Urteil des SozG Nürnberg vom 17.12.2010

SozG Nürnberg: friedhof, stadt, form, nummer, verfügung, deckung, pflege, bevölkerung, aufzählung, fax

Sozialgericht Nürnberg
Urteil vom 17.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 20 SO 153/10
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Koste sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von der Beklagten die Übernahme der Kosten i.H.v. 570 EUR für die Verlängerung eines
Grabrechts nach dem SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch).
Die Kläger stehen seit vielen Jahren bei der Beklagten in Bezug von Leistungen nach dem BSHG
(Bundessozialhilfegesetz) bzw. nach dem SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch).
Am 6. Juni 2010 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Grabverlängerung für ein Wahlgrab doppeltief/1-fachbreit
auf dem Friedhof R. Das bisherige Grabrecht endete zum 10. Juli 2010. Die Gebühr für die weitere Laufzeit von 10
Jahren betrug 560 EUR zuzüglich einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 10 EUR.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führt im Wesentlichen aus, die Kosten für die
Grabverlängerung würden keinen sozialhilferechtlich notwendigen Bedarf darstellen. Soweit die Ausgabe gewünscht
sei, sei diese aus dem Regelsatz, das heißt aus der laufenden Leistung nach dem SGB XII zu finanzieren. Gemäß
Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Juli 2007 – B 8/9b SO 8/06 R seien nach dem Willen des
Gesetzgebers Einmalbedarfe außer den in § 31 SGB XII genannten aus dem pauschalierten Regelsatz zu decken.
Auch die Gewährung eines Darlehens gemäß § 37 Abs. 1 SGB XII scheide aus. Zum einen sei das Ende der
Grablaufzeit bereits seit 10 Jahren bekannt, so dass aus dem Regelsatz Ansparungen hätten getroffen werden
können, zum anderen müsse die Möglichkeit einer ratenweisen Zahlung geprüft werden. Außerdem sei verwertbares
Vermögen in Form eines Wohnwagens vorhanden.
Gegen den Bescheid legte die Kläger am 6. Juli 2010 Widerspruch ein. Sie trugen vor, die Behauptung hinsichtlich
des Wohnwagens sei falsch; sie besäßen keinen Wohnwagen. Außerdem würden sie sich fragen, was noch alles aus
dem Regelsatz zu finanzieren sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2010 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch zurück. Sie
verwies auf bereits ergangene Urteile zur Übernahme von Grabpflegekosten: Danach sei eine gesonderte Übernahme
solcher Kosten auf Grundlage des SGB XII nicht möglich. Vielmehr seien die Kosten bereits im Regelsatz enthalten.
Eine Übernahme der Kosten der Verlängerung des Grabrechts könne auch nicht nach § 73 SGB XII erfolgen, da
hierfür der Einsatz öffentlicher Mittel nicht gerechtfertigt sei.
Am 21. September 2010 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Sie legen einen
Gebührenbescheid der Stadt Nürnberg - Friedhofsverwaltung vom 30. Juni 2010 vor. Danach wurden 570 EUR für die
Verlängerung des Nutzungsrechts an einer Grabstätte auf dem Friedhof R. gezahlt.
Die Kläger beantragen in der mündlichen Verhandlung,
die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, die Gebühren für die Grabverlängerung in
Höhe von 570 EUR zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist vollinhaltlich auf den Widerspruchsbescheid vom 2. September 2010.
Das Gericht hat im Verfahren Auskünfte bei der Friedhofsverwaltung der Stadt Nürnberg eingeholt.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 hat das Gericht den Antrag der Kläger auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
abgelehnt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die
Sitzungsniederschrift, sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 2. September 2010 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat es die
Beklagte abgelehnt, die Kosten für die Verlängerung des Grabrechts an einer Grabstätte auf dem Friedhof R.,
Abteilung/Reihe S/A Nummer in Höhe von 570 EUR zu übernehmen.
1. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch kann nicht auf § 74 SGB XII gestützt werden. Die Kosten für die -
im vorliegenden Fall wiederholte - Verlängerung eines bestehenden Grabrechts an einer Grabstätte gehören nicht zu
den Bestattungskosten. Hierunter sind schon dem Wortsinn nach nur Kosten zu verstehen, die anlässlich der
Beisetzung eines Verstorbenen anfallen. Die Verlängerung der Grabnutzung erfolgt dagegen in einem deutlichen
zeitlichen Abstand zur Beisetzung und beruht auf einer Entscheidung des jeweiligen Grabrechtinhabers, die in keinem
Zusammenhang mit der Durchführung der Beisetzung selbst steht. Überdies sind die Kläger nicht aufgrund
gesetzlicher Vorschriften zur Verlängerung des Grabrechts an der Grabstätte auf dem Friedhof R. verpflichtet. Auch
aus diesem Grund kommt eine Übernahme der Kosten auf der Grundlage des § 74 SGB XII nicht in Betracht.
2. Eine Übernahme der Kosten für die Verlängerung des Grabrechts kann auch nicht nach § 73 SGB XII erfolgen. § 73
SGB XII ist nicht als allgemeine Auffangregelung zu verstehen, die es ermöglicht, die Höhe der Sozialhilfeleistung auf
die jeweilige Bedarfslage im Einzelfall abzustimmen. Vielmehr setzt die Gewährung von Hilfe in sonstigen
Lebenslagen eine besondere, atypische Bedarfslage voraus (Bundessozialgericht, Urt. v. 19. August 2010 - B 14 AS
47/09 R; Urt. v. 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R). Das Innehalten eines Grabrechts bzw. der Verantwortung
für die Pflege und die Erhaltung einer Grabstätte eines verstorbenen Angehörigen ist jedoch ebenso wie die Vorsorge
für die eigene Bestattung eine in der Bevölkerung typischerweise anzutreffende Bedarfslage.
3. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Verlängerung des Grabrechts fallen auch nicht unter die einmaligen
Bedarfe des § 31 SGB XII, zu deren Deckung vom Sozialhilfeträger Leistungen erbracht werden können. Die
Vorschrift beinhaltet nach dem Willen des Gesetzgebers eine abschließende Aufzählung. Darüber hinaus werden im
Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB XII keine einmaligen Leistungen erbracht. Vielmehr sind die
Leistungsempfänger nach dem SGB XII gehalten, andere einmalige Bedarfe aus den laufenden Leistungen nach dem
SGB XII zu befriedigen. Das bedeutet, dass sie Ansparungen tätigen müssen, um sie im Bedarfsfall einsetzen zu
können (Bundessozialgericht, Urt. v. 16. Oktober 2007 – B 8/9b SO 8/06 R).
4. Die Kosten für die Verlängerung eines bestehenden Grabrechts gehören zu diesen einmaligen Bedarfen, die aus
den laufenden Leistungen nach dem SGB XII zu befriedigen sind. Sie sind dem für den Bereich "andere Waren und
Dienstleistungen" im Regelsatz vorgesehenen Anteil zuzuordnen (Abteilung 12 der Einkommens- und
Verbraucherstichprobe (EVS); siehe hierzu § 28 (3) SGB XII) und damit - ebenso wie die Kosten für die Pflege eines
Grabes (siehe dazu Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl., § 27 Rz. 27; Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29. Mai 2001 – 16 A 3819/99 zum BSHG) – zum durch den Regelsatz
abgedeckten notwendigen Lebensunterhalt zu rechnen. Somit obliegt es den Klägern zu entscheiden, ob sie den ihnen
zur Verfügung stehenden Regelsatzanteil für "andere Waren und Dienstleistungen" für die Verlängerung des
bestehenden Grabrechts an der Grabstätte auf dem Friedhof R., Abteilung/Reihe S/A Nummer verwenden oder für
andere Zwecke einsetzen. Dass der Hilfeempfänger hier im Einzelfall für ihn schwierige Entscheidungen treffen muss,
ist als Folge der vom Gesetzgeber gewählten Form der grundsätzlich pauschalierten Sozialhilfegewährung
hinzunehmen. Die Kehrseite ist allerdings, dass der Hilfeempfänger nicht (mehr) im Einzelfall auf eine positive
Entscheidung des Sozialhilfeträgers über einen geltend gemachten Bedarf angewiesen ist, sondern
selbstverantwortlich bestimmen kann, wo er Prioritäten setzt und zur Deckung welcher Bedürfnisse er die finanzielle
Unterstützung der staatlichen Gemeinschaft einsetzen möchte.
5. Letztlich können die Kosten für die Verlängerung des Grabrechts durch die Beklagte auch nicht in Form eines
Darlehens gemäß § 37 Abs. 1 SGB XII übernommen werden.
§ 37 (1) SGB XII lautet: Kann im Einzelfall ein von den Regelsätzen umfasster und nach den Umständen unabweisbar
gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden, sollen auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als
Darlehen erbracht werden.
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Vorraussetzung, dass der vorhandene Bedarf auf keine andere Weise
gedeckt werden konnte. Wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen haben, haben sie das Geld
für die Verlängerung des Grabrechts von Verwandten der Klägerin zu 2. erhalten und bislang nicht zurückgezahlt.
Diese Aussage lässt in der Zusammenschau mit dem Handlungsablauf bei der Verlängerung des Grabrechts Zweifel
aufkommen, ob überhaupt jemals ein ungedeckter Hilfebedarf bestanden hat: Am Sonntag, den 6. Juni 2010 wurde
der Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten per Fax gestellt. Am 7. oder 8. Juni 2010 wurde der Betrag mit
Überweisungsträger bei der Bank eingezahlt. Am 9. Juni 2010 erfolgte der Zahlungseingang auf das Konto der
Friedhofsverwaltung der Stadt Nürnberg. Demzufolge muss den Klägern das Geld für die Verlängerung des Grabrechts
bereits am Tag nach der Antragstellung bei der Beklagten, spätestens aber zwei Tage später zur Verfügung
gestanden haben. Unabhängig von den dadurch bedingten grundsätzlichen Zweifeln am Vorliegen einer Bedarfslage,
war es den Klägern aber in jedem Fall möglich, den vorhandenen Bedarf kurzfristig auf andere Weise zu decken.
Damit kam aber eine Darlehensgewährung nach § 37 (1) SGB XII nicht in Betracht ...
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.