Urteil des SozG München vom 13.04.2005

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Sozialgericht München
Urteil vom 13.04.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 33 KR 1607/04
I. Der Bescheid vom 27.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 wird aufgehoben. Die
Beklagte wird verpflichtet, über den Erstattungsantrag vom 29.12.2003 zu entscheiden. II. Die Kosten des Verfahrens
trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Streitig ist die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge für den
Zeitraum 1974 bis 2003.
Vom 23.08.1974 bis 31.03.2003 war Frau M. K. bei der Klägerin beschäftigt und bei der Beklagten krankenversichert.
In diesem Zeitraum wurde der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Beklagte entrichtet. Ab 01.04.2003 wechselte
Frau K. zur BKK Mobil Oil, die mit Bescheid vom 24.11.2003 eine Versicherungspflicht verneinte.
Die Klägerin, eine offene Handelsgesellschaft, beantragte am 29.12.2003 bei der Beklagten die Erstattung der für M.
K., geb. am 25.04.1955 gezahlten Sozialversicherungsbeiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum, da aufgrund
der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht ab 01.04.2003 durch die BKK Mobil Oil (Bescheid vom 24.11.2003)
feststehe, dass eine Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zu keinem Zeitpunkt vorgelegen
habe.
Mit Bescheid vom 12.01.2004 teilte die Beklagte mit, dass nach den vorliegenden Unterlagen die BKK Mobil Oil nach
§ 28 h Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zuständig sei.
Ausweislich der Beklagtenakten lehnte die BKK Mobil Oil eine Entscheidung über den Zeitraum vor 01.04.2003 ab.
Sie geht von einer Zuständigkeit der Beklagten aus.
Mit Schreiben vom 01.03.2004 bestätigte die Beklagte die Entscheidung vom 01.12.2004. Auch die
Landesgeschäftsstelle Südbayern der Beklagten ging von einer Zuständigkeit der BKK Mobil Oil als neuer
Einzugstelle für die Entscheidung über den Erstattungsantrag aus.
Mit Schreiben vom 18.10.2004 beantragte die Klägerin nochmals eine Entscheidung der Beklagten über die
Versicherungspflicht von 1974 bis 2003.
Am 04.11.2004 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Sozialgericht München, da über den Antrag auf Erstattung
nicht entschieden worden sei.
Am 12.01.2005 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid, mit dem eine Zuständigkeit der Beklagten für die
Entscheidung über den Erstattungsanspruch verneint wurde.
In der mündlichen Verhandlung am 13.04.2005 beantragte die Klägerin, den streitgegenständlichen Bescheid in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zur Entscheidung über den
Ertstattungsantrag vom 29.12.2003 zu verurteilen.
Der Vertreter der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Klageakte und die beigezogenen Beklagtenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist gegen ihrer Rechtsauffassung zur Entscheidung über den am
29.12.2003 gestellten Antrag auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zuständig. Sie ist damit verpflichtet, über
diesen Antrag zu entscheiden.
Die Beanstandung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge ist in § 26 SGB IV geregelt. Diese Vorschrift
enthält keine Bestimmung der Zuständigkeit bezüglich der Entscheidung über einen Erstattungsantrag.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann die Zuständigkeit der aktuellen Einzugstelle jedoch nicht aus §
28 h und § 28 i SGB IV hergeleitet werden. Diese von der Beklagten herangezogenen Vorschriften beziehen sich
ausschließlich auf den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (§ 28 d SGB IV). Bereits aus der
systematischen Stellung dieser Vorschriften ist ersichtlich, dass sie für die Erstattung zu Unrecht entrichteter
Beiträge nicht einschlägig sind.
Die Zuständigkeit für die Beitragserstattung ist jedoch in Spezialvorschriften der jeweiligen Bücher des
Sozialgesetzbuches für den Bereich der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung geregelt. So sieht für den Bereich
der Arbeitslosenversicherung § 351 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) in Abs. 2 vor, dass die Beiträge
grundsätzlich durch die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, an welche die Beiträge entrichtet
worden sind, zu erstatten sind. Nummer Drei dieser Regelung sieht darüber hinaus vor, dass die zuständige
Einzugstelle die Beiträge erstattet, soweit die Bundesagentur für Arbeit dies mit den Einzugstellen vereinbart hat.
Entsprechend dieser Vorschriften sieht § 211 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI) für die
Rentenversicherung eine Sonderregelung bei der Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge vor. Nach dieser Regelung
erfolgt die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge (§ 26 Abs. 2 und 3 SGB IV) durch die zuständige Einzugstelle,
wenn die Träger der Rentenversicherung dies mit den Einzugstellen oder den Leistungsträgern vereinbart haben (§ 211
Satz 1 SGB VI).
Bezüglich des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung enthält das Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V)
keine Regelung.
Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass sowohl bezüglich der Beiträge zur Arbeitslosen- als auch zur
Rentenversicherung gesetzliche Regelungen bestehen, die eine Zuständigkeitsvereinbarung erlauben. Von dieser
Möglichkeit haben die Spitzenverbände der Sozialversicherung Gebrauch gemacht. Insoweit wurden mit Datum vom
26.03.2003 "Gemeinsame Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-
, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung" ausgearbeitet. Diese Grundsätze lösen mit Wirkung ab 01.04.2003
die gemeinsamen Grundsätze vom 31.05.2000 ab.
Die Vereinbarung sieht vor, dass der Antrag auf Erstattung der Beiträge bei der Einzugsstelle einzureichen ist, an die
die Beiträge gezahlt worden sind (Ziff. 3.2). Dies ist für den Zeitraum bis 31.03.2003 die Beklagte.
Bezüglich der Bearbeitung des Antrags (Ziffer 3.3) sieht die Ziffer 3.3.1 vor, dass für die Bearbeitung des Antrages
"die Einzugstelle" zuständig ist, soweit sich aus den Abschnitten 3.3.2 und 3.3.3. nichts anderes ergibt. Diese
Regelung enthält bezüglich der Zuständigkeit der Einzugstelle keine von Ziffer 3.2 abweichende oder ergänzende
Regelung. Damit ist davon auszugehen, dass für die Bearbeitung des Antrages die Einzugstelle zuständig ist, an die
die Beiträge gezahlt worden sind (vgl. 3.2 der Vereinbarung).
Im Ergebnis ist für die Entscheidung über den Antrag vom 29.12.2003 also die Beklagte zuständig, da sie bis
31.03.2003 die Einzugstelle des Gesamtsozialversicherungsbeitrages war und an sie der
Gesamtsozialversicherungsbeitrag geleistet wurde.
Nachdem die Beklagte entgegen den genannten Vorschriften eine Entscheidung über den Erstattungsantrag im
streitgegenständlichen Bescheid ablehnte, war der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des
Widerspruchbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag vom 29.12.2003 zu
entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Umstand, dass die Klage erfolgreich war.