Urteil des SozG Marburg vom 01.10.2009

SozG Marburg: aufschiebende wirkung, zweckgebundene zuwendung, überwiegendes öffentliches interesse, überwiegendes interesse, prämie, fahrzeug, kaufpreis, unterhalt, verfügung, hauptsache

Sozialgericht Marburg
Beschluss vom 01.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 5 AS 222/09 ER
Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 515/09 B ER
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 04.08.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen ab Antragseingang
(02.09.2009) vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Außerachtlassung der gewährten Umweltprämie als
Einkommen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragsstellerinnen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung ihrer SGB II-
Leistungen ohne Anrechnung der erhaltenen Umweltprämie als Einkommen.
Die Antragstellerinnen leben in einer Bedarfsgemeinschaft und beziehen von der Antragsgegnerin Leistungen nach
dem SGB II. Mit Bescheid vom 16.03.2009, bzw. Änderungsbescheid vom 19.03.2009 wurden der
Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 01. April 2009 bis 30. September 2009 (endgültig) Leistungen in Höhe von
620,23 EUR bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 06.06.2009 wurden die Leistungen ab 01.07.2009 um den
gesetzlichen Anpassungsbetrag auf 634,23 EUR erhöht. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 04.08.2009 wurden
der Bedarfsgemeinschaft nunmehr vorläufig- für den Zeitraum August 2009 Leistungen in Höhe von 634,23 EUR und
für den Zeitraum September 2009 Leistungen in Höhe von 217,56 EUR gewährt. Hintergrund dessen ist, dass der
Antragstellerin zu 1. am 21.07.2009 im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Neuwagens die staatliche
Umweltprämie (so gen. Abwrackprämie) in Höhe von 2.500,- EUR zugeflossen ist und von der Antragsgegnerin ab
September 2009 für 6 Monate als Einkommen nach § 11 SGB II angerechnet wurde. Der Wagen der Marke FIAT hatte
einen Kaufpreis von 9.218,49 EUR zuzüglich MwSt in Höhe von 1.751,51 EUR, also insgesamt 10.970,- EUR.
Mit Schreiben vom 07.08.2009 legten die Antragstellerinnen gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der unter dem
31.08.2009 ablehnend beschieden wurde.
Gegen den Widerspruchsbescheid reichten die Antragstellerinnen unter dem 01.09.2009 Klage ein.
Mit weiterem Bescheid vom 26.08.2009 wurden der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum Oktober 2009 bis März
2010 –unter Anrechnung der Umweltprämie in Höhe von monatlich 416,67 EUR- Leistungen in Höhe von 232,99 EUR
monatlich bewilligt.
Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Antragstellerinnen unter dem 15.09.2009 Widerspruch, der bislang nicht
beschieden ist.
Mit ihrem bei Gericht am 02.09.2009 eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verfolgen
die Antragstellerinnen das Ziel, ihnen ab September vorläufig ungekürzte Leistungen zu gewähren. Sie sind der
Ansicht, dass es sich bei der staatlichen Umweltprämie nicht um Einkommen im Sinne des § 11 SGB II handele, da
diese wegen der Koppelung an den Erwerb eines Neuwagens als zweckbestimmt zu werten sei. Die Zahlung dieses
Betrages beeinflusse auch die wirtschaftliche Lage nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht
gerechtfertigt seien, da die Prämie durch Verrechnung auf den Kaufpreis gerade nicht zur freien Verfügung stehe.
Auch sei die Antragstellerin zu 1. dringend auf ein Fahrzeug angewiesen, da der öffentliche Nahverkehr im Bereich
ihres ländlich geprägten Wohnortes nur schlecht ausgestaltet sei. Insbesondere für Arztbesuche, die sie aufgrund
einer durchgemachten Krebserkrankung in regelmäßigen Abständen durchführen müsse, und für die Ausübung ihrer
geringfügigen Beschäftigung, benötige sie daher ein Fahrzeug. Ihr Arbeitsplatz sei 25 km von der Wohnung entfernt.
Ihr altes Auto habe derartige Mängel aufgewiesen, dass es für die Antragstellerin nicht mehr nutzbar gewesen sei. So
sei bereits im Winter 2008/2009 die komplette Heizungsanlage ausgefallen. Die Mittel für den Kauf des Neuwagens
habe sie vollständig von ihrer Mutter als Darlehn erhalten, was sie nunmehr in monatlichen Raten á 50,00 EUR
zurückzahle.
Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom
04.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 anzuordnen und die Antragsgegnerin zu
verpflichten, den Antragstellerinnen ab dem 01.09.2009 vorläufig Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der
staatlichen Umweltprämie auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Einkommensanrechnung vorliegen. Insoweit werde von dem
zuständigen Bundesministerium auch die Auffassung vertreten, dass die Umweltprämie als Einkommen anzurechnen
sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Leistungsakte, die zum
Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
II.
Aufgrund dessen, dass zwei getrennte Leistungszeiträume streitgegenständlich sind (Leistungszeitraum September
2009 und Leistungszeitraum Oktober 2009 bis März 2010) ist der Antrag entsprechend dem Begehren der
Antragstellerinnen auszulegen.
Hinsichtlich des Leistungszeitraums ab Oktober 2009 müssen die Antragstellerinnen ihr Begehren in der Hauptsache
auf Gewährung der ungekürzten Leistungen nach dem SGB II mittels einer kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG) verfolgen, wohingegen für den Zeitraum September 2009 aufgrund
der ursprünglichen Bewilligung vom 19.03.2009 und 06.06.2009 nur die Anfechtung des Änderungsbescheides vom
04.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 in Betracht kommt. Das Begehren der
Antragstellerinnen ist daher neben der erstrebten Gewährung der ungekürzten Leistungen im Rahmen einer
Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG auch auf die Suspendierung des ergangenen
Änderungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides gerichtet. Der so verstandene Antrag ist insgesamt
zulässig und begründet.
Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 86 a Absatz 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGG aber in
den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Ein solcher Fall liegt hier vor, da nach § 39 Nr. 1 SGB II
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung haben. Auf Antrag kann das Gericht die aufschiebende
Wirkung in den Fällen des § 86 a Abs. 2 SGG anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG). Dabei ist die im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren zu treffende gerichtliche Entscheidung das Ergebnis einer Folgenabwägung, bei der das – in
den Fällen des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gesetzlich vorausgesetzte – öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung des streitbefangenen Bescheides gegenüber dem verfassungsrechtlich geschützten
Aussetzungsinteresse des Betroffenen (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewichten ist. Die aufschiebende Wirkung ist dann
anzuordnen, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten gegenüber dem Interesse
der Verwaltung am Sofortvollzug feststellbar ist. Erweist sich also der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung als
offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen Rechten verletzt, ist ein überwiegendes
öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung nicht gegeben.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung dafür ist die Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes. Dabei entspricht der Anordnungsanspruch dem materiell-
rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
verpflichtet werden soll, während der Anordnungsgrund die besondere Dringlichkeit der Anordnung begründet. Es
muss also ein Sachverhalt vorliegen, der eine Eilentscheidung notwendig macht und ein weiteres Zuwarten –
insbesondere das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache- unzumutbar erscheinen lässt. Zwischen
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund besteht eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderung an den
Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und
umgekehrt.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne liegt vor,
wenn das Vorliegen der den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründenden Tatsachen für das Gericht
überwiegend wahrscheinlich ist.
Nach Maßgabe dieser Ausführungen war dem Begehren der Antragstellerinnen voll zu entsprechen.
Die Antragstellerinnen haben insoweit dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie von dem nach Abzug der anteiligen
Umweltprämie verbleibenden monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von 232,99 EUR nicht mehr in der Lage sind, ihre
Lebenshaltungskosten auch nur annähernd zu decken und insoweit eine wirtschaftliche Notlage droht, bzw. schon
eingetreten ist.
Ihnen steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Für den Zeitraum März 2010 ergibt sich dies bereits daraus,
dass die Umweltprämie ab September 2009 mit monatlich 416,67 EUR (=1/6) berücksichtigt wurde. Ausgehend davon
hätte letztmalig im Februar 2010 eine Berücksichtigung erfolgen dürfen, so dass die weitere Berücksichtigung im März
offensichtlich rechtswidrig ist.
Im Übrigen gilt folgendes: Dass die Antragstellerinnen nach § 7 Abs. 1 SGB II anspruchsberechtigt sind, ist unstreitig
der Fall. Auch steht die Höhe der Regelleistungen und der Kosten der Unterkunft zwischen den Beteiligten nicht in
Streit. Zwar ist das Gericht aufgrund des herrschenden Ermittlungsgrundsatzes gehalten, jegliche Voraussetzungen
für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II zu überprüfen. Angesichts der Tatsache, dass der
Grundsachverhalt zwischen den Parteien unstreitig ist und einziger Streitpunkt die Anrechnung der staatlichen
Umweltprämie als Einkommen ist, erachtet das Gericht es für zweckmäßig, die Prüfung im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren auf diesen Punkt zu beschränken.
Diesbezüglich erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig und verletzen die Antragstellerinnen in
ihren Rechten. Dabei kann dahinstehen, ob der angegriffene Bescheid vom 04.08.2009 wegen der darin enthaltenen
vorläufigen Bewilligung für einen Zeitraum, der ursprünglich schon endgültig bewilligt war, aus formellen Gründen
aufzuheben ist. Denn die teilweise Aufhebung der bewilligten Leistungen erweist sich jedenfalls insoweit als materiell
rechtswidrig, als die Antragsgegnerin die staatliche Umweltprämie als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1
SGB II angesetzt hat.
Weder die Abwrackprämie, noch das von der Mutter der Antragstellerin zu 1. gewährte Privatdarlehn sind bei der
Berechnung des Bedarfs zu berücksichtigendes Einkommen, da es sich um zweckbestimmte Einnahmen handelt.
Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den bereits veröffentlichten Entscheidungen des SG Magdeburg
[Beschluss vom 15.04.2009, Az.: S 16 AS 907/09 ER] und des SG Lüneburg [Beschluss vom 22.08.2009, Az.: 75 AS
1225/09] an. Die gegenteiligen Ansichten des Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen [Beschluss vom 03.07.2009;
Az.: L 20 B 59/09 AS ER] und SG Chemnitz [Beschluss vom 09.09.2009, Az.:S 44 AS 4601/09 ER] vermochten nicht
zu überzeugen.
Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen.
Eine Ausnahme hiervon regelt § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Danach sind zweckbestimmte Einnahmen, nicht als
leistungsminderndes Einkommen zu berücksichtigen, sofern sie die wirtschaftliche Lage des Hilfebedürftigen nicht so
günstig beeinflussen, dass daneben die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wäre.
Diese beschränkte Ausnahme von der Einkommensberücksichtigung dient einem dreifachen Ziel: Zum einen soll
vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung im Rahmen des
SGB II verfehlt wird. Zum anderen soll die Vorschrift eine Doppelleistung aus öffentlichen Mitteln verhindern, bzw. bei
Zuwendungen privater Personen eine Entlastung des Leistungsträgers, bzw. der öffentlichen Hand bewirken [vgl.
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage § 11 Rn. 36 ff m.w.N.]. Zweckgebunden sind solche Leistungen, die mit einer
erkennbaren Zweckrichtung in der Erwartung gezahlt werden, dass sie vom Empfänger tatsächlich für den gedachten
Zweck verwendet werden, so dass die Anrechnung auf den Unterhalt eine Zweckverfehlung darstellen würde.
Grundsätzlich kann auch privatrechtliches Einkommen zweckbestimmt sein (Brühl, in Lehr- und Praxiskommentar,
SGB II, § 11 Rn. 54). Ein ausdrücklich in einem Gesetz genannter Zweck ist hingegen nicht zu fordern [BSG, a.a.O.].
Im Ergebnis kommt es demnach darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem
SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient [vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 19/07 R m.w.N].
Mit der staatlichen Umweltprämie soll zum einen der Absatz von Personen- Kfz zur Abmilderung der noch
gegenwärtigen Rezession belebt werden; zum anderen sollen nur Verbraucher begünstigt werden, die ein mindestens
neun Jahre altes Kfz verschrotten lassen und dafür ein schadstoffarmes Neu- Kfz erwerben [vgl. Richtlinie zur
Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009 (BAnz. S. 835, 1056) sowie die Richtlinie zur
Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 17. März 2009 (BAnz. S. 1144) -
http://www.bafa.de/bafa/de/wirtschaftsfoerderung/umweltpraemie/ dokumente/foederrichtlinie umweltpraemie.pdf].
Die Prämie wird dabei unabhängig von Bedürftigkeit gewährt. Ihr Zweck ist also keine Verbesserung der Lebens- und
Vermögenssituation einzelner Bürger, sondern eine wirtschafts- wie auch umweltpolitische Lenkungsmaßnahme [vgl.
Ziffer 1 der Richtlinie, a.a.O.].
An dieser Zweckbestimmung ändert auch die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Prämiengewährung nichts.
Freilich muss der Leistungsempfänger den Kaufpreis eines dem Grunde nach förderungsfähigen Kfz auf eigene
Kosten vorstrecken und bekommt die staatliche Leistung erst, wenn die Verschrottung des Altfahrzeugs und der Kauf
des Neufahrzeugs nachgewiesen ist und damit zu einem Zeitpunkt in dem die Vermögensumschichtung bereits
abgeschlossen ist. Selbst wenn man daraus eine Unanwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II herleiten wollte,
wäre diese Regelung aber jedenfalls analog anzuwenden.
Denn die Umweltprämie steht mit den oben genannten Einschränkungen unter der zwingenden rechtlichen
(Zuwendungs-)Voraussetzung der Vornahme einer zuschussfähigen Vermögensumschichtung. Insoweit ist zu
berücksichtigen, dass sicher keine Bedenken hinsichtlich der Zweckbestimmtheit bestünden, wenn die Prämie als
Vorschuss oder echte Subvention an die Autohändler gezahlt worden wäre. Die ungewöhnliche rechtliche Konstruktion
wurde gewählt, um den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, denn in Erwartung einer Vielzahl von
zuschussfähigen Vorgängen, hätte eine herkömmliche zweckgebundene Zuwendung einen ungeheuren, die
bereitgestellten Mittel zu einem Großteil aufzehrenden Verwaltungsaufwand bedeutet [vgl. Kasparik, BT- Drucks.
16/11955, S. 57]. Allein die Tatsache, dass die Bundesregierung diese Form der Bezuschussung gewählt hat, kann
jedoch kein sachliches Differenzierungskriterium dafür sein, dass im Falle einer vorschussweisen Zahlung eine
Zweckbestimmung angenommen würde, im Falle der nachträglichen Gewährung aber nicht. Zirkulär ist vor allem das
Argument, die Umweltprämie dürfe gesetzlich deshalb als Einkommen berücksichtigt werden, weil sie nicht als
herkömmliche zweckgebundene Zuwendung, sondern als nachträgliche "Prämie" ausgestaltet sei; denn damit wird
gerade nicht auf einen "sachlichen Grund für die Differenzierung" Bezug genommen, sondern auf die bloße "rechtliche
Differenzierung" verwiesen [vgl. insoweit auch Labrenz, NJW 2009, 2245 (2248)].
Würde dieses Argument durchschlagen, dürfte der Gesetzgeber seine Differenzierungsgründe ohne Rücksicht auf die
tatsächlichen Gegebenheiten in einem ersten Schritt selbst erschaffen, ehe er dann in einem zweiten Schritt an sie
anknüpft. Dies wäre schlichtweg sinn- und zweckwidrig und letztendlich auch willkürlich.
Eine (analoge) Anwendung des § 11 III Nr. 1a SGB II wird auch nicht durch die (gesetzlichen) Regelungen über die
Einführung der Umweltprämie ausgeschlossen. Im Gegenteil ist der Gesetzgeber sich bei ihrem Erlass der Frage
nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Umweltprämie beim ALG II wohl nicht einmal bewusst gewesen [vgl. insoweit
Amtliches Protokoll der 215. Sitzung des Deutschen Bundestages - Drucksachen 16/12114, 16/12358 -]. Etwas
anderes folgt auch nicht daraus, dass die Bundesregierung derzeit von einer Anrechenbarkeit der Umweltprämie als
Einkommen ausgeht; denn ein zum Regelungsgehalt nachträglich entwickelter Wille des Gesetzgebers hat insoweit
keine Bedeutung.
Letztendlich ist die Umweltprämie in ihrer Ausgestaltung auch mit der staatlichen Eigenheimzulage vergleichbar.
Deren Anrechnung ist (mittlerweile) gesetzlich ausgeschlossen, wenn sie nachweislich zur Finanzierung eines
Eigenheims verwendet wurde [vgl. ALG II- V, § 1 Abs. 1 Nr. 7]. Ebenso ist es bei der Abwrackprämie. Die
Abwrackprämie erhält nur und ausschließlich, wer sie zum Zwecke des Kaufes eines Neufahrzeuges oder
Jahreswagen einsetzt. Wird diese dann auch tatsächlich zur Tilgung des Kaufpreises eingesetzt, entspricht dies der
Sachlage bei der Eigenheimzulage. Die Argumentation, dass eine Vergleichbarkeit beider Sachverhalte deswegen
ausgeschlossen sei, weil die Eigenheimzulage –anders als die Abwrackprämie- der langfristigen, bzw. lebenslangen
Absicherung des verfassungsrechtlich geschützten Grundbedürfnisses des Wohnens diene [so LSG Nordrhein-
Westfalen, a.a.O.], vermag nicht zu überzeugen. Denn hinsichtlich der Frage der Zweckgerichtetheit kann es nach
Ansicht des erkennenden Gerichts nicht auf die Werthaltigkeit einer Investition ankommen, bzw. darauf, ob der Zweck
verfassungsrechtlich geschützt ist, oder nicht. Zweckgerichtet können insbesondere auch solche Zuwendungen sein,
die einzig und allein zur Anschaffung von Gütern verwendet werden, die dem sofortigen Verbrauch unterliegen (z.B.
Verpflegungsmehraufwendungen). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Anschaffung eines Pkw die Chancen
der Wiedereingliederung verbessern kann und damit der systematischen Ausrichtung des SGB II entspricht. Denn
vorderstes Ziel der Grundsicherung ist eine möglichst zügige (Wieder-) Eingliederung des Hilfebedürftigen in den
Arbeitsmarkt. Erhält der Arbeitslose also durch die Anschaffung eines Kfz die eigene Mobilität, entspricht dies genau
dem Ziel, welches das SGB II vorgibt, unabhängig davon, wie lange das Kfz tatsächlich genutzt werden kann. Dies
gilt insbesondere wenn –wie hier- das Fahrzeug zur Ausübung einer (wenn auch nur geringfügigen) Beschäftigung
benötigt wird. Insofern ist die Nichtberücksichtigung der Abwrackprämie als Einkommen auch aus systematischen
Gründen konsequent und geboten.
Auch liegt kein derart "günstiger Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Empfängers" vor, dass die Gewährung von
Leistungen daneben nicht gerechtfertigt wäre. Den gegenteiligen Auffassungen [LSG Nordrhein- Westfalen, a.a.O.; SG
Chemnitz, a.a.O.] ist insoweit zwar zuzustimmen, dass die gewährte Prämie ein vielfaches des Regelsatzes
ausmacht; allerdings wird dabei unberücksichtigt gelassen, dass eine zu berücksichtigende Verbesserung der
wirtschaftlichen Lage nur dort gegeben ist, wo entweder die zugewandten Mittel zum Unterhalt ohne Einschränkung
zur Verfügung stehen oder die zugewandten Mittel zumindest die Einsparung sonstiger Mittel zur Folge haben, die
dem Hilfebedürftigen sonst zum Unterhalt zur Verfügung stehen. Dies trifft hier aber gerade nicht zu.
Im Übrigen unterliegt eine Anrechnung der Abwrackprämie auch soziokulturellen Bedenken. Denn es ist nicht
einzusehen, warum Leistungsempfänger, die durch den Kauf eines Neuwagens ebenfalls zur Belebung der Konjunktur
beitragen nicht in gleichem Maße begünstigt werden sollen, wie nicht im Leistungsbezug Stehende, welche diese
Prämie vom Staat "als Geschenk" erhalten, insbesondere ohne dafür Einkommenssteuer zahlen zu müssen.
Der Vollständigkeit halber weist das Gericht auch darauf hin, dass selbst im Falle einer anderen rechtlichen
Einschätzung nicht der volle Wert der Prämie zugrunde zu legen sein dürfte. Denn die Abwrackprämie wird
entsprechend des Zwecks der Richtlinie auch für die Verschrottung des Altfahrzeugs gezahlt, also gewissermaßen als
Gegenleistung für einen Schonvermögensgegenstand. Insoweit ist aus Sicht der Kammer zu berücksichtigen, dass
das Altfahrzeug auch noch einen Restwert besaß, der im Falle einer Veräußerung hätte realisiert werden können und
als Vermögenssurrogat anrechnungsfrei gewesen wäre.
Daher dürfte generell auch nur die Abwrackprämie abzüglich des Wertes des Altfahrzeuges als Einkommenszuwachs
zu berücksichtigen sein, was unter Umständen zu einer erheblichen Verminderung des anzurechnenden Betrages
führen kann. Für den konkreten Fall der Antragstellerinnen lässt sich nicht (mehr) sagen, welchen Wert das
Altfahrzeug noch gehabt hat; sicher ist aber, dass das Fahrzeug ohne Inanspruchnahme der Abwrackprämie bei einer
einfachen Inzahlunggabe des Altfahrzeuges auch einen gewissen Preis erzielt hätte. Im Ergebnis ist jedenfalls nicht
davon auszugehen, dass das Vermögen der Antragstellerin sich durch die Inanspruchnahme der Abwrackprämie so
verbessert hat, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären.
Gleiches gilt auch für die darlehnsweise Gewährung des Kaufpreises durch die Mutter der Antragstellerin zu 1.
Weiterhin sind die Antragstellerinnen auch nicht gezwungen, das neue Fahrzeug im Rahmen einer
Vermögensverwertung zu veräußern. Zwar übersteigt der Neuwert des Wagens mit 10.970,- EUR eindeutig die
Angemessenheitsgrenze in Höhe von 7.500,- EUR im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Allerdings unterliegt der
Vermögensverwertung nur der über der Angemessenheitsgrenze liegende Teil, so dass maximal ein Betrag in Höhe
von 3.470,- EUR zum verwertbaren Vermögen gerechnet werden darf [vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 06.09.2007,
Az.: B 14/7b AS 66/06 R]. Diesbezüglich steht der Antragstellerin zu 1. allerdings nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ein
Freibetrag in Höhe von 7.650,- EUR (=150,- EUR/Lebensjahr) zu. Hinzu kommt nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ein
zusätzlicher Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR, so dass der (verwertbare) Wert des
Fahrzeuges von den Freibeträgen vollständig erfasst wird. Im Übrigen ist dabei auch zu beachten, dass der Wagen
mittlerweile ein halbes Jahr alt ist und aufgrund der Erstzulassung an Wert verloren haben dürfte, so dass der jetzige
Verkaufspreis nicht (mehr) dem Kaufpreis entspricht.
In zeitlicher Hinsicht war die einstweilige Anordnung auf die Zeit vom Antragseingang bis zur Beendigung des
Hauptsacheverfahrens zu begrenzen. Denn eine rückwirkende Leistungserbringung im Rahmen des einstweiligen
Rechtsschutzes ist nur in engen Ausnahmefällen, nämlich bei einer aufgrund der unterbliebenen Leistungserbringung
fortdauernden Notlage, die hier nicht erkennbar ist. Für den 01.09.2009 war der Antrag daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen nur zu
einem unerheblichen Teil unterlegen sind, so dass die vollständige Kostentragungspflicht durch die Antragsgegnerin
gerechtfertigt ist.