Urteil des SozG Marburg vom 10.11.2010

SozG Marburg: job sharing, versorgung, rückforderung, abrechnung, vertragsarzt, gemeinschaftspraxis, richtigstellung, beschränkung, rka, vergleich

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 10.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 455/10
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs
bei Beschäftigung einer angestellten Ärztin im Rahmen eines sog. Job-Sharings in Höhe von 19.128,73 EUR netto für
das Quartal III/04 (5. Leistungsjahr).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis zweier Frauenärzte mit Praxissitz in A-Stadt, die bis zum Quartal II/05
bestand (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22.02.2005). Zunächst war Frau Dr. AA zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.06.2000 wurde Herr Dr. AB mit Frau Dr.
AA im Rahmen eines sog. Job-Sharings zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit gem. § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB
V i. V. m. Abschnitt 4 Nr. 23 BedarfsplRL-Ä zugelassen.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 29.01.2002 wurde das Gesamtpunktzahlvolumen auf Antrag der
Klägerin, die vorgetragen hatte, aufgrund einer Erkrankung eines Kollegen sei ein enormer Patientenzulauf zu
verzeichnen, wie folgt neu festgesetzt:
Jahresquartal Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr I 1.679.228,79 II 1.623.618,78 III 1.491.702,55 IV
1.463.146,81
Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Richtlinien
angepasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26.10.2004 wurde u. a. festgestellt, dass die
Leistungsbeschränkung mit der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen geendet habe.
Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in dem streitbefangen Quartalen wie folgt
fest:
III/04 Honorarbescheid vom 07.02.2005 Nettohonorar gesamt in EUR 70.338,53 Bruttohonorar PK + EK in EUR
71.979,03 Fallzahl PK + EK 1.158 Angefordertes Honorar Basis EBM in EUR Anerkannte Honorarforderung nach
Anw. HVV in EUR 107.460,50 Fallzahlabhängige Quotierung LZ 505 HVV - Maßnahme gem. LZ 506 -
Mit Bescheid vom 27.02.2008 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für das Quartal
III/04 – 5. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von 19.128,78
EUR zurück. Die Prüfung des 5. Leistungsjahrs habe ergeben, dass die Klägerin nach entsprechender Saldierung und
unter Berücksichtigung des Punktwertes 19.649,64 EUR brutto zuviel an Leistungsbedarf zur Abrechnung gebracht
habe. Zu berücksichtigen seien anteilige Verwaltungskosten in Höhe von 520,91 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 20.03.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, sie
habe keinerlei Leistungsausweitung vorgenommen. Der angebliche Überschreitungsbetrag sei ausschließlich dadurch
entstanden, dass – nicht wie üblich – das abgerechnete Punktzahlvolumen eines Kalenderjahres miteinander
verrechnet worden sei, sondern aufgrund der Beendigung des Job-Sharings eine Saldierung des Punktzahlvolumens
des Quartals III/04 mit den anderen Quartalen nicht erfolgt sei. Aus diesem Grund sei von einer Rückforderung
abzusehen. Darüber hinaus mache sie die Einrede der Verjährung geltend. Gemäß Leitzahl 804 des
Honorarverteilungsmaßstabs könne die Beklagte eine nachträgliche Berichtigung der Honorarabrechnung nur innerhalb
von zwei Jahren nach Zustellung des Honorarbescheids vornehmen. Die zweijährige Ausschlussfrist gelte nicht bei
vorsätzlicher oder grob-fahrlässiger Falschabrechnung sowie bei der Verletzung der Bestimmungen nach Leitzahl 205
bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen. Eine Verletzung der Bestimmung nach Leitzahl 205
liege nicht vor. Die Berichtigung sei aber erst drei Jahre nach Erlass des Honorarbescheids erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte sie aus, Rechtsgrundlage für die Rückforderung seien die auf der gesetzlichen Grundlage des § 72
Abs. 2 Satz 2 SGB V ergangenen Vorschriften des § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä.
Die Begrenzung des Punktzahlvolumens folge aus dem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 29.01.2002. Die
darin festgelegten Punktzahlvolumina habe die Klägerin schriftlich anerkannt. Ihr Vorstand habe beschlossen, dass
bei Rückforderungen bezüglich der Überschreitungen des Gesamtpunktzahlvolumens Job-Sharings die vierjährige
Ausschlussfrist für die Durchführung von sachlich-rechnerischen Berichtigungen gelte. Insoweit stelle dies eine
konkretisierende Ausgestaltung der Verjährungsfristen dar. Da die Rückforderung eines Zeitraums von vier Jahren
erfolgt sei, sei die Rückforderung nicht verjährt. Das Job-Sharing-Verhältnis habe nur im Quartal III/04 bestanden,
weshalb eine Saldierung nicht möglich gewesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 22.06.2010 die Klage erhoben. Sie trägt vor, in den ersten vier Leistungsjahren seien
keine Rückforderungen im Rahmen des Job-Sharings entstanden. In den zugrunde liegenden Honorarbescheiden sei
auch kein Vorbehalt dergestalt aufgenommen worden, wonach ein evtl. Korrekturbescheid aufgrund des Job-Sharings
noch hätte erstellt werden können. Sie sei weiterhin der Auffassung, dass Verjährung vorliege. Der Hinweis der
Beklagten auf den Vorstandsbeschluss stelle keine ausreichende Begründung dar. Der Beschluss, der im Übrigen
weder veröffentlicht noch sonst wie irgendwie bekannt gemacht worden sei, sei rechtswidrig. Zwar könne der Vorstand
einer KV dazu ermächtigt werden, Ausnahmen für sog. atypische Fälle vorzusehen, jedoch liege hier kein atypischer
Fall vor. Der Beschluss des Vorstandes sei weder durch Satzungsregelungen noch durch HVM-Regelung gedeckt und
deshalb nichtig. Im HVM sei die Verjährungsfrist auf zwei Jahre festgesetzt worden und es sei keine
Ermächtigungsgrundlage erkennbar, die Ausnahmen durch Beschluss des Vorstandes vorsehen würde.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 27.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom
26.05.2010 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und ist weiterhin der Auffassung,
maßgeblich sei der Beschluss des Zulassungsausschusses. Die quartalsbezogene Gesamtpunktzahlgrenze hätten
die Gemeinschaftspraxis-Partner anerkannt. Sie sei an den bestandskräftigen Beschluss des
Zulassungsausschusses gebunden. Die Vorgaben zur Errechnung eines Honorars seien rechtlich völlig zu trennen
von den Bestimmungen zur Prüfung der Einhaltung der Leistungsobergrenze zum Job-Sharing. Aus der Einbeziehung
aller Leistungen in die Punktzahlobergrenze, ausgenommen Kosten nach Leistungsgruppe 14, sei die Berechnung des
Rückforderungsbetrags mithilfe des durchschnittlichen Punktwertes rechtmäßig. Dies entspreche letztendlich auch
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Honorarkürzungen bei Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw. sachlich-
rechnerischer Berichtigung. Auf eine Mitteilung des Anpassungsfaktors komme es nicht an. Eine Verwirkung liege
schon deshalb nicht vor, weil sie mit der Übersendung der Honorarunterlagen für das Quartal III/04 auf einen
Rückforderungsvorbehalt hingewiesen habe (Bl. 52 der Verwaltungsakte). Es liege eine Verletzung der
vertragsärztlichen Bestimmungen vor, weshalb die zweijährige Verjährungsfrist nicht gelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Der Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 27.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten
vom 26.05.2010 für das Quartal III/04 5. Leistungsjahr – ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage
war daher abzuweisen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu
stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2
1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu
überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der
von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit
der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf
Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb
nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der
Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu
prüfen und ggf. zu berichtigen.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Nach den hier noch bis zum Quartal I/07 maßgeblichen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und
Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte) vom 9. März 1993 (BAnz.
Nr. 110 a vom 18. Juni 1993), zuletzt geändert am 21. Februar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006, S. 2541,
die ab 01. April 2007 durch die in den hier maßgeblichen Bestimmungen unveränderte Neufassung der
Bedarfsplanungs-Richtlinie (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die
Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung
(Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007, S.
3491, in Kraft getreten am 1. April 2007, zuletzt geändert am 18. Februar 2010, veröffentlicht im Bundesanzeiger
2010, S. 1641, in Kraft getreten am 8. Mai 2010) (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä) abgelöst wurde, die
regelungstechnisch Nrn. durch §§ ersetzt, legt der Zulassungsausschuss vor der Zulassung des Antragstellers in
einer verbindlichen Feststellung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der gegenüber dem
Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen ergangenen
Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina fest, welche bei der Abrechnung der ärztlichen
Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis von dem Vertragsarzt sowie dem Antragsteller nach seiner
Zulassung gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese Gesamtpunktzahlvolumina
sind so festzulegen, dass die in einem entsprechenden Vorjahresquartal gegenüber dem erstzugelassenen
Vertragsarzt anerkannten Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3 v. H. überschritten werden. Das
Überschreitungsvolumen von 3 v. H. wird jeweils auf den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals bezogen.
Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen (Punktzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen) wird nach
Nr. 23f bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst. Bei Internisten ist zur Ermittlung
des Fachgruppendurchschnittes auf die Entscheidung des bereits zugelassenen Vertragsarztes zur hausärztlichen
oder fachärztlichen Versorgung abzustellen. Im Übrigen gilt für Anpassungen Nr. 23e bzw. § 23e. Außergewöhnliche
Entwicklungen im Vorjahr, wie z. B. Krankheit eines Arztes, bleiben außer Betracht; eine Saldierung von Punktzahlen
innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahresvolumen ist zulässig. Der
Zulassungsausschuss trifft seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche Vereinigung
übermittelten Angaben (Nr. 23c bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä).
Sowohl für die Berechnung des Ausgangspunktzahlvolumens als auch des Vergleichspunktzahlvolumens nach Nr.
23c bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä ist das im Zeitpunkt der Abrechnung jeweils geltende Berechnungssystem für die
vertragsärztlichen Leistungen maßgeblich. Auf Antrag des Vertragsarztes sind die Gesamtpunktzahlvolumina neu zu
bestimmen, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen, die für das Gebiet der Arztgruppe
maßgeblich sind, spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen
oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können eine Neuberechnung
beantragen, wenn Änderungen der Berechnung der für die Obergrenzen maßgeblichen Faktoren eine spürbare
Veränderung bewirken und die Beibehaltung der durch den Zulassungsausschuss festgestellten
Gesamtpunktzahlvolumina im Verhältnis zu den Ärzten der Fachgruppe eine nicht gerechtfertigte
Bevorzugung/Benachteiligung darstellen würde (Nr. 23e bzw. § 23e BedarfsplRL-Ä).
Die Gesamtpunktzahlvolumina zur Beschränkung des Praxisumfangs folgen der Entwicklung des
Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes (Anpassungsfaktor). Die
Anpassungsfaktoren werden im ersten Leistungsjahr von der Kassenärztlichen Vereinigung errechnet. Die dafür
maßgebliche Rechenformel lautet: PzVol (Quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis)./. PzFg
(Quartalsbezogener Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe) = Fakt (Quartalsbezogener
Anpassungsfaktor). Sie stellen die Grundlage zur Ermittlung der Gesamtpunktzahlvolumina für die Folgejahre dar. Der
jeweilige Anpassungsfaktor wird ab dem zweiten Leistungsjahr mit dem Punktzahlvolumendurchschnitt der
Fachgruppe multipliziert und ergibt die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis (die Saldierungsregelung nach Nr.
23c Satz 6 bzw. § 23c Satz 6 BedarfsplRL-Ä bleibt hiervon unberührt). Die Kassenärztliche Vereinigung teilt dem
Vertragsarzt die für ihn verbindlichen Anpassungsfaktoren mit (Nr. 23f bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä).
Damit können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der
Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen Leistungsjahrs errechnet werden. Von daher erfasst der
Anpassungsfaktor, der hier auf der Grundlage der Abrechnungen vor Einführung des EBM 2005 errechnet wurde, auch
evtl. Punktzahlausweitungen aufgrund einer höheren Leistungsbewertung.
Die Festsetzung mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 27.06.2000, der bestandskräftig geworden
ist, ist für alle Beteiligten und das Gericht bindend erfolgt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 12.12.2007 – L 4 KA 62/06 –
www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. vom
28.01.2009 – B 6 KA 17/08 B – BeckRS).
Die Beklagte war zur Rückforderung auch nicht wegen Überschreitens einer Ausschlussfrist gehindert. Insbesondere
kann sich die Klägerin nicht auf die nach dem Honorarverteilungsmaßstab geltende zweijährige Ausschlussfrist
stützen. Diese verstößt gegen Bundesrecht und ist daher nichtig.
Nach LZ 804 HVM bleibt der zuständigen Bezirksstelle oder Landesstelle der KV eine nachträgliche Berichtigung der
Honorarabrechnung innerhalb von zwei Jahren nach Zustellung des Honorarbescheids sowie eventueller Anlagen
vorbehalten. Diese zweijährige Ausschlussfrist gilt nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung
sowie bei Verletzung der Bestimmung nach LZ 205 und bei Honorarberichtigungen aufgrund von
Plausibilitätsprüfungen gem. § 83 Abs. 2 SGB V.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird seit 1993 nicht mehr an der früheren Rechtsprechung
festgehalten, wonach eine Verjährung eintreten kann. Das Bundessozialgericht hat zunächst für die
Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeführt, das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und
entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, sei nicht auf Tun oder Unterlassen des
Kassenarztes gerichtet. Es sei jedenfalls kein Anspruch, sondern mit einem Gestaltungsrecht vergleichbar. Dies
bedeute jedoch nicht, dass der dem Arzt erteilte Honorarbescheid zeitlich unbegrenzt geändert bzw. aufgehoben
werden könne. Die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens ergebe sich aus dem
rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Artikel 20 Abs. 3 GG). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung
enthalte das SGB V nicht. Im Bereich der Verjährungsfristen im Sozialrecht habe der Gesetzgeber aber deutlich
gemacht, dass er eine Frist von vier Jahren im Regelfall als angemessen ansehe. Dies ergebe sich aus den
Verjährungsregeln in den Büchern des SGB (§ 45 Abs. 1 SGB I, § 45 Abs. 4 SGB I a. F., § 25 Abs. 1 und § 27 Abs. 1
SGB IV sowie § 50 Abs. 4 und § 113 SGB X). Das Bundessozialgericht habe diese Frist auch auf Ansprüche im
Kassenarztrecht angewandt, soweit durch Vereinbarungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der
Krankenkassen keine abweichenden Regelungen getroffen worden seien. Es erscheine sachgerecht, diese für die
Verjährung einheitlich festgesetzte Frist im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das
Verfahren zur endgültigen Festsetzung der kassenärztlichen Honorare zu übertragen (vgl. BSG, Urt. v. 16.06.1993 –
14a/6 RKa 37/91 – SozR 3-2500 § 106 Nr. 19 = BSGE 72, 271 = NZS 1994, 39 = MDR 1994, 285 = NJW 1994, 3036).
Der 6. Senat hat zunächst offen gelassen, ob die für den Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung angenommene
Ausschlussfrist auch auf die Aufhebung von Verwaltungsakten wegen rechnerischer oder gebührenordnungsmäßiger
Richtigstellung anzuwenden sei (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 – 6/14a RKa 3/93 – DOK 1995, 506 = USK 95122, juris
Rdnr. 18). Hierauf Bezug nehmend hat er sodann die für die vertragsärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung geltende
vierjährige Ausschlussfrist auch auf die sachlich-rechnerischen Beanstandungen übertragen (vgl. BSG Urt. v.
15.11.1995 – 6 RKa 57/94 – SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 = USK 95136, juris Rdnr. 10).
Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist der seit 2004 geltende § 106a SGB V. Danach stellt
die Kassenärztlichen Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnung der Vertragsärzte fest (§
106a Abs. 2, Satz 1 HS 1 SGB V). Hierbei handelt es sich nunmehr um eine gesetzliche Kompetenzzuweisung. Eine
ausdrückliche gesetzliche Ausschlussfrist enthält § 106a SGB V ebenfalls nicht, so dass nach Auffassung der
Kammer die Analogie aus den gesetzlich genannten Vorschriften weiterhin Gültigkeit hat. Es kann dahinstehen, ob die
Regelung einer Ausschlussfrist insofern den in § 106a SGB V genannten Vertragsparteien vorbehalten wäre.
Jedenfalls kann die Beklagte, allein gestützt auf ihre Satzungsbefugnis, diese bundesrechtlichen Vorgaben nicht
ändern. Die Verkürzung der Ausschlussfrist bedeutet im Ergebnis auch eine Verkürzung und Beschneidung ihrer
bundesgesetzlich zugewiesenen Kompetenzen und Aufgaben.
LZ 208 HVM ist daher wegen Verstoßes gegen Bundesrecht jedenfalls im Hinblick auf die Geltung einer zweijährigen
Ausschlussfrist rechtswidrig und damit nichtig. Die Klägerin kann sich hierauf nicht berufen. Es kommt daher auch
nicht darauf an, inwieweit der Vorstand berechtigt ist, allgemeine ergänzende Ausschlussregelungen zu treffen.
Insofern ist hier der Klägerin zuzugeben, dass gerade die Aufzählung weiterer genereller Ausnahmen von der
zweijährigen Ausschlussfrist dafür sprechen, dass insofern eine Regelungsbefugnis dem Vorstand entzogen wäre. Im
Übrigen ist der Vorstand grundsätzlich nicht berechtigt, allgemeine Regelungen zu treffen.
Von daher gilt im Ergebnis jedenfalls die vierjährige Ausschlussfrist.
Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der
Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v.
23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R - juris Rdnr. 60 m.w.N.). Diese Frist war nicht abgelaufen, was insoweit auch zwischen
den Beteiligten nicht umstritten ist.
Die Beklagte war auch berechtigt, den Kürzungsbetrag wegen Aufgabe der sog. Job-Sharing-Praxis für ein Quartal
festzusetzen.
Nach den BedarfsplRL-Ä erfolgt die Festsetzung der Gesamtpunktzahlvolumina quartalsmäßig. Vor der Zulassung
des Antragstellers legt der Zulassungsausschuss, wie bereits ausgeführt, in einer verbindlichen Feststellung zur
Beschränkung des Praxisumfangs quartalsbezogene Gesamtpunkzahlvolumina (Obergrenze) fest. Eine Saldierung
einzelner Quartalsabrechnungen ist nicht zwingend vorgeschrieben. Nach Nr. 23c Satz 7 HS 2 BedarfsplRL-Ä ist die
Saldierung von Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahresvolumen
zulässig. Soweit die Beklagte eine Saldierung angekündigt hat, die nach der genannten Bestimmung zulässig ist, ist
sie daran gebunden. Soweit aber das Job-Sharing-Verhältnis nur noch in einem Quartal innerhalb eines
Leistungsjahres vorliegt, ist eine Saldierung schon aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten ausgeschlossen.
Bereits von daher bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Vorgehensweise der Beklagten.
Das Bundessozialgericht hat für die sogenannte Degressionsberechnung im vertragszahnärztlichen Bereich nach § 85
Abs. 4b SGB V, die nach den gesetzlichen Vorgaben jahresbezogen zu erfolgen hat, entschieden, dass der
Jahresabzug der Degressionsberechnungen nicht ausnahmslos gelte. Vielmehr seien in Ausnahmefällen aus
Sachgründen Abweichungen geboten. Eine solche Ausnahme liege vor, wenn ein Vertragszahnarzt im Laufe eines
Kalenderjahres die Praxis wechsle, etwa von einer Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis oder zwischen
verschiedenen Gemeinschaftspraxen. In derartigen Fällen bedürfe es dringend einer zeitanteiligen sowie nach Praxen
getrennten Degressionsberechnung (vgl. BSG, Urt. v. 05.05.2010 – B 6 KA 21/09 R –, juris Rdnr. 29 bis 35).
Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung der Honoraranforderung. Eine fehlerhafte Berechnung ist nicht zu
erkennen.
Nicht zu beanstanden war ferner die Berechnung des praxisbezogenen Punktwerts, mit der die zunächst in Punkten
festgestellte Leistungsüberschreitung in Euro-Beträge umgerechnet wurde. Zutreffend hat die Beklagte einen
durchschnittlichen Punktwert ermittelt. Das ist der Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen der Klägerin vergütet
wurden. Es besteht kein Anspruch darauf, dass zunächst die – im Rahmen der Honorarberechnung - geringer
vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-
rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich
auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine
Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere
Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 =
SozR 4-2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte
Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen
Vereinigung mit verursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in
offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer
Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R -, aaO., juris
Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In diesem Sinne handelt es sich auch nicht um eine
fehlerhafte Abrechnung einzelner Leistungen und kann die Leistungsüberschreitung erst nachträglich festgestellt
werden. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur neben ihrer Steuerungsfunktion – der Berechnung des
Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur
praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.