Urteil des SozG Marburg vom 02.02.2011

SozG Marburg: abgabe, hessen, fristverlängerung, verwaltungsgebühr, software, verspätung, umzug, vertragsarzt, firma, verfügung

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 02.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 902/09
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 10.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verhängung einer Disziplinarbuße in Höhe von 3.000,00 EUR und einer
Verwaltungsgebühr in Höhe von 2.500,00 EUR.
Der 1958 geb. und jetzt 52-jährige Kläger ist seit 1996 als Facharzt für HNO-Krankheiten zur vertragsärztlichen
Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 02.07.2007 die Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegen den
Kläger wegen des Verdachts der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten. Der Kläger habe in den letzten Jahren
regelmäßig die Pflicht zur fristgemäßen Abgabe der Abrechnung missachtet und einzelne Abrechnungen - trotz
mehrfacher Hinweise - mit zum Teil erheblicher Verspätung eingereicht. Ab dem Quartal III/05 bis einschließlich IV/06
seien die Abrechnungen weder nachträglich noch fristgemäß eingereicht worden. Sie führte im Einzelnen
quartalsweise die Verspätungen auf. Sie habe den Kläger aufgefordert, mitzuteilen, warum seit Einführung des EBM
2005 lediglich die Quartalsabrechnung II/05 mit mehr als einjähriger Verspätung am 31.05.2006 eingereicht worden sei
und die Abrechnungen für die nachfolgenden Quartale ab III/05 bis einschließlich IV/06 weder nachträglich noch
fristgemäß vorgelegt worden seien. Er habe aber bisher keine Stellungnahme abgegeben.
Das Verfahren wurde zunächst wegen eines weiter von der Beklagten beantragten Zulassungsentziehungsverfahrens
ausgesetzt. Die Beklagte hatte bereits mit Schriftsatz vom 26.06.2007 den Antrag auf Entziehung der Zulassung vor
dem Zulassungsausschuss für Ärzte gestellt. Zur Begründung hatte sie auf die Verspätung der Abrechnung für das
Quartal II/05 und die Nichteinreichung der Abrechnung für die nachfolgenden Quartale ab III/05 bis einschließlich
IV/06 hingewiesen. Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entzog dem
Kläger mit Beschluss vom 21.08.2007 die Zulassung. Er ging davon aus, der Kläger habe in dem Zeitraum von III/05
bis II/07 im Höchstfall 35 Fälle im Quartal abgerechnet. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hob
der Berufungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit Beschluss vom 25.06.2008 den
Beschluss des Zulassungsausschusses auf. Zwischenzeitlich hatte der Kläger die Abrechnungen für die Quartale
II/05 bis IV/07 vorgelegt mit Behandlungszahlen von 532 bis 834 Behandlungsfällen. Zur Begründung führte der
Berufungsausschuss aus, es könne zwar festgestellt werden, dass der Kläger in der Vergangenheit wie auch zum
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsausschuss in schwerwiegender Weise seine
vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt habe, dass er seine vertragsärztlichen Leistungen nur äußert schleppend
und nach mehrfacher Mahnung sowie für das Quartal I/08 bislang trotz ebenfalls mehrfacher Mahnung überhaupt nicht
abgerechnet habe. Eine schwerwiegende Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten reiche jedoch für die Entziehung
der Zulassung nicht aus. Es müsse eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vorliegen. Auch seien
offensichtlich die Möglichkeiten des Disziplinarrechts noch nicht ausgeschöpft worden. Der Beschluss des
Berufungsausschusses wurde bestandskräftig.
Der Kläger hatte sich gegenüber dem Disziplinarausschuss unter Datum vom 28.07.2007 dahingehend eingelassen,
dass er morgen Vormittag die Abrechnungen für die Quartale III/05, IV/05, I/07 und II/07 abgeben werden, die
Abrechnungen für das Jahr 2006 bis zum 07.08.2007. Eine zeitgerechte Einreichung sei wegen erheblicher Probleme
der Software nicht möglich gewesen. Die eigentliche Misere seiner Abrechnungsproblematik habe mit dem Umzug
seiner Praxis in neue Räumlichkeiten im Frühsommer 2005 begonnen. Zeitgleich sei der neue EBM 2005 eingeführt
worden. Er habe seine Software umstellen müssen. Die neue Software habe ihre Versprechungen nicht halten können.
Zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen habe er mit der Softwarefirma das Problem bearbeitet. Den
Umzug habe er nicht, wie geplant, zum 01.04, sondern erst zum 01.07.2005 vornehmen können. Er habe dann mit der
alten Software weiterarbeiten müssen, hierzu sei es zu Datenverlusten gekommen. Seit dem 01.07.2005 arbeite er
nun mit dem neuen Programm. Es sei zu verschiedenen Abstürzen gekommen. Im Herbst 2005 sei eine
Neuinstallation erfolgt. Ohne die von ihm sicherheitshalber fortgeführte Papierkartendokumentation wäre ihm keine
dieser Abrechnungen mehr möglich gewesen. Es seien zeitintensive Querelen in der X. Belegarztklinik Dr. C. im
Herbst 2005 hinzugekommen, deren Leiter zusammen mit der Verwaltungsleitung zurückgetreten sei. Er habe
uneigennützig das zusätzlich belastende Amt kommissarisch übernommen.
Der Disziplinarausschuss lud den Kläger unter Datum vom 15.09.2009 zu einer mündlichen Verhandlung am
28.10.2009, an der der Kläger nicht teilnahm.
Der Disziplinarausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen verhängte mit Beschluss vom 28.10.2009 gegen
den Kläger wegen Verstoßes gegen vertragsärztliche Pflichten eine Geldbuße in Höhe von 3.000,00 EUR und setzte
eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 2.500,00 EUR fest. Zur Begründung führte er aus, die Abrechnung für das
Quartal III/07 habe der Kläger wieder fristgerecht ausgeführt. Die Quartalsabrechnung I/08 sei aber erneut verspätet
mit der fristgemäßen Abgabe der Quartale II/08 und III/08 erfolgt. Die Abrechnungen der Quartale IV/08 und I/09 seien
jeweils mit drei Wochen Verspätung eingereicht worden. Die Abrechnung für das Quartal II/09 sei am 13.07.2009
eingegangen, somit auch drei Tage zu spät. Die Abrechnung für das Quartal III/09 sei fristgerecht eingegangen.
Nachdem der Kläger an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen habe, habe eine verlässliche
Zukunftsprognose nicht gestellt werden können. Der Kläger habe in der Vergangenheit mehrfach und nachhaltig gegen
seine Pflicht zur pünktlichen Abgabe der Quartalsabrechnung verstoßen. Trotz der vorgetragenen Computerprobleme
habe der Kläger nicht ein einziges Mal zum Beispiel um Fristverlängerung für die Abgabe der Abrechnungen
nachgesucht. Auch wegen der Probleme aufgrund des Umzugs hätte eine Fristverlängerung beantragt werden können.
Auch andere Ärzte seien trotz Umzug und Einführung eines neuen EBM mit den Softwareumstellungen in der Lage,
ihre Abrechnungen einzureichen. Auch seien in der Folgezeit erneut Verspätungen vorgekommen mit den
Abrechnungen IV/07, I/08, IV/08, I/09 und II/09, also während des laufenden Disziplinarverfahrens und dies trotz der
kaum mehr zu zählenden Hinweise und Aufforderungen, die Abrechnungen pünktlich einzureichen. Selbst
Verspätungszuschläge und die Nichtauszahlung von Honoraren seien offensichtlich ohne die erhoffte dauerhafte
Wirkung geblieben. Gemäß der jeweils gültigen Abrechnungsrichtlinie und Honorarverteilungsmaßstäbe sei der Kläger
aber zur pünktlichen Abgabe verpflichtet. Hiergegen habe der Kläger nachhaltig verstoßen. Dieser Verstoß sei dem
Kläger auch vorwerfbar. Er habe im Wissen um seine Pflicht zur fristgerechten Abgabe und trotz einer Vielzahl von
Hinweisen gleichwohl die vorgenannten Abrechnungen nicht fristgemäß abgegeben, wodurch es zu einer erheblichen
Mehrbelastung der Abrechnungsstelle und Mehrkosten gekommen sei. Er habe sowohl objektiv als auch subjektiv
vorwerfbar gegen seine Pflicht als Vertragsarzt verstoßen, die Abrechnungen pünktlich abzugeben und zwar in
erheblich vorwerfbarer Weise. Bei der Auswahl und Verhängung der Maßnahme sei grundsätzlich das Gewicht der
Verfehlung des Arztes, seine Persönlichkeit, das Ausmaß seiner Schuld aber auch die Notwendigkeit zu
berücksichtigen, das Ansehen der Gesamtheit der Vertragsärzte zu wahren und das Vertrauen der Krankenkassen
und Kassenärztlichen Vereinigung in die Integrität und Zuverlässigkeit des Arztes zu sichern, und so die
Funktionsfähigkeit des Vertragsarztsystems zu gewährleisten. Es sei das Gesamtverhalten und die
Gesamtpersönlichkeit des Arztes im Hinblick auf die sich aus dem gezeigten Fehlverhalten ergebenen Zweifel an der
Zuverlässigkeit seiner Tätigkeit als Vertragsarzt, wobei die individuelle Pflichtenmahnung der eigentliche Zweck des
Disziplinarrechts sei, zu würdigen. Die Pflicht zur pünktlichen Abgabe der Abrechnung sei eine der wesentlichen
Pflichten des Vertragsarztes. Die Pflichtenverstöße nur mit einer Verwarnung oder einem Verweis zu ahnden, halte er
nicht für vertretbar. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger bislang disziplinarisch nicht in
Erscheinung getreten sei, sei die Verhängung einer im unteren Bereich angesiedelten Geldbuße notwendig gewesen,
um diese andauernden Pflichtverstöße angemessen zu ahnden und insbesondere auf ihn dahingehend einzuwirken,
dass er von nun an, wie für das Quartal III/09 geschehen, die Abrechnung fristgemäß abgebe. Die
Kostenentscheidung beruhe auf § 19 Abs. 1, 3 der Disziplinarordnung, wonach die Kosten zwischen 250,00 EUR und
5.000,00 EUR festzusetzen seien. Die Kosten seien im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand mit 2.500,00 EUR
festzusetzen. Die festgesetzte Gebühr sei notwendig, um zumindest einen Teil des mit dem Disziplinarverfahrens
verbundenen Aufwands abzudecken, nachdem keine Veranlassung zu sehen sei, dass derartige Kosten von der
Gemeinschaft der übrigen Vertragsärzte zu tragen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 17.12.2009 die Klage erhoben. Er ist der Auffassung, weder die Verhängung einer
Geldbuße von 3.000,00 EUR noch die Höhe der Verwaltungsgebühr von 2.500,00 EUR würden dem Sachverhalt
gerecht. Nach § 9 Abs.1 Disziplinarordnung seien nur solche Verfehlungen erheblich, die drei Jahre vor Bekanntgabe
begangen worden seien. Damit seien Versäumnisse von Abgabefristen unerheblich, die vor dem 02.07.2004 begangen
worden seien. Die juristische Geschäftsführung der Beklagten habe mit Schreiben vom 02.03.2007 selbst erklärt,
dass der ab II/05 geltende HVV keine unmittelbaren Abrechnungsregelungen vorsehe. Damit entfalle ein Verstoß
gegen Abrechnungsfristen. Die Abrechnungsrichtlinie sei erst zum Quartal IV/08 in Kraft getreten. Soweit ihm der
Disziplinarausschuss ein unentschuldigtes Fernbleiben im Verhandlungstermin vorwerfe, gebe es keine Rechtspflicht
zum Erscheinen. Der Gesichtspunkt "unentschuldigt" habe nicht in die Ermessensentscheidung einfließen dürfen. Der
Vorwurf, wegen der Computerprobleme keine Fristverlängerung beantragt zu haben, sei ein anderer als der einer
verspäteten Nichtabgabe. Der Disziplinarausschuss habe auch verkannt, dass er mit einer Kumulation an Problemen
zu kämpfen gehabt habe. Sein Einsatz für die HNO-Klinik Dr. C., die Ende 2005 zudem insolvenzgefährdet gewesen
sei, werde nicht gewürdigt. Es stelle nicht nur einen logischen Widerspruch dar, wenn ihm einerseits vorgeworfen
werde, er habe durch sein Verhalten Mehrkosten und eine Mehrbelastung der Abrechnungsstelle verursacht, wenn
gleichzeitig erklärt werde, dass er für die Mehrkosten aufzukommen habe. Mit dieser Argumentation würden
angebliche Rechtsgüter in den Abwägungsprozess einbezogen werden, die tatsächlich nicht Schutzgegenstand der
fristgemäßen Abgabeverpflichtung seien. Er habe gerade dem Gebot der peinlich genauen Abrechnung genügen
wollen, nachdem er seiner EDV habe nicht mehr vertrauen können. Sanktionierte Abrechnungsfristversäumnisse
dürften nicht im Rahmen einer disziplinarischen Würdigung zu Lasten des Arztes berücksichtigt werden. Nach
Abschluss der Abrechnung für das Quartal III/07 seien erneut Probleme aufgetreten, sodass die Abrechnung IV/07
erst am 28.01.2008 und die für das Quartal I/08 erst zusammen mit der für das Quartal II/08 habe erstellt werden
können. Die Abrechnungen für die Quartale II/08 und III/08 seien dann fristgerecht erfolgt. Bereits ab Sommer 2008
habe er nur noch sehr zögerliche EDV-Unterstützung durch die Firma D. erhalten. Supportanfragen seien zunehmend
nicht oder sehr verspätet bearbeitet worden. Mit Schreiben der Geschäftsführerin vom 23.12.2008 habe er dann die
Mitteilung erhalten, dass die Firma in der Insolvenz sei und das für das Quartal I/09 notwendige Update nicht mehr zur
Verfügung stellen könne. Seit dem Quartal III/09 bis I/10 sei durchweg eine pünktliche Abgabe erfolgt. Für die
Festsetzung der Verwaltungskosten fehle jede Sachbegründung. Der Disziplinarausschuss vernachlässige, dass zum
Zeitpunkt der Verfügung am 28.10.2009 keinerlei Rückstände mehr vorgelegen hätten. Eine Zweckerreichung sei
durch das Disziplinarverfahren nicht mehr möglich.
Der Kläger beantragt, den Beschluss des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom
28.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das dem Beschluss zugrunde liegende Disziplinarverfahren
einzustellen, hilfsweise den Beschluss des Disziplinarausschusses dahingehend abzuändern, dass die
Verwaltungsgebühr auf 250,00 EUR festgesetzt und dass als Disziplinarmaßnahme höchstens ein Verweis
ausgesprochen wird.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
In dem Beschluss würden lediglich die Quartale ab III/05 berücksichtigt werden. Gehe man davon aus, dass der
Vorstand zwischen dem 02. und 04.07.2007 Kenntnis genommen habe, sei die Frist der Disziplinarordnung gewahrt.
Er habe das Verfahren innerhalb zweier Monate eröffnet. Nach § 5 Abs. 2 Disziplinarordnung könnten sogar frühere
Disziplinarmaßnahmen berücksichtigt werden, wenn ihnen eine gleichartige Verfehlung zugrunde gelegen habe. Der
HVV habe die allgemeine Regelung enthalten, dass die Abrechnungsunterlagen für jedes abgelaufene
Abrechnungsquartal zu dem von der KV Hessen festgesetzten Termin bei der Bezirksstelle einzureichen seien. Diese
Praxis sei gerichtlich anerkannt worden. Mit dem Hinweis auf das unentschuldigte Fernbleiben habe der
Disziplinarausschuss lediglich zu erkennen gegeben, dass sich der Kläger durch sein Fernbleiben die Vermittlung
eines möglicherweise positiv ins Gewicht fallenden persönlichen Eindrucks verwehrt habe. Der Hinweis auf die
fehlende Beantragung einer Fristverlängerung habe der Disziplinarausschuss lediglich als Indiz dafür gewertet, dass
die behaupteten Computerprobleme und der Umzug nicht der einzige Auslöser für die über Jahre hinweg verspäteten
Abrechnungen gewesen seien. Der Disziplinarausschuss verkenne die Häufung der Umstände nicht. Allerdings habe
er in einem um zwei Monate verzögerten Umzug keinen Umstand sehen müssen, dass für die nächsten zwei Jahre
keine Abrechnungserstellung mehr möglich gewesen sei. Eine positive Berücksichtigung der zeitlichen
Inanspruchnahme im Rahmen der Übernahme einer HNO-Klinik habe nicht erfolgen können, da der Kläger für seine
vertragsärztliche Tätigkeit ausreichend Zeit haben müsse. Die Übernahme stelle auch keinen plausiblen Grund dar,
über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren keine Abrechnungen einzureichen. Die fristgemäße Einreichung der
Abrechungen diene insbesondere der Honorarverteilung. Diese entspräche dem Interesse der Vertragsärzte. Die
Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung gehe zwangsläufig mit der fristgemäßen Abgabe der Abrechnung einher.
Stehe der Möglichkeit der genauen Abrechnung etwas entgegen, so könne eine Fristverlängerung beantragt werden.
Die Umstände, dass bei fehlender Abrechnung Honorare nicht ausgezahlt werden bzw. Verspätungszuschläge
erhoben würden, stellten keine mit Disziplinarmaßnahmen vergleichbaren Sanktionen dar. Im Rahmen der Wahl der
geeigneten disziplinarischen Maßnahme hätten diese Umstände dennoch berücksichtigt werden können, da sie
Rückschlüsse auf das zukünftige Verhalten des Klägers zuließen. Ein Verstoß gegen das Verbot der
Doppelbestrafung liege nicht vor. Auch der mit der Klageschrift erstmals eingebrachte Vortrag, die
Abrechnungsverzögerungen betreffend die Quartale IV/07, I/08, IV/08 und I/09 seien ebenfalls auf von der
beauftragten EDV-Firma verschuldete Softwareprobleme zurückzuführen, änderten nicht die Sachlage zugunsten des
Klägers. Er verteidige seine Abrechnungsverzögerungen über einen Zeitraum von über vier Jahren mit von ihm nicht
zu vertretenden Softwareproblemen. Der Kläger habe im Rahmen seiner vertragsärztlichen Pflichten das Funktionieren
seiner Betriebsabläufe zu gewährleisten. Trotz der Probleme von Anfang an habe dies den Kläger weder veranlasst,
eine Fristverlängerung zu beantragen, noch habe er sich um ein geeignetes Unternehmen bemüht. Die Kosten seien in
Höhe der Mittelgebühr von 2.500,00 EUR festgesetzt worden, was in Anbetracht des Aufwandes der Ermittlungen
insbesondere des Aktenumfanges angemessen gewesen sei. Dieser Umfang lasse sich unschwer der
Verwaltungsakte entnehmen und werde bereits in Anbetracht des langen Zeitraums der verspäteten
Abrechnungsabgabe und der zahlreichen Aufforderungen zur Abrechnungsabgabe seitens der Beklagten deutlich. Da
lediglich die Mittelgebühr in Ansatz gebracht worden sei, bestehe auch kein gesteigerter Begründungsbedarf, der über
den Verweis auf den Verwaltungsaufwand hinausgehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den
Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine
Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Beschluss des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen
vom 28.10.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einstellung des
Disziplinarverfahrens oder auf Festsetzung der Verwaltungsgebühr auf 250,00 Euro oder darauf, dass als
Disziplinarmaßnahme höchstens ein Verweis ausgesprochen wird. Die Klage war im Haupt- und Hilfsantrag
abzuweisen.
Der Beschluss des Disziplinarausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 28.10.2009 ist
rechtmäßig.
Die Beklagte ist zuständig für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen Vertragsärzte.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V sind die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, die vertragsärztliche Versorgung in
dem durch § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden
gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und
vertraglichen Erfordernissen entspricht. Hierzu haben sie nach § 75 Abs. 2 S. 2 SGB V die Erfüllung der den
Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB
V vorgesehenen Sanktionen zur Pflichterfüllung anzuhalten. Der skizzierte gesetzliche Rahmen wird ausgefüllt von
der entsprechend § 81 SGB V beschlossenen Satzung der Beklagten und ihrer Disziplinarordnung.
Der Disziplinarausschuss der Beklagten hat die Verfahrensbestimmungen der Disziplinarordnung in der maßgeblichen
Neufassung der Disziplinarordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der von der Vertreterversammlung am
22.01.2005 beschlossenen Fassung eingehalten.
Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung
sieht, sprechen gegen die grundsätzliche Geltung des Disziplinarrechts im Bereich des Vertragsarztrechts keine
Gesichtspunkte des Verfassungsrechts. Die gesetzlichen Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen
sind hinreichend bestimmt. Der Umfang der Befugnisse ist in § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V festgelegt.
Disziplinarmaßnahmen in diesem Sinne sind nach der Aufzählung des § 81 Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB V je nach der
Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis 10.000 EUR oder die Anordnung des Ruhens der
Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren (vgl. BSG, Urt. v. 06.11.2002 - B 6 KA 9/02 R -
SozR 3-2500 § 81 Nr. 9 = MedR 2003, 422 = NZS 2003, 613 m. w. N., zitiert nach juris, Rdnr. 20). Bei der Auswahl
der Maßnahme ist der Disziplinarausschuss grundsätzlich berechtigt, nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die
Entscheidung insoweit nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich ist. Der Verwaltungsakt ist daher
nach § 54 Abs. 2 SGG nur bei Ermessensüberschreitung oder bei Ermessensfehlgebrauch rechtswidrig. Das Gericht
hat dazu die Voraussetzungen des Ermessens festzustellen, d. h. insbesondere zu prüfen, ob die Behörde von einem
vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sich von sachgerechten Erwägungen hat leiten lassen; dabei
ist es auf die im Verwaltungsakt mitgeteilten Ermessenserwägungen beschränkt (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 23).
Der Disziplinarausschuss stützt die Disziplinarmaßnahme auf einen Verstoß gegen die Pflicht zur pünktlichen Abgabe
der Abrechnung, wobei er von schuldhaftem – vorsätzlichem - Verhalten ausgeht. Der Disziplinarausschuss hat im
Einzelnen dargelegt, in welchen Quartalen der Kläger mit welcher zeitlicher Verzögerung die Abrechnung eingereicht
hat. Die Verstöße des Klägers beginnen kontinuierlich mit dem Quartal I/04 bis zum Quartal II/07 und ziehen sich mit
Verspätungen in verschiedenen Quartalen hin bis zum Quartal II/09. Der Kläger hat sich auch offensichtlich weder von
der Einleitung des Zulassungsentziehungsverfahrens noch des Disziplinarverfahrens beeindrucken lassen und auch
während dieser Verfahren weiterhin gegen seine Pflichten verstoßen. Erst im Verfahren vor dem Berufungsausschuss
hat er angesichts der drohenden Bestätigung der Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen
Tätigkeit die Abrechnungen für die Quartale II/05 bis IV/07 vorgelegt. Der Kläger kann auch diese wiederholten
Verstöße nicht auf Probleme des Umzugs und der EDV-Anlage zurückführen, die allenfalls im Jahr 2005 vorlagen. Im
Übrigen liegt es in der Verantwortung des Vertragsarztes, evtl. auftretende Probleme mit der EDV-Anlage umgehend
beheben zu lassen und sind auch Umzüge kein Grund für eine verspätete Abrechnung. Dies gilt auch für die vom
Kläger vorgetragenen Probleme mit der Software-Firma im Jahr 2008. Gleiches gilt auch für die von ihm
vorgetragenen zeitintensiven Querelen in der X. Belegarztklinik Dr. C. im Herbst 2005. Damit kann eine erhebliche
Vernachlässigung der vertragsärztlichen Pflichten nicht gerechtfertigt werden. Der Kläger hat insofern keine halbwegs
nachvollziehbare Erklärung für seinen Pflichtenverstoß abgegeben und sich der Problematik vor dem
Disziplinarausschuss nicht gestellt. Soweit der Disziplinarausschuss diesbezüglich anmerkt, das Nichterscheinen des
Klägers vor dem Berufungsausschuss und vor dem Disziplinarausschuss stelle eine "Missachtung der Gremien seiner
Kassenärztlichen Vereinigung" dar, so hält dies die Kammer für eine nicht zu beanstandende Wertung des
Disziplinarausschusses. Sie müssen zudem im Kontext seiner weiteren Ausführungen zur ggf. positiven Prognose
gesehen werden. Der Disziplinarausschuss weist damit darauf hin, dass das Verhalten des Klägers insgesamt nicht
Anlass gegeben habe, den über einen langen Zeitraum festzustellenden Pflichtenverstoß in einem milderen Licht,
insbesondere auch im Hinblick auf das zukünftige Verhalten des Klägers zu sehen. Jedenfalls kann in diesen
Ausführungen des Disziplinarausschusses kein willkürliches Verhalten im Sinne eines Ermessensfehlgebrauchs
abgeleitet werden, da der Disziplinarausschuss seine Entscheidung ausführlich und sachlich begründet hat.
Der Kläger konstruiert auch, zuletzt noch in der mündlichen Verhandlung durch die Ausführungen seines
Prozessbevollmächtigten, eine künstliche Konfliktlage zwischen richtiger und pünktlicher Abrechnung. Die Pflicht zur
peinlich genauen Abrechnung beinhaltet auch die Pflicht zur pünktlichen Abrechnung, da die Beklagte aufgrund der
Regelungen zur Honorarverteilung darauf angewiesen ist, innerhalb der Abgabefristen alle Abrechnungen zu erhalten.
Im Übrigen weist die insoweit fachkundig mit einer Vertragspsychotherapeutin und einem Vertragsarzt besetzte
Kammer darauf hin, dass mit größerem zeitlichen Abstand zum Abrechnungsquartal erhebliche Zweifel an der
Richtigkeit der Abrechnung bestehen. Letzteres kann hier aber dahinstehen, da es hierauf im Hinblick auf den
Streitgegenstand nicht ankommt.
Es ist eine der grundlegenden Pflichten jedes Vertragsarztes, die erbrachten Leistungen peinlich genau abzurechnen,
weil die korrekte Abrechnung von der Kassenärztlichen Vereinigungen angesichts der Vielzahl der von ihr in jedem
Quartal zu bewältigenden Datenmengen nur in eingeschränktem Umfang überprüft werden kann (vgl. BSG, Urt. v.
24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 (juris Rdnr. 22); BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa
28/88 - BSGE 66, 6, 8 = SozR 2200 § 368a Nr. 24 (juris Rdnr. 15); BSG, Urt. v. 08.07.1981 – 6 RKa 17/80 - USK
81172 (juris Rdnr. 31)). Der Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung gilt unabhängig davon, ob die Abrechnung auf
manuellem Wege oder mittels elektronischer Datenträger erfolgt. Auch wenn sich der Vertragsarzt im zweiten Fall
entsprechender Abrechnungsprogramme bedient, entlastet ihn dies nicht davon, sich vor Weiterleitung der Diskette an
die Kassenärztliche Vereinigung wenigstens anhand von Stichproben zu vergewissern, dass die dort enthaltenen
Angaben frei von Fehlern sind, unabhängig davon, ob diese auf eigenen Falscheingaben oder auf Mängeln der
benutzten Software beruhen (vgl. LSG Niedersachsen, Beschl. v. 17.02.2005 - L 3 KA 218/04 ER -; LSG Nordrhein-
Westfalen, Urt. v. 15.01.1997 - L 11 Ka 74/96 - NZS 1997, 384, 386).
Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind auf der Rechtsgrundlage des § 85 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V befugt, in
ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung durch die Vertragsärzte zu treffen. Sie dürfen in diesem
Zusammenhang auch Abrechnungsfristen vorgeben und diese als Ausschlussfristen ausgestalten. Im HVM können
insbesondere nicht nur die Fristen geregelt werden, die die Vertragsärzte bei der Abrechnung einhalten müssen,
sondern auch die Folgen, die sich aus einem Fristversäumnis für die Abrechnungen ergeben. § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB
V lässt daher auch eine Regelung im HVM zu, nach der Abrechnungsscheine von der Vergütung ausgeschlossen
sind, die nicht innerhalb des festgesetzten Einsendetermins zur Abrechnung eingereicht werden. Die Ausgestaltung
einer Abrechnungsfrist als Ausschlussfrist stellt für sich genommen keinen derart schwerwiegenden Eingriff in die
Berufsausübung dar, dass für ihn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre. Zweck der
Honorarverteilung ist, dass nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die
Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge ausgekehrt werden. Dies entspricht vor allem dem Interesse der
Vertragsärzte. Denn diese sind - insbesondere wegen der zu bestreitenden Praxiskosten - auf eine möglichst kurze
Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Auch widerspräche die Zahlung
lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Honorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten
Interesse der Ärzte an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen. Der Zeitpunkt, zu dem die KÄV nach Abschluss des
jeweiligen Quartals die Abrechnung vorzunehmen und den Vertragsärzten ein Honorarbescheid zu erteilen hat, ist
bundesrechtlich zwar nicht vorgegeben. Die KÄVen sind jedoch gehalten, die ihnen von den Krankenkassen gezahlte
Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) umgehend an die Vertragsärzte zu verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V). Demgemäß
sind die KÄVen verpflichtet, den Vertragsärzten alsbald nach Quartalsabschluss Honorarbescheide zu erteilen.
Zahlreiche Bestimmungen sowohl der Bundesmantelverträge als auch des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für
vertragsärztliche Leistungen legen fest bzw. setzen voraus, dass die vertragsärztlichen Leistungen in einem
Kalendervierteljahr zusammengefasst vom Vertragsarzt abgerechnet und von der Kassenärztlichen Vereinigung
vergütet werden. Der Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal ausgerichteten Gesamtvergütungssystems
entspricht es, Zahlungen möglichst aus der für das jeweilige Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung
vorzunehmen und Rückstellungen oder Nachvergütungen weitestgehend zu vermeiden. Die Bildung von
Rückstellungen, d. h. der Einbehalt von Teilen der für ein Quartal entrichteten Gesamtvergütung, kann unerwünschte
Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit vertragsärztlicher Praxen und damit letztlich auf die Versorgung der
Versicherten haben. Auch die berechtigten Belange der Krankenkassen können tangiert sein, wenn diese die
Gesamtvergütung in gesetzeskonformer Höhe an die Kassenärztliche Vereinigung entrichten, die Vertragsärzte davon
aber nur Teile erhalten, die eine angemessene Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen möglicherweise nicht
gewährleisten. Schließlich sind zahlreiche mengenbegrenzende Regelungen in Honorarverteilungsmaßstäben, wie
etwa Fallzahlzuwachsbeschränkungen oder Individualbudgets, auf das einzelne Quartal bezogen. Die Kassenärztliche
Vereinigung muss deshalb gewährleisten können, dass prinzipiell alle Leistungen eines Quartals rechtzeitig
abgerechnet und von derartigen Steuerungsinstrumenten erfasst werden. Hierfür müssen Anreize zur Verlagerung von
Abrechnungen in Folgequartale, etwa wenn die elektronische Erfassung der Abrechnungswerte einer Praxis einen
starken und partiell unerwünschten Fallzahlzuwachs anzeigt, vermieden werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht
nur gestattet, sondern sachlich geboten, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass alle vertragsärztlichen Leistungen eines
Quartals weitestgehend aus den für dieses Quartal von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen honoriert
werden. Die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen ist zur Erreichung einer möglichst
zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet. Fristen für die
Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dienen umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je
weniger Ausnahmen sie zulassen. Auf der anderen Seite können von Ausschlussfristen erhebliche Wirkungen für den
Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ausgehen. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer
möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen
Software einen größeren Teil ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der Kassenärztlichen Vereinigung gesetzten
Termin vorlegen, laufen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Solche
Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist sind durch die
Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige
Einschränkung des durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer
Leistungen dar. Das billigenswerte Ziel möglichst frühzeitiger, zu einem einheitlichen Zeitpunkt abgeschlossener
Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen rechtfertigt und fordert eine rigide und vor allem kurze
Ausschlussfrist nicht (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 = SGb 2006, 370,
juris Rdnr. 21 - 25).
Der Kläger hat nicht bestritten, dass die Beklagte für alle Quartale des hier relevanten Zeitraums ab dem Jahr 2005
die Termine für die Abgabe der Abrechnung bekannt gegeben hat. Die Geltung dieser Abrechnungsfristen folgt bereits
aus § 34 Abs. 3 Satz 2 EKV-Ä und den Abrechnungsbestimmungen im Honorarverteilungsmaßstab bzw.
Honorarverteilungsvertrag. Im Übrigen sind jedenfalls die Abrechnungsfristen, jeweils zum 10. des Folgemonats nach
Quartalsschluss, gewohnheitsrechtlich anerkannt. Von daher kommt es auch nicht darauf an, welche
Abrechnungsmodalitäten im Quartal I/08 gegolten haben, da insoweit die im Honorarverteilungsvertrag vorgesehene
Abrechnungsrichtlinie der Beklagten erst zum Quartal IV/08 in Kraft getreten ist. Im Übrigen bestehen gegen die
Abrechnungsvorschriften der Beklagten keine rechtlichen Bedenken (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.09.2010 – S 12 KA
732/09 – ; SG Marburg, Urt. v. 08.09.2010 – S 12 KA 251/10 – (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 75/10 -);
SG Marburg, Urt. v. 26.09.2007– S 12 KA 100/07 – u. – S 12 KA 196/07 - –, Berufung zurückgewiesen durch LSG
Hessen, Urt. v. 11.03.2009 – L 4 KA 70/07 – (unveröffentlicht); zu Quartalen II u. III/04 s. LSG Hessen, Urt. v.
24.09.2008 – L 4 KA 43/07 –; alle Entscheidungen sind, soweit nicht anders angegeben, abrufbar unter
www.sozialgerichtsbarkeit.de = www.lareda.hessenrecht.hessen.de = juris).
Soweit der Kläger vorträgt, nach § 9 Abs.1 Disziplinarordnung seien nur solche Verfehlungen erheblich, die drei Jahre
vor Bekanntgabe begangen worden seien, damit seien Versäumnisse von Abgabefristen unerheblich, die vor dem
02.07.2004 begangen worden seien, so war dem von der Kammer nicht zu folgen. Hinsichtlich des Umfangs des
Pflichtenverstoßes bezieht sich der Disziplinarausschuss auf den Antrag der Beklagten vom 02.07.2007, deren
Aufstellung mit dem Quartal I/02 beginnt. Wesentlich bezieht sich der Disziplinarausschuss auf den Zeitraum ab dem
Quartal III/05.
Nach § 9 Abs. 1, 2 und 4 der Disziplinarordnung ("Zurückweisung, Verjährung und Rücknahme des Antrages") weist
der Disziplinarausschuss den Antrag auf Einleitung des Verfahrens zurück, wenn seit dem Bekanntwerden der
Verfehlung drei Jahre oder seit der Verfehlung fünf Jahre vergangen sind oder eine Unzuständigkeit vorliegt. Für den
Zeitpunkt des Bekanntwerdens ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Vorstand maßgeblich. Kenntnisnahme
ist erst nach tagesordnungsgemäßer Erörterung der Verfehlung in einer Vorstandssitzung gegeben. Die
Verjährungsfristen werden durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens unterbrochen.
Nach der Disziplinarordnung tritt damit eine Verjährung – unabhängig von der Kenntnis des Vorstands - spätestens
nach fünf Jahren ein. Die Abrechnung für das Quartal I/02, die spätestens bis zum 10.04.2004 einzureichen war, hat
der Kläger erst am 06.05.2002 eingereicht, womit ihm dies spätestens nach dem 06.05.2007 nicht mehr zur Last
gelegt werden konnte. Die nächste verspätete Abrechnung war die für das Quartal I/03, die nach Fristablauf
(10.04.2003) erst am 14.04.2003 einging, wird aber bereits nicht von der fünfjährigen Abrechnungsfrist erfasst. Auch
ist nichts ersichtlich, dass sich der Vorstand der Beklagten zeitlich wesentlich vor Abfassung der Antragsschrift mit
dem Pflichtenverstoß des Klägers abgefasst hat. Wenn sich auch der Disziplinarausschuss nicht ausdrücklich zum
Zeitraum der einbezogenen Abrechnungen geäußert hat, so folgt aber aus seinen Ausführungen, dass er sich auf die
späteren und z. T. wesentlich gravierenderen Verspätungen bezogen hat. Es kann den Ausführungen des
Disziplinarausschusses nicht entnommen werden, dass er sich auch auf die Verspätung bzgl. des Quartals I/02
bezogen hätte. Von daher kann hier dahinstehen, ob im Hinblick auf die fortlaufenden Verspätungen von einem
Fortsetzungszusammenhang auszugehen ist und Verjährung erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten ist. Soweit
darin ein Begründungsmangel zu sehen ist, ist er als formeller Fehler offensichtlich ohne Auswirkung auf die
Sachentscheidung. Selbst wenn im fehlenden Ausschluss des Quartals I/02 ein Ermessensfehler zu sehen sein
sollte, so ist offensichtlich, dass dieser bei der ermessensgeleiteten Auswahl der Disziplinarmaßnahme ohne
Bedeutung war und daher ebf. nach § 42 SGB X unbeachtlich wäre.
In dem Hinweis des Disziplinarausschusses, keine Fristverlängerung beantragt zu haben, liegt kein anderer Vorwurf
als der einer verspäteten Abgabe. Soweit eine Fristverlängerung beantragt und genehmigt wird, liegt in der späteren
Abgabe kein Pflichtenverstoß. Zur Pflicht zur pünktlichen Abgabe der Abrechnung gehört insofern auch die Pflicht,
sich bei auftretenden Verzögerungen rechtzeitig mit der Beklagten in Verbindung zu setzen und einen entsprechenden
Antrag zu stellen.
Soweit der Kläger vortragen lässt, es stelle nicht nur einen logischen Widerspruch dar, wenn ihm einerseits
vorgeworfen werde, er habe durch sein Verhalten Mehrkosten und eine Mehrbelastung der Abrechnungsstelle
verursacht, wenn gleichzeitig erklärt werde, dass er für die Mehrkosten aufzukommen habe, auch würden mit dieser
Argumentation angebliche Rechtsgüter in den Abwägungsprozess einbezogen werden, die tatsächlich nicht
Schutzgegenstand der fristgemäßen Abgabeverpflichtung seien, so vermochte dem die Kammer nicht zu folgen. Der
Disziplinarausschuss legt ausdrücklich dar, auch wenn der Kläger für den Mehraufwand an Kosten einzustehen habe,
bedeute dies nicht, dass hierdurch sein Verhalten endgültig und abschließend geahndet sei. Damit wird lediglich die
Selbstverständlichkeit dargelegt, dass das Disziplinarverfahren grundsätzlich unabhängig von einer
Schadenswiedergutmachung ist.
Soweit der Kläger auf seine Einnahmen aus dem Regelleistungsvolumen verweist, kann daraus nicht auf seine
tatsächliche Einnahmesituation geschlossen werden. Die Nichtabgabe der vertragsärztlichen Abrechnung für mehrere
Quartale bzw. deren Abgabe erst mit erheblicher Verspätung zeigt im Übrigen, dass die Einnahmen aus
vertragsärztlicher Tätigkeit für den Kläger nur eine geringe Bedeutung haben.
Angesichts der Schwere der festgestellten Verstöße vermochte die Kammer die Ermessensausübung des
Disziplinarausschusses, wie er sie im Bescheid dargelegt hat, nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die verhängte
Geldbuße auch nicht unverhältnismäßig.
Ermessensfehlerhaft ist auch nicht die Festsetzung der Verwaltungsgebühr.
Die Kosten des Verfahrens sind dem betroffenen Mitglied aufzuerlegen, sofern das Verfahren nicht eingestellt wird (§
19 Abs. 1 DO). Ist das betroffene Mitglied zur Erstattung von Kosten verpflichtet, werden diese von dem Vorsitzenden
des Disziplinarausschusses in Höhe von 250,- EUR bis 5.000,- EUR festgesetzt (§ 19 Abs. 3 DO). Mit einer Gebühr
von 2.500 Euro ist der Disziplinarausschuss unter einer Mittelgebühr von 2.625 Euro geblieben. Es handelt sich um
eine pauschalierte Rahmengebühr, die ohne einen Nachweis der Kosten für die einzelnen Arbeitsschritte erhoben
werden kann. Einzubeziehen sind für den Umfang der Tätigkeit aber auch die Ermittlungen der Beklagten bis zur
Antragseinreichung, da der Antrag Teil des Disziplinarverfahrens ist. Angesichts des offensichtlichen Umfangs der
Verstöße, wobei es nicht allein auf den Aktenumfang ankommt, war die festgesetzte Gebühr nicht zu beanstanden.
Im Ergebnis war die Klage daher im Haupt und Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten
des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach
den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet
der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert
von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert war gegenüber dem vorläufigen
Streitwertbeschluss vom 18.12.2009 um den Wert der ausdrücklich beanstandeten Verwaltungsgebühr zu erhöhen.