Urteil des SozG Marburg vom 10.11.2010

SozG Marburg: job sharing, gemeinschaftspraxis, rückforderung, abrechnung, versorgung, vertragsarzt, aufteilung, hessen, vertrauensschutz, beschränkung

Sozialgericht Marburg
Urteil vom 10.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 555/09
1. Der Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 30.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr),
abgeändert durch den Bescheid vom 02.06.2009 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom
29.07.2009, wird insoweit aufgehoben, als ein den Betrag von 14.276,26 EUR brutto übersteigender
Berichtigungsbetrag festgesetzt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat 1/3, die Beklagte 2/3 der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat 2/3 der notwendigen
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs
bei Beschäftigung eines angestellten Arztes im Rahmen eines sog. Job-Sharings in Höhe von noch 38.359,59 EUR
brutto für die vier Quartale III/06 bis II/07 (2. Leistungsjahr).
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Hautärzten, die zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in
A-Stadt zugelassen sind. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 21.06.2005 wurde der Klägerin
die Beschäftigung des Hautarztes Dr. med. AA als ganztags angestellter Arzt gem. § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i. V. m.
§ 32b Ärzte-ZV genehmigt. Im Beschluss des Zulassungsausschusses wurde nach den Angestellte-Ärzte-Richtlinien
zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der vier vorausgegangenen Quartale (I/04 bis IV/04) ein
quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen, welches bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen
der Gemeinschaftspraxis für Herrn Dr. AA nach Beschäftigung des angestellten Praxisarztes als
Leistungsbeschränkung maßgeblich ist, wie folgt festgelegt.
Jahresquartal Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr I 1.761.231,4 II 1.646.487,2 III 1.700.837,9 IV
1.794.003,8
Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Richtlinien
angepasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig.
Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den Quartalen I/04 bis II/06 wie folgt fest:
I/04 II/04 III/04 IV/04 Honorarbescheid vom 05.08.2004 09.10.2004 06.02.2005 18.04.2005 Bruttohonorar PK + EK in
EUR 122.792,39 123.268,89 120.491,58 126.240,03 Fallzahl PK + EK 4.494 4.504 4.864 4.538 Angefordertes Honorar
Basis EBM in EUR 178.230,01 166.705,82 171.975,13 181.197,73 Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in
EUR 178.230,01 166.705,82 171.975,13 181.197,73
I/05 II/05 III/05 IV/05 Honorarbescheid vom 29.06.2006 12.08.2006 28.11.2006 Bruttohonorar PK + EK in EUR
120.248,50 104.160,93 125.583.62 Fallzahl PK + EK 4.675 4.949 4.669 Angefordertes Honorar Basis EBM in EUR
170.898,32 191.994,32 172.961,93 204.121,71 Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 188.936,96
172.961,93 204.121,71
I/06 II/06 Honorarbescheid vom 20.01.2007 05.02.2007 Bruttohonorar PK + EK in EUR 113.212,42 122.775,58
Fallzahl PK + EK 4.670 4.788 Angefordertes Honorar Basis EBM in EUR 213.071,25 208.264,80 Anerkannte
Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 211.975,33 208.264,80
Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den streitbefangenen Quartalen wie folgt
fest:
III/06 IV/06 I/07 II/07 Honorarbescheid vom 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008 17.10.2007 Nettohonorar gesamt in
EUR 124.313,75 132.319,95 121.160,81 125.358,85 Bruttohonorar PK + EK in EUR 124.394,83 131.440,81
120.144,04 123.114,98 Fallzahl PK + EK 4.858 4.742 4.910 4.642 Angefordertes Honorar Basis EBM 2005 in EUR
215.473,44 222.604,21 220.093,30 193.553,95 Anerkannte Honorarforderung nach Anw. HVV in EUR 215.473,44
222.216,98 213.737,00 193.553,95
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV Fallzahlgrenze 4.987 4.690 4.698 Aktuelle Fallzahl 4.831 4.702 4.895
Quote in % - 99,81 97,01
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV Praxisbezogenes RLV in Punkten 3.381.584,9 3.302.823,0 3.332.343,8
3.299.224,0 Überschreitung in Punkten 538.519,6 706.837,0 799.561,2 232.036,0
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV Korrekturbetrag je Fall in EUR - 1,7598 - 0,9523 - - Korrekturbetrag gesamt in EUR -
8.549,20 - 4.515,94 - -
Mit Bescheid vom 30.07.2008 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für die Quartale
III/06 bis II/07 – 2. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von
40.777,90 EUR zurück. Die Prüfung des 2. Leistungsjahrs habe ergeben, dass die Klägerin nach entsprechender
Saldierung und unter Berücksichtigung des Punktwertes 42.030,17 EUR Brutto zuviel an Leistungsbedarf zur
Abrechnung gebracht habe. Zu berücksichtigen seien anteilige Verwaltungskosten in Höhe von 1.252,27 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 08.08.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, die
Gemeinschaftspraxis bestehe seit 1990. Davor habe eine Einzelpraxis des Herrn Dr. AA bestanden. Dr. AB habe der
Punktzahlbegrenzung nie zugestimmt. Er sei auch hierüber nie aufgeklärt worden. Bei der Praxis handele es sich um
eine tumorchirurgisch tätige Hautarztpraxis, die sowohl präoperative Diagnostik (Tumorvorsorge und Screening) wie
auch operative Leistungen inklusive aller tumorchirurgischen Maßnahmen, also auch Tumornachsorge und
postoperativ Tumortherapie, sowohl mit Zytostatika wie auch durch Interferone und alle anderen gebräuchlichen und
erforderlichen onkologischen Maßnahmen betreibe. Sie sei die einzige Einrichtung zwischen C-Stadt, D-Stadt und der
Universitätsklinik E-Stadt, die dieses Spektrum im hautärztlichen Bereich anbiete. Beide Ärzte der Praxis besäßen
die Teilgebiets- und Zusatzbezeichnungen für Allergologie, Phlebologie und Umweltmedizin. Es bestehe eine
Genehmigung zur Durchführung ambulanter Operationen, zur psychosomatischen Nachsorge von Patienten und zur
Durchführung von Laborleistungen des Kapitels O3. Das Versorgungsgebiet umfasse mehr als 100.000 Einwohner. Es
würden pro Jahr vier- bis fünfhundert tumorchirurgische Eingriffe ambulant, im Wesentlichen durch den Kollegen Dr.
AB durchgeführt werden. Mindestens 1.500 Patienten befänden sich in einer regelmäßigen Tumornachsorge. Die
Punktzahlausweitung sei darauf zurückzuführen, dass nunmehr Operationsleistungen nicht mehr extrabudgetär,
sondern innerhalb des Budgets abgerechnet würden und es zu einem inflationären Anstieg der Punktzahl durch
Änderung des EBM gekommen sei. Eine Transcodierung des EBM 96 zum EBM 2005 sei nicht erfolgt. Der
Anpassungsfaktor spiegle nicht die Erhöhung der Punktzahlen der Fachgruppe wieder und sei damit nicht
vergleichsfähig. Es sei zu keiner Leistungsausweitung gekommen. Das Punktzahlvolumen sei lediglich durch
Veränderungen im EBM bedingt. Die Rückzahlungsforderung sei daher als ein systemimmanenter Fehler im
Abrechnungssystem der Beklagten zu betrachten. Es bestehe auch ein schwerwiegendes Informationsverschulden
der Beklagten. Eine genaue Information über die Folgen des Job-Sharing-Verfahrens sei zu keinem Zeitpunkt
durchgeführt worden. Es habe ein erheblicher Vertrauensschutz bestanden, da im Erstjahr eine
Nettohonorarbetrachtung durchgeführt worden sei und die Beklagte in mündlichen Gesprächen mehrfach zugesichert
habe, dass es mit dem Job-Sharing-Verfahren keinerlei Probleme geben werde, wenn die ausgezahlte Geldsumme
und die RLV- bzw. Fallzahl nicht ansteige. Ihre mehrfach vorgetragenen Anfragen bezüglich der inflationären
Punktwertanstiege durch die neu eingeführten OPS-Ziffern sei dahingehend beantwortet worden, dass sie ruhig die
OPS-Ziffern wie bisher abrechnen solle, notfalls würden diese Ziffern von der Beklagten gestrichen werden. Es sei
auch unklar gewesen, ob diese Ziffern außerhalb oder innerhalb des Regelleistungsvolumens angesetzt werden. Sie
hätte die Information bekommen, dass ein Schaden in keinem Fall entstehen könnte. Die erhöht abgerechneten
Punktzahlen seien mit dem unteren Punktwert ausgezahlt und jetzt, was völlig unverständlich sei, mit dem mittleren
Punktwert zurückgefordert worden. Sollte sie keinen positiven Vorbescheid erhalten, so sei sie gezwungen, ihre
operative Tätigkeit sowie die onkologische Therapie einzustellen. Ein Vergleich der Quartale III/03 bis II/04 mit den
Quartalen III/06 bis II/07 ergebe eine durchschnittliche Fallzahlsteigerung von ca. 36 Patienten in drei Jahren pro
Quartal bei einem gleichzeitig deutlichen Netto-Honorarverlust. Die erzielten RLV-Volumina lägen im Bereich der für
das Job-Sharing zugelassenen Punktzahlvolumina. Herr Dr. AB erbringe 80 % aller mit OPS-Codierung abgerechneten
Leistungen sowie alle proktologischen Eingriffe, Krebsvorsorgeuntersuchungen bei Männern und Beratungen für
Kolonkarzinome. 80 % aller phlebologischen Untersuchungen würden ebenfalls von Dr. AB erbracht werden. Nach
ihrer eigenen Berechnung sei eine Änderung der EHV-fähigen Abrechnung zugunsten von Dr. AB in Höhe von
mindestens 2 Millionen Punkten für den strittigen Abrechnungszeitraum vorzunehmen.
Die Beklagte reduzierte mit Bescheid vom 02.06.2009 den Rückforderungsbetrag auf 38.359,59 EUR brutto. Zur
Begründung führte sie aus, nach Absetzung des Rückforderungsbescheides habe der Vorstand beschlossen, dass in
den Fällen, in denen kein Anpassungsfaktor mitgeteilt worden sei, die Rückforderungspunktzahl nicht die
Punktzahlobergrenze aus dem Bescheid des Zulassungsausschusses unterschreiten solle. Der Anpassungsfaktor sei
der Klägerin erst mit Schreiben vom 20.07.2008 mitgeteilt worden. Sie habe daher für die Quartale III/06 und I/07 eine
nachträgliche Korrektur vorgenommen. Des Weiteren habe der Vorstand beschlossen, dass bei der Berechnung des
Überschreitungspunktzahlvolumens eine Saldierung der Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs entsprechend der
Bedarfsplanungs-Richtlinie erfolgen solle. Diese Überschreitungspunktzahl solle im Nachgang mit dem gemittelten
Punktwert aus den vier betroffenen Quartalen errechnet werden. Des Weiteren seien in den Quartalen III und IV/06 bei
ambulanten Operationen von BKK-Versicherten, die mit einem Punktwert von 0 Cent vergütet worden seien, diese
Überschreitungen komplett vom abgerechneten Punktzahlvolumen in Abzug gebracht worden.
Die Beklagte wies im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Sie verwies auf den bestandskräftigen Beschluss des Zulassungsausschusses. Da in Hessen die erweiterte
Honorarverteilung gelte, werde bei der Überprüfung der Leistungsjahre nicht danach differenziert, wer von beiden
Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis welche Punkte abgerechnet habe. Vielmehr werde anhand der schriftlichen
Erklärung zur erweiterten Honorarverteilung davon ausgegangen, dass beide Ärzte, Herr Dr. AA einschließlich des
angestellten Arztes, jeweils 50 % der Punkte abrechneten. Herr Dr. AB sei zwar nicht an die Begrenzung im
Leistungsvolumen gebunden, eine Ausweitung des Punktzahlvolumens wirke sich aber zu seinen Lasten aus, da sich
die festgelegte Leistungsobergrenze an den hälftig abgerechneten Punkten der Vorjahresquartale orientiere. Bei einer
Änderung des EBM könne ein entsprechender Antrag beim Zulassungsausschuss gestellt werden. Im Übrigen sei zu
berücksichtigen, dass ab dem zweiten Leistungsjahr die Gesamtpunktzahlvolumina des Praxisumfangs der
Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes
(Anpassungsfaktor) folgten. Der Anpassungsfaktor drücke aus, in welchem Verhältnis die Punktzahlobergrenze der
Praxis zum Fachgruppendurchschnitt liege. Dieser Anpassungsfaktor werde dann jeweils mit den aktuellen
Fachgruppenwerten multipliziert, so dass sich die Punktzahlobergrenzen gem. der allgemeinen
Fachgruppenentwicklung mit veränderten. Die EBM-bedingten Steigerungen des Punktzahlniveaus würden demnach
über den Fachgruppenanpassungsfaktor aufgefangen werden. Eine Verpflichtung zur Durchführung eines
Nettohonorarvergleichs bestehe nicht. Ein solcher sei nur zugunsten für das erste Leistungsjahr nach Einführung des
EBM 2005 beschlossen worden. Die Begrenzung des Leistungsumfangs sei unabhängig davon, wie und weshalb eine
Vergütung gezahlt werde, sondern folge letztlich der Bedarfsplanung für die vertragsärztliche Versorgung. Mit dem
Abhilfebescheid habe sie insofern dem Einwand Rechnung getragen, als sie Leistungen des ambulanten Operierens
mit einer Honorierung mit 0,0 Cent aus dem Rückforderungsbetrag herausgerechnet habe. Ein von der Klägerin
behauptetes Informationsverschulden sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens, sondern vor den Zivilgerichten geltend
zu machen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Rückzahlung erst im Juli 2008 bekannt gegeben worden sei.
Rückforderungsbescheide könnten noch innerhalb einer 4-Jahresfrist für die Abrechnungsquartale ergehen. Hierbei sei
auf die Zustellung des letzten Honorarbescheides abzustellen. Der Honorarbescheid für das Quartal II/07 sei der
Klägerin am 29.11.2007 zugestellt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 13.08.2009 die Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Heranziehung
der EHV-Quote von 50 % als Basis für die Festlegung der Obergrenze rechtswidrig sei. Sowohl die Festlegung der
Gesamtpunktzahlvolumina der Basisquartale als auch die Beschränkung des zweiten Leistungsjahres seien zudem
anhand einer intransparenten Formel errechnet worden, die für sie in keiner Weise nachvollziehbar sei. Die
Umrechnung in DM-Beträge und Multiplikation mit dem Faktor 10 ergebe eine ca. doppelt so hohe
Punktzahlvolumengrenze. Hierauf habe sie vertrauen dürfen. Die Berechungsweise sei ihr nicht erläutert worden. Die
Umstellung auf den EBM 2005 sei entgegen gegenteiliger Zusagen nicht berücksichtigt worden. Der
Anpassungsfaktor schaffe keinen Ausgleich. Bei der Berechnung der Anpassungsfaktoren würden die
Punktzahlmengen zweier verschiedener Gebührenordnungen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden und es werde
damit ein fehlerhafter Anpassungsfaktor berechnet. Herr Dr. AA unterliege keiner Leistungsbegrenzung. Es müsse
jedenfalls auch im zweiten Leistungsjahr ein Nettohonorarvergleich durchgeführt werden. Ein Großteil der Leistungen
sei mit dem unteren Punktwert von ca. 0,5 Cent/Punkt vergütet worden. Die Rückforderung auf Basis eines mittleren
Punktwertes sei daher auch aus diesem Grund rechtswidrig. Zunächst hätten die zum unteren Punktwert berechneten
Leistungen in Ansatz gebracht werden müssen. Die besser bewerteten Leistungen des ambulanten Operierens würden
überwiegend von Herrn Dr. AB erbracht werden, der keiner Leistungsbeschränkung unterlegen habe.
Die Klägerin beantragt, den Rückforderungsbescheid Job-Sharing vom 30.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis
II/07 (2. Leistungsjahr), abgeändert durch den Bescheid vom 02.06.2009 und in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29.07.2009 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass sie an den bestandskräftigen Beschluss des Zulassungsausschusses
gebunden sei. Die Gemeinschaftspraxis-Partner hätten sich auch bereit erklärt, die Leistungsbeschränkung
anzuerkennen. Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb nunmehr die Punktzahlobergrenze angegriffen werde. Die
Punktzahlobergrenze umfasse alle Honoraransprüche. Es sei nicht nach verschiedenen Leistungsinhalten zu
differenzieren. Bei der EHV-Aufteilung handele es sich um eine von der Klägerin so gemeldete prozentuale
Gewichtung. Einwände hätten auch beim Zulassungsausschuss geltend gemacht werden müssen. Auf dem
Berechnungsbogen sei ebenfalls die Aufteilung von 50 % genannt worden. Damit habe sich die Klägerin einverstanden
erklärt. Einen Änderungsantrag habe sie bei dem Zulassungsausschuss nicht gestellt. Sie sei nicht verpflichtet, einen
Änderungsantrag zu stellen. Die Vorgaben zur Errechnung eines Honorars seien rechtlich völlig zu trennen von den
Bestimmungen zur Prüfung der Einhaltung der Leistungsobergrenze zum Job-Sharing. Aus der Einbeziehung aller
Leistungen in die Punktzahlobergrenze, ausgenommen Kosten nach Leistungsgruppe 14, sei die Berechnung des
Rückforderungsbetrags mithilfe des durchschnittlichen Punktwertes rechtmäßig. Dies entspreche letztendlich auch
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Honorarkürzungen bei Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw. sachlich-
rechnerischer Berichtigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und
Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben
worden.
Die Klage ist auch z. T. begründet. Der angefochtene Bescheid vom 30.07.2008 betreffend die Quartale III/06 bis II/07
(2. Leistungsjahr), abgeändert durch den Bescheid vom 02.06.2009 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Beklagten vom 29.07.2009, ist insoweit rechtswidrig, als ein den Betrag von 14.276,26 EUR übersteigender
Berichtigungsbetrag festgesetzt wurde. Insoweit war der Bescheid aufzuheben und der Klage stattzugeben. Im
Übrigen war der Bescheid aber nicht zu beanstanden und war die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu
stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die
vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2
1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu
überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der
von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit
der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf
Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb
nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der
Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu
prüfen und ggf. zu berichtigen.
Die Beklagte hat aber für das hier streitbefangene Leistungsjahr ein zu hohes Punktzahlvolumen abgesetzt. Die
Rückforderung greift unter Berücksichtigung des Anpassungsfaktors in das vom Zulassungsausschuss genehmigte
Leistungsvolumen hinein. Insofern hat die Beklagte den sog. Anpassungsfaktor fehlerhaft berechnet.
Nach den hier noch bis zum Quartal I/07 maßgeblichen Richtlinien über die Beschäftigung von angestellten
Praxisärzten in der Vertragsarztpraxis ("Angestellte-Ärzte-Richtlinien") in der Fassung vom 1. Oktober 1997 (BAnz.
Nr. 9, S. 372 vom 15. Januar 1998), zuletzt geändert am 22. Oktober 2001, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 20
vom 30. Januar 2002, in Kraft getreten am 31. Januar 2002 (im Folgenden: AÄRL), die ab 01. April 2007 in der
Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die
Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der
vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im
Bundesanzeiger 2007, S. 3491, in Kraft getreten am 1. April 2007, zuletzt geändert am 18. Februar 2010,
veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010, S. 1641, in Kraft getreten am 8. Mai 2010, in den hier maßgeblichen
Bestimmungen unverändert) (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä), aufgegangen ist, die regelungstechnisch in § 23k Abs. 1
Satz 2 für die Berechnung des abrechenbaren Gesamtpunktzahlvolumens auf die Regelungen nach den §§ 23c bis
23f verweist, die entsprechend mit der Maßgabe gelten, dass der Umfang der Leistungsbeschränkung unabhängig
vom Beschäftigungsumfang des (der) angestellten Arztes (Ärzte) zu bestimmen ist, legt der Zulassungsausschuss
vor der Zulassung des Antragstellers in einer verbindlichen Feststellung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der
Grundlage der gegenüber dem Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen
ergangenen Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina fest, welche bei der Abrechnung
der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis von dem Vertragsarzt sowie dem Antragsteller nach
seiner Zulassung gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese
Gesamtpunktzahlvolumina sind so festzulegen, dass die in einem entsprechenden Vorjahresquartal gegenüber dem
erstzugelassenen Vertragsarzt anerkannten Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3 v. H. überschritten werden.
Das Überschreitungsvolumen von 3 v. H. wird jeweils auf den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals
bezogen. Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen (Punktzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen)
wird nach Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst. Bei Internisten
ist zur Ermittlung des Fachgruppendurchschnittes auf die Entscheidung des bereits zugelassenen Vertragsarztes zur
hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung abzustellen. Im Übrigen gilt für Anpassungen Nr. 3.3 AÄRL bzw. § 23e.
Außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr, wie z. B. Krankheit eines Arztes, bleiben außer Betracht; eine
Saldierung von Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahresvolumen
ist zulässig. Der Zulassungsausschuss trifft seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche
Vereinigung übermittelten Angaben (Nr. 3.1 AÄRL bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä).
Sowohl für die Berechnung des Ausgangspunktzahlvolumens als auch des Vergleichspunktzahlvolumens nach Nr. 3.1
AÄRL bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä ist das im Zeitpunkt der Abrechnung jeweils geltende Berechnungssystem für die
vertragsärztlichen Leistungen maßgeblich. Auf Antrag des Vertragsarztes sind die Gesamtpunktzahlvolumina neu zu
bestimmen, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen, die für das Gebiet der Arztgruppe
maßgeblich sind, spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen
oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können eine Neuberechnung
beantragen, wenn Änderungen der Berechnung der für die Obergrenzen maßgeblichen Faktoren eine spürbare
Veränderung bewirken und die Beibehaltung der durch den Zulassungsausschuss festgestellten
Gesamtpunktzahlvolumina im Verhältnis zu den Ärzten der Fachgruppe eine nicht gerechtfertigte
Bevorzugung/Benachteiligung darstellen würde (Nr. 3.3 AÄRL bzw. § 23e BedarfsplRL-Ä).
Die Gesamtpunktzahlvolumina zur Beschränkung des Praxisumfangs folgen der Entwicklung des
Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes (Anpassungsfaktor). Die
Anpassungsfaktoren werden im ersten Leistungsjahr von der Kassenärztlichen Vereinigung errechnet. Die dafür
maßgebliche Rechenformel lautet: PzVol (Quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis)./. PzFg
(Quartalsbezogener Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe ) = Fakt (Quartalsbezogener
Anpassungsfaktor). Sie stellen die Grundlage zur Ermittlung der Gesamtpunktzahlvolumina für die Folgejahre dar. Der
jeweilige Anpassungsfaktor wird ab dem zweiten Leistungsjahr mit dem Punktzahlvolumendurchschnitt der
Fachgruppe multipliziert und ergibt die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis (die Saldierungsregelung nach Nr.
3.1 Satz 6 AÄRL 23c Satz 6 BedarfsplRL-Ä bleibt hiervon unberührt). Die Kassenärztliche Vereinigung teilt dem
Vertragsarzt die für ihn verbindlichen Anpassungsfaktoren mit (Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä).
Damit können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der
Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen Leistungsjahrs errechnet werden.
Die Berechnung des Anpassungsfaktors setzt aber voraus, dass das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen der
Praxis und der quartalsbezogene Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe jedenfalls dann gleichen
Zeiträumen entnommen werden müssen, wenn wesentliche Umstrukturierungen im EBM vorgenommen werden. Fehlt
es an solchen Veränderungen, so trägt einem allgemeinen Wachstum im Regelfall der Zuschlag von 3 % Rechnung.
Die Einführung des EBM 2005 ab dem Quartal II/05 hat aber zu erheblichen Änderungen geführt, die alle Mitglieder
einer Fachgruppe und alle Fachgruppen betreffen. Von daher kann die Klägerin nicht auf die Ausnahmeregelung nach
Nr. 3.3 AÄRL bzw. § 23e BedarfsplRL-Ä verwiesen werden. Die Beklagte hat den Anpassungsfaktor aufgrund der
quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina der Praxis für die Quartale I bis IV/04 einerseits und der
quartalsbezogenen Punktzahlvolumendurchschnitte der Fachgruppe für die Quartale III/05 bis II/06, dem 1.
Leistungsjahr, berechnet. Die Einführung des EBM 2005 hat aber zu erheblichen strukturellen Änderungen durch die
vermehrte Einführung von Komplexleistungen und auch Höherbewertung von Leistungen geführt. Deutlich wird dies an
der Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts für die Fachgruppe der Klägerin. Nach den von der Beklagten mit
Schriftsatz vom 14.07.2010 übersandten, quartalsbezogenen "Durchschnittspunktzahlen Fachgruppe Hautärzte" stieg
nach Berechnungen der Kammer das durchschnittliche Gesamtpunktzahlvolumen von 4.206.044,1 Punkten im
Zeitraum II/04 bis I/05 auf 4.797.273,7 Punkte im Zeitraum II/05 bis I/06 und damit um 14,1 %. Der Anpassungsfaktor
der Klägerin wird aber nach der Berechnungsweise der Beklagten auf der Grundlage der Abrechnungswerte der Praxis
ohne das EBM-bedingte Wachstum und der EBM-bedingten höheren Durchschnittswerte der Fachgruppe berechnet.
Von daher ergibt sich zwangsläufig ein zu geringer Anpassungsfaktor, der nicht die tatsächliche Relation zwischen
Abrechnungsvolumen der Praxis zum Fachgruppendurchschnitt widerspiegelt. Ohne Ausweitung der Leistungen
kommt es demzufolge zu einer Überschreitung des Punktezahlvolumens, das zugleich Anknüpfungspunkt für die
Berechnung einer Leistungsüberschreitung ist. Der Anpassungsfaktor soll aber gerade solche EBM-bedingten, von der
Leistungserbringung der Job-Sharing-Praxis unabhängigen Punktezahlausweitungen ermöglichen und –
ungerechtfertigte – Kürzungen verhindern. Aufgrund der ungleichzeitigen Berechnung des Anpassungsfaktors kommt
es aber zu einer Fehlberechnung. Dieser strukturelle Fehler setzt sich zudem in allen folgenden Leistungsjahren fort.
Dies führt aber zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung der Job-Sharing-Praxis der Klägerin mit den Job-Sharing-
Praxen, deren Anpassungsfaktor vor dem Quartal II/05 berechnet wird oder deren Aufsatzquartale nach dem Quartal
I/05 liegen. Von daher ist Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-Ä dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass
die Berechnung des Anpassungsfaktors auf der Grundlage identischer Aufsatzquartale, hier der Quartale I bis IV/04
vorzunehmen ist, also das vom Zulassungsausschuss festgesetzte Leistungsvolumen in Verhältnis zu setzen ist mit
der Durchschnittspunktzahl der Fachgruppe, ebenfalls in den genannten Aufsatzquartalen.
Die Beklagte hat zwar grundsätzlich diese Problematik zu einem Teil erkannt, indem sie für das 1. Leistungsjahr nach
Einführung des EBM 2005 den auf einem Vorstandsbeschluss beruhenden sog. Nettohonorarvergleich durchführt,
dessen Rechtsgrundlage die Beklagte nicht angegeben hat und der insoweit fehlerhaft am Honorar selbst ansetzt, als
nach den Vorgaben der Richtlinien ein Leistungsvolumen, nicht aber unmittelbar ein von weiteren Faktoren abhängiges
Honorarvolumen garantiert werden soll. Dieser gilt jedoch nur für das erste Leistungsjahr nach Einführung des EBM
2005. Im Übrigen ist sie der Auffassung, die EBM-bedingten Steigerungen des Punktzahlniveaus würden für die
Folgezeit über den Fachgruppenanpassungsfaktor aufgefangen werden. Die Beklagte ist auch nach Hinweis auf die
strukturellen Mängel des Anpassungsfaktors und ihres – insofern inkonsequenten – Vorgehens bei ihrer Auffassung
geblieben, ohne für ihre Auffassung eine nachvollziehbare Begründung abzugeben.
Auf Aufforderung des Gerichts hat die Beklagte auf der vom Gericht aufgezeigten Grundlage den Anpassungsfaktor
neu errechnet und für das strittige Leistungsjahr eine Vergleichsberechnung im Hinblick auf die dann entstehende
Honorarrückforderung vorgelegt. Die Berechnung ergab für die Jahresquartale I bis IV die Anpassungsfaktoren 1,6074
(zuvor 1,39562287), 1,5545 (zuvor 1,39646092), 1,6831 (zuvor 1,51634975) und 1,6664 (zuvor 1,51247086), die
durchweg über den ursprünglich von der Beklagten berechneten Anpassungsfaktoren lagen, und im Ergebnis für das
strittige Leistungsjahr eine Überschreitung von 14.276,26 EUR. Hieraus folgte die tenorierte Stattgabe der Klage.
Die Klage war aber im Übrigen abzuweisen.
Soweit die Klägerin rügt, sowohl die Festlegung der Gesamtpunktzahlvolumina der Basisquartale als auch die
Beschränkung des zweiten Leistungsjahres seien anhand einer intransparenten Formel errechnet worden, die für sie in
keiner Weise nachvollziehbar sei, vermochte dem die Kammer nicht zu folgen. Nr. 3.1 AÄRL bzw. § 23f BedarfsplRL-
Ä und Nr. 3.4 AÄRL bzw. § 23c BedarfsplRL-Ä geben an, wie die Leistungsbeschränkung berechnet wird. Im Übrigen
ist die Festsetzung mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 21.06.2005, der bestandskräftig
geworden ist, für alle Beteiligten und das Gericht bindend erfolgt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 12.12.2007 – L 4 KA 62/06
– www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. vom
28.01.2009 – B 6 KA 17/08 B – BeckRS).
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den Job-Sharing-Partner Dr. med. AA 50 % des
Leistungsumfangs entfallen.
Nach Nr. 23d Satz 3 BedarfsplRL-Ä hat die Leistungsbeschränkung arztbezogen bei Festsetzung der Obergrenze zu
erfolgen. Nr. 23d Satz 3 BedarfsplRL-Ä bestimmt, dass der Zulassungsausschuss, wenn der Antragsteller in eine
bereits bestehende Gemeinschaftspraxis aufgenommen werden soll, die Berechnungen nach Nr. 23c entsprechend
der Zahl der bereits tätigen Vertragsärzte in der Gemeinschaftspraxis zu mindern ist; handelt es sich um eine
fachverschiedene Gemeinschaftspraxis, so ist für die Leistungsbeschränkung Bezugsgröße das Leistungsvolumen
des fachidentischen Vertragsarztes. Daraus folgt, dass die Berechnung des maßgeblichen aktuellen
Punktzahlvolumens seitens der Beklagten in gleicher Weise zu erfolgen hat. Ansonsten wären Punktzahlobergrenze
und aktuelles Punktzahlvolumen nicht vereinbar. § 23d Satz 3 BedarfsplRL-Ä geht insofern von einer gleichmäßigen
Leistungserbringung in einer fachidentischen Gemeinschaftspraxis aus. Im Übrigen kann sich die Beklagte auch auf
die sog. EHV-Quote stützen, die das tatsächliche Leistungsgeschehen widerspiegeln soll und von der Klägerin in der
Vergangenheit nicht beanstandet wurde. Diese Vorgehensweise ist der Klägerin und ihren beiden Mitgliedern auch
bekannt. Sie ist ihnen bereits im "Berechnungsbogen/Erklärung zum Job Sharing – gemäß § 101 Abs. 1 Sätze 4 und
5 SGB V" mitgeteilt worden, der von beiden Gesellschafter der Klägerin unterschrieben worden ist.
Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 der ab 01.07.2006 geltenden Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der
Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (GEHV), der im Wesentlichen inhaltsgleich in den GEHV i.d.F. v. 02.12.2000
und i.d.F. v. 26.06.2004 enthalten war, gilt: Rechnen mehrere Vertragsärzte im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis
gegenüber der KV Hessen gemeinsam ab, so wird für jeden Vertragsarzt (dieser Gemeinschaftspraxis) ein getrenntes
Konto geführt und das anerkannte Gesamthonorar der an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Vertragsärzte zu
gleichen Teilen aufgeteilt. Weisen die an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Vertragsärzte nach oder stellt die KV
Hessen bei einer Überprüfung von Amts wegen fest, dass diese Aufteilung von den tatsächlichen Gegebenheiten
abweicht, so kann der Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle eine anderweitige Aufteilung beschließen.
Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die EHV-Aufteilung das tatsächliche Leistungsgeschehen
widerspiegelt.
Im Übrigen kommt es hierauf aber letztlich nicht an, da mit der bestandskräftigen Festsetzung durch den
Zulassungsausschuss die Punktzahlenobergrenze und damit auch die anteilige Quote zwischen den Mitgliedern der
Gemeinschaftspraxis festgelegt ist. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, im Verfahren vor dem
Zulassungsausschuss auf eine ggf. andere Aufteilung hinzuwirken oder ggf. nachträglich einen Änderungsantrag zu
stellen.
Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung der Honoraranforderung. Die Beklagte hat dies im Einzelnen
nochmals mit Schriftsatz vom 14.07.2010 dargelegt. Eine fehlerhafte Berechnung ist nicht zu erkennen.
Nicht zu beanstanden war ferner die Berechnung des praxisbezogenen Punktwerts, mit der die zunächst in Punkten
festgestellte Leistungsüberschreitung in Euro-Beträge umgerechnet wurde. Die Beklagte hat dies im Einzelnen im
Gerichtsverfahren dargelegt. Zutreffend hat die Beklagte einen durchschnittlichen Punktwert ermittelt. Das ist der
Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen der Klägerin vergütet wurden. Es besteht kein Anspruch darauf, dass
zunächst die – im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden.
Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen
bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten
Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten
Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R - BSGE 103,
1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte
Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen
Vereinigung mit verursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in
offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer
Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R -, aaO., juris
Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In diesem Sinne handelt es sich auch nicht um eine
fehlerhafte Abrechnung einzelner Leistungen und kann die Leistungsüberschreitung erst nachträglich festgestellt
werden. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur neben ihrer Steuerungsfunktion – der Berechnung des
Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur
praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden.
Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Nach den genannten Regelungen der BedarfsplRL-Ä können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen
Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen
Leistungsjahrs errechnet werden.
Von daher scheidet die Begründung eines Vertrauensschutzes allein aufgrund der Untätigkeit der Beklagten aus.
Aufgrund des Job-Sharing-Verhältnisses war der Klägerin das Bestehen einer Leistungsbegrenzung grundsätzlich
bekannt und musste sie davon ausgehen, dass ihr eine darüber hinausgehende Leistungsvermehrung nicht möglich
war. Soweit ihr die aktuellen Gesamtpunktzahlobergrenzen nicht bekannt waren, muss sie sich an den bisherigen
Festsetzungen orientieren bzw. an der Festsetzung für das Vorjahr. Ggf. hätte sie die Beklagte hierzu um Auskunft
ersuchen können. Insofern kommt dem Anpassungsfaktor eine Schutzwirkung zugunsten einer Job-Sharing-Praxis
zu. Der Anpassungsfaktor ermöglicht der Job-Sharing-Praxis grundsätzlich so zu wachsen, wie auch die Fachgruppe
insgesamt wächst. Es kann hier dahinstehen, ob bereits insofern Vertrauensschutz dahingehend besteht, dass trotz
einer möglicherweise stärkeren Leistungsbegrenzung aufgrund eines "negativen" Wachstums der Fachgruppe der Job-
Sharing-Praxis immer die im ersten Leistungsjahr bzw. später im Vorjahr festgesetzte Leistungsgrenze zuzugestehen
ist, da die Leistungsgrenze des ersten Leistungsjahrs hier nicht unterschritten wird und die Klägerin Vertrauen
aufgrund der Festsetzungen der Folgejahre nicht aufbauen konnte, da ihr diese nicht bekannt waren. Im Übrigen
nimmt die Beklagte aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 28.04.2008 jedenfalls bis zur Bekanntgabe des
Anpassungsfaktors keine Kürzungen unterhalb der ursprünglich festgesetzten Punktzahlobergrenze vor.
Die Beklagte hat allen quartalsmäßig ergehenden Honorarbescheiden ein Schreiben beigefügt, in dem sie u. a.
ausführte:
"Die Prüfung, ob die im Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte angegebenen maximalen
Punktzahlobergrenzen eingehalten worden sind, erfolgt jeweils bezogen auf ein Leistungsjahr. Hierbei ist jedoch zu
beachten, dass sich Überschreitungen mit möglichen Unterschreitungen jeweils innerhalb eines (Jahres-)Blocks von
vier aufeinanderfolgenden Quartalen ausgleichen. Anbei erhalten Sie Ihre Honorarunterlagen des o. g. Quartals
vorbehaltlich eventueller Honorarrückforderungen durch die Job-Sharing-Berechnung. Bezüglich der Prüfung ihrer
Abrechnung im Hinblick auf die Einhaltung der Punktzahlobergrenze im Rahmen des Job-Sharings werden wir Sie
jeweils nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres mit einem gesonderten Schreiben informieren."
Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom 09.09.2010 - S 12 KA 126/10 -, Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA
71, 72 u 73/10 – aufgrund dieser Schreiben Vertrauensschutz zugebilligt hat, hat sie wesentlich darauf abgestellt,
dass die Beklagte gerade trotz Ankündigung einer Überprüfung über Jahre hinweg untätig geblieben war. Im Fall der
dortigen Klägerin lagen jedenfalls wenigstens auch im dritten und vierten Leistungsjahr nicht unerhebliche
Überschreitungen der Leistungsbegrenzung vor, die die Beklagte nicht zu einer Rückforderung veranlasst hat, bzw. es
war bei einer Überprüfung dann wegen Überschreitens der vierjährigen Verjährungsfrist eine Rückforderung nicht mehr
möglich. Damit habe die Beklagte auch für die Job-Sharing-Praxis einen Vertrauenstatbestand gesetzt, als sie eine –
letztlich unmittelbare – Prüfung nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres angekündigt habe. Soweit die Beklagte
aber dann untätig geblieben sei, habe sich das Vertrauen bilden können, die Prüfung der Beklagten habe ergeben,
dass eine Leistungsüberschreitung nicht vorliege oder aber die Beklagte werde von einer Rückforderung absehen.
Dies gelte insbesondere für die Klägerin, die über Jahre bzw. 28 Quartale hinweg solche Schreiben erhalten habe,
ohne dass eine weitere Reaktion der Beklagten erfolgt sei.
Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Von daher war der Klägerin im Hinblick auf die genannten
Schreiben, auf die sich die Klägerin im Übrigen auch nicht beruft, kein Vertrauensschutz zuzubilligen.
Soweit der Kläger auf die Beratung der Bezirksstelle ZZ. verweist, trägt er vor, es sei kein Hinweis erfolgt, dass eine
nachträgliche Rückforderung erfolgen könne. Damit wird aber nicht vorgetragen, es sei ihm versichert worden, eine
nachträgliche Rückforderung werde nicht erfolgen. Eines ausdrücklichen Hinweises bedurfte es aber nicht. Bereits aus
den genannten Regelungen folgt, dass eine Rückforderung erst nach Abschluss eines Leistungsjahres erfolgen kann.
Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die genannten Schreiben ausdrücklich auf eine nachträgliche Überprüfung
hingewiesen worden sind. Insofern handelt es sich um einen Irrtum der Klägerin über die Folgen des Job-Sharings, der
von fehlerhaften Vorstellungen ihrerseits herrührt, aber bereits nach ihrem Vortrag nicht von einer fehlerhaften
Beratung der Beklagten.
Soweit die Beklagte verpflichtet ist, den Anpassungsfaktor von Amts wegen mitzuteilen, und dieser Verpflichtung erst
im Rückforderungsbescheid nachgekommen ist, folgt daraus nicht zwingend die Rechtswidrigkeit der Rückforderung.
Der Anpassungsfaktor dient, auch nicht in Zusammenhang mit der vom Zulassungsausschuss festgesetzten
Obergrenze, einer Steuerungsfunktion in dem Sinne, dass eine Job-Sharing-Praxis von einem vermehrten
Leistungsgeschehen abgehalten werden soll. Diese Funktion kommt nur der Obergrenze selbst zu. Demgegenüber
dient der Anpassungsfaktor, wie bereits ausgeführt, dem Schutz der Job-Sharing-Praxis, an allgemeinen
Leistungsveränderungen innerhalb der Fachgruppe gleichberechtigt teilzunehmen. Von daher ist weder die
grundsätzlich auch nur rückwirkend mögliche Mitteilung des Anpassungsfaktors zu beanstanden noch folgt aus der
zunächst unterbliebenen Mitteilung die Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheids.
Nach allem war der Klage lediglich im tenorierten Umfang stattzugeben und war sie im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kosten des Verfahrens
waren nach den Teilen des Obsiegens und Unterliegens aufzuteilen.