Urteil des SozG Marburg vom 10.11.2010

SozG Marburg: job sharing, innere medizin, gemeinschaftspraxis, rückforderung, aufteilung, abrechnung, quote, hessen, versorgung, vertragsarzt

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 10.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 559/09
1. Der Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 04.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr)
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29.07.2009 wird insoweit aufgehoben, als ein den
Betrag von 5.570,57 EUR brutto übersteigender Berichtigungsbetrag festgesetzt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Klägerin und Beklagte haben jeweils 1/2 der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat 1/2 der notwendigen
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs
bei Beschäftigung einer angestellten Ärztin im Rahmen eines sog. Job-Sharings in Höhe von 35.995,40 EUR netto für
die acht Quartale III/05 bis II/07 (1. und 2. Leistungsjahr).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Frau Dr. med. AA ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin und Herr Dr.
med. AB als Facharzt für innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Frau
Dr. med. AA nimmt an der hausärztlichen, Herr Dr. med. AB an der fachärztlichen Versorgung teil. Mit Beschluss des
Zulassungsausschusses vom 21.06.2005 wurde der Klägerin die Beschäftigung der Frau Dr. med. AC, Fachärztin für
innere Medizin, als halbtags angestellte Ärztin hausärztlich - gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m. § 32b Ärzte-ZV
genehmigt. Im Beschluss des Zulassungsausschusses wurde der Praxisumfang nach den Richtlinien über die
Beschäftigung von angestellten Praxisärzten in der Vertragsarztpraxis auf der Grundlage des
Fachgruppendurchschnitts in den vier vorausgegangenen Quartalen (III/03 bis II/04) für die Klägerin wie folgt
festgelegt.
Jahresquartal Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr I 937.084,0 II 988.388,5 III 908.380,8 IV 1.090.494,1
Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Richtlinien
angepasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig.
Das Job-Sharing-Verhältnis bestand bis zum 16.07.2008.
Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den streitbefangenen Quartalen wie folgt
fest:
III/05 IV/05 I/06 II/06 Honorarbescheid vom 12.08.2006 06.08.2007 20.01.2007 05.02.2007 Nettohonorar gesamt in
EUR 74.734,69 83.342,28 83.900,20 84.642,47 Bruttohonorar PK + EK in EUR 74.545,12 85.186,74 84.710,77
85.769,21 Fallzahl PK + EK 1.561 1.651 1.634 1.596 Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 112.930,38
126.248,46 134.672,63 128.902,99 Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 112.930,38 126.248,46
134.672,63 128.902,99
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV Fallzahlgrenze 1.509 1.619 1.543 1.527 Aktuelle Fallzahl 1.558 1.648
1.632 1.591 Quote in % - - - -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.570.619,8 1.616.671,6 1.627.735,2
1.596.533,0 Überschreitung in Punkten 0,0 5.429,4 160.146,8 104.064,0
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV Auffüllbetrag je Fall EUR - - - - Auffüllbetrag gesamt in EUR - - - -
III/06 IV/06 I/07 II/07 Honorarbescheid vom 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008 17.10.2007 Nettohonorar gesamt in
EUR 74.673,29 82.677,54 81.971,13 78.931,31 Bruttohonorar PK + EK in EUR 75.370,65 83.878,64 82.748,93
79.290,40 Fallzahl PK + EK 1.510 1.514 1.581 1.528 Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR 111.579,11
126.108,66 134.374,69 125.997,22 Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 111.579,11 126.108,66
134.374,69 125.997,22
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV Fallzahlgrenze 1.592 1.683 1.666 Aktuelle Fallzahl 1.510 1.511 1.578
Quote in % - - -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.504.900,0 1.503.265,5 1.566.588,8
1.490.388,3 Überschreitung in Punkten 0,0 139.226,0 228.815,2 1.675.905,0
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV Korrekturbetrag je Fall in EUR - 0,6900 - - Korrekturbetrag gesamt in EUR - 1.044,67
- -
Mit Bescheid vom 04.07.2008 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für die Quartale
III/05 bis II/06 – 1. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von
12.156,16 EUR zurück. Die Prüfung des 1. Leistungsjahrs habe ergeben, dass die Klägerin nach entsprechender
Saldierung und unter Berücksichtigung des Punktwertes sowie unter Beachtung der sog. Nettohonorarentwicklung
12.527,86 EUR Brutto zuviel an Leistungsbedarf zur Abrechnung gebracht habe. Zu berücksichtigen seien anteilige
Verwaltungskosten in Höhe von 371,70 EUR.
Mit einem weiteren Bescheid vom 04.07.2008 setzte die Beklagte eine Rückforderung für das 2. Leistungsjahr –
Quartale III/06 bis II/07 in Höhe von 23.839,24 EUR (24.568,17 EUR abzgl. 728,93 EUR anteilige Verwaltungskosten)
fest.
Gegen alle beiden Bescheide legte die Klägerin am 14.07.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs
führte sie aus, Frau Dr. AC sei vom 23.05. bis 19.08.2006 im Mutterschutz und anschließend bis 30.04.2007 in
Elternzeit gewesen. Aus diesem Grund sei eine Weiterbildungsassistentin, Frau Dr. med. AD, vom 01.04. bis
31.12.2006 beschäftigt worden. Sie habe sich mit der Punktzahlobergrenze unter Zugrundelegung der
Punktebewertung nach dem EBM 1996 einverstanden erklärt. Der EBM 2005 habe zu einer durchschnittlichen
Punktzahlvermehrung allein in der Fachgruppe Allgemeinmedizin um etwa 5 % geführt, der EBM 2008 um ca. 19 %.
Die Punktzahlgrenze müsse dem prozentualen Anstieg durch die Gebührenordnungsänderungen angepasst werden.
Es handele sich um eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis. Technische Leistungen seien zum Teil weitaus
höher bewertet worden. Die Echokardiographie sei nach dem EBM 1996 mit 600 Punkten, dem EBM 2005 mit 730
Punkte und mit dem EBM 2008 mit 760 Punkten bewertet worden. Die Gastroskopie sei von 1.400 Punkten auf 2.315
bzw. 2.360 Punkte gestiegen. Ähnliche Punktzahlsteigerungen seien auch bei Doppleruntersuchungen der
hirnversorgenden Gefäße sowie der peripheren Gefäße festgesetzt worden. Herr Dr. AB habe sich im Hinblick auf die
Duplexsonographie weitergebildet, es seien weitere Leistungspositionen hinzugekommen. Bei identischer
Untersuchungszahl im Vergleich zum Ausgangsjahr ergebe sich eine Steigerung des Punktzahlvolumens von ca.
450.000 Punkten, wobei dies ausschl. auf eine EBM-bedingte Punktzahlerhöhung bzw. auf die Weiterbildung des
Herrn Dr. AB zurückzuführen sei. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb im zweiten Leistungsjahr ein Vergleich der
Nettoeinkommen nicht erfolgt sei. Die auf Bruttobasis erfolgte Rückforderung bedeute eine Mehranforderung von
12.000,00 EUR für das zweite Leistungsjahr im Vergleich zum ersten Leistungsjahr, obwohl das überschrittene
Punktzahlvolumen im zweiten Leistungsjahr sogar um ca. 2.000 Punkte niedriger liege als im ersten Leistungsjahr. Es
habe kein Frühwarnsystem gegeben, die Beklagte habe ihre Informationspflicht grob vernachlässigt. Es würden jetzt
Nachforderungen für Leistungen erfolgen, die vor drei Jahren erbracht und vergütet worden seien. Eine sinnvolle
betriebswirtschaftliche Praxisführung sei nicht mehr gewährleistet.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte sie aus, der Zulassungsausschuss habe mit seinem Beschluss vom 21.06.2005 das
Punktzahlvolumen festgelegt. Dies sei von der Klägerin vor Erlass des Beschlusses schriftlich anerkannt worden. Der
Beschluss sei inzwischen bestandskräftig geworden. Nr. 3.3 der Angestellten-Ärzte-Richtlinie sehe auf Antrag eine
Änderung der Gesamtpunktzahlvolumina bei Änderungen des EBM oder vertraglichen Vereinbarungen vor. Zuständig
hierfür sei allein der Zulassungsausschuss. Im Übrigen folgten die Gesamtpunktzahlvolumina des Praxisumfangs der
Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes
(Anpassungsfaktor) ab dem zweiten Leistungsjahr. Für das erste Leistungsjahr nach Einführung des EBM 2005 habe
der Vorstand der KV Hessen zugunsten der Ärzte beschlossen, dass ein Nettohonorarvergleich durchgeführt werde.
Dieser stelle sicher, dass die Honorarrückforderung nur insoweit realisiert werde, als die Höhe des Nettohonorars des
entsprechenden Basisquartals (II/04 bis I/05) nicht unterschritten werde. Somit werde die Job-Sharing-Praxis nur
maximal bis zum Nettohonorar des Ausgangsquartals begrenzt. Aufgrund des Nettohonorarvergleichs habe sich der
Rückforderungsbetrag von 31.569,73 EUR auf 12.527,86 EUR reduziert. Auf eine mögliche Leistungsausweitung
aufgrund der Fortbildung hätte bereits im Antragsverfahren im Jahr 2005 hingewiesen werden können. Die Abrechnung
neuer Leistungen stelle aber gerade eine Leistungsausweitung dar, welche der Zielsetzung der Angestellten-Ärzte-
Richtlinien, jede Form von Leistungsausweitung zu unterbinden, entgegen laufe. Es stehe nicht in ihrem Ermessen,
ob die durch den Zulassungsausschuss festgelegten Grenzen tatsächlich berücksichtigt würden. Soweit die Klägerin
ausführe, dass die Rückforderung aufgrund der Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens wegen eines
pflichtwidrigen Verhaltens ihrerseits ausgeschlossen sei, könne dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Auch für
Zeiten des Mutterschutzes oder der Elternzeit der Job-Sharing-Assistenten gelte die vom Zulassungsausschuss
festgelegte Leistungsbeschränkung.
Hiergegen hat die Klägerin am 13.08.2009 die Klage erhoben. Sie trägt vor, als Basis für die
Punktzahlvolumenbegrenzung seien die Ausgangsquartale III/03 bis II/04 herangezogen worden. Hierbei sei das
komplette Leistungsvolumen der Gemeinschaftspraxis der Klägerin entsprechend des EHV-Anteils von Frau Dr. AA in
Höhe von 50 % als Basis für die Festlegung der Obergrenze herangezogen worden. Eine Aufteilung entsprechend der
tatsächlich abgerechneten Leistungen aufgrund der Tätigkeit als Allgemeinmedizinerin sei nicht vorgenommen
worden. Insofern könne nicht davon ausgegangen werden, dass der für die Leistungsbeschränkung herangezogene
Punktwertanteil tatsächlich dem Leistungsgeschehen der Klägerin entspreche. Bereits insofern sei von einem
rechtswidrigen Bescheid auszugehen. Sowohl die Festlegung der Gesamtpunktzahlvolumina der Basisquartale als
auch die Beschränkung für das erste Leistungsjahr seien anhand einer intransparenten Formel errechnet worden, die
für sie in keiner Weise nachvollziehbar sei. Die Punktzahlvolumengrenze sei in etwa doppelt so hoch angegeben
worden aufgrund des Umrechnungsfaktors als tatsächlich Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Sie
habe deshalb darauf vertrauen können, dass das Punktzahlvolumen der einzelnen Quartale ca. doppelt so hoch sei,
als tatsächlich in dem Honorarbescheiden dargestellt, da zum tatsächlich abrechenbaren Gesamtpunktzahlvolumen
keinerlei Hinweise erfolgt seien. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Punktzahlanstieg auf der Umstellung
vom EBM 1996 auf den EBM 2005 beruhe. Die Berechnung für Frau Dr. AA beruhe auf der EHV-Quote von 50 %.
Damit sei das gesamte Abrechnungsvolumen der Gemeinschaftspraxis für die Leistungsbeschränkung herangezogen
worden. Dies sei rechtswidrig. Die EHV-Aufteilung von 50 % sei ausschließlich aus internen privaten Gründen der
Eheleute vereinbart worden. Ein Zusammenhang mit der Punktzahlobergrenze sei nicht gesehen worden. Der hohe
prozentuale Anteil der Frau Dr. AA sei bereits in den Basisquartalen vorhanden gewesen. Die Zahl der hausärztlichen
Patienten habe regelmäßig bei 85 % bis 90 % gelegen. Es müsse jedenfalls auch die Punktzahlenobergrenze auf
dieser Grundlage berechnet werden. Es fehle an der Transcodierung des EBM 1996 zum EBM 2005. Sie sei auch
weiterhin der Auffassung, dass Zeiten des Mutterschutzes bzw. der Elternteilzeit berücksichtigt werden müssten und
dass es an einer Frühinformation gefehlt habe. Sie habe die Punktzahlobergrenze unterzeichnet. Ihr sei aber nicht
dargelegt worden, wie sich das Gesamtpunktzahlvolumen errechnet habe, noch dass Basis für die Berechnung nicht
das tatsächliche Leistungsverhalten, sondern ausschließlich die Aufteilung nach der EHV-Quote gewesen sei. Es sei
auch immer wieder eine Anpassung der Punktzahlvolumina aufgrund der Änderung der Gebührenordnung in Aussicht
gestellt worden, weshalb sie keine Veranlassung gesehen habe, einen Antrag auf Neufestsetzung zu stellen. Nahezu
alle Job-Sharing-Praxen im Bereich der Beklagten unterlägen aufgrund der EBM-Änderungen einer Rückforderung.
Dies beruhe auf der fehlenden Transcodierung. Der Beschluss des Zulassungsausschusses sei zwar bestandskräftig,
könne rückwirkend aber aufgehoben werden.
Die Klägerin beantragt, die beiden Rückforderungsbescheide Job-Sharing vom 04.07.2008 betreffend die Quartale
III/05 bis II/06 (1. Leistungsjahr) und III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der
Beklagten vom 29.07.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist weiterhin auf die Bindung an den bestandskräftigen Beschluss des Zulassungsausschusses. Alle
Honoraransprüche seien Bestandteil der vom Zulassungsausschuss festgelegten Leistungsobergrenze. Die Klägerin
hätte ggf. Widerspruch gegen die Festsetzung des Zulassungsausschusses einlegen müssen. Bei der ungesetzten
EHV-Aufteilung handele es sich im Übrigen um eine von der Klägerin so gemeldete prozentuale Gewichtung.
Diesbezügliche Einwände seien auch vor dem Zulassungsausschuss zu erheben. Die 50 %-Quote stehe auch auf
dem Berechnungsbogen, mit dem sich die Klägerin ausdrücklich einverstanden erklärt habe. Ferner hätte ein Antrag
auf Änderung bei dem Zulassungsausschuss gestellt werden können. Da die Job-Sharing-Anstellung gem. des
Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26.08.2008 erst zum 16.07.2008 beendet worden sei, sei auch dieses
Datum für die Rückforderung maßgeblich. Nach den ihr vorliegenden Notizen sei von Frau Dr. AA in telefonischer
Rücksprache am 21.03.2005 eine EHV-Aufteilung von 50 % gewünscht worden. Dies sei zugunsten der Klägerin
erfolgt. Eine Überprüfung des tatsächlichen prozentualen Anteils in der Leistungserbringung bei der Klägerin für die
Quartale III/05 bis II/07 habe ergeben, dass Frau Dr. AA stets 85,7 % bis 89,17 % an Punktzahlvolumen
entsprechend der vorliegenden Leistungskennzeichnung erbracht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Der Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 04.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr) in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29.07.2009 ist insoweit rechtswidrig, als ein den Betrag
von 5.570,57 EUR brutto übersteigender Berichtigungsbetrag festgesetzt wurde. Insoweit war der Bescheid
aufzuheben und der Klage stattzugeben. Im Übrigen war der Bescheid aber nicht zu beanstanden. Der
Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 04.07.2008 betreffend die Quartale III/05 bis II/06 (1. Leistungsjahr) in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29.07.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben.
Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.
Der Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 04.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr) in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29.07.2009 ist insoweit rechtswidrig, als ein den Betrag
von 5.570,57 EUR brutto übersteigender Berichtigungsbetrag festgesetzt wurde.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu
stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2
1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu
überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der
von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit
der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf
Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb
nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der
Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu
prüfen und ggf. zu berichtigen.
Die Beklagte hat aber für das hier streitbefangene 2. Leistungsjahr ein zu hohes Punktzahlvolumen abgesetzt. Die
Rückforderung greift unter Berücksichtigung des Anpassungsfaktors in das vom Zulassungsausschuss genehmigte
Leistungsvolumen hinein. Insofern hat die Beklagte den sog. Anpassungsfaktor fehlerhaft berechnet.
Nach den hier noch bis zum Quartal I/07 maßgeblichen Richtlinien über die Beschäftigung von angestellten
Praxisärzten in der Vertragsarztpraxis ("Angestellte-Ärzte-Richtlinien") in der Fassung vom 1. Oktober 1997 (BAnz.
Nr. 9, S. 372 vom 15. Januar 1998), zuletzt geändert am 22. Oktober 2001, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 20
vom 30. Januar 2002, in Kraft getreten am 31. Januar 2002 (im Folgenden: AÄRL), die ab 01. April 2007 in der
Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die
Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der
vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im
Bundesanzeiger 2007, S. 3491, in Kraft getreten am 1. April 2007, zuletzt geändert am 18. Februar 2010,
veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010, S. 1641, in Kraft getreten am 8. Mai 2010, in den hier maßgeblichen
Bestimmungen unverändert) (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä), aufgegangen ist, die regelungstechnisch in § 23k Abs. 1
Satz 2 für die Berechnung des abrechenbaren Gesamtpunktzahlvolumens auf die Regelungen nach den §§ 23c bis
23f verweist, die entsprechend mit der Maßgabe gelten, dass der Umfang der Leistungsbeschränkung unabhängig
vom Beschäftigungsumfang des (der) angestellten Arztes (Ärzte) zu bestimmen ist, legt der Zulassungsausschuss
vor der Zulassung des Antragstellers in einer verbindlichen Feststellung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der
Grundlage der gegenüber dem Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen
ergangenen Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina fest, welche bei der Abrechnung
der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis von dem Vertragsarzt sowie dem Antragsteller nach
seiner Zulassung gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese
Gesamtpunktzahlvolumina sind so festzulegen, dass die in einem entsprechenden Vorjahresquartal gegenüber dem
erstzugelassenen Vertragsarzt anerkannten Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3 v. H. überschritten werden.
Das Überschreitungsvolumen von 3 v. H. wird jeweils auf den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals
bezogen. Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen (Punktzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen)
wird nach Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst. Bei Internisten
ist zur Ermittlung des Fachgruppendurchschnittes auf die Entscheidung des bereits zugelassenen Vertragsarztes zur
hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung abzustellen. Im Übrigen gilt für Anpassungen Nr. 3.3 AÄRL bzw. § 23e.
Außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr, wie z. B. Krankheit eines Arztes, bleiben außer Betracht; eine
Saldierung von Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahresvolumen
ist zulässig. Der Zulassungsausschuss trifft seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche
Vereinigung übermittelten Angaben (Nr. 3.1 AÄRL bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä).
Sowohl für die Berechnung des Ausgangspunktzahlvolumens als auch des Vergleichspunktzahlvolumens nach Nr. 3.1
AÄRL bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä ist das im Zeitpunkt der Abrechnung jeweils geltende Berechnungssystem für die
vertragsärztlichen Leistungen maßgeblich. Auf Antrag des Vertragsarztes sind die Gesamtpunktzahlvolumina neu zu
bestimmen, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen, die für das Gebiet der Arztgruppe
maßgeblich sind, spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen
oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können eine Neuberechnung
beantragen, wenn Änderungen der Berechnung der für die Obergrenzen maßgeblichen Faktoren eine spürbare
Veränderung bewirken und die Beibehaltung der durch den Zulassungsausschuss festgestellten
Gesamtpunktzahlvolumina im Verhältnis zu den Ärzten der Fachgruppe eine nicht gerechtfertigte
Bevorzugung/Benachteiligung darstellen würde (Nr. 3.3 AÄRL bzw. § 23e BedarfsplRL-Ä).
Die Gesamtpunktzahlvolumina zur Beschränkung des Praxisumfangs folgen der Entwicklung des
Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes (Anpassungsfaktor). Die
Anpassungsfaktoren werden im ersten Leistungsjahr von der Kassenärztlichen Vereinigung errechnet. Die dafür
maßgebliche Rechenformel lautet: PzVol (Quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis)./. PzFg
(Quartalsbezogener Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe ) = Fakt (Quartalsbezogener
Anpassungsfaktor). Sie stellen die Grundlage zur Ermittlung der Gesamtpunktzahlvolumina für die Folgejahre dar. Der
jeweilige Anpassungsfaktor wird ab dem zweiten Leistungsjahr mit dem Punktzahlvolumendurchschnitt der
Fachgruppe multipliziert und ergibt die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis (die Saldierungsregelung nach Nr.
3.1 Satz 6 AÄRL 23c Satz 6 BedarfsplRL-Ä bleibt hiervon unberührt). Die Kassenärztliche Vereinigung teilt dem
Vertragsarzt die für ihn verbindlichen Anpassungsfaktoren mit (Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä).
Damit können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der
Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen Leistungsjahrs errechnet werden.
Die Berechnung des Anpassungsfaktors setzt aber voraus, dass das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen der
Praxis und der quartalsbezogene Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe jedenfalls dann gleichen
Zeiträumen entnommen werden müssen, wenn wesentliche Umstrukturierungen im EBM vorgenommen werden. Fehlt
es an solchen Veränderungen, so trägt einem allgemeinen Wachstum im Regelfall der Zuschlag von 3 % Rechnung.
Die Einführung des EBM 2005 ab dem Quartal II/05 hat aber zu erheblichen Änderungen geführt, die alle Mitglieder
einer Fachgruppe und alle Fachgruppen betreffen. Von daher kann die Klägerin nicht auf die Ausnahmeregelung nach
Nr. 3.3 AÄRL bzw. § 23e BedarfsplRL-Ä verwiesen werden. Die Beklagte hat den Anpassungsfaktor aufgrund der
quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina der Praxis für die Quartale I bis IV/04 einerseits und der
quartalsbezogenen Punktzahlvolumendurchschnitte der Fachgruppe für die Quartale III/05 bis II/06, dem 1.
Leistungsjahr, berechnet. Die Einführung des EBM 2005 hat aber zu erheblichen strukturellen Änderungen durch die
vermehrte Einführung von Komplexleistungen und auch Höherbewertung von Leistungen geführt. Deutlich wird dies an
der Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts für die Fachgruppe der Klägerin. Nach den von der Beklagten mit
Schriftsatz vom 14.07.2010 übersandten, quartalsbezogenen "Durchschnittspunktzahlen Fachgruppe" für die
Fachgruppe Allgemeinmedizin stieg das durchschnittliche Gesamtpunktzahlvolumen von 4.098.428,9 Punkten im
Zeitraum III/03 bis II/04 auf 4.684.432,0 Punkte im Zeitraum III/05 bis II/06 und damit um 14,3 %. Der
Anpassungsfaktor der Klägerin wird aber nach der Berechnungsweise der Beklagten auf der Grundlage der
Abrechnungswerte der Praxis ohne das EBM-bedingte Wachstum und der EBM-bedingten höheren Durchschnittswerte
der Fachgruppe berechnet. Von daher ergibt sich zwangsläufig ein zu geringer Anpassungsfaktor, der nicht die
tatsächliche Relation zwischen Abrechnungsvolumen der Praxis zum Fachgruppendurchschnitt widerspiegelt. Ohne
Ausweitung der Leistungen kommt es demzufolge zu einer Überschreitung des Punktezahlvolumens, das zugleich
Anknüpfungspunkt für die Berechnung einer Leistungsüberschreitung ist. Der Anpassungsfaktor soll aber gerade
solche EBM-bedingten, von der Leistungserbringung der Job-Sharing-Praxis unabhängigen Punktezahlausweitungen
ermöglichen und – ungerechtfertigte – Kürzungen verhindern. Aufgrund der ungleichzeitigen Berechnung des
Anpassungsfaktors kommt es aber zu einer Fehlberechnung. Dieser strukturelle Fehler setzt sich zudem in allen
folgenden Leistungsjahren fort. Dies führt aber zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der Job-Sharing-Praxis der
Klägerin mit den Job-Sharing-Praxen, deren Anpassungsfaktor vor dem Quartal II/05 berechnet wird oder deren
Aufsatzquartale nach dem Quartal I/05 liegen. Von daher ist Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä dahingehend
verfassungskonform auszulegen, dass die Berechnung des Anpassungsfaktors auf der Grundlage identischer
Aufsatzquartale, hier der Quartale I bis IV/04 vorzunehmen ist, also das vom Zulassungsausschuss festgesetzte
Leistungsvolumen in Verhältnis zu setzen ist mit der Durchschnittspunktzahl der Fachgruppe, ebenfalls in den
genannten Aufsatzquartalen.
Die Beklagte hat zwar grundsätzlich diese Problematik zu einem Teil erkannt, indem sie für das 1. Leistungsjahr nach
Einführung des EBM 2005 den auf einem Vorstandsbeschluss beruhenden sog. Nettohonorarvergleich durchführt,
dessen Rechtsgrundlage die Beklagte nicht angegeben hat und der insoweit fehlerhaft am Honorar selbst ansetzt, als
nach den Vorgaben der Richtlinien ein Leistungsvolumen, nicht aber unmittelbar ein von weiteren Faktoren abhängiges
Honorarvolumen garantiert werden soll. Dieser gilt jedoch nur für das erste Leistungsjahr nach Einführung des EBM
2005. Im Übrigen ist sie der Auffassung, die EBM-bedingten Steigerungen des Punktzahlniveaus würden für die
Folgezeit über den Fachgruppenanpassungsfaktor aufgefangen werden. Die Beklagte ist auch nach Hinweis auf die
strukturellen Mängel des Anpassungsfaktors und ihres – insofern inkonsequenten – Vorgehens bei ihrer Auffassung
geblieben, ohne für ihre Auffassung eine nachvollziehbare Begründung abzugeben.
Auf Aufforderung des Gerichts hat die Beklagte auf der vom Gericht aufgezeigten Grundlage den Anpassungsfaktor
neu errechnet und für das strittige Leistungsjahr eine Vergleichsberechnung im Hinblick auf die dann entstehende
Honorarrückforderung vorgelegt. Die Berechnung ergab für die Jahresquartale I bis IV die Anpassungsfaktoren
0,913000050 (zuvor 0,777284941), 0,997718465 (zuvor 0,856113278), 0,896714013 (zuvor 0,804434471) und
1,021545691 (zuvor 0,913258250), die durchweg über den ursprünglich von der Beklagten berechneten
Anpassungsfaktoren lagen, und im Ergebnis für das strittige 2. Leistungsjahr eine Überschreitung von 5.570,57 EUR.
Hieraus folgte die tenorierte Stattgabe der Klage bzgl. des 2. Leistungsjahrs.
Die Klage war aber im Übrigen abzuweisen.
Insbesondere war der Leistungsbescheid für das 1. Leistungsjahr auch nicht teilweise aufzuheben. Den rechnerischen
Kürzungsbetrag in Höhe von 31.569,73 EUR hat die Beklagte bereits selbst unter Anwendung der von ihr entwickelten
sog. Nettohonorarentwicklung auf 12.527,86 EUR brutto reduziert. Der Sache nach erkennt die Beklagte hier die
unzulässigen Verzerrungen aufgrund unterschiedlicher EBM-Systeme. Es kann hier letztlich dahinstehen, ob für das
erste Leistungsjahr, das ebf. von den Veränderungen des EBM betroffen wird, unter verfassungskonformer
Anwendung der BedarfsplRL-Ä gleichfalls eine Anpassung anhand des Anpassungsfaktors vorzunehmen ist, um eine
Transcodierung der Werte der Aufsatzquartale unter die Geltung des EBM 2005 zu erreichen, denn hierdurch würde
sich mit 14.511,78 EUR brutto ein höherer Berichtigungsbetrag ergeben. Dieser Berichtigungsbetrag ergibt sich nach
den Berechnungen der Kammer aufgrund der Angaben im Berichtigungsbescheid und der Angaben zum
durchschnittlichen Punktzahlvolumen der Fachärzte für Allgemeinmedizin und des von der Beklagten neu errechneten
Anpassungsfaktors. Unter Vernachlässigung der beiden letzten Stellen hinter dem Komma bei Verwendung des
Anpassungsfaktors und unter Berücksichtigung des im Klageverfahrens für das Quartal III/05 berichtigten Punktwerts
(von 33,81 % auf 33,64 %) ergeben sich nach Berechnung der Kammer folgende Werte:
Jahresquartal Gesamtpunktzahlvolumen (Ausgangsjahr) Fachgruppe aktuell Anpassungsfaktor quartalsbezogenes
Punktzahlvolumen der Praxis neu I (I/06) 1.305.444,8 1.206.638,9 0,913000050 1.101.652,1 II (II/06) 1.247.809,2
1.154.506,7 0,997718465 1.151.872,5 III (III/05) 1.096.817,2 1.129.216,6 0,896714013 1.012.584,3 IV (IV/05)
1.225.349,3 1.194.069,8 1,021545691 1.219.796,7
Jahresquartal Gesamtpunktzahlvolumen (Ausgangsjahr) quartalsbezogenes Punktzahlvolumen der Praxis neu Über-
/Unterschreitungsbetrag x rechn. PW des Quartals Über-/Unterschreitungsbetrag in EUR I (I/06) 1.305.444,8
1.101.652,1 - 203.792,7 32,02% - 6.525,44 II (II/06) 1.247.809,2 1.151.872,5 - 95.936,7 33,88 % - 3.242,66 III (III/05)
1.096.817,2 1.012.584,3 - 84.232,9 33,64 % - 2.833,59 IV (IV/05) 1.225.349,3 1.219.796,7 - 5.552,6 34,40 % -
1.910,09 Gesamt - 14.511,78
Soweit die Klägerin rügt, sowohl die Festlegung der Gesamtpunktzahlvolumina der Basisquartale als auch die
Beschränkung des zweiten Leistungsjahres seien anhand einer intransparenten Formel errechnet worden, die für sie in
keiner Weise nachvollziehbar sei, vermochte dem die Kammer nicht zu folgen. Nr. 3.1 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-
Ä und Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä geben an, wie die Leistungsbeschränkung berechnet wird. Im Übrigen
ist die Festsetzung mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 21.06.2005, der bestandskräftig
geworden ist, für alle Beteiligten und das Gericht bindend erfolgt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 12.12.2007 – L 4 KA 62/06
– www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. vom
28.01.2009 – B 6 KA 17/08 B – BeckRS).
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf die Job-Sharing-Partnerin Dr. med. AA 50 % des
Leistungsumfangs entfallen.
Nach Nr. 23d Satz 3 BedarfsplRL-Ä hat die Leistungsbeschränkung arztbezogen bei Festsetzung der Obergrenze zu
erfolgen. Nr. 23d Satz 3 BedarfsplRL-Ä bestimmt, dass der Zulassungsausschuss, wenn der Antragsteller in eine
bereits bestehende Gemeinschaftspraxis aufgenommen werden soll, die Berechnungen nach Nr. 23c entsprechend
der Zahl der bereits tätigen Vertragsärzte in der Gemeinschaftspraxis zu mindern ist; handelt es sich um eine
fachverschiedene Gemeinschaftspraxis, so ist für die Leistungsbeschränkung Bezugsgröße das Leistungsvolumen
des fachidentischen Vertragsarztes. Daraus folgt, dass die Berechnung des maßgeblichen aktuellen
Punktzahlvolumens seitens der Beklagten in gleicher Weise zu erfolgen hat. Ansonsten wären Punktzahlobergrenze
und aktuelles Punktzahlvolumen nicht vereinbar. § 23d Satz 3 BedarfsplRL-Ä geht insofern von einer gleichmäßigen
Leistungserbringung in einer fachidentischen Gemeinschaftspraxis aus. Im Übrigen kann sich die Beklagte auch auf
die sog. EHV-Quote stützen, die das tatsächliche Leistungsgeschehen widerspiegeln soll und von der Klägerin in der
Vergangenheit nicht beanstandet wurde. Diese Vorgehensweise ist der Klägerin und ihren beiden Mitgliedern auch
bekannt. Sie ist ihnen bereits im "Berechnungsbogen/Erklärung zum Job Sharing – gemäß § 101 Abs. 1 Sätze 4 und
5 SGB V" mitgeteilt worden, der von beiden Gesellschafter der Klägerin unterschrieben worden ist.
Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 der ab 01.07.2006 geltenden Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der
Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (GEHV), der im Wesentlichen inhaltsgleich in den GEHV i.d.F. v. 02.12.2000
und i.d.F. v. 26.06.2004 enthalten war, gilt: Rechnen mehrere Vertragsärzte im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis
gegenüber der KV Hessen gemeinsam ab, so wird für jeden Vertragsarzt (dieser Gemeinschaftspraxis) ein getrenntes
Konto geführt und das anerkannte Gesamthonorar der an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Vertragsärzte zu
gleichen Teilen aufgeteilt. Weisen die an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Vertragsärzte nach oder stellt die KV
Hessen bei einer Überprüfung von Amts wegen fest, dass diese Aufteilung von den tatsächlichen Gegebenheiten
abweicht, so kann der Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle eine anderweitige Aufteilung beschließen.
Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die EHV-Aufteilung das tatsächliche Leistungsgeschehen
widerspiegelt.
Im Übrigen kommt es hierauf aber letztlich nicht an, da mit der bestandskräftigen Festsetzung durch den
Zulassungsausschuss die Punktzahlenobergrenze und damit auch die anteilige Quote zwischen den Mitgliedern der
Gemeinschaftspraxis festgelegt ist. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, im Verfahren vor dem
Zulassungsausschuss auf eine ggf. andere Aufteilung hinzuwirken oder ggf. nachträglich einen Änderungsantrag zu
stellen.
Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung der Honoraranforderung. Die Beklagte hat dies im Einzelnen
nochmals mit Schriftsatz vom 14.07.2010 dargelegt. Eine fehlerhafte Berechnung ist nicht zu erkennen.
Nicht zu beanstanden war ferner die Berechnung des praxisbezogenen Punktwerts, mit der die zunächst in Punkten
festgestellte Leistungsüberschreitung in Euro-Beträge umgerechnet wurde. Die Beklagte hat dies im Einzelnen im
Gerichtsverfahren dargelegt. Zutreffend hat die Beklagte einen durchschnittlichen Punktwert ermittelt. Das ist der
Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen der Klägerin vergütet wurden. Es besteht kein Anspruch darauf, dass
zunächst die – im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden.
Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen
bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten
Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten
Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R - BSGE 103,
1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte
Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen
Vereinigung mitverursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in
offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer
Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R -, aaO., juris
Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In diesem Sinne handelt es sich auch nicht um eine
fehlerhafte Abrechnung einzelner Leistungen und kann die Leistungsüberschreitung erst nachträglich festgestellt
werden. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur neben ihrer Steuerungsfunktion – der Berechnung des
Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur
praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden.
Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Nach den genannten Regelungen der BedarfsplRL-Ä können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen
Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen
Leistungsjahrs errechnet werden.
Von daher scheidet die Begründung eines Vertrauensschutzes allein aufgrund der Untätigkeit der Beklagten aus.
Aufgrund des Job-Sharing-Verhältnisses war der Klägerin das Bestehen einer Leistungsbegrenzung grundsätzlich
bekannt und musste sie davon ausgehen, dass ihr eine darüber hinausgehende Leistungsvermehrung nicht möglich
war. Soweit ihr die aktuellen Gesamtpunktzahlobergrenzen nicht bekannt waren, muss sie sich an den bisherigen
Festsetzungen orientieren bzw. an der Festsetzung für das Vorjahr. Ggf. hätte sie die Beklagte hierzu um Auskunft
ersuchen können. Insofern kommt dem Anpassungsfaktor eine Schutzwirkung zugunsten einer Job-Sharing-Praxis
zu. Der Anpassungsfaktor ermöglicht der Job-Sharing-Praxis grundsätzlich so zu wachsen, wie auch die Fachgruppe
insgesamt wächst. Es kann hier dahinstehen, ob bereits insofern Vertrauensschutz dahingehend besteht, dass trotz
einer möglicherweise stärkeren Leistungsbegrenzung aufgrund eines "negativen" Wachstums der Fachgruppe der Job-
Sharing-Praxis immer die im ersten Leistungsjahr bzw. später im Vorjahr festgesetzte Leistungsgrenze zuzugestehen
ist, da die Leistungsgrenze des ersten Leistungsjahrs hier nicht unterschritten wird und die Klägerin Vertrauen
aufgrund der Festsetzungen der Folgejahre nicht aufbauen konnte, da ihr diese nicht bekannt waren. Im Übrigen
nimmt die Beklagte aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 28.04.2008 jedenfalls bis zur Bekanntgabe des
Anpassungsfaktors keine Kürzungen unterhalb der ursprünglich festgesetzten Punktzahlobergrenze vor.
Die Beklagte hat allen quartalsmäßig ergehenden Honorarbescheiden ein Schreiben beigefügt, in dem sie u. a.
ausführte:
"Die Prüfung, ob die im Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte angegebenen maximalen
Punktzahlobergrenzen eingehalten worden sind, erfolgt jeweils bezogen auf ein Leistungsjahr. Hierbei ist jedoch zu
beachten, dass sich Überschreitungen mit möglichen Unterschreitungen jeweils innerhalb eines (Jahres-)Blocks von
vier aufeinanderfolgenden Quartalen ausgleichen. Anbei erhalten Sie Ihre Honorarunterlagen des o. g. Quartals
vorbehaltlich eventueller Honorarrückforderungen durch die Job-Sharing-Berechnung. Bezüglich der Prüfung ihrer
Abrechnung im Hinblick auf die Einhaltung der Punktzahlobergrenze im Rahmen des Job-Sharings werden wir Sie
jeweils nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres mit einem gesonderten Schreiben informieren."
Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom 09.09.2010 - S 12 KA 126/10 -, Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA
71, 72 u 73/10 – aufgrund dieser Schreiben Vertrauensschutz zugebilligt hat, hat sie wesentlich darauf abgestellt,
dass die Beklagte gerade trotz Ankündigung einer Überprüfung über Jahre hinweg untätig geblieben war. Im Fall der
dortigen Klägerin lagen jedenfalls wenigstens auch im dritten und vierten Leistungsjahr nicht unerhebliche
Überschreitungen der Leistungsbegrenzung vor, die die Beklagte nicht zu einer Rückforderung veranlasst hat, bzw. es
war bei einer Überprüfung dann wegen Überschreitens der vierjährigen Verjährungsfrist eine Rückforderung nicht mehr
möglich. Damit habe die Beklagte auch für die Job-Sharing-Praxis einen Vertrauenstatbestand gesetzt, als sie eine –
letztlich unmittelbare – Prüfung nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres angekündigt habe. Soweit die Beklagte
aber dann untätig geblieben sei, habe sich das Vertrauen bilden können, die Prüfung der Beklagten habe ergeben,
dass eine Leistungsüberschreitung nicht vorliege oder aber die Beklagte werde von einer Rückforderung absehen.
Dies gelte insbesondere für die Klägerin, die über Jahre bzw. 28 Quartale hinweg solche Schreiben erhalten habe,
ohne dass eine weitere Reaktion der Beklagten erfolgt sei.
Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Von daher war der Klägerin im Hinblick auf die genannten
Schreiben, auf die sich die Klägerin im Übrigen auch nicht beruft, kein Vertrauensschutz zuzubilligen.
Soweit die Beklagte verpflichtet ist, den Anpassungsfaktor von Amts wegen mitzuteilen, und dieser Verpflichtung erst
im Rückforderungsbescheid nachgekommen ist, folgt daraus nicht zwingend die Rechtswidrigkeit der Rückforderung.
Der Anpassungsfaktor dient, auch nicht in Zusammenhang mit der vom Zulassungsausschuss festgesetzten
Obergrenze, einer Steuerungsfunktion in dem Sinne, dass eine Job-Sharing-Praxis von einem vermehrten
Leistungsgeschehen abgehalten werden soll. Diese Funktion kommt nur der Obergrenze selbst zu. Demgegenüber
dient der Anpassungsfaktor, wie bereits ausgeführt, dem Schutz der Job-Sharing-Praxis, an allgemeinen
Leistungsveränderungen innerhalb der Fachgruppe gleichberechtigt teilzunehmen. Von daher ist weder die
grundsätzlich auch nur rückwirkend mögliche Mitteilung des Anpassungsfaktors zu beanstanden noch folgt aus der
zunächst unterbliebenen Mitteilung die Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheids.
Nach allem war der Klage lediglich im tenorierten Umfang stattzugeben und war sie im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kosten des Verfahrens
waren nach den Teilen des Obsiegens und Unterliegens aufzuteilen.