Urteil des SozG Saarbrücken vom 21.08.2007

SozG Saarbrücken: erwerbsfähigkeit, eingriff in grundrechte, eigentumsschutz, gesetzesmaterialien, altersrente, koch, reform, abschlag, versicherter, eigentumsgarantie

SG Saarbrücken Urteil vom 21.8.2007, S 15 R 261/07
Erwerbsminderungsrente - Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres -
Rentenabschlag - Verfassungsmäßigkeit
Leitsätze
Auch Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen
werden, sind mit einem Abschlag zu versehen (Entgegen BSG vom 16.05.2006 - B 4 RA
22/05 R).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Auszahlung einer höheren monatlichen Rente wegen
Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung eines verringerten Zugangsfaktors.
Die 1954 geborene Klägerin ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und hat
verschiedene – meist kurzzeitige – Tätigkeiten verrichtet, zuletzt im Telefonverkauf. Sie
bezog seitens der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit von November
2001 bis Dezember 2005, eine Weitergewährung dieser Rente begehrte sie wegen des
Bezuges von Arbeitslosengeld nicht.
Auf ihren erneuten Antrag vom 21.07.2006 bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom
17.11.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.08.2006 bis zum
31.12.2007. Dieser Rente lagen insgesamt 13,8499 Entgeltpunkte (EP) zugrunde, davon
7,469 EP für Beitragszeiten und 6,8030 EP für beitragsfreie Zeiten. Den Zugangsfaktor
von 1,000 verminderte die Beklagte um 0,108 auf 0,892, so dass sie persönliche EP in
einem Umfang von 12,3541 (13,8499 x 0,892) ermittelte. Bestandteil der
Rentenberechnung war u.a. eine Zurechnungszeit von 96 Monaten in der Zeit vom
01.02.2006 bis zum 10.01.2014.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies auf ein Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (Az.: B 4 RA 22/05), ausweislich dessen die
vorgenommenen Abschläge bei der Feststellung ihrer Rente gesetzeswidrig seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2007 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den
Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beklagte habe in ihrer bisherigen Verwaltungspraxis
und den dazu geführten Gerichtsverfahren § 77 Abs. 2 S. 2 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (EM-ReformG) so interpretiert, dass diese
Vorschrift die Höhe des Abschlages bei Erwerbsminderungsrenten, die vor Vollendung des
60. Lebensjahres geleistet würden, auf die Abschlagshöhe begrenze, die für den Zeitpunkt
der Vollendung des 60. Lebensjahres gelte. Für Erwerbsminderungsrenten, die vor
Vollendung des 60. Lebensjahres geleistet würden, sei danach der Zugangsfaktor um 10,8
% zu mindern.
Die Abschläge bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seien durch das EM-
ReformG vom 20.12.2000 mit einer Übergangszeit vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2003
eingeführt worden. Mit diesem Gesetz sei auch die Höhe der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit an die der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten angeglichen
worden. Dadurch hätten Ausweichreaktionen von Versicherten auf eine abschlagsfreie
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verhindert werden sollen.
Des Weiteren sei mit dem EM-ReformG die Zurechnungszeit dahingehend verlängert
worden, dass nunmehr auch die Zeit zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr voll
angerechnet werde, ebenfalls mit einem Übergangszeitraum vom 01.01.2001 bis zum
31.12.2003. Die Neuregelung der Zurechnungszeit ergebe eine beträchtliche
Rentenerhöhung in den Fällen, in denen der Versicherte bereits in jungen Jahren
erwerbsgemindert werde. Die über die gesamte Bezugsdauer hinzunehmenden
erwerbsgemindert werde. Die über die gesamte Bezugsdauer hinzunehmenden
Rentenkürzungen aus der Verringerung des Zugangsfaktors fänden daher durch die
Neuregelung der Zurechnungszeit eine hohe Kompensation. Besonders deutlich werde dies
während der o.g. Übergangszeit; in diesem Zeitraum würden im Gleichmaß einerseits der
Zugangsfaktor und andererseits der Umfang der Zurechnungszeit schrittweise verringert
bzw. verlängert (§§ 253 a und 264 c SGB VI).
Nach alledem sei die Beklagte der Auffassung, dass im vorliegenden Fall geltendes Recht
zutreffend angewandt worden sei und die in Rede stehende Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit zu Recht unter Anwendung eines verringerten Zugangsfaktors gekürzt
worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom
22.03.2007 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, das BSG habe in
seiner Entscheidung ausgeführt, es sei gesetz- und verfassungswidrig, dass die Beklagte in
dem angefochtenen Bescheid den Geldwert des Rechts der dortigen Klägerin auf Rente
wegen voller Erwerbsminderung niedriger festgesetzt habe, als sich dieser bei der
gebotenen vollen Anrechnung (Zugangsfaktor 1,0) der Vorleistung ergebe. Die von der
Beklagten geübte Praxis, bei unter 60-jährigen Erwerbsminderungsrentnern einen
„Rentenabschlag“ vorzunehmen, finde im Gesetz nicht andeutungsweise eine Stütze. Das
Gesetz lege vielmehr fest, dass Erwerbsminderungsrenten erst dann einer „Bestimmung
des Zugangsfaktors“ unterworfen seien, wenn Rentner das 60. Lebensjahr vollendet
hätten. Erst bei Eintritt dieses Falles sei ein Ausweichen vor Abschlägen bei Altersrenten
überhaupt theoretisch möglich. Die von der Beklagten gleichwohl vorgenommene
Rentenminderung um 10,8 % sei mit dieser Rechtsprechung des BSG nicht zu vereinbaren.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, den dynamisierten Geldwert des Rechts der
Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem
01.08.2006 auf 361,89 EUR festzulegen und die Beklagte zu
verurteilen, ihr für Bezugszeiten ab dem 01.08.2006 entsprechend
höhere Geldbeträge zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie weiter vor, dass bis zur Entscheidung des 4. Senates des BSG
gegen die Belegung von Erwerbsminderungsrenten mit Abschlägen lediglich deshalb geklagt
worden sei, weil diese Regelung von den Rentenempfängern als verfassungswidrig
empfunden worden sei. Die mit dieser Problematik befassten Gerichte hätten eine solche
Verfassungswidrigkeit aber verneint und es deshalb auch unterlassen, die Verfahren dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen. Insofern stehe der 4. Senat des BSG allein
mit seiner Auffassung, bei vor Vollendung des 60. Lebensjahres bezogenen
Erwerbsminderungsrenten seien nach geltendem Recht keine Abschläge zulässig. Die
Rentenversicherungsträger führten u.a. in Abstimmung mit dem Sozialverband
Deutschland weitere Musterverfahren, die Beklagte hat dann verschiedene Aktenzeichen
dieser Musterverfahren benannt. Ferner hat sie vorgeschlagen, das Verfahren zum Ruhen
zu bringen, bis über die Musterprozesse abschließend entschieden worden sei.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mitgeteilt, dass kein Einverständnis mit einem
Ruhen des Verfahrens bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verwaltungsakten der Beklagten (Versicherungs-Nr. ...) und der Gerichtsakte Bezug
genommen. Sämtliche Akten waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 17.11.2006 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 nicht beschwert in ihren Rechten
gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn diese Bescheide sind
rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die persönlichen Entgeltpunkte der Klägerin unter
Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,892 bestimmt.
Die Rentenberechnung der Beklagten widerspricht dabei dem Urteil des BSG vom
16.05.2006, Az.: B 4 RA 52/05 R. Nach dieser Entscheidung unterliegen Erwerbs-
minderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
Rentenabschlägen nur, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen. Das
BSG interpretiert die für die Berechnung des Zugangsfaktors maßgebende Vorschrift des §
77 SGB VI entsprechend: Gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI ist der Zugangsfaktor für
Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente
waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den
eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in
Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, ist gemäß § 77 Abs. 2
S. 2 SGB VI die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors
maßgebend. Die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des
Versicherten gilt gemäß § 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI nicht als Zeit einer vorzeitigen
Inanspruchnahme. Nach der Rechtsprechung des 4. Senates des BSG seien Bezugszeiten
vor Vollendung des 60. Lebensjahres vom Gesetz gerade nicht als Zeiten eines
„vorzeitigen Rentenbezuges“ bestimmt. Allein eine derartige Interpretation sei
verfassungsgemäß. Die Verminderung des Zugangsfaktors durchbreche das „Prinzip der
Vorleistungsbezogenheit der Rente“. Dieses Prinzip werde technisch im Gesetz dadurch
verwirklicht, dass der Zugangsfaktor grundsätzlich als Faktor 1,0 anzusetzen und damit
rechnerisch ohne Bedeutung für die Rentenberechnung sei. Jede Durchbrechung des
Prinzips der Vorleistungsbezogenheit der Rente bedürfe der ausdrücklichen Bestimmung
durch ein verfassungsgemäßes Gesetz. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die
Erwerbsminderungsrente „vorzeitig“ in Anspruch genommen werde, könne ohne
verfassungswidrige Willkür eine Nichtbeachtung der Vorleistung, die der Versicherte für die
Rentenversicherung erbracht habe, in Betracht kommen. Nur eine vorzeitige
Inanspruchnahme sei ein Sachgrund für die „Nichtberücksichtigung eines Teils der
Vorleistung“. Die am 01. Januar 2001 in Kraft getretene Neufassung des § 63 Abs. 5 SGB
VI, wonach Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen
Zugangsfaktor vermieden würden, beziehe sich nur auf die Zeit ab Vollendung des 60.
Lebensjahres. Erst ab diesem Zeitpunkt seien Ausweichreaktionen aus der nur bei
Inkaufnahme von Abschlägen in Anspruch zu nehmenden vorzeitigen Altersrente auf die
Erwerbsminderungsrente denkbar. Da prägender Leitgedanke für die Einbeziehung der
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Regelungen über den Zugangsfaktor
gewesen sei, die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch
genommenen Altersrenten anzupassen, werde auch durch die Entstehungsgeschichte des
Gesetzes zur Reform der Erwerbsminderungsrenten bestätigt, dass eine Reduzierung des
Zugangsfaktors erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Betracht komme. Etwas
anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass ebenfalls ab 01.01.2001 die
Zurechnungszeiten für die Versicherten, die bereits vor Vollendung des 60. Lebensjahres
erwerbsgemindert seien und Rente bezögen, verlängert würden.
Dieser Entscheidung des BSG, der sich der 7. Senat des LSG für das Saarland (Az.: L 7 R
40/06 und L 7 R 61/06), die 14. Kammer des SG Lübeck (Az.: S 14 R 191/07, S 14 R
235/07 und S 14 R 301/07) und die 17. Kammer des SG Nürnberg (Az.: S 17 R 4366/06)
angeschlossen haben, vermag sich die Kammer nach eingehender Prüfung nicht
anzuschließen.
Die Entscheidung des 4. Senates des BSG ist zu Recht in der Literatur auf Kritik gestoßen
(vgl. z.B. Plagemann, in: jurisPR-SozR 20/06 Anm. 4; Ruland in: NJW 2007, 2086 ff.; Bredt
in; NZS 2007, 192 ff.; von Koch/Kolakowski in: SGb 2007, 71 ff sowie Mey in: RVaktuell
2007, 44 ff.). Die Entscheidung steht auch im Widerspruch zur -soweit ersichtlich-
unbestrittenen Auffassung in der gesamten Rentenkommentarliteratur (vgl. insoweit die
Nachweise bei Plagemann, a.a.O.). Ferner ist auffallend, dass eine ungewöhnlich hohe
Anzahl verschiedener Sozialgerichte der Auffassung des 4. Senates des BSG nicht folgt
(vgl. z.B. SG Bremen, Az.: AS 8 RA 180/03; LSG Niedersachsen-Bremen, Az.: L 2 R
466/06 ER; SG Aachen, Az.: S 8 R 96/06; SG Altenburg, Az.: S 14 KN 64/07; SG Köln - für
den Fall der Hinterbliebenenrente - , Az.: S 29(25) R 337/06; SG Augsburg, Az.: S 3 R
26/07; SG für das Saarland, Az.: S 14 R 82/07; SG Leipzig, Az.: S 3 R 624/06; SG
Nürnberg, Az.: S 14 R 4013/07 sowie SG Freiburg, Az.: S 6 R 886/07).
Im Gegensatz zum 4. Senat des BSG hält die Kammer die von der Beklagten
vorgenommene Rechtsanwendung weder für gesetz- noch für verfassungswidrig.
Hinsichtlich des hier in Streit stehenden Zugangsfaktors regelt § 63 Abs. 5 SGB VI, dass
Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen
Zugangsfaktor vermieden werden.
Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten
bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der
Ermittlung des Monatsbetrages der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen
sind.
Sodann ist in § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI geregelt, dass der Zugangsfaktor für
Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente
waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den
eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in
Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 ist.
Anschließend ist in § 77 Abs. 2 S. 2 SGB VI folgende Regelung enthalten: „Beginnt eine
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ... vor Vollendung des 60. Lebensjahres ..., ist
die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors
maßgebend.“
Diese Regelung stellt damit klar, dass für die Berechnung einer Erwerbsminderungsrente
mit Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr für die Bestimmung des Zugangsfaktors im
Sinne von Satz 1 das 60. Lebensjahr maßgebend ist, also auf das 60. und nicht ein
früheres Lebensjahr abzustellen ist. So wird der Zeitraum, für den der Zugangsfaktor für
Erwerbsminderungsrenten mit einem Rentenbeginn vor dem 63. Lebensjahr maximal
verringert wird, auf 3 Jahre und damit die maximale Verringerung des Zugangsfaktors auf
0,108 und die Abschlagshöhe auf 10,8 % begrenzt. Anders als bei der Auslegung des BSG
ist der Wortlaut des § 77 Abs. 2 S. 2 SGB VI so zu verstehen, dass maßgebend meint, die
Berechnungsregel des Satzes 1 ist zwar anzuwenden, wird aber in der Höhe, also dem
anzusetzenden Alter, modifiziert. Auf diese Auslegung von maßgebend deutet der Wortlaut
des Satzes 2 eindeutig hin, denn es geht hier um eine Bestimmung des Zugangsfaktors,
es wird hier also geregelt, wie der Zugangsfaktor zu bestimmen, also zu berechnen ist
(vgl. Bredt. a.a.O.). Der klare Gesetzeswortlaut spricht damit gegen die vom BSG
vorgenommene Auslegung, da er von der Bestimmung des Zugangsfaktors spricht und
nicht von seiner Anwendung (vgl. Ruland, a.a.O.). Demnach wird in § 77 Abs. 2 S. 2 eben
nur geregelt, dass bei jüngeren Rentenbeziehern die Vollendung des 60. Lebensjahres für
die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend ist, aber eben nicht für den Beginn der
Vorzeitigkeit (vgl. von Koch/Kolakowski a.a.O.)
Soweit das BSG in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis kommt, dass es nach § 77 Abs. 2
S. 1 Nr. 3 SGB VI drei im Einzelnen näher beschriebene Gruppen von
Erwerbsminderungsrentnern gibt und diese Regelung in sich schlechthin objektiv willkürlich
sei, wenn man sie nicht in der von ihm vorgenommenen Art und Weise
verfassungskonform reduziert, hält die Kammer diese Ausführungen für nicht
nachvollziehbar. Denn eine verfassungskonforme Reduzierung ist deshalb nicht notwendig,
weil das Gesetz selbst in § 77 Abs. 2 S. 2 SGB VI eine Regelung dazu enthält, dass ein
Versicherter einen maximalen Abschlag in Höhe von 10,8 % in Kauf nehmen muss.
Auch aus § 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI lässt sich entgegen der Auslegung des 4. Senates des
BSG nicht herleiten, dass Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nur dann einen verringerten Zugangsfaktor
hinzunehmen haben, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen.
§ 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI lautet wie folgt: „Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung
des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen
Inanspruchnahme.“
Dabei ist dem BSG allerdings zuzugeben, dass der isolierte Gesetzeswortlaut für die von
ihm vorgenommene Auslegung spricht.
Die vom BSG vorgenommene Auslegung des § 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI würde jedoch zu
dem zumindest befremdlichen Ergebnis führen, dass der Gesetzgeber eine bereits
getroffene Regelung (§ 77 Abs. 2 S. 2 SGB VI) im nächsten Satz der- selben Vorschrift
nochmals klarstellend wiederholt (§ 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI). Denn nach der Auffassung des
BSG legt § 77 Abs. 2 S. 2 SGB VI den frühesten Beginn der Vorzeitigkeit auf die Vollendung
des 60. Lebensjahres fest; dies wird nach der Auslegung des BSG dann nochmals
ausdrücklich durch den nachfolgenden Satz 3 klargestellt, in dem dort ausgeführt wurde,
dass die Zeit einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als Zeit einer
vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Diese Auslegung ist jedoch nicht schlüssig und beraubt
einer vom Gesetzgeber geschaffenen Regelung ihren Inhalt. Für den Gesetzgeber bestand
jedenfalls kein Grund, mit § 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI eine inhaltsleere Norm zu schaffen. Allein
die Bestätigung dessen, was zuvor geregelt wurde, ist überflüssig (vgl. von
Koch/Kolakowski a.a.O.).
Vielmehr ergibt sich die Bedeutung des § 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI daraus, dass § 77 Abs. 2
S. 1 SGB VI nur die Bestimmung des Zugangsfaktors für solche Entgeltpunkte regelt, die
noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren. Andernfalls gilt §
77 Abs. 3 SGB VI, wonach für diejenigen Entgeltpunkt, die bereits Grundlage von
persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren , der frühere Zugangsfaktor
maßgebend bleibt. Hat beispielsweise ein Versicherter in jungen Jahren eine oder mehrere
Renten wegen Erwerbsminderung bezogen und ist er danach wieder erwerbsfähig
geworden bzw. ist die Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres wieder weggefallen,
gelten diese Renten als nicht vorzeitig bezogen. Bei einer späteren Rente wegen
Erwerbsminderung, einer Erziehungsrente, einer Altersrente oder einer Rente wegen Todes
ist dann für die Entgeltpunkte, die der früheren Rente zugrunde lagen, nicht nach § 77 Abs.
3 S. 1 SGB VI der verminderte Zugangsfaktor zugrunde zu legen, der bereits der früheren
Rente zugrunde lag, sondern der Zugangsfaktor richtet sich für diese Entgeltpunkte wieder
neu nach § 77 Abs. 2 SGB VI (vgl. Bredt a.a.O.).
Auch die Gesetzesmaterialien sprechen dafür, dass der Gesetzgeber eine Kürzung des
Zugangsfaktors für den gesamten Zeitraum des Bezugs der Rente wegen
Erwerbsminderung regeln wollte. Denn ein Ziel des Gesetzes zur Reform der Renten
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.02.2000 (Bundesgesetzblatt BGBl I 1827)
war die „Anpassung der Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in
Anspruch genommenen Altersrenten bei Verlängerung der Zurechnungszeit bis zum 60.
Lebensjahr“ (Bundestagsdrucksache - BT-Dr - 14/4230, Seite 1).
Zwar war Sinn der Neuregelung auch, Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur
bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden können, in die
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegen zu wirken (BT-Dr 14/4230, Seite
26 Nr. 22). Dennoch hat der Gesetzgeber generell zum Ziel gehabt, Vorteile eines
längeren Rentenbezuges durch einen verminderten Zugangsfaktor auszugleichen
(Bundestagsdrucksache 14/4230, Seite 26 Nr. 16). Der Gesetzesbegründung ist an keiner
Stelle zu entnehmen, dass ein solcher verminderter Zugangsfaktor lediglich für Versicherte
gelten soll, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Vielmehr ist den Gesetzesmaterialien
ausdrücklich zu entnehmen, dass sich durch die künftige volle Berücksichtigung der Zeit
zwischen dem vollendeten 50. und 60. Lebensjahres ( statt wie im geltenden Recht zu
einem Drittel ) als Zurechnungszeit bei einem Eckrentner gegenüber dem geltenden Recht
eine um 3,3 % (Rentenfall bis zum Lebensalter 56 Jahre und 8 Monate) bis maximal um
10,8 % (Rentenfall bei Lebensalter 60 Jahre), niedrigere Rente ergibt (BT-Dr 14/4230,
Seite 24). Der Gesetzgeber ging somit auch für Renten vor Vollendung des 60.
Lebensjahres von einem verringerten Zugangsfaktor aus. Dies hat der Gesetzgeber in der
Begründung des Gesetzentwurfes eines Altersgrenzenanpassungsgesetzes nochmals
klargestellt, insoweit ist dort folgendes ausgeführt: „Die Abschläge bei den
Erwerbsminderungsrenten in Höhe von 10,8 % sind entsprechend der ursprünglichen
Zielsetzung des Gesetzes und entgegen einer Entscheidung des 4. Senates des
Bundessozialgerichts (Urteil vom 16.05.2006 – B 4 RA 22/05 R) in allen Fällen
vorzunehmen, in denen die Rente mit oder vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnt,
also auch dann, wenn die Rente in jungen Jahren in Anspruch genommen wird
(Bundestagsdrucksache 16/3794, Seite 36 zu Nr. 23).
Soweit das BSG die Auffassung vertritt, dass die Äußerung des Sachverständigen Ruland
im Rahmen der Anhörung vor dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Sozialordnung vom
20.10.2000 die Auslegung des BSG stützt, vermag sich die Kammer dem nicht
anzuschließen. Das Gegenteil ist der Fall. Denn wenn dieser Sachverständige dort ausführt,
dass „die Abschläge im Wesentlichen ja die treffen, die ab 60 dann erwerbsunfähig
werden“, entnimmt die Kammer schon der Formulierung „im Wesentlichen“, dass
offensichtlich auch diejenigen Rentner betroffen sind, die vor dem 60. Lebensjahr
erwerbsgemindert werden. Dieser Aussage ist daher nach Auffassung der Kammer zu
entnehmen, dass diejenigen, die ab der Vollendung des 60. Lebensjahres
erwerbsgemindert werden am meisten (bei einem Eckrentner in Höhe von 10,8 %) von
den Abschlägen betroffen sind, während bei denjenigen, bei denen die Erwerbsminderung
vor Vollendung des 60. Lebensjahres eintritt, die Höhe der Abschläge durch die gleichzeitige
Verlängerung der Zurechnungszeit deutlicht verringert werden ( im günstigsten Falle bei
einem Eckrentner und einem Leistungsfall bis zum Lebensalter 56 Jahre und 8 Monate auf
nur noch 3,3 %).
Im Übrigen würde die vom BSG vorgenommene Auslegung zu dem nicht überzeugenden
Ergebnis führen, dass eine vor Vollendung des 60. Lebensjahres abschlagsfrei in Anspruch
genommene Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Zeiten des Bezuges ab
Vollendung des 60. Lebensjahres zu mindern wäre. Es finden sich in den Vorschriften des
SGB VI jedoch keinerlei Hinweise, die eine Reduzierung einer laufenden Rente allein
aufgrund eines bestimmten Alters ermöglichen. Vielmehr gewährleistet § 88 SGB VI die in
einer zuvor festgestellten Rente ermittelten Entgeltpunkte auch für eine Folgerente zu
übernehmen, wenn diese innerhalb von 24 Monaten nach der letzten Rente beginnt.
Deshalb wirken sich Abschläge bei einer auf eine Zeitrente folgenden weiteren Rente
wegen der geschützten bisherigen Entgeltpunkt nicht aus. Da solcher Besitzschutz schon
bei Folgerenten gilt, muss er erst recht bei der Weitergewährung derselben Rente über ein
bestimmtes Lebensalter hinaus gelten.
Ferner überschreitet die vom BSG vorgenommene Gesetzesauslegung nach Auffassung
der Kammer die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung, da sie die vom
Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung mehrfach vorgenommene zwingende Verbindung
zwischen der Absenkung des Zugangsfaktors einerseits und der Verlängerung der
Zurechnungszeit andererseits völlig ignoriert. Denn wie bereits ausgeführt, wollte der
Gesetzgeber die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch
genommenen Altersrenten anpassen bei gleichzeitiger Verlängerung der Zurechnungszeit
bis zum 60. Lebensjahr. Aus den Gesetzesmaterialien ist eindeutig zu entnehmen, dass die
Erwerbsminderungsrenten niedriger sein sollten als nach bisherigem Recht (zwischen 3,3
% und 10,8 % beim „Eckrentner“), die neuen gesetzlichen Vorschriften sollten demnach in
keinem Fall zu höheren Erwerbsminderungsrenten führen. Dies ist nach dem Ergebnis der
Auslegung des BSG bei sämtlichen Rentenbezugszeiten vor dem 60. Lebensjahr aber
gerade der Fall. Da aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers der
Rentenabschlag und die Aufwertung der Zurechnungszeit in einem Zusammenhang
stehen, kann man die eine Norm, nämlich § 77 SGB VI nicht über den Umweg der
„verfassungskonformen Auslegung“ korrigieren und die damit in untrennbarem
Zusammenhang stehende Änderung des § 59 SGB VI unangetastet lassen. Denn nach der
Rechtsprechung des BVerfG ist die Grenze der verfassungskonformen Auslegung erreicht,
wo die Auslegung „mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers
in Widerspruch stehen“ (vgl. die Nachweise bei Plagemann, a.a.O.). Da sich aus den
Gesetzesmaterialien der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers ergibt, die Verringerung
des Zugangsfaktors von Erwerbsminderungsrenten in untrennbarem Zusammenhang mit
der Verlängerung der Zurechnungszeit zu bringen, überschreitet die vom BSG
vorgenommene Auslegung des § 77 SGB VI die Grenzen der verfassungskonformen
Auslegung. Dies hat zur Folge, dass das gesetzgeberische Ziel der Kosteneinsparung in ihr
Gegenteil verkehrt wird und zu erheblichen Mehrkosten führt, dies ist nach Auffassung der
Kammer mit dem in Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) enthaltenen Grundsatz der
Gewaltenteilung nicht mehr vereinbar.
Wenn der 4. Senat des BSG daher von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt war,
hätte er sie nach Auffassung der Kammer in der von ihm vorgenommenen Art und Weise
nicht mehr verfassungskonform auslegen dürfen, sondern den Rechtsstreit aussetzen
müssen und dem BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorlegen
müssen.
Nach Auffassung der Kammer liegt durch die vorgenommene Minderung des
Zugangsfaktors gemäß § 77 SGB VI auch kein unzulässiger Eingriff in Grundrechte der
Klägerin vor. Insbesondere ist diese Regelung mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu
vereinbaren.
Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen nach
Art. 14 Abs. 1 GG ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines
Ausschließlichkeitsrechtes dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist. Diese genießt
den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen
des Versicherten beruht (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 – 1 BvL 5/80). Das BVerfG
hat hierbei einen abgestuften Eigentumsschutz entwickelt. In dem durch Beitragsäquivalenz
geprägten Leistungsbereich ist der Eigentumsschutz intensiver als im sonstigen Bereich der
Bewilligung von Leistungsanteilen ohne oder nur mit geminderter Beitragsleistung. Bei
letzteren verfügt der Gesetzgeber über eine weitreichende eigene Gestaltungsbefugnis, die
sich auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG stützt. Das Prinzip der Beitragsbezogenheit des
Eigentumsschutzes rentenversicherungsrechtlicher Positionen wurde jüngst durch das
BVerfG in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 (1 BvL 9/00) bestätigt. Hierin hat das
BVerfG zum Fremdrentengesetz - im Gegensatz zur Vorlage des 4. Senates - entschieden,
dass rentenrechtliche Positionen, die ausschließlich auf Beitrags- und Beschäftigungszeiten
außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland beruhen,
nicht am Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG teilnehmen. Ihnen fehle das für den Schutz nach
Art. 14 GG unverzichtbare Erfordernis der Eigenleistung, das vor allem in
einkommensbezogenen Beitragszahlungen Ausdruck finde. Bei der Anerkennung der
Zurechnungszeit und insbesondere auch deren Verlängerung um 40 Monate handelt es
sich um der Klägerin zugute kommende rentenrechtliche Zeiten, die nicht auf Beitrags- und
Beschäftigungszeiten beruhen. Wenn auch für einen Versicherungsverlauf, in dem derartige
Zeiten enthalten sind, der ungeminderte Zugangsfaktor von 1,0 verfassungsrechtlich
geboten wäre, würden auch diese Zeiten dem uneingeschränkten Eigentumsschutz des
Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterworfen. Ein derartiges Ergebnis lässt sich aus der
Rechtsprechung des BVerfG zum abgestuften Eigentumsschutz
sozialversicherungsrechtlicher Positionen nicht ableiten.
Im Übrigen ist dem Bescheid der Klägerin vom 17.11.2006 in Anlage 6, Seite 1 zu
entnehmen, dass vor Anwendung des Zugangsfaktors insgesamt 6,8030 Entgeltpunkte für
beitragsfreie Zeiten berücksichtigt wurden. Durch die Anwendung des verringerten
Zugangsfaktors von 0,892 verminderten sich die Entgeltpunkte der Klägerin allerdings nur
um 1,4958, so dass nach Auffassung der Kammer mangels Beitragsbezogenheit
überhaupt kein Eingriff in das Grundrecht der Klägerin aus Artikel 14 Abs. 1 GG vorliegt.
Denn in der Rentenberechnung wurden mehr EP für beitragsfreie Zeiten (6,8030 EP) zu
Gunsten der Klägerin berücksichtigt als EP durch den verringerten Zugangsfaktor (1,4958
EP) zu Ihren Lasten Berücksichtigung fanden.
Auch soweit man in der Regelung des § 77 SGB VI einen Eingriff in das gemäß Art. 14 Abs.
1 S. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Eigentum der Klägerin sieht, genügt diese
Bestimmung jedenfalls der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art.14 Abs. 1 S. 2 GG.
Dies ist dann der Fall, soweit Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit diesen Eingriff rechtfertigen.
Die Sicherstellung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch für
künftige Generationen stellt dabei einen ausreichenden Grund des öffentlichen Interesses
dar. Auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde ausreichend Rechnung getragen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Einführung von Abschlägen bei den Renten wegen
Erwerbsminderung während eines Übergangszeitraumes erfolgte, wobei der maximal
mögliche Rentenabschlag von 10,8 % frühestens bei einem Rentenbeginn im Dezember
2003 eintreten konnte. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Gesetzgeber durch die
bereits mehrfach angesprochene Verlängerung der Zurechnungszeiten gerade jüngere
Bezieher von Erwerbsminderungsrenten begünstigt (vgl. Urteil des LSG für das Saarland
vom 09.12.2005, Az.: L 7 RJ 91/04). Diese Verlängerung der Zurechnungszeiten stellt
insbesondere sicher, dass gerade diejenigen Erwerbsminderungsrentner, bei denen von
einer Ausweichreaktion in die Erwerbsminderungsrente anstelle des Bezugs einer
vorzeitigen Altersrente noch nicht auszugehen ist, da sie noch mehrere Jahre von der
Vollendung des 60. Lebensjahres entfernt sind, im Ergebnis von der Verringerung ihrer
Rente am wenigsten betroffen sind (bei einem Eckrentner mit einem Rentenfall bis zum
Lebensalter von 56 Jahren und 8 Monaten lediglich 3,3 %) und diejenigen, die bereits kurz
vor Vollendung des 60. Lebensjahres stehen bzw. dieses schon vollendet haben, am
stärksten betroffen sind (bei einem Eckrentner und einem Renteneintritt bei einem
Lebensalter von 60 Jahren 10,8 %). Mit dem Zusammenwirken dieser beiden Regelungen
erreicht der Gesetzgeber somit das von ihm ausdrücklich verfolgte Ziel,
Ausweichreaktionen in die Erwerbsminderungsrenten möglichst zu verhindern und damit
die Rentenversicherung durch eine geringere Höhe der Erwerbsminderungsrenten zu
entlasten, um somit die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch für
künftige Generationen sicherzustellen.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.