Urteil des SozG Marburg vom 08.12.2010

SozG Marburg: abrechnung, grundsatz der gleichbehandlung, job sharing, unrichtige angabe, hessen, satzung, rka, software, versorgung, vertragsarzt

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 08.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 229/09
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 34.712,06 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Honorarberichtigung aufgrund einer zeitbezogenen
Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen für die sechs Quartale II/05 bis III/06 in Höhe von insgesamt 34.712,06
EUR.
Der Kläger war seit dem 18.04.1995 als Vertragsarzt zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten
zugelassen und nahm seit dem 01.01.1996 als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an der vertragsärztlichen
Versorgung im hausärztlichen Bereich teil. Er hat zwischenzeitlich seine vertragsärztliche Tätigkeit nach Ablauf des
Quartals III/06 beendet und bezieht nach seinen Angaben Versorgungsbezüge der erweiterten Honorarverteilung der
Beklagten mit monatlichen Abschlagszahlungen von 700,00 EUR sowie Bezüge der Nordrheinischen Ärzteversorgung
in Höhe von monatlich 2.676,61 EUR.
Für die streitbefangenen Quartale setzte die Beklagte das Honorar wie folgt fest:
II/05 III/05 IV/05 I/06 Honorarbescheid vom 29.06.2006 22.01.2006 12.08.2006 06.08.2007 28.11.2006 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 57.016,19 57.045,96 60.490,08 57.039,26 57.012,47 51.079,22 Fallzahl gesamt 1.329
1.365 1.326 1.241 Bruttohonorar PK + EK in EUR 57.198,80 61.113,10 57.290,34 51.300,52 Fallzahl PK + EK 1.308
1.345 1.305 1.223
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV Quote 95,24 - 99,88 -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV Praxisbezogenes RLV in Punkten 529.526,4 559.206,0 544.448,8 520.753,4
Überschreitung in Punkten 1.018.168,6 862.526,0 966.778,2 1.110.314,6
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV Auffüll-/Korrekturbetrag je Fall EUR + 2,4670 - + 1,4261 - Auffüll-/Korrekturbetrag
gesamt in EUR + 2.970,27 - + 1.808,27 -
II/06 III/06 Honorarbescheid vom 05.02.2007 17.03.2007 Nettohonorar gesamt in EUR 50.466,98 50.019,64 Fallzahl
gesamt 1.183 1.140 Bruttohonorar PK + EK in EUR 51.183,07 50.973,16 Fallzahl PK + EK 1.171 1.128
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV Quote - -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV Praxisbezogenes RLV in Punkten 501.579,0 496.330,8 Überschreitung in
Punkten 777.859,0 1.255.361,0
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV Auffüll-/Korrekturbetrag je Fall EUR - - 0,5005 Auffüll-/Korrekturbetrag gesamt in
EUR - - 564,57
Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger
unter Datum vom 01.02.2008 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für die Quartale II/05 bis I/07 unter Erläuterung
der Ermittlung der Zeitprofile.
Der Kläger erklärte hierzu unter Datum vom 17.02.2008, dass er sich wundere, dass die Beklagte eineinhalb Jahre
nach Praxisaufgabe ihm noch etwas bezüglich des Zeitprofils anhängen wolle. Er habe erst vor etwa 4 Wochen die
endgültige Abrechnung für das Quartal IV/05 erhalten. In seiner Praxis habe er sehr viele Patienten gehabt, die
aufgrund ihrer allergischen Diathese behandelt worden seien, sei es durch Diagnostik oder durch Therapie. Die Zahl
der Allergiepatienten, die eine Therapie erhalten hätten, habe in der Regel zwischen 80 und 90 Patienten gelegen.
Sowohl von der Kinderklinik in Z-Stadt als auch von Y-Stadt seien ihm Patienten zur Behandlung geschickt worden.
Die Allergiebehandlung und Therapie sei ein wesentlicher Schwerpunkt der Praxis gewesen. Bei der
Hypersensibilisierung werde ein Zeitfaktor angegeben, der so hoch sei, dass man mit 10 Hypersensibilisierungen
schon 5 Stunden gearbeitet habe. Dies sei bei der früher geltenden Gebührenordnung nicht der Fall gewesen. Gehe
man von diesem Zeitfaktor aus, würde man zwangsläufig die Vorgaben immer überschreiten. Die
Allergiebehandlungen in seiner früheren Praxis sei überwiegend von seiner Frau durchgeführt worden, die examinierte
Kinderkrankenschwester sei und über diese Spezialkenntnisse verfüge. Unter Durchführung der Allergiebehandlung
durch seine Frau verstehe er, dass diese die Dosierung bestimmt habe, die Spritzen aufgezogen und, nachdem er
selber die Injektion verabreicht hätte, die nachfolgende Überwachung des Patienten durchgeführt habe. Seine
Arbeitszeit sei daher auf die alleinige Verabreichung der Injektion beschränkt worden. Hierfür benötige man eine
Minute und nicht 30 Minuten. Er habe schon früher dargelegt, dass er nicht bereit sei, den Zeitfaktor bei der
Hyposensibilisierung zu akzeptieren. Außerdem habe er in seiner Praxis einen überdurchschnittlich hohen Anteil von
Ausländern gehabt, der bei ca. 90% gelegen habe. Die Erklärungen über die Erkrankung und deren Therapie hätten
teilweise in der entsprechenden Landessprache durchgeführt werden müssen. Dies sei ebenfalls durch seine Frau
unter Zuhilfenahme eines Übersetzers geschehen, der in der Regel eine seiner Arzthelferinnen gewesen sei. Auch hier
seien Bewertungszeitfaktoren angefallen, die der Arbeitszeit des Arztes nicht direkt angelastet werden könnten.
Aufgrund des hohen Ausländeranteils habe er auch einen hohen Anteil von Kindern mit einem Vitamin- D-A-3-Mangel
gehabt. Die Werte des Vitamin-D-3 lägen bei nordeuropäischen Kindern bei etwa 30 und die der ausländischen Kinder
bei 12,2. Südländer reagierten zudem bei einer oralen Gabe von Vitamin-D-3 mit einem Anstieg nur sehr verzögert,
Nordeuropäer dagegen nicht. Genau so wichtig sei die richtige Ernährung. Dies habe den ausländischen Patienten
immer erklärt werden müssen. Dies sei durch seine Frau geschehen. Auch bei Patienten mit Nahrungsmittelallergien
habe seine Frau die entsprechenden Ernährungsberatungen durchgeführt. In der Klinik werde eine derartige Erklärung
in der Regel auch nicht von dem Arzt durchgeführt, sondern von der Diätassistentin. Alle diese Beratungszeiten seiner
Frau spiegelten sich natürlich in dem Zeitprofil wieder. Auch hätten im Jahr 2006 einige Kollegen, die sich überlegt
hätten, die Praxis von ihm zu übernehmen, in der Praxis mitgearbeitet, um einen Einblick in die Arbeit zu erhalten.
Auch wenn nur ein Arzt die Praxis habe übernehmen können, ändere es nichts an der Tatsache, dass praktisch ein
zweiter Arzt bei der Versorgung der Patienten mitgeholfen habe. Auch dies gehe bezüglich des Zeitfaktors zu seinen
Lasten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 17.07.2008 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der
Honorarabrechnung für die Quartale II/05 bis III/06 die strittige Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 34.712,06
EUR netto fest. Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum
EBM aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt werden. Außer Betracht blieben Leistungen
im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes
außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis. Der Anhang 3
zum EBM kennzeichne darüber hinaus die behandlungsfall- und krankheitsfallbezogenen ärztlichen Leistungen, die
nicht dem Tageszeitprofil unterlägen. Betrage die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei
Tageszeitprofilen an mindestens 3 Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780
Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachen Feststellungen und
Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die
Berechnungsergebnisse der Praxis des Klägers hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:
Quartalsübersicht Quartal Anzahl Tage ) 12 Stunden Anzahl Tage ) 16 Stunden Zeitsumme Quartalsprofil II. 2005 46
22 1.240:49 III. 2005 33 4 1.163:09 IV. 2005 42 15 1.147:00 I. 2006 45 21 1.259:21 II. 2006 31 9 1.057:22 III. 2006 21
4 1.029:13
Tagesübersicht (Beispiele) Behandlungstag Zeitergebnis in Std. 01.04.2005 20:30 02.05.2005 17:13 30.05.2005 21:41
01.07.2005 16:53 04.07.2005 18:54 19.09.2005 17:02 04.10.2005 25:26 06.10.2005 17:53 10.10.2005 16:46
02.01.2006 28:25 09.01.2006 18:29 13.01.2006 16:07 16.01.2006 20:15 23.01.2006 17:11 03.04.2006 22:55
10.04.2006 20:40 02.05.2006 19:26 06.06.2006 20:14 03.07.2006 21:31 04.07.2006 17:04 10.07.2006 17:14
Im EBM 2005 werde die Hyposensibilisierung unter der Nr. 30130 abgerechnet und beinhalte folgende
Leistungslegende: Obligater Leistungsinhalt: - Hyposensibilisierungsbehandlung (Desensibilisierung) durch subkutane
Allergeninjektion(en) - Nachbeobachtung von mindestens 30 Minuten Dauer. Voraussetzung für die Berechnung sei
die Erfüllung der notwendigen sachlichen und personellen Bedingungen für eine gegebenenfalls erforderliche
Schockbehandlung und Intubation. Diese Leistung gehe mit einer Prüfzeit von 3 Minuten und nicht 30 Minuten in das
Tages- als auch in das Quartalsprofil ein. Die Nachbeobachtungszeit betrage 30 Minuten, werde aber nicht dem Arzt
im Zeitprofil angerechnet. Die Beobachtung bzw. Nachbereitung könne durchaus von der Ehefrau des Klägers
übernommen werden. Der Anteil von Gesprächsleistungen nach der Nr. 04120 EBM 2005 werde mit einer Dauer von
mindestens 10 Minuten angesetzt und sei im Tagesprofil des Klägers sehr hoch. So würden am 04.04.2005 9:30
Stunden, am 11.04.2005 8:30 Stunden am 30.05.2005 11:00 Stunden und am 06.06.2005 9:10 Stunden allein als
Gesprächsleistungen abgerechnet werden, um nur einige Beispiele anzuführen. Unter Hinzurechnung weiterer
tagesbezogener Einzelleistungen ergäben sich Gesamtarbeitszeiten bis zu 21:41 Stunden (30.05.2005) im Quartal
II/05. Am 04.10.2005 weise das Tageszeitprofil eine Zeit von 25:26 Stunden und am 02.01.2006 von 28:25 Stunden
aus. Diese Zeiten seien irreal und auch nicht durch eine etwaige erhöhte Gesprächsnotwendigkeit bei ausländischen
Patienten begründet. Es habe nicht festgestellt werden können, dass Genehmigungen von der Kassenärztlichen
Vereinigung Hessen zur Beschäftigung eines angestellten Arztes, eines Assistenten oder eines Job-Sharing Partners
in der Praxis vorgelegen hätten. Die Zeiten in den Zeitprofilen hätten den Nachweis für eine rechnerisch-sachlich nicht
plausible Abrechnung erbracht. Die Garantiewirkung der "Abrechnungs-Sammelerklärung" und damit der rechnerisch-
sachlichen Richtigkeit entfalle, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über
erbrachte Leistungen enthalte. Die vom Kläger quartalsbezogen abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen über
die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen seien aus den genannten
Gründen unrichtig und hätten die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Honorarbescheide zur Folge. Ihr stehe ein
weites Schätzungsermessen bezüglich der Höhe des Rückforderungsbetrages zu. Sie könne im Wege einer
pauschalierten Schätzung das Honorar auf die Höhe des Nettofachgruppenhonorars kürzen. Sie habe je Quartal die
Zeiten über 12 Stunden addiert und ins Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit (Angaben in Minuten) gesetzt. Um den
daraus ermittelten Überschreitungsprozentsatz seien die Nettohonorarforderungen der jeweiligen Quartale reduziert
worden. Die Höhe der im Tenor dieses Bescheides aufgeführten Honorarrückforderung ergebe sich aus der Summe
der einzelnen Kürzungsbeträge.
Beispiel: Quartal II/2005 Überschrittene Minuten 10.512 Min. Gesamtarbeitszeit, Minuten 74.449 Min.
Überschreitungsprozentsatz 14,1 % Nettohonorar 58.496,73 EUR Kürzung Netto 8.259,58 EUR
Hiergegen legte der Kläger unter Datum vom 29.07.2008 Widerspruch ein. Er trug vor, es bestünden zwischen den
Zeitangaben der Beklagte und den Zeitprofilen der Praxis ganz erhebliche Unterschiede. Eine Nachfrage bei seiner
Softwarefirma habe ergeben, dass diese Diskrepanz schon seit einiger Zeit bei der Firma und bei der Beklagten
hinreichend bekannt sei. Der Grund dafür liege in einer Falschinformation der KBV an alle Softwarefirmen in
Deutschland. Er habe im Jahr 2005 die Softwarefirma gewechselt. Beide Programme hätten jedoch die gleichen
Ergebnisse im Tagesprofil angezeigt. Hinzu sei ein PC-Absturz mit Verlust von Daten gekommen, die aber neu hätten
eingegeben werden können und zwar aufgrund der erhaltenen Tageslisten und der Tatsache, dass er neben dem PC
auch noch Karteikarten angelegt gehabt hätte. Die von ihm abgerechneten Leistungen habe er auch erbracht, und sie
seien auch medizinisch notwendig gewesen. Er habe sich auf die Anzeige seiner Praxis-EDV verlassen und dabei die
zulässige Zeit nicht überschritten. Für fehlerhafte Lieferungen von Softwareprogrammen der KBV könne der einzelne
Arzt jedoch nicht in Regress genommen werden. Nach Aussage der Softwarefirma sollten in anderen vergleichbaren
Fällen die Verfahren zwischenzeitlich eingestellt worden sein. Er nehme auch Bezug auf seine bisherigen
Ausführungen zum Ansatz der Beratungsgebühren. Der Ansatz für eine Allergiespritze sei auch mit 3 Minuten noch zu
hoch. Wenn er dies besser organisieren könne, dürfe dies nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe dies erneut
kontrolliert. Der Zeitfaktor hierfür dürfe nur mit 30 Sekunden angegeben werden. Es sei auch zulässig, dass Kollegen,
die eine Arztpraxis übernehmen wollten, in der Arztpraxis vorher arbeiteten und auch Leistungen erbringen könnten.
Eine Genehmigung hierfür sei nicht notwendig. Seine Frau könne auch als examinierte Kinderkrankenschwester
durchaus Beratungen bei den Eltern durchführen, die dann abrechnungsfähig seien. Die Praxis in D-Stadt sei räumlich
so aufgeteilt gewesen, dass eine Überwachung der Beratungsleistung durch seine Frau von ihm immer hätte
eingehend kontrolliert werden können und auch worden sei. Hierzu fehle es an Ausführungen im angefochtenen
Bescheid. Er reichte ferner ein Schreiben der Firma QQ. mit Datum vom 14.02.2008 ein, in dem für einige Leistungen
auf die in ihrem Programm angegebenen Prüfzeiten hingewiesen wird.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte
sie aus, bei der Umsetzung der Honorarberichtigung sei die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts zur
Garantiefunktion der Sammelerklärung zu beachten (BSG, Urteil v. 17.09.1997, Az.: 6 RKa 86/95). Diese entfalle,
wenn der Arzt – grob fahrlässig oder vorsätzlich – nicht erbrachte bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistungen
abgerechnet habe. Die für die Quartale II/05 bis III/06 erstellten Tageszeitprofile führten den Indizienbeweis, dass die
Abrechnungen fehlerhaft seien. In allen Quartalen erreiche der Kläger Tageszeitprofile von über 18 Stunden, teilweise
sogar von über 24 Stunden (04.10.2005 – 25 Stunden, 26 Minuten; 02.01.2006 – 28 Stunden, 25 Minuten). Hinzu
komme die hohe Anzahl der Tage im Quartal mit über 12 bzw. 16 Stunden Behandlungszeit (zwischen 21 bzw. 31 und
46 Tage/Quartal über 12 Stunden, davon zum Teil 15 bis 22 Tage/Quartal über 16 Stunden). Danach hätte der Kläger
regelmäßig Kinder von z.B. 6 Uhr morgens ununterbrochen (d.h. ohne die Zeit für Pausen, für die Behandlung von
Privatpatienten, für die Anweisung und die Überwachung von Praxispersonal, für den Wechsel zwischen den
Behandlungsräumen) bis spät in den Abend (bei 18 Stunden wäre dies 24 Uhr) behandelt. Diese Arbeitszeiten könne
er tatsächlich nicht erbracht haben. Daraus folge der Schluss, dass hier keine korrekte Abrechnung vorliege. Der
Einwand, die Software hätte diese Überschreitungen nicht angezeigt, mache die Abrechnung nicht plausibel. Die
Praxissoftware diene dem Arzt lediglich als persönliche Übersicht, welche Leistungen er abgerechnet habe. Die
Angaben des Softwareprogramms sage jedoch nichts darüber aus, ob die Leistungen auch tatsächlich, wie in der
Leistungslegende gefordert, erbracht worden seien. Selbst wenn die Software die Nebeneinanderberechnung von
Leistungen nicht ausreichend im Tageszeitprofil abbilde, würde sich dies nicht nachteilig auswirken, wenn der Arzt
z.B. die Gesprächsleistung mit den entsprechenden Zeiten tatsächlich durchgeführt habe. Ein Softwarefehler werde
nur dann zum Problem, wenn Leistungen mit höheren Zeitvorgaben zwar abgerechnet, aber nicht erbracht werden und
keine "Warnung" durch das Programm erfolge. Hinzu komme, dass auch im Schreiben der Softwarefirma nicht von
einer Falschinformation der KBV ausgegangen werde. Das Problem der vom Softwareprogramm zu niedrig
ausgewiesenen Arbeitszeit trete erst auf, wenn die Software die Zeit für die Nebeneinanderberechnung (Koppelung)
des Ordinationskomplexes mit Gesprächsleistungen nicht so erfasst habe, wie sie in der Leistungslegende zu den
Gesprächsleistungen festgelegt sei. Es treffe nicht zu, dass sie Plausibilitätsprüfungsverfahren eingestellt habe.
Delegationsfähige Leistungen würden erst gar nicht in die Prüfzeit eingerechnet werden. Die Verabreichung einer
Allergiespritze nach Nr. 30130 EBM 2005 sei in den geprüften Quartalen nur in geringem Umfang erbracht worden, in
den Quartalen II/05, III/05, II/06 und III/06 nur zwischen 0 und 5 Mal am Tag. Selbst wenn man der Auffassung des
Klägers folgen würde und nur 30 Sekunden als Prüfzeit für diese Leistungen annehmen würde, würde dies nur einen
unwesentlichen Teil der Überschreitungszeit im Tagesprofil erklären. In den Quartalen IV/05 und I/06 werde die
Leistung zwischen ca. 10 und 24 mal abgerechnet. Aber auch dies führe nicht zur Überschreitung der Vorgaben nach
den Tagesprofilen. Auf die medizinische Notwendigkeit der Leistungen komme es nicht an. Der Hinweis des Klägers,
Leistungen seien von seiner Ehefrau oder von Praxisinteressenten erbracht worden, erkläre zwar die hohe
Tagesprofilüberschreitung, bedeute aber zugleich das Zugeständnis von Abrechnungsfehlern. Bei Fehlern in der
Abrechnung sei eine sachlich-rechnerische Berichtigung durchzuführen, unabhängig davon, ob sich die
Abrechnungsfehler im Plausibilitätsprüfungsverfahren aufgrund unplausibler Abrechnung oder durch andere Tatsachen
herausgestellt hätten. Soweit seine Ehefrau Beratungen erbracht habe, liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur
persönlichen Leistungserbringung sowie gegen die Leistungslegende der Nr. 04120 EBM 2005 vor. Diese Leistung
könne nicht auf nicht ärztliches Personal delegiert werden, sondern setze stets voraus, dass ein Arzt-Patienten-
Kontakt stattgefunden habe. Dies ergebe sich auch aus der Anmerkung zu Nr. 04120 EBM 2005, wonach bei der
Nebeneinanderberechnung dieser Ziffer mit dem Ordinationskomplex (der einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt
voraussetze) die Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit mindestens 20 Minuten andauern müsse, dass die Leistung
nicht delegiert werden könne. Deutlich werde dies auch durch die angegebene Prüfzeit im EBM 2005. Ein Verstoß
gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung liege auch vor, wenn eingeräumt werde, dass
Praxisinteressenten die Leistungen erbracht hätten. Der Kläger habe hier vorsätzlich – nämlich wissentlich –
Leistungen als persönlich erbrachte Leistungen angegeben und dies mit der Sammelerklärung bestätigt, die
tatsächlich von anderen Personen erbracht worden seien. Die Berechnungsmethode zur Festsetzung der
Honorarkürzung sei nicht zu beanstanden, da die Honorarrückforderung sich an dem Verhältnis zwischen plausiblen
Zeiten und Überschreitung der plausiblen Zeiten orientiere und dieses Verhältnis auf das erwirtschaftete Honorar
übertrage.
Hiergegen hat der Kläger am 17.04.2009 die Klage (Az.: S 12 KA 229/09) erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss
vom 20.04.2009 das Verfahren bzgl. der Quartale III/05 bis III/06 unter den Az.: S 12 KA 230 bis 234/09 abgetrennt
und die Verfahren mit Beschluss vom 08.12.2010 wieder zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
miteinander verbunden.
Die Beklagte lehnte ferner den Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzugs ab. Den hiergegen gestellten Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung gab die Kammer mit Beschluss vom 02.07.2009 - S 12 KA 235/09 ER – statt.
Auf Beschwerde der Beklagten hob das LSG, Beschl. v.10.11.2009 - L 4 KA 70/09 B ER – den Beschluss der
Kammer auf und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, die von der Beklagten erstellten Zeitprofile lägen ihm nicht vor.
Deswegen könne er zurzeit keine seriösen Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses
machen. Er könne nur darlegen, dass er seine Kinderarztpraxis seit Jahren betrieben habe und redlich abgerechnet
habe. Die von der Beklagten errechneten Tages- und Quartalsprofile seien falsch berechnet worden. Zur
anschaulichen Darlegung seiner Auffassung lege er einen von ihm erstellten Auszug aus dem EBM-Katalog mit den
Leistungsziffern und der Leistungslegende hinsichtlich der hier relevanten Leistungen, die Aufstellung der von der
Beklagten erstellten Tagesprofile im Quartal II/05 und die berichtigte Berechnung der Tagesprofile des Quartals II/05
vor. Die Durchsicht der Unterlagen lasse drei Gesichtspunkte erkennen, die die Divergenz zwischen ihm und der
Beklagten erkläre. Die Beklagte berechne bei ihrer Erstellung der Tagesprofile bei der Nebeneinanderberechnung bei
Ziffer 04110 die im Leistungsverzeichnis angegebene Prüfzeit von acht Minuten und bei Ziffer 04111 die Prüfzeit von
sieben Minuten in das Tagesprofil ein. Dies widerspreche der Regelung im Anhang 3 zum EBM, wonach eine
Einberechnung nur in das Quartalsprofil vorgeschrieben werde. Die Beklagte schaffe bei Nebeneinanderberechnung
einen völlig neuen Gebührentatbestand. Die Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit werde bindend auf 20 Minuten
festgeschrieben. Die in Ziffer 04120 vorgeschriebenen "je vollendete 10 Minuten" bestehe nicht nur aus Arzt-
Patienten-Kontaktzeit. Die Regelung sei insgesamt unklar. Bei Nebeneinanderberechnung ergebe sich nicht zwingend,
ob die Leistung an einem Tag erbracht werden müsse oder Leistungsteile auch zeitlich zusammengerechnet werden
könnten. Zudem sei die Zeitvorgabe 20 Minuten praxisfremd. Der Gebrauch von Stoppuhren oder Minutenweckern in
Arztpraxen sei nicht üblich. Diese textlichen Grundlagen seien einer berichtigenden Auslegung der
Verfahrensvorschriften nicht zugänglich. Es hätte einer Textänderung durch die Vertragspartner bedurft. Die
mangelnde Klarheit der Norm führe zur Nichtigkeit. Die Beklagte habe in der Regel vor Erteilung des
Honorarbescheids die Abrechnung zu überprüfen. Die Prüfzeiten der Anlage des EBM hätten nur Schätzcharakter und
eine ganz andere Funktion. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, bei Bedenken gegen die Abrechnung
hinsichtlich der grundlegenden Voraussetzungen die Abrechnung zu reklamieren und zur Ergänzung aufzufordern.
Dafür wäre die Zweijahresfrist zu beachten gewesen. Würden in der Abrechnung die Leistungen gem. Nr. 30130
(Desensibilisierung) und Nr. 04115 (Konsultation) abgerechnet werden, so würden nach dem "Katalog" fünf Minuten
(drei + zwei Minuten) jeweils in das Tagesprofil und das Quartalsprofil eingerechnet werden. Sie berücksichtige nicht
seinen Vortrag, dass die Zeiten kürzer zu bewerten seien. Die Beklagte habe ihn nicht aufgefordert, dies im Einzelnen
darzulegen. Die Impfziffern wie 89001D habe die Beklagte mit einer Minute Behandlungszeit eingerechnet. Es sei aber
der Zeitfaktor mit 0 zu bewerten, da es sich um Sonderregelungen handele. Dies habe ihm die Beklagte auch im
Schreiben vom 10.05.2010 mitgeteilt. Die Firma QQ. sei offenbar nicht in der Lage gewesen, den versteckten neuen
Gebührentatbestand der Nebeneinanderberechnung der Ziffern 04110/04111 mit 04120 zu erfassen. Die Firma sei
auch nicht berechtigt, das Verfahren "berichtigt" anzubieten. Es treffe nicht zu, dass in seiner Praxis wesentliche
Leistungen durch Praxisinteressenten oder seine Frau erbracht worden seien. Es habe Praxisinteressenten gegeben,
die sich im Wesentlichen in den Arbeitsablauf nicht eingeschaltet hätten. Es seien keine selbstständigen Leistungen
von diesen erbracht worden. Seine Ehefrau habe keine ärztliche Tätigkeit ausgeübt. Die Beklagte wolle ihn offenbar
vernichten. Sie betreibe zwei Verfahren, um zurückliegende Honorare zu kürzen und habe ein Strafverfahren auf den
Weg gebracht.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagte vom 17.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
25.03.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, es sei eine der grundlegenden Pflichten jedes Vertragsarztes, die erbrachten Leistungen peinlich genau
abzurechnen. Auch wenn sich der Vertragsarzt elektronischer Abrechnungsprogramme bediene, entlaste ihn dies
nicht davon, sich vor Einreichung der Abrechnungsunterlagen an die Kassenärztliche Vereinigung wenigstens anhand
von Stichproben zu vergewissern, dass die dort enthaltenen Angaben frei von Fehlern seien, unabhängig davon, ob
diese auf eigene Falscheingaben oder auf Mängel der benutzten Software beruhten. Maßgeblich seien allein die
Bestimmungen des EBM 2005 und die tatsächlich nach EBM abzuleistenden Zeiten gemäß der abgerechneten Ziffer.
Es bleibe der Vorwurf, dass mit dem klägerischen Vortrag, die Software sei fehlerhaft, der Kläger selbst einräume,
dass er anders abgerechnet hätte, wäre ihm bewusst gewesen, dass er einen plausiblen Zeitaufwand überschreite.
Der Kläger habe vorsätzlich mit seiner Abrechnung gegen die Leistungslegende verstoßen. Sie habe den Grundsatz
des rechtlichen Gehörs nicht missachtet. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, zu den Vorwürfen sowohl im Rahmen
des Plausibilitätsverfahrens als auch im Rahmen des Widerspruchverfahrens Stellung zu nehmen. Die persönliche
Anwesenheit des Klägers sei für die Einhaltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht maßgeblich. Sie sei
von den Vorgaben des Anhangs 3 im EBM nicht abgewichen. Sie habe die Leistungen nach Ziffer 04110 und 04111
nicht in die Tagesprofile eingerechnet. Der Ansatz von Prüfzeiten für Quartalsziffern im Tageszeitprofil habe allein
Darstellungsgründe und sei auf den Umstand zurückzuführen, dass ein Nebeneinander von Beratungsziffern, hier die
Ziffer 04120 EBM, mit dem Ordinationskomplex (04110, 04111, 04112) eine Leistungszeit von weiteren zehn Minuten
fordere. Dieses zusätzliche Zeiterfordernis bilde sie durch die Darstellung des Ordinationskomplexes ab, so dass
nachvollziehbar sei, ob die Beratungsziffer in Verbindung mit dem Ordinationskomplex oder aber lediglich einzeln
abgerechnet worden sei. Die Leistungen nach Ziffer 30130 EBM seien nur in geringem Umfang erbracht worden. Diese
Leistungen erklärten nur einen unwesentlichen Teil der Überschreitungszeit im Tagesprofil. Gleiches gelte für den
klägerischen Vortrag zu den Impfziffern. Es treffe auch nicht zu, dass sie den Kläger vernichten wolle. Sie sei
verpflichtet, selbstständige Ermittlungs- und Prüfungsstellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im
Gesundheitswesen einzurichten. Sie habe die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten, wenn nach Prüfung
des Sachverhalts ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen bestehen könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den
Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der
Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagte vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
25.03.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagte vom 17.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
25.03.2009 ist rechtmäßig.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu
stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2
Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden
Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße
Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und
rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der
Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V,
eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 01.01.2004).
§ 106a SGB V ist nicht auf den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Gegensatz zu den früher allein
maßgeblichen Vorschriften nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des
Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) beschränkt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die vom Vertragsarzt
eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen hat.
Aus Sicht der Zuständigkeit ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erstellung der Zeitprofile auch
die Leistungen gegenüber Versicherten anderer Versicherungsträger oder der Sozialhilfeträger einbezogen hat. § 106a
SGB V erstreckt die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung auf alle Bereiche, in den sie aufgrund
gesetzlicher Erweiterung des Sicherstellungsauftrags (vgl. § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V) auch die Abrechnung vornimmt.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die
abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen
mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen,
dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle
Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 – B 6
KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 = Breith 1999, 659 = USK 98163, zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Zur
Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu
verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234 = MedR 1994, 206
= NJW 1995, 1636 = USK 93141, juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urt. v. 08.03.2000 – B 6 KA 16/99 R - SozR 3-2500 § 83 Nr.
1 = BSGE 86, 30 = NZS 2001, 213 = USK 2000-111, juris Rdnr. 48).
Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die
Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte
Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche
Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen.
Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die
einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein
erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht
ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich
hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall
durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und
vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 –
aaO., Rdnr. 24 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – L 7 KA 56/03 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris
Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter
Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tagesprofile zu erstellen.
Die Beklagte hat den Kläger durch Übersendung des Anhörungsschreibens vom Februar 2008 ausreichend angehört (§
24 SGB X).
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Namen der Mitglieder des Widerspruchsausschusses im angefochtenen
Widerspruchsbescheid aufzuführen. Insofern fehlt es an vergleichbaren Regelungen, wie sie für Gerichte (vgl. z. B. §
136 Abs. 1 Nr. 2 SGG) oder z. T. besonders eingerichtete Ausschüsse wie die Zulassungsgremien nach § 96 f. SGB
V (vgl. §§ 41 Abs. 4 Satz 2, 45 Abs. 3 Ärzte-ZV (Zulassungsverordnung für Vertragsärzte)) gelten Es obliegt der
Selbstverwaltung der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie sie die Verwaltungsverfahren, das heißt
hier die Zuständigkeit innerhalb der Körperschaft und das Verfahren, soweit dem nicht gesetzliche Vorschriften
entgegen stehen, regelt. Die Kammer hat bereits entschieden, dass eine Kassenärztliche Vereinigung durch Satzung
bestimmen kann, dass über einen Widerspruch ein bei ihr eingerichteter Widerspruchsausschuss entscheidet (vgl. SG
Marburg, Urt. v. 08.09.2010 - S 12 KA 638/09 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die Beklagte hat somit in
zulässiger Weise in ihrer Satzung bestimmt, dass die Landesstelle als Widerspruchsstelle gemäß § 85 SGG über
einen Widerspruch entscheidet und bei ihr ein Widerspruchsausschuss gebildet wird, dem der Erlass von
Widerspruchsbescheiden übertragen wird (§ 5 Abs. 5 Buchst. a Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in
der Fassung vom 08.05.2004, geändert durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 26.06.2004 sowie
Beschluss der Vertreterversammlung vom 22.01.2005). Die Satzung der Beklagten bestimmt weiter, dass sich der
Widerspruchsausschuss aus drei Ausschussmitgliedern, die einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden
Vorsitzenden wählen, zusammensetzt. Die Ausschussmitglieder werden von der Vertreterversammlung gewählt. Die
Vertreterversammlung kann hierzu Vorschläge bei den Bezirksstellen einholen. Der Vorsitzende muss Mitglied der
Beklagten sein. Für die Ausschussmitglieder sind Stellvertreter in mindestens gleicher Anzahl zu bestimmen. Die
Amtszeit entspricht der der Vertreterversammlung. Die Ausschussmitglieder und ihre Stellvertreter bleiben bis zur
Bestellung ihrer Nachfolger im Amt. Eine Abberufung ist durch Beschluss der Vertreterversammlung möglich (§ 5
Abs. 5 Buchst. c Satzung). Weitergehende Formvorschriften über die Form der schriftlichen Abfassung des
Widerspruchbescheids enthält die Satzung nicht und lassen sich auch nicht §§ 83 ff. SGG, insb. auch nicht § 85 Abs.
3 SGG entnehmen. Soweit z. T. vertreten wird, die bei der Entscheidung mitwirkenden Personen müssten wegen § 60
Abs. 2 SGG (Ausschluss von der Ausübung des Amtes als Richter bei vorangegangener Mitwirkung im
vorausgegangen Verwaltungsverfahren) kenntlich gemacht werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders.,
Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl. 2008, § 85 Rdnr. 7b), so hält dies die Kammer nicht für zwingend. Der hierfür genannte
Befangenheitsgrund gilt grundsätzlich für alle Behördenentscheidungen, ohne dass diese verpflichtet wären, bereits in
der Behördenentscheidung die Namen aller mitwirkenden Personen aufzuführen. Es ist ggf. Sache des über ein
Befangenheitsgesuch entscheidenden Gerichts, in eine entsprechende Sachermittlung einzutreten. Die Kammer sieht
jedenfalls keine Rechtsnorm, die die Beklagte zur Benennung der Ausschussmitglieder im Widerspruchsbescheid
verpflichten würde.
Der angegriffene Bescheid ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Eine Darstellung, bei welchen Behandlungsfällen
eine Nebeneinanderberechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 bei der Erstellung der
Tagesprofile erfolgt, ist nicht erforderlich. Die Beklagte war nicht verpflichtet anzugeben, bei welchen
Behandlungsfällen eine Nebeneinanderabrechnung stattgefunden hat. Für eine Anhörung reicht die Übersendung der
Tagesprofile mit einem Anhörungsschreiben aus, denn die Tageszeitprofile erbringen den Indizienbeweis für die
implausible Abrechnung (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – aaO. - juris, Rdnr. 25), so dass für die
Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X und für die Begründung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich
keine weitergehende Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich ist (vgl. LSG Hessen, Beschl.
v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER www.lareda.hessenrecht.hessen.de = www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Die
Kammer gibt ihre im Beschluss vom 02.07.2009 - S 12 KA 235/09 ER – noch anders vertretene Rechtsauffassung im
Hinblick auf die zweitinstanzliche Entscheidungspraxis auf.
Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Die Beklagte hat die Tagesprofile nicht falsch berechnet. Sie hat die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben
im EBM 2005 erstellt. Soweit sie bei einer Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120
EBM 2005 davon ausgeht, dass hierfür im Behandlungsfall 20 Minuten anzusetzen sind, ist dies zutreffend.
Ziffer 04120 EBM 2005 "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten" kann für je
vollendete 10 Minuten angesetzt werden und wird mit 150 Punkten berücksichtigt. Nach dem EBM 2005 ist aber bei
der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 04110 und 04111 und 04120 eine Dauer der Arzt-
Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr.
04120. Dies folgt eindeutig aus der klaren und bestimmten Leistungslegende dieser Vorschriften. Bei der die
Leistungslegende ergänzenden Anmerkung handelt es sich um einen Teil des vom Bewertungsausschuss
verabschiedeten EBM, der insofern die eigentliche Leistungslegende ergänzt. Sie gilt für den behandelnden
Vertragsarzt und die Kassenärztliche Vereinigung und normiert gleichfalls die Voraussetzungen für eine vollständige
Leistungserbringung.
Gerade bei zeitlichen Vorgaben verbleibt kein Auslegungs- oder Interpretationsspielraum; solche Vorgaben sind schon
aus diesem Grund eindeutig und bestimmt. Der Arzt kann auch die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben ohne großen
Aufwand selbst kontrollieren, da hierfür nur eine normale Uhr benötigt wird. Ein neuer Gebührentatbestand wird damit
nicht geschaffen. Es ist von der Kammer daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die
Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 mit 20 Minuten bewertet,
ebenso wie es unerheblich ist, ob das vom Vertragsarzt verwendete Abrechnungsprogramm ihm diesen Zeitumfang
anzeigt (vgl. bereits LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER – und die vorausgehende
Entscheidung der Kammer, SG Marburg, Beschl. v. 02.07.2009 – S 12 KA 235/09 ER –; SG Marburg, Urt. v.
13.01.2010 – S 12 KA 238/09 – ZMGR 2010, 116, Berufung anhängig: LSG Hessen – L 4 KA 7/10 -). Die im
Leistungsverzeichnis im Anhang zum EBM 2005 angegebene Prüfzeit von acht Minuten für Ziffer 04110 und von
sieben Minuten für Ziffer 04111 gelten nur für die Berechnung des Quartalsprofils. Im Tagesprofil können diese
Leistungen nur einbezogen werden, wenn sie in Kombination mit einer Leistung nach Ziffer 04120 EBM 2005 erbracht
worden sind, wovon auch die Beklagte ausgeht. Ein Ansatz der Ziffer 04120 EBM 2005 setzt dann aber, wie bereits
ausgeführt, eine ärztliche Kontaktzeit von 20 Minuten voraus.
Auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit des vom Kläger benutzten Softwareprogramms, das die Dauer von zwanzig
Minuten nicht hat erkennen lassen, kommt es nicht an. Maßgeblich für die Abrechnung sind allein die Bestimmungen
des EBM 2005. Der mit der Abrechnung geltend gemachte Zeitaufwand, der zu den implausiblen Zeiten geführt hat,
beruht allein auf der Abrechnung des Klägers. Soweit der Kläger eine fehlende zeitnahe Information des Beklagten
rügt, räumt er letztlich ein, er hätte anders abgerechnet, wäre ihm bewusst geworden, dass er einen plausiblen
Zeitaufwand überschreite. Die Abrechnung von Leistungen kann sich aber allein an der Erbringung der Leistung
orientieren und nicht an vermeintlichen Zeitkontingenten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung. Von daher bedarf es
auch keiner Beratung vor Durchführung einer Plausibilitätsprüfung. Letztlich räumt der Kläger damit ein, vorsätzlich
mit seiner Abrechnung gegen die Leistungslegende verstoßen zu haben. Von der Kammer war nicht zu prüfen,
inwieweit damit der Betrugstatbestand des § 263 StGB erfüllt wird.
Nicht zu beanstanden war auch der zeitliche Ansatz der Leistungen nach Ziffer 30130 EBM 2005 (Desensibilisierung)
mit zwei Minuten und Nr. 04115 EBM 2005 (Konsultation) mit drei Minuten. Auch können Impfleistungen
berücksichtigt werden, da auch hierfür ein tagesbezogener Zeitaufwand erforderlich ist. Im Übrigen ist der zeitliche
Aufwand für diese Leistungen, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, angesichts der z. T. sehr hohen
Tagesprofile zu vernachlässigen.
Auf die Einhaltung der Quartalsprofile kommt es nicht an. Mit der Überschreitung der Tagesprofile wird hinreichend
nachgewiesen, dass an diesen Tagen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr möglich war. Dies trifft
insbesondere auf die Beratungsleistungen zu, die eine strikte Zeitvorgabe durch den EBM 2005 haben. Erst bei
Erreichen der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer ist der Leistungsinhalt vollständig erbracht und kann die
Leistung abgerechnet werden. Ein Zusammenhang mit den Quartalsprofilen besteht nicht. Im Übrigen ist der Kläger
auch in allen Quartalsprofilen auffällig. Ein Quartalsprofil von 1.000 und mehr Stunden bedeutet eine durchschnittliche
Wochenarbeitszeit – ohne die hierfür notwendigen weiteren Arbeitszeiten von zwei bis drei Stunden täglich – von 77
und mehr Stunden bzw. – bei einer Fünf-Tage-Woche - über das gesamte Quartal hinweg von täglich 15 ½ Stunden
und mehr.
Aufgrund der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer kommt es nicht darauf an, ob Beratungsgespräche schnell
oder langsam ausgeführt werden oder ob auch parallel im gleichen Zeitraum Beratungsgespräche für mehrere
Patienten durchgeführt werden. Beratung setzt das persönliche Gespräch des Arztes mit einem Patienten, ggf. im
Beisein von dessen Angehörigen, voraus. Eine schnellere Beratung, die die vorgegebene Dauer nicht erreicht, kann
als eine solche Beratungsleistung nicht abgerechnet werden. Ebf. ist es ausgeschlossen, mehrere Patienten parallel
zu beraten. Allenfalls denkbar wäre eine abwechselnde Beratung, die zu einer zeitlichen Addition der individuellen
Beratungsteile führen würde. Eine solchermaßen "parallel" laufende Beratung müsste bei zwei Patienten dann
mindestens vierzig Minuten dauern.
Delegationsfähige Leistungen werden bei den Tagesprofilen nicht mitgerechnet. Nur solche Leistungen werden
berücksichtigt, deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil aufweisen. In der Prüfzeit wird lediglich die ärztliche
Zeit abgebildet.
Bei der Plausibilitätsprüfung handelt es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auf eine Einzelfallprüfung der
Behandlungen kommt es nicht an. Mit dem Nachweis der Implausibilität wird der zulässige Nachweis einer nicht
ordnungsgemäßen Abrechnung erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem
Einzelfall bedarf es dann nicht. Wie auch immer geartete Praxisbesonderheiten können daher nicht berücksichtigt
werden.
Nicht zu beanstanden war auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigsten drei
Tagesprofilen von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliegt (vgl. SG
Marburg, Urt. v. 04.06.2008 - S 12 KA 528/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Im Rahmen des
Schätzungsermessens waren daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten des Klägers zu berücksichtigen.
Auf einen Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand
dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend hält oder dass sie von einer
Berichtigung absehen werde. Nichtstun allein kann einen Vertrauenstatbestand nicht begründen.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine
Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG Urt. v. 15.11.1995 – 6 RKa 57/94 – SozR 3-5535 Nr. 119
Nr. 1 = USK 95136, juris Rdnr. 10 und BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = BSGE
98, 169 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine
kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger
Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem
Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung
der Kammer eine Kassenärztliche Vereinigung nicht berechtigt, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab die nach
Bundesrecht geltende Ausschlussfrist von vier Jahren für sachlich-rechnerische Berichtigungen auf zwei Jahre zu
verkürzen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 – S 12 KA 455/10 –). Von daher ist die Beklagte auch nicht
verpflichtet, die Tagesprofile vor Erlass eines Honorarbescheids zu erstellen und eine evtl. Berichtigung bereits mit
dem Honorarbescheid vorzunehmen. Zudem kommt hinzu, dass die Tagesprofile zunächst lediglich ein
Aufgreifkriterium darstellen, das Abrechnungsverhalten eines Vertragsarztes näher zu prüfen. Auch von daher kann im
Regelfall eine Prüfung erst nachträglich erfolgen.
Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens
hat die Beklagte den Leistungsanteil abgeschöpft, der auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden
entfällt. Ihr Rechenvorgang über die Feststellung eines Überschreitungsprozentsatzes bedeutet letztlich, dass sie
einen erwirtschafteten Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt hat. Auf diese Weise hat die Beklagte
alle Vergütungsanteile und evtl. Sachkostenerstattungen einbezogen. Dies war von der Kammer nicht zu
beanstanden. Die letztlich hier zu Tage tretende systematisch fehlerhafte Abrechnung hat die Beklagte damit zu
Gunsten des Klägers letztlich nur auf die Tage bezogen, an denen eine Überschreitung der 12 Stunden-Grenze
vorliegt. Evtl. Sachkostenerstattungen sind Teil des Vergütungsanspruchs, unabhängig davon, ob sie gesondert
ausgewiesen werden oder ob sie als Teil der Leistungsbewertung mit der Abgeltung der Leistung indirekt erstattet
werden. Diese Vorgehensweise wäre nur dann im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beanstanden,
wenn der Kläger eine signifikant von seiner Fachgruppe bzw. seine Fachgruppe von den übrigen Fachgruppen
abweichende Kostenerstattung hätte, also ein ganz wesentlicher Teil des Vergütungsanspruchs ein bloß
"durchlaufender" Posten wäre, was hier aber nicht der Fall ist.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der
unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach
den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet
der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert
von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.