Urteil des SozG Marburg vom 23.11.2010

SozG Marburg: badekur, verfassungskonforme auslegung, stationäre behandlung, klinik, stadt, krankenkasse, verwaltungsbehörde, rechtsschutz, verwaltungsverfahren, gerichtsakte

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 23.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 1 V 2/07
Hessisches Landessozialgericht L 4 VE 1/11
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem beklagten Land im Rahmen seiner Kriegsopferversorgung die Erstattung von Kosten für
eine Badekur.
Der 1925 geborene Kläger leistete im Zweiten Weltkrieg Militärdienst. Am 25.02.1945 erlitt er als Soldat in der Eifel
eine Splitterverletzung durch eine Panzergranate. Betroffen waren der linke Oberschenkel und das Becken.
Unmittelbar danach geriet der Kläger in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Dort erfolgte auch die Erstversorgung
seiner Verwundung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Kläger in B-Stadt weiterbehandelt.
Im Juni 1947 beantragte der Kläger wegen der Folgen seiner verschiedenen Kriegsverletzungen die Gewährung von
Kriegsbeschädigten-Leistungen. Daraufhin wurde am 17.12.1948 ein Erstanerkennungsbescheid erlassen. Darin
wurden die bei dem Kläger eingetretene Gesundheitsstörung "Zustand nach Schußverletzung des Beckens mit
ausgedehnten Nervenschmerzen am Oberschenkel" als Schädigungsfolge anerkannt. Es wurde festgestellt, dass
diese durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 KB-Leistungsgesetz hervorgerufen worden ist. Zugleich
wurden dem Kläger Versorgungsleistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. bewilligt. In
der Folgezeit stellte der Kläger mehrere Verschlimmerungsanträge und die MdE wurde von dem beklagten Land
angehoben. Zuletzt wurde mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 28.05.1980 wegen der Schädigungsfolgen
"1. Narbenbeschwerden und Schwäche des linken Beines nach Schußverletzung des Oberschenkels und Beckens, 2.
Verlust der linken Niere durch Operation (1962), geringfügiger Restkatarrh der Harnwege durch Funktionsstörung der
verbliebenen rechten Niere" mit Wirkung ab 01.04.1980 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen
Betroffenheit eine MdE von 60 v. H. festgestellt.
Seit Mitte der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts wurden dem Kläger von dem beklagten Land zur Behandlung der
anerkannten Schädigungsfolgen zahlreiche Badekuren bewilligt. In jüngerer Zeit erfolgte eine entsprechende stationäre
Behandlung auf Kosten des Beklagten in der Klinik E. in E-Stadt vom 20.04.2004 bis 18.05.2004. Eine weitere
stationäre Rehabilitationsmaßnahme in derselben Klinik fand vom 02.06.2005 bis 30.06.2005 als
Anschlussheilbehandlung nach Hüft-TEP-Implantation auf Kosten der klägerischen Krankenkasse statt.
Im Mai 2006 beantragte der Kläger erneut eine Badekur bei dem Beklagten. Dabei verwies er hinsichtlich der
Schädigungsfolgen auf eine zwischenzeitlich eingetretene wesentliche Leidensverschlechterung. Er führte erhebliche
Bewegungseinschränkungen und zunehmende Schmerzen an. Im Verwaltungsverfahren holte der Beklagte
verschiedene Auskünfte und ein versorgungsärztliches Gutachten nach Aktenlage ein. Sodann wurde der Antrag auf
Gewährung einer stationären Behandlung in einer Kureinrichtung (Badekur) mit Bescheid vom 24.07.2006 abgelehnt.
Die Voraussetzungen für eine erneute Kur vor Ablauf von drei Jahren seit der letzten Anschlussheilbehandlung seien
nicht erfüllt. Der Kläger sei in der Zwischenzeit auf ambulante physikalische Maßnahmen zu verweisen.
Gegen den Bescheid des beklagten Landes erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am
15.08.2006 (Eingangsdatum) Widerspruch. Zur Begründung verwies er später darauf, die vorangegangene
Anschlussheilbehandlung sei bei der Berechnung der Drei-Jahres-Frist nicht zu berücksichtigen, da sie auf Kosten der
Krankenkasse des Klägers durchgeführt worden und auf das Hüftgelenk bezogen gewesen sei. Der Widerspruch des
Klägers wurde von dem Beklagten zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 als unzulässig verworfen. Der
Kläger habe die Widerspruchsfrist versäumt.
In der Zeit vom 23.11.2006 bis zum 04.01.2007 begab sich der Kläger auf eigene Kosten in die Behandlung der Klinik
E. in E-Stadt. Dabei nutzte er das Wintersonderangebot mit Vollpension zum Pauschalpreis von 50 Euro pro Tag
(zuzüglich 100 Euro "Zuschlag Weihnachten/Silvester").
Am 15.12.2006 (Eingangsdatum) hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, gegen den
Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Im Klageverfahren hat das beklagte
Land mit Bescheid vom 20.02.2007 den Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 zurückgenommen und den
Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24.07.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat
der Beklagte angeführt, man habe zwischenzeitlich festgestellt, dass der Kläger die Widerspruchsfrist gewahrt habe.
Es sei aber weiterhin keine Notwendigkeit erkennbar, dem Kläger eine Badekur vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist zu
gewähren.
Mit Beschluss vom 20.03.2007 hat sich das Sozialgericht Gießen für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit
an das Sozialgericht Marburg verwiesen.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte sei wegen der rechtswidrigen Ablehnung seines Antrags auf Gewährung einer
Badekur nunmehr verpflichtet, ihm die Kosten für seinen Aufenthalt in der Klinik E. in E-Stadt vom 23.11.2006 bis
zum 04.01.2007 in Höhe von insgesamt 2.200 Euro zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2007 aufzuheben
und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die Kosten seines Aufenthalts in der Klinik E. in E-Stadt vom
23.11.2006 bis zum 04.01.2007 in Höhe von insgesamt 2.200 Euro zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angegriffenen Bescheid für rechtmäßig. Da dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung einer Badekur
zugestanden habe, komme auch eine Kostenerstattung nicht in Betracht.
Das Gericht hat Krankenunterlagen von Fr. Dr. D. (Bl. 36 d. A.) und Fr. C. (Bl. 42 und 138 d. A.) sowie Befundberichte
von Dr. E. (Bl. 40 d. A.), der Klinik E. (Bl. 65 d. A.) und der Stadtklinik E-Stadt (Bl. 69 d. A.) beigezogen. Der Kläger
hat (einer gerichtlichen Auflage entsprechend) eine Kopie der Rechnung der Klinik E. vom 04.01.2007 zur
Gerichtsakte gereicht (Bl. 106 d. A.). Mit richterlicher Verfügung vom 03.05.2010 hat die Kammer die Klinik E. um
Übersendung ihrer vollständigen medizinischen Unterlagen über den Kläger gebeten. Daraufhin hat die Klinik E.
Entlassungsberichte bezüglich der dortigen Aufenthalte des Klägers in den Jahren 2005, 2008 und 2009 übersandt (Bl.
115 d. A.). Auf Nachfrage der Kammer hat sie mitgeteilt, bezüglich des streitgegenständlichen Aufenthalts des
Klägers existiere kein Abschlussbericht, da es sich "um einen rein privaten Aufenthalt" gehandelt habe (Bl. 139 d. A.).
Wegen der Ergebnisse der Sachverhaltsermittlungen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Beschädigtenakten des Beklagten (in drei Bänden nebst zwei Teilbänden "Badekuren") verwiesen, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 24.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2007 war nicht
aufzuheben, da er rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erstattung der Kosten seines Aufenthalts in der Klinik E. in E-Stadt vom 23.11.2006 bis zum 04.01.2007 in Höhe von
insgesamt 2.200 Euro.
Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist der angegriffene Ausgangsbescheid des Beklagten vom
24.07.2006 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 20.02.2007 gefunden hat (§ 95
Sozialgerichtsgesetz – SGG). Letzterer Bescheid ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens
geworden, da er nach Erlass des ursprünglich angegriffenen Widerspruchsbescheids vom 27.11.2006 ergangen ist
und diesen ersetzt hat. Der Beklagte hat mit seinem Bescheid vom 20.02.2007 den ursprünglichen
Widerspruchsbescheid vom 27.11.2006 zurückgenommen und den Widerspruch des Klägers gegen den
Ausgangsbescheid vom 24.07.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Statthafte Klageart für das klägerische
Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG. Dabei ist es
unschädlich, dass der Kläger im Laufe des Klageverfahrens von seinem ursprünglichen Leistungsantrag auf
Gewährung einer Badekur als Sachleistung auf den nunmehr allein geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch
übergegangen ist. Diese Umstellung des Klageantrags gilt nicht als Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG.
Denn nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des
Klagegrundes statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere
Leistung verlangt wird. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Kläger hat sich in der Zeit vom 23.11.2006 bis zum
04.01.2007 auf eigene Kosten in die Behandlung der Klinik E. in E-Stadt begeben. Unter dem 04.01.2007 ist ihm dafür
ein Betrag von 2.200 Euro in Rechnung gestellt worden. Diese nach Klageerhebung am 15.12.2006 eingetretene
Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse war für die nachträgliche Verfolgung eines Erstattungsbegehrens im
vorliegenden Rechtsstreit maßgebend. Was den Anfechtungsantrag des Klägers angeht, so ist für diesen nicht etwa
durch die Umstellung des Klagebegehrens auf einen Erstattungsanspruch das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Denn
obwohl der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden lediglich über die ursprünglich begehrte Gewährung
einer Badekur entschieden hat, würde doch die Bestandskraft dieser Bescheide gemäß § 77 SGG auch einem
Kostenerstattungsanspruch im Wege stehen. Denn dieser reicht als abgeleiteter Sekundäranspruch nicht weiter als
der Anspruch auf die primär geschuldete Sachleistung. Die Ablehnung der vom Kläger begehrten Badekur durch den
Bescheid des Beklagten vom 24.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2007 war aber
rechtmäßig. Dem Kläger stand ein solcher primärer Sachleistungsanspruch nicht zu.
Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) wird Beschädigten für Gesundheitsstörungen, die als
Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind,
Heilbehandlung gewährt, um die Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkten Beeinträchtigungen der Berufs-
oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, um eine Zunahme des Leidens zu verhüten, um
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, um körperliche
Beschwerden zu beheben, um die Folgen der Schädigung zu erleichtern oder um den Beschädigten eine möglichst
umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Unter diesen Voraussetzungen kann
Beschädigten gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 BVG auch die stationäre Behandlung in einer Kureinrichtung (Badekur) gewährt
werden, wenn sie notwendig ist, um den Heilerfolg zu sichern oder um einer in absehbarer Zeit zu erwartenden
Verschlechterung des Gesundheitszustands, einer Pflegebedürftigkeit oder einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.
Ob diese Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Badekur erfüllt waren, kann für die Entscheidung des
Rechtsstreits dahinstehen. Denn der Beklagte hat seine Leistungsablehnung zu Recht auf die Regelung des § 11 Abs.
2 S. 3 BVG gestützt. Danach soll eine Badekur nicht vor Ablauf von drei Jahren nach Durchführung einer solchen
Maßnahme oder einer Kurmaßnahme, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder
bezuschusst worden ist, gewährt werden, es sei denn, dass eine vorzeitige Gewährung aus dringenden
gesundheitlichen Gründen erforderlich ist. Weder zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheids noch zum
Zeitpunkt des selbst durchgeführten Aufenthalts in der Kurklinik war die entsprechende Drei-Jahres-Frist abgelaufen.
Dabei kommt es nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob bei der Fristberechnung auch die
stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 02.06.2005 bis 30.06.2005 zu berücksichtigen ist, obgleich es
sich dabei um eine auf Kosten der klägerischen Krankenkasse durchgeführte Anschlussheilbehandlung nach einer
Hüft-TEP-Implantation gehandelt hat. Denn der Kläger hat auch im Jahr zuvor, in der Zeit vom 20.04.2004 bis
18.05.2004, eine Badekur in der Klinik E. in E-Stadt durchgeführt. Dies erfolgte auf Kosten des Beklagten.
Schließlich hat der Beklagte auch zu Recht festgestellt, dass die vorzeitige Gewährung einer erneuten Badekur im
Fall des Klägers nicht aus dringenden gesundheitlichen Gründen erforderlich war. Nach dem im Verwaltungsverfahren
eingeholten Befundbericht des klägerischen Hausarztes waren ernsthafte Erkrankungen nach der Hüftoperation im Mai
2005 mit anschließender Anschlussheilbehandlung nicht aufgetreten. Die Schädigungsfolgen wurden als unverändert
beschrieben. Ambulante physikalische Maßnahmen wurden zu diesem Zeitpunkt nicht wahrgenommen. Der Kläger hat
seinerzeit nach Angaben seines Hausarztes lediglich regelmäßig eigenständig krankengymnastische Übungen
ausgeführt. Auch im Hinblick auf die (aus den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Befundberichten der den Kläger
behandelnden Internistin Dr. D. ersichtliche) leichte Verschlechterung der Nierenfunktion war zunächst eine ambulante
Krankenbehandlung zu Lasten der klägerischen Krankenkasse und keine Badekur angezeigt. Die oben referierten
Ergebnisse der Sachverhaltsermittlungen des Beklagten im Verwaltungsverfahren sind durch die im Gerichtsverfahren
eingeholten Befundberichte bestätigt worden. Aus den umfangreichen aktenkundigen medizinischen Unterlagen über
den Kläger ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass die vorzeitige Wiederholung einer Badekur aus dringenden
gesundheitlichen Gründen erforderlich war.
Was den Leistungsantrag des Klägers angeht, so kommt als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten
Kostenerstattungsanspruch allein die Regelung des § 18 Abs. 4 BVG in Betracht. Danach sind dem Berechtigten die
Kosten für eine nach der Anerkennung seiner Schädigungsfolgen selbst durchgeführte Heil- oder Krankenbehandlung
in einem angemessenen Umfang zu erstatten, wenn unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der
Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich gemacht haben. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden
Fall nicht erfüllt, weil der Kläger wie oben dargelegt – schon nicht berechtigt war, eine Badekur in Anspruch zu
nehmen. Der Kostenerstattungsanspruch des § 18 Abs. 4 BVG setzt aber das Bestehen eines entsprechenden
Sachleistungsanspruchs voraus.
Darüber hinaus scheidet eine Kostenerstattung im vorliegenden Fall von vornherein aus, weil der Gesetzgeber in § 18
Abs. 4 S. 4 BVG die Kosten einer selbst durchgeführten Badekur ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der
Norm ausgeschlossen hat. Entgegen der Auffassung des Klägers erfasst die Vorschrift des § 18 Abs. 4 S. 4 BVG
auch den hier vorliegenden Fall, in dem der Kläger die Badekur erst durchgeführt hat, nach dem der Beklagte einen
diesbezüglichen Leistungsantrag abgelehnt hatte. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Regelung auf
Fälle, in denen eine Badekur durchgeführt wurde, ohne zuvor die zuständige Verwaltungsbehörde einzuschalten, ergibt
sich weder aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift, noch aus deren Historie oder einer teleologischen
Reduktion. Wie der Beklagte unter Hinweis auf den BVG-Kommentar von Wilke (Hrsg., 7. Aufl. 1992, S. 443)
zutreffend ausgeführt hat, liegt der Vorschrift vielmehr der gesetzgeberische Gedanke zu Grunde, dass es
unvermeidbare Umstände für die Selbstdurchführung einer Badekur nicht geben kann, weil diese die Kurfähigkeit des
Beschädigten und damit das Fehlen einer akuten Behandlungsbedürftigkeit gerade voraussetzt. Dieser
Rechtsgedanke beansprucht unabhängig vom Gang des Verwaltungsverfahrens in dem jeweiligen Einzelfall Gültigkeit.
Zudem wäre der betreffende Bürger der Verwaltungsbehörde auch keineswegs rechtlos ausgeliefert, wie es der Kläger
dargestellt hat. Vielmehr hat das zuständige Versorgungsamt innerhalb der Fristen des § 88 SGG zu entscheiden, will
es die erfolgreiche Erhebung einer Untätigkeitsklage vermeiden. Sollte im Einzelfall darüber hinaus Eile geboten sein,
besteht die Möglichkeit, beim zuständigen Sozialgericht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
zu stellen. Schließlich könnte das beklagte Land für das vom Kläger befürchtete Unrecht im Wege der Amtshaftung in
Anspruch genommen werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die sogenannte "gesetzes- und
verfassungskonforme Auslegung", mit der das LSG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 18.11.1996, Az.: L 2 V
36/96 die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 4 BVG abgelehnt hat, abwegig ist. Dort ist vertreten worden, dass der
Ausschluss des Erstattungsanspruchs dann nicht eingreift, wenn die Verwaltungsbehörde rechtswidrig eine Badekur
verweigert oder ihren Beginn hinausgezögert hat. In solchen Fällen gebe es nämlich andernfalls keinen Rechtsschutz
gegen das rechtswidrige Verhalten der Verwaltung, was einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
Grundgesetz (GG) darstelle. Dieser Rechtsprechung vermag sich die Kammer nicht anzuschließen, da sie auf
haltlosen Überlegungen beruht. Denn der vom LSG Schleswig-Holstein vermisste effektive Rechtsschutz ist in
derartigen Fällen ohne weiteres gewährleistet. Der Primär-Rechtsschutz gegen einen (dort angenommenen)
rechtswidrigen Ablehnungsbescheid über eine Badekur besteht in der Möglichkeit des Beschädigten, Widerspruch und
Klage zu erheben. In Eilfällen kommt daneben die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes in Betracht. Der
Sekundärrechtsschutz ist über die Möglichkeit eröffnet, das für die betreffende Versorgungsverwaltung zuständige
Land im Wege des Amtshaftungsanspruchs auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Auch das daneben vom
LSG Schleswig-Holstein angeführte Ziel einer möglichst anzustrebenden Einheit der sozialrechtlichen Grundformen
(das im Übrigen eine verfassungskonforme Auslegung nicht zu rechtfertigen vermag) führt nicht dazu, dass es dem
Gesetzgeber verwehrt wäre, die Kostenerstattungsregelung des § 18 Abs. 4 BVG im Hinblick auf selbst durchgeführte
Badekuren abweichend von dem Erstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche
Krankenversicherung (SGB V) auszugestalten. Darin liegt auch keine Benachteiligung der Versorgungsberechtigten,
da auch diese bei Ansprüchen gegen ihre Krankenkasse berechtigt sind, unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3
SGB V Kostenerstattung zu verlangen.
Schließlich lässt sich das Klagebegehren entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht auf den sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch stützen. Zum einen ist dieser im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es an einer dafür
erforderlichen Regelungslücke im Gesetzesrecht fehlt. So bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs neben dem ausdrücklich normierten Kostenerstattungsanspruch des § 18 Abs. 4 BVG kein
Raum (vgl. BSG, Urteil vom 2.11.2007 – B 1 KR 14/07 R - BSGE 99, 180ff. zu § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V). Zum
zweiten passt auch die Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zum Klageziel des Klägers.
Denn dieser ist auf die nachträgliche Vornahme einer primär geschuldeten Amtshandlung gerichtet. Im vorliegenden
Fall geht es dem Kläger jedoch nicht mehr um die Bewilligung einer Badekur, sondern um den Ersatz der Kosten
seines Privataufenthalts in E-Stadt in Geld. Für einen solchen Zahlungsanspruch bietet der sozialrechtliche
Herstellungsanspruch indes keine Grundlage. Hier bleibt der Kläger darauf verwiesen, Schadensersatz im Wege des
Amtshaftungsanspruchs vor dem zuständigen Landgericht geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.