz 2010 möglich ist. Einer verfassungsrechtlichen Überprüfung
und damit einer vorläufigen Regelung bedarf vielmehr in erster Linie die Erhöhung der
Kreditaufnahme um 1,832 Mrd. € bei Schaffung von vergleichbar hohen
Ausgabenermächtigungen für Vorsorgemaßnahmen in Form von Rücklagenbildungen
und Zuführungen zu Sondervermögen.
50
Eine vorläufige Rückabwicklung vollzogener Maßnahmen ist lediglich insoweit geboten,
als sie der Verhinderung einer möglicherweise verfassungswidrigen Kreditaufnahme bis
zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren dient. Lediglich wenn und soweit in der Zeit
bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zur Erfüllung etwaiger
Zahlungsverpflichtungen für das Haushaltsjahr 2010 nicht genügend liquide Mittel
vorhanden sind, ist zur Vermeidung einer möglicherweise verfassungswidrigen
Kreditaufnahme ein vorläufiger Rückgriff auf gebildete Rücklagen und Sondervermögen
notwendig. Dem trägt die einstweilige Anordnung – wie aus dem Tenor ersichtlich –
Rechnung, indem sie der Landesregierung bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache aufgibt, von einem Abschluss der Bücher im Sinne des § 76 Abs. 1 LHO
NRW abzusehen und bis dahin keine weiteren Kreditaufnahmen auf der Basis des
Nachtragshaushaltsgesetzes 2010 zu tätigen.
51
c)
lediglich der Nachteil einer Verzögerung des vollständigen Haushaltsabschlusses um
wenige Wochen. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Ladungsverfügung vom heutigen
Tage Termin zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren auf den 15. Februar
2011 bestimmt. Er beabsichtigt, eine verbindliche Klärung der Verfassungsrechtslage
innerhalb der nächsten drei Monate herbeizuführen. Bis dahin ist die
Handlungsfähigkeit der Landesregierung durch den Rückgriff auf liquide Mittel sowie
eine erforderlichenfalls mögliche vorläufige Rückbuchung aus nicht aktuell benötigten
Rücklagen und Sondervermögen gesichert. Es besteht mithin nicht die Gefahr eines
etatlosen Zustandes und damit die Gefahr eines besonders schwerwiegenden Nachteils
(vgl. BVerfGE 66, 26, 38). Dem von der Landesregierung geltend gemachten Nachteil
eines durch die Verzögerung beim Kassenabschluss kurzfristig erhöhten
Verwaltungsaufwands kommt gegenüber dem Risiko des endgültigen Vollzugs eines
möglicherweise verfassungswidrigen Haushalts ein annähernd gleiches Gewicht nicht
zu.
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Müssen die Bücher für das Haushaltsjahr 2010 zur Sicherung verfassungsrechtlicher
Belange für einen zumutbaren Zeitraum offen gehalten werden, droht zum Nachteil der
Landesregierung auch keine Vorwegnahme der Hauptsache. Vielmehr könnten nach
einer den Normenkontrollantrag in der Hauptsache möglicherweise abweisenden
Entscheidung die erhöhten Kreditermächtigungen zum Ausgleich des Haushalts 2010
noch kassenwirksam in Anspruch genommen werden. Umgekehrt könnten im Falle
einer stattgebenden Entscheidung Rückbuchungen aus Rücklagen und
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Sondervermögen noch rechtzeitig vor dem Abschluss der Bücher erfolgen. Neben der −
bei einer kurzfristigen Entscheidung in der Hauptsache nicht begründeten − Gefahr
einer endgültigen Vereitelung des Vollzugs des Nachtragshaushalts 2010 hat die
Landesregierung keine weitergehenden Nachteile geltend gemacht. Insbesondere hat
sie den Einwand, der Finanzminister sei aus zwingenden Rechtsgründen auf der
Grundlage von § 76 Abs. 1 LHO NRW zu einem früheren Abschluss der Bücher
verpflichtet, nicht in nachvollziehbarer Weise erhoben. Hierfür ist derzeit auch nichts
ersichtlich. Insbesondere beließe ein erst zum Ende des ersten Quartals des Jahres
2011 möglicher Abschluss der Bücher dem Finanzminister genügend Raum zur
rechtzeitigen Erfüllung seiner Verpflichtung zur Vorlage der Landeshaushaltsrechnung
nach Art. 86 LV NRW und § 114 LHO NRW (vgl. Heuer/Engels/Eibelshäuser,
Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand: April 2010, § 76 BHO Anm. 2). Diese ist im
Übrigen in der Haushaltspraxis der vergangenen Jahre stets erst etwa ein Jahr nach
Abschluss des jeweiligen Haushaltsjahres erfolgt (vgl. nur LT-Drs. 14/10557 und LT-
Drs. 15/1075 für die Rechnungsjahre 2008 und 2009).
Der Eingriff in den Gestaltungsspielraum der Landesregierung durch den Erlass einer
einstweiligen Anordnung, die lediglich die Schaffung vollendeter Tatsachen bis zur
alsbaldigen Klärung im Hauptsacheverfahren verhindert, wiegt auch unter
Berücksichtigung des maßgeblichen strengen Maßstabs weniger schwer als die
andernfalls drohende Gefahr einer Belastung des politischen Gestaltungsspielraums für
zukünftige Haushalte durch erhebliche Zinsbelastungen bei einer zusätzlichen
Kreditaufnahme im Umfang von bis zu 1,832 Mrd. €.
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