Urteil des SozG Hamburg vom 20.12.2001

SozG Hamburg: berufskrankheit, anerkennung, dokumentation, wahrscheinlichkeit, bandscheibenvorfall, osteochondrose, rente, spondylarthrose, arbeitsgemeinschaft, firma

Sozialgericht Hamburg
Urteil vom 20.12.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hamburg S 25 U 203/01
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2001 wird
aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV
festzustellen und eine Rente aufgrund einer MdE von 20 % ab April 1998 zu gewähren. 3. Die Beklagte hat die
notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV)
vorliegt und er Anspruch auf Entschädigungsleistungen der Beklagten hat.
Der 1948 geborene Kläger, der gelernter Feinmechaniker ist, war von April 1976 bis Januar 1978 als Kraftfahrer, von
Februar 1978 bis April 1998 als Straßenbauer bei der Firma K. beschäftigt. Nach seinen Angaben musste er als
Straßenbauer Gehwegplatten und Pflastersteine verlegen, Straßenkanten heben sowie Boden ausheben; hierbei waren
Gewichte von über 50 kg zu tragen.
Wegen starker Schmerzen im rechten Ellenbogengelenk sowie Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule befand
sich der Kläger im Rahmen eines Heilverfahrens in der Zeit vom 30.06. bis 11.08.1993 in der Klinik N. in Bad N ...
Zum Entlassungszeitpunkt war er seitens der Lendenwirbelsäule völlig beschwerdefrei. Vom 24.05. bis 05.07.1995
führte der Kläger ein weiteres Heilverfahren in Bad N. wegen Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule
durch. Die Entlassungsdiagnose lautete: Rezidivierende Lumbalgien bei Wirbelsäulenfehlstatik und bekannter
Bandscheibenprotrusion L5/S1, ISG-Affektionen links. Bei Entlassung war die Wirbelsäule schmerzfrei und
uneingeschränkt beweglich. Der Kläger wurde als arbeitsfähig entlassen mit dem Hinweis, dass zukünftig möglichst
schwere körperliche Arbeiten vermieden und vor allem im Berufsleben wirbelsäulenschonende Verhaltensabläufe
beizubehalten seien.
Im August 1995 bat die AOK Hamburg um Prüfung, ob eine Berufskrankheit bei dem Kläger nach der Nr. 2108 der
Anlage zur BKV vorliege. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte daraufhin in seiner Stellungnahme
vom 03.04.1996 aus, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Kraftfahrer zeitweise gefährdende Tätigkeiten im
Sinne der BK 2108 ausgeführt habe, jedoch nicht in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten mit der
entsprechenden Häufigkeit. Während der Tätigkeit als Straßenbauer habe er alle Tätigkeiten, die in diesem Bereich
anfielen, ausgeübt. Der Technische Aufsichtsdienst verwies sodann auf die "Dokumentation des Belastungsumfangs
des Straßenbauers der Arbeitsgemeinschaft der Bauberufsgenossenschaften, Stand: 01/96". In dieser
"Dokumentation" wird das Tätigkeits- und Belastungsprofil des "typischen" Straßenbauers beschrieben. Die Belastung
durch Heben und Tragen von Lasten über 25 kg wird darin mit einem Zeitanteil von ca. 15 % (Heben) bzw. ca. 10 %
(Tragen) eingeschätzt. Die extremen Rumpfbeugehaltungen (Rumpfbeugewinkel mindestens 90 Grad) werden mit
einem Zeitanteil von ca. 15 % eingeschätzt. Es werden außerdem Tätigkeiten beschrieben, die mit dem Heben und
Tragen von Lastgewichten unter 25 kg verbunden sind, die aber teilweise weit vom Körper entfernt gehoben oder
getragen werden müssen. Die entsprechenden Zeitanteile werden wie folgt eingeschätzt:
Heben von Lastgewichten von 10 bis 25 kg ca. 10 %,
Tragen von Lastgewichten von 10 bis 25 kg ca. 5 %,
Heben von Lastgewichten von weniger als 10 kg ca. 5 %,
Tragen von Lastgewichten von weniger als 10 kg ca. 5 %.
In einem internen Vermerk stellte die Beklagte fest, dass der Kläger langjährig, in der überwiegenden Anzahl der
Arbeitsschichten und mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit (Intensität) schwer gehoben und getragen
sowie in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet habe (ca. 17 1/3 Jahre und mehr). Es sei bewiesen, dass die
arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 2108 vorlägen.
Die Beklagte ließ nunmehr ein chirurgisches Gutachten durch das Medizinische Gutachteninstitut H. (Herrn M.) vom
02.12.1996 nach Untersuchung am 18.11.1996 erstellen. Herr M. führte aus, dass ein mehrsegmentales Schadensbild
der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule, von oben nach unten zunehmend, mit rezidivierenden Funktionsstörungen
vorläge. Der Kläger sei als Straßenbauer ohne Zweifel einer gefährdenden Exposition ausgesetzt. Es würden Hebe-
und Tragearbeiten mit Gewichten von mehr als 25 kg durchschnittlich zu 25 % Zeitanteil abverlangt. Hinzu komme
eine nicht zu unterschätzende Rumpfbeugehaltung, die ebenfalls bei einem Zeitanteil von 15 % liege. Das
Schadensbild sehe er als belastungskonform an. Es lägen weiterhin über einen längeren Zeitraum wiederkehrende
Funktionsstörungen vor mit im Laufe der Zeit länger werdenden Arbeitsunfähigkeitszeiten. Der Kläger habe die
Tätigkeit nicht aufgegeben. Dies wolle er auch auf keinen Fall. Er habe es geschafft, Arbeitsspitzen abzubauen. Herr
M. führte weiter aus, dass es medizinisch ein Fehler wäre, den Kläger aus seiner Arbeit herauszunehmen, da
erfahrungsgemäß bei fehlender körperlicher Belastung ein vorbestehendes Rückenleiden sich eher verschlimmere als
bessere. Eine Überlastung müsse jedoch vermieden werden.
Die staatliche Gewerbeärztin führte in ihrer Stellungnahme vom 06.03.1997 aus, die arbeitstechnischen
Voraussetzungen im Sinne der BK 2108 seien erfüllt. Es sei ein belastungstypisches Schadensbild beschrieben
worden. Eine anlagebedingte bzw. außerberufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich
der Lendenwirbelsäule habe nicht festgestellt werden können. Die Zusammenhangsfrage zwischen Erkrankung und
beruflicher Belastung werde bejaht. Die Voraussetzungen zur Anerkennung als Berufskrankheit seien jedoch nicht
erfüllt, da der Kläger seine Tätigkeit nicht aufgegeben habe und vorerst auch nicht aufgeben möchte. Bei Aufgabe der
wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit würde die MdE zum jetzigen Zeitpunkt auf 10 % geschätzt.
Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Technische Aufsichtsdienst in seiner Stellungnahme vom 08.07.1997, auf
Grund seiner örtlichen Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der Kläger nach wie vor alle anfallenden Tätigkeiten
im Bereich des fahrbaren Unterbaus sowie der Straßendecke durchführe. Er versuche zwar in Zusammenarbeit mit
Arbeitskollegen und Vorgesetzten Belastungsspitzen zu vermeiden. Damit vermindere sich der Belastungsumfang
aber im Höchstfall um 5 bis 10 %. Insgesamt übe der Kläger zu 30 % der Arbeitszeit gefährdende Tätigkeiten im
Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 aus.
Mit Schreiben vom 10.07.1998 teilte der behandelnde Arzt des Klägers, Dr. W., mit, dass der Kläger am 30.04.1998
von seiner Firma entlassen worden sei. Der offizielle Kündigungsgrund seien mangelnde Arbeitsaufträge gewesen.
Inoffiziell habe der Firmenchef aber durchblicken lassen, dass die Häufung von Krankheitstagen mit entscheidend für
die Entlassung gewesen sei. Die AOK Hamburg teilte auf Nachfrage Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 25.09. bis
02.11.1997, 17.11. bis 28.11.1997, 15.12. bis 31.12.1997, 10.02. bis 08.03.1998 und 27.04. bis 03.05.1998 wegen
eines Lendenwirbelsäulensyndroms mit.
Auf Grund der nunmehr erfolgten Aufgabe der Tätigkeit holte die Beklagte ein weiteres chirurgisches Gutachten aus
dem Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. (Dr. G.) vom 22.01.1999 nach Untersuchung am 12.01.1999
ein. Dr. G. führte aus, dass bei dem Kläger mehrsegmentale degenerative Bandscheibenveränderungen von L2/L3 bis
L5/S1 vorlägen, welche in der unteren Lendenwirbelsäule betont seien. Es handele sich um eine deutliche
Osteochondrose L5/S1, einen dorsomedialen, links betonten Bandscheibenvorfall L5/S1, ohne neurologische Reiz-
oder Ausfallsymptomatik, eine links betonte Spondylarthrose L5/S1, eine mäßige Osteochondrose L4/L5, eine
bilaterale intraforaminale Bandscheibenprotrusion L4/L5 ohne neurologische Reiz- oder Ausfallsymptomatik, eine
linksbetonte Spondylarthrose L4/L5, einen rechtsseitigen intra-/extraforaminalen Bandscheibenvorfall L3/L4 ohne
neurologische Reiz- oder Ausfallsymptomatik, einen rechtsseitigen intra-/extraforaminalen Bandscheibenvorfall L2/L3
ohne neurologische Reiz- oder Ausfallsymptomatik. Dr. G. führte weiter aus, dass die länger dauernden
Arbeitsunfähigkeitszeiten seit September 1997 zeigen würden, dass ab diesem Zeitpunkt ein chronisch
rezidivierendes Krankheitsbild vorliege, welches unter den Belastungen der Tätigkeit als Straßenbauer therapeutisch
nicht mehr ausreichend beeinflussbar gewesen sei. Aus medizinischer Sicht habe am 27.04.1998 ein Zwang zur
Aufgabe aller belastenden Tätigkeiten im Sinne der BK 2108 auf Dauer bestanden. Auf Grund der nur mäßigen
Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, ohne klinischen oder radiologischen Hinweis auf eine segmentale
Instabilität schätze er bei Fehlen einer neurologischen Reiz- oder Ausfallsymptomatik die MdE auf 10 % ein.
Da der Beklagten nunmehr Zweifel daran kamen, dass die im Jahre 1996 vorgenommene Belastungsbewertung dem
neuesten Stand der biomechanischen Erkenntnisse entspreche, nahm sie eine erneute Prüfung unter Anwendung des
"Mainz-Dortmunder-Dosismodells" (MDD) von Jäger/Luttmann, Bolm-Audorff, Hartung u.a. vor, abgedruckt in
Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 1999, 101 ff., 143 ff. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten
kam in seiner Stellungnahme vom 18.04.2000 zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom
03.04.1996 sowie den Ermittlungen in vergleichbaren Berufskrankheitenfällen sich für die einzelnen
Belastungsabschnitte bei der Tätigkeit als Straßenbauer eine Beurteilungsdosis für den Tag – je nach Arbeitseinsatz
– zwischen 3.683 Newton-Stunden (Nh) und 6.876 Nh errechne. Die Gesamtdosis für den Zeitraum von 1978 bis 1998
betrage 17.572.110 Nh. Der Richtwert nach dem MDD betrage 25 Mio. Nh. Die Tätigkeit als Kraftfahrer von 1976 bis
Januar 1978 sei nicht zu berücksichtigen, da nach dem MDD nur Belastungen berücksichtigt werden dürften, die an
mehr als 110 Arbeitstagen aufgetreten seien.
Während seiner Tätigkeit als Straßenbauer habe der Kläger an 40 Tagen im Jahr eine Dosis von 6.780 Nh erreicht, an
weiteren 40 Tagen eine Dosis von 6.876 Nh, an weiteren 50 Tagen eine Dosis von 5.684 Nh. Daraus ergebe sich eine
Gesamtdosis von 17.572.110 Nh. Die an weiteren 50 Tagen pro Jahr erzielte Dosis von 5.062 Nh bzw. an 20 Tagen
pro Jahr erzielte Dosis von 3.683 Nh seien nicht zu berücksichtigen, da sie unter der Mindesttagesdosis nach dem
MDD von 5.500 Nh lägen.
Mit Bescheid vom 23.08.2000 lehnte die Beklagte nunmehr den Anspruch auf Entschädigungsleistungen ab mit der
Begründung, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 und/oder 2110 der Anlage zur BKV liege bei dem Kläger nicht vor.
Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei von einer Gefährdung der Lendenwirbelsäule auszugehen, wenn die auf
den Bereich der Lendenwirbelsäulenregion auftretende Druckkraft einen Wert von mehr als 3.200 N (Newton) betrage
und die Summe der Belastung pro Arbeitsschicht mindestens 5.500 Nh entspreche. Die arbeitstechnischen
Voraussetzungen seien als gegeben anzusehen, wenn die Gesamtdosis zu Beginn der Erkrankung 25 Mio. Nh
erreiche. Diese Dosis werde von dem Kläger nicht erreicht. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 27.03.2001 zurück.
Mit der am 26.04.2001 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2001
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV
anzuerkennen und ihm eine Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2001 ein chirurgisches Gutachtens durch
das Medizinische Gutachteninstitut H. (Herr M.) vom 05.12.2001 nach Untersuchung am 26.11.2001 erstellen lassen.
Herr M. hat die bekannte mehrsegmentale bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule bestätigt und
ausgeführt, dass alle Voraussetzungen vorlägen, wie sie bei einem so genannten belastungskonformen Schadensbild
zu fordern seien. Es lägen ausschließlich degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule vor, nicht der
Halswirbelsäule- oder der Brustwirbelsäule. Es fänden sich auch keine Prädiskosen im Bereich der Lendenwirbelsäule.
Die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule hätten im Laufe der Jahre etwas zugenommen. Auffallend
seien Osteochondrosen der Deck- und Bodenplatten, spondylotische Randkantenausziehungen sowie
Zwischenwirbelraumverschmälerungen, die von oben nach unten zunähmen. Derartige Osteochondrosen und
Spondylosen würden auch als belastungsadaptive Prozesse bezeichnet. Er habe große Probleme, bei einem
derartigen Schadensbild und einem belastungskonformen Verlauf sowie einem Belastungsumfang von ca. 70 % der
geforderten Dosis nicht die Tätigkeit als ursächlich für das Schadensbild anzusehen. Dies sei aber eine juristische
Entscheidung. Er habe in zahlreichen Fällen die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 vorgeschlagen, bei
denen nur 70 bis 80 % der nach dem Belastungsmodell von Hartung/Dupuis geforderten Belastung von 12 x 106 Nh
erreicht worden seien. Dies habe er damit begründet, dass eine so exakte Abgrenzung nicht vorgenommen werden
könne und die individuelle Konstitution durchaus mit zu berücksichtigen sei.
Der medizinische Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass er die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 %
ab April 1998 einschätze. Eine MdE von 10 % sei gerechtfertigt, wenn es sich um eine leichte Funktionsstörung
handele mit gelegentlich wiederkehrenden funktionellen Beschwerden. Der Kläger leide aber unter einem anhaltenden
Beschwerdebild, unter anhaltenden Muskelreizerscheinungen und einer anhaltenden Bewegungseinschränkung. Es
handele sich um eine zumindest mittelschwere Funktionsstörung, die mit einer MdE von 20 % zu berücksichtigen sei.
Im Bereich der Wirbelsäule komme es häufig nicht so sehr auf das in der Untersuchungssituation gemessene
Funktionsmaß an, da dieses auch vom jeweiligen Probanden mit bestimmt werden könne. Wenn der Kläger sich
sichtlich bemühe und eine gute Funktion in der Untersuchung darbiete, dann heiße dies nicht, dass eine derart gute
Funktion auch in der Belastungssituation vorliege. Eine derartige Wirbelsäule dekompensiere bereits rasch unter
dauerhafter mittelschwerer Belastung. Schwere Belastung würde zur sofortigen Dekompensation führen. Diese
Kriterien müssten bei der MdE-Einschätzung bei bandscheibenbedingter Erkrankung berücksichtigt werden.
Weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der
Beklagten, deren Inhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2001 ist
rechtswidrig. Bei dem Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vor; durch diese
Erkrankung wird seine Erwerbsfähigkeit zu 20 % gemindert, sodass er Anspruch auf eine Rente hat.
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des
Bundesrates bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden (§
9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII - ). Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten
Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der
Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in
extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die
Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten".
Was unter "langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten" zu verstehen ist, hat weder der Gesetz- noch der
Verordnungsgeber festgelegt. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 02.05.2001 (-B 2U 16/00 R –
Breithaupt 2001,791 ff.) ausgeführt hat, hat der Verordnungsgeber gezielt auslegungsbedürftige unbestimmte
Rechtsbegriffe gewählt, um die schädigende Exposition zu kennzeichnen. Es seien, so das BSG, bewusst keine
konkreten Belastungsarten mit genau festgelegten Grenzwerten angegeben worden, um u.a. die Berücksichtigung
neuerer – im Wesentlichen medizinischer – nach Erlass der Verordnung gewonnener bzw. bekannt gewordener
Erkenntnisse zu ermöglichen. Das BSG hat darauf hingewiesen, dass erhebliche Unklarheiten und eine große
Spannweite hinsichtlich der Konkretisierung der die "arbeitstechnischen Voraussetzungen" bezeichnenden Begriffe
bestünden. Es sei Aufgabe der Tatsachengerichte, unter Zuhilfenahme medizinischer Sachkunde zu prüfen, welche
Einwirkungen nach den neuesten gesicherten medizinischen Erkenntnissen geeignet seien, bandscheibenbedingte
Erkrankungen der Lendenwirbelsäule herbeizuführen. Medizinische Erfahrungssätze müssten auf wissenschaftlicher
Grundlage basieren und von den beteiligten Fachkreisen überwiegend zumindest akzeptiert werden. Es reiche nicht
aus, lediglich die medizinischen Erkenntnisse heranzuziehen, die den Verordnungsgeber bewogen hätten, die
Berufskrankheit in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen. Auch die Ausführungen in dem vom ärztlichen
Sachverständigenbeirat – Sektion Berufskrankheiten – beim Bundesministerium für Arbeit (BMA) erarbeiteten
Merkblätter enthielten keine verbindlichen Regelungen hinsichtlich der "arbeitstechnischen Voraussetzungen".
Vielmehr handele es sich hierbei um rechtlich unverbindliche Hinweise an den Arzt für die Beurteilung im Einzelfall
aus arbeitsmedizinischer Sicht. Als antizipierte Sachverständigengutachten oder als Dokumentation des Standes der
einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft könnten sie nicht verwendet werden.
Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist daher weder, dass die wirbelsäulenbelastenden
Tätigkeiten im Durchschnitt wenigstens während eines Drittels der täglichen Arbeitszeit verrichtet worden sein
müssen noch das Erfordernis eines 10-Jahres-Zeitraums (BSG a.a.O. und Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R).
Auch für die Höhe der Lastgewichte gibt es keine verbindlichen Vorgaben. Das BMA-Merkblatt selbst spricht nur von
"Anhaltspunkten", die wie folgt benannt werden:
Alter in Jahren Frauen Männer
- 17 10 kg 15 kg
18 bis 39 15 kg 25 kg
+ 40 10 kg 20 kg
Diese Werte gelten für eng am Körper getragene Gewichte. Es handelt sich hierbei um Grenzwerte unter präventiv-
medizinischen Gesichtspunkten. Als feststehende Belastungswerte sind sie daher nicht geeignet.
Nach dem Merkblatt des BMA verursacht das Heben und Tragen schwerer Lasten eine erhebliche Belastung der
Bandscheiben im Bereich der Lendenwirbelsäule, insbesondere am Übergang L5/S1, die – entsprechend dem
Hebelgesetz – abhängig ist vom Gewicht der Last und dem Abstand der Last von der Bandscheibe. Druckerhöhend
wirken Körpergewicht und Kraft der Rückenmuskulatur, Drucksenkend die Bauchpresse. Wegen der Vielzahl
relevanter Einflussgrößen für die Beanspruchung der Wirbelsäule beim Heben oder Tragen von Lasten kann alleine
aus bestimmten Lastgewichten ein für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs tauglicher Belastungsgrenzwert
nicht abgeleitet werden (Dupuis, Hartung, BG 1994, 452). Dennoch ist immer wieder versucht worden, Modelle zu
entwickeln, die die Frage, bei welcher Belastungshöhe die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung
einer BK Nr. 2108 erfüllt sind, beantworten helfen. Weite Verbreitung fand zunächst ein Verfahren der Süddeutschen
Metall-Berufsgenossenschaft, das von Emil Hartung (Hartung 1995, 1997) entwickelt wurde: Hierbei wurde die
Tagesbelastungsdosis durch Heben oder Tragen als das Produkt aus der Druckkraft, die auf die Bandscheibe einwirkt
(und die aus experimentellen Untersuchungen abgeleitet wurde), und der Anzahl und der Dauer der einzelnen
Belastungsphasen pro Arbeitstag berechnet. Unter Berücksichtigung definierter Schwellenwerte errechnete sich eine
kumulative Gesamtdosis der lumbalen Druckkraft.
Da sich dieses Modell zur Bestimmung der Belastungsdosis von Kranken- und Altenpflegerinnen als nicht geeignet
erwies, wurde ein neues Modell, das so genannte Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) entwickelt. Dieses Modell
sollte übergreifend für alle Gewerbezweige die Möglichkeit einer einheitlichen Belastungsbewertung und Prüfung der
arbeitstechnischen Voraussetzungen bieten. Es beruht auf einer retrospektiven Belastungsbetrachtung für die
Hafenarbeiter, Stahlbetonbauer und Krankenschwestern aus den der Einführung der BK Nr. 2108 zu Grunde liegenden
Studien sowie einem umfangreichen Formelwerk. Zunächst wird dabei die Belastungshöhe, d. h. die Druckkraft F
beim jeweiligen Arbeitsvorgang in Abhängigkeit von der Art der Tätigkeit und dem Gewicht L der Last an Hand einer
Tabelle bestimmt. Für die Belastungshöhe pro Vorgang wird ein Mindestwert von 3.200 Newton (N) bei Männern bzw.
2.500 N bei Frauen gefordert. Der zweite Schritt ist die Berechnung der Tagesdosis. Die Mindesttagesdosis beträgt
nach dem MDD für Männer 5.500 (Nh), für Frauen 3.500 Nh. In einem dritten Schritt ist dann aus der Summe der
Tagesdosen die Gesamtlebensdosis zu errechnen. Als Mindestgesamtdosis werden für Männer 25 x 106 Nh und für
Frauen 17 x 106 Nh gefordert. Diese Mindestgesamtdosis für Männer wird ausgehend von der Mindesttagesdosis von
5.500 Nh (= 500 Hübe á 20 kg) erst nach rd. 20½ Jahren mit jeweils 220 Schichten pro Jahr und insgesamt 2.272.500
Hüben erreicht (Becker, Sozialgerichtsbarkeit 2001, 488 ff.).
Inzwischen ist das MDD kritisiert worden. Seidler, Bolm-Audorff u.a. haben in ihrem Bericht "Der Einsatz des Mainz-
Dortmunder-Dosismodells in einer Fall-Kontroll-Studie zu den beruflichen Risiken bandscheibenbedingter
Erkrankungen" (abgedruckt in: Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 36, I, 2100, S. 10 ff.) ausgeführt, dass das MDD
in seiner ursprünglichen Form nicht in der Lage sei, die beruflichen Risiken für die Entwicklung einer symptomatischen
Osteochondrose/Spondylose adäquat abzubilden, denn bereits weit unter dem vorgesehenen Grenzwert von 25 Mega-
Nh fänden sich erheblich erhöhte Erkrankungsrisiken. Die MDD-Schwellenwerte (Druckkraft von 3.200 N,
schichtbezogene Beurteilungsdosis von 5.500 Nh; Gesamtdosis-Richtwert von 25 Mega-Nh)) hätten sich insgesamt
als verzichtbar und einer adäquaten Beschreibung des Dosis-Wirkungs-Zusammenhangs abträglich erwiesen.
Neben der Kritik an der empirischen Grundlage des MDD wird in der Studie auf die unterschiedliche Bewertung
gleicher kumulativer "Belastungsmengen" in Abhängigkeit von der Verteilung der Belastung auf einzelne Tage
hingewiesen: Wenn beispielsweise ein Gewicht von 26 kg über 100 Schichten jeweils 1 ½ Stunden lang vor oder
neben dem Körper getragen wird (die Druckkraft von 3200 N wird damit gerade erreicht), so ergibt sich in einem Jahr
eine Gesamtdosis von 1,11 Mega Nh. Wenn hingegen das gleiche Gewicht über 150 Schichten jeweils 1 Stunde lang
vor oder neben dem Körper getragen wird, so liegt die Gesamtdosis um 22% höher, obwohl auf das Jahr bezogen
ebenfalls 150 Stunden lang ein Gewicht von 26 kg getragen wird. Diese unterschiedliche Bewertung der gleichen
"Belastungsmengen" sei, so die Studie, biomechanisch schwerlich zu begründen ... Empfohlen wird deshalb die
Einbeziehung aller Hebe- und Tragevorgänge (sofern Gewichte ab 5 kg bewegt werden) und eine deutliche Absenkung
des Dosisrichtwerts von 25 Mega-Nh.
Die Kritik am MDD wird geteilt von Becker (a.a.O.), der zusätzlich darauf hinweist, dass das MDD in keiner Weise den
jeweiligen individuellen Versicherten berücksichtige, obwohl für die Beurteilung der Schwere eines Gewichts die
körperliche Konstitution des Versicherten, vor allem seine Körpergröße und – Gewicht, von Bedeutung seien. Sein
Vorschlag geht dahin, eine untere Gesamtdosis von 2 x 106 Nh zu Grunde zu legen, da die Studie von Seidler gezeigt
habe, dass schon bei dieser Dosis ein erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der
Lendenwirbelsäule vorliege.
Unter Berücksichtigung dieser Bewertungen ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine
Lebensbelastungsdosis von 25 Mega-Nh keinesfalls Voraussetzung für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 sein kann.
Anders als das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 10.05.2000 (L 17 U 296/97 – Breithaupt 2000, 1025 ff.)
sieht das Gericht die Unterschreitung des nach dem MDD geforderten Richtwerts von 25 Mega-Nh nicht als Grund an,
eine BK Nr. 2108 nicht anzuerkennen. Der Wert von 25 Mega-Nh kann nicht als Grenzwert im Sinne einer strikten
Ausschlusswirkung verstanden werden. Eine Unterschreitung des Wertes zwingt lediglich zu besonderen
Anforderungen an die Begründung der Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs unter Berücksichtigung der
übrigen Beurteilungskriterien. Ein festes Maß, wann eine Unterschreitung des Richtwertes so erheblich ist, dass ein
Ursachenzusammenhang keinesfalls wahrscheinlich zu machen ist, wurde bisher nicht definiert ( Mehrtens/Perlebach
M 2108 Anm. 7.3).
Vor diesem Hintergrund ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass die Frage, ob der Kläger im
vorliegenden Fall langjährig schwere Lasten gehoben und/oder getragen hat, nicht anhand des MDD zu beantworten
ist. Eine bessere Beurteilungsgrundlage ist vielmehr für die hier ausgeübte Tätigkeit des Straßenbauers die
entsprechende "Dokumentation" der Arbeitsgemeinschaft der Bauberufsgenossenschaften. Diese beschreibt die
Tätigkeitsbereiche und beurteilt den auf eine Arbeitsschicht bezogenen Belastungsumfang. Nach den Feststellungen
des Technischen Aufsichtsdienstes hat der Kläger alle als Straßenbauer anfallenden Tätigkeiten ausgeübt und damit
nach der "Dokumentation" zu ca. 25% der Arbeitsschicht Lasten von 25 kg und mehr gehoben und getragen und zu
ca. 15% der Arbeitsschicht Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (90° und mehr) verrichtet. Darüber hinaus hat er
Gewichte von unter 25 kg teilweise weit vom Körper entfernt gehoben und getragen. Den sich daraus ergebenden
Belastungen war er mehr als 17 Jahre ausgesetzt. Sowohl die staatliche Gewerbeärztin als auch die medizinischen
Sachverständigen haben dies als ausreichende gefährdende Exposition angesehen. Das Gericht hat diese
Einschätzung für überzeugend gehalten und sie sich zu eigen gemacht. Damit ist das Tatbestandsmerkmal
"langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten" als erfüllt anzusehen.
Allein das Vorliegen der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen und einer bandscheibenbedingten
Erkrankung ( die hier zweifellos vorliegt), reicht für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 aber nicht aus. Es gibt
keinen gesicherten Erfahrungssatz, dass nach langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten die
bandscheibenbedingte Erkrankung beruflich verursacht ist. Tatsache ist vielmehr, dass degenerative Veränderungen
der Wirbelsäule unabhängig vom Heben und Tragen schwerer Lasten häufig vorkommen. Es müssen deshalb Kriterien
gefunden werden, die für oder gegen eine berufliche (Mit) Verursachung sprechen.
Nach den derzeitigen medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnissen (Mehrtens/Perlebach, Die
Berufskrankheitenverordnung, Stand: November 2001, M 2108 Anmerkung 1 ff. , S. 12 ff;
Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S. 525 ff.) sprechen folgende
Umstände für eine beruflich bedingte Verursachung des Bandscheibenschadens:
Ein belastungskonformes Schadensbild mit von oben nach unten zunehmenden Schäden, ein Auftreten der
Beschwerden nach einer beruflichen Belastung von mehr als zehn Jahren sowie eine plausible zeitliche Korrelation
der Entwicklung des Schadensbildes mit den beruflichen Belastungen und ein deutlich altersvorauseilender
Verschleiß.
Nach den überzeugenden Ausführungen der medizinischen Sachverständigen Dr. G. und M. liegen bei dem Kläger
mehrsegmentale degenerative Bandscheibenveränderungen von L2/L3 bis L5/S1 vor, welche in der unteren
Lendenwirbelsäule betont sind. Es finden sich ausschließlich degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule,
nicht der Halswirbelsäule oder der Brustwirbelsäule. Im Laufe der Jahre haben die degenerativen Veränderungen
zugenommen. Anfang der 90er-Jahre traten wiederkehrende Nervenwurzelreizerscheinungen auf. Die degenerativen
Veränderungen der Lendenwirbelsäule traten deutlich früher auf, als dies bei einem Probanden aus dem nicht
belasteten Normalkollektiv hätte erwartet werden können. Prädiskosen, die eine derartige bandscheibenbedingte
Erkrankung erklären könnten, fanden sich bei dem Kläger nicht.
Darüber hinaus sind bei dem Kläger Osteochondrosen der Deck- und Bodenplatten, spondylotische
Randkantenausziehungen sowie Zwischenwirbelraumverschmälerungen festzustellen, die von oben nach unten
zunehmen. Nach den Ergebnissen epidemiologischer Studien treten bei körperlich überdurchschnittlich belasteten
Personen dem Lebensalter vorauseilende osteochondrotische Veränderungen, bevorzugt an der unteren
Lendenwirbelsäule und spondylotische Veränderungen an der unteren Brustwirbelsäule mit Ausdehnung auf die obere
Lendenwirbelsäule auf. Diese so genannten belastungsadaptiven Reaktionen sind für einen medizinischen Laien
anschaulich mit der Hohlhandverschwielung eines Schmiedes verglichen worden. Nach Auffassung des
Landessozialgerichts Niedersachsen (Urteil vom 06.04.2000 - L 6 U 163/99 ZVW, Breithaupt 2000, 818) stellen die
belastungsadaptiven Reaktionen sogar das einzige Kriterium dar, dass auf die berufliche Verursachung einer
bandscheibenbedingten Erkrankung hinweist.
Zusammengefasst liegen also bei dem Kläger eine Reihe von Umständen vor, die für eine beruflich bedingte
Verursachung des Bandscheibenschadens sprechen. Demgegenüber finden sich keine Umstände, die für einen rein
schicksalhaften Degenerationsprozess sprechen.
Während die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, reicht für die Feststellung des ursächlichen
Zusammenhangs die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn
nach ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel an
einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen danach
die gegenteiligen deutlich überwiegen (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Sowohl Dr. G. als auch Herr M.
haben für das Gericht überzeugend dargelegt, welche Umstände für einen Ursachenzusammenhang sprechen. Ernste
Zweifel an der beruflichen Verursachung haben sie nicht gehabt. Das Gericht hat die Ausführungen für nachvollziehbar
gehalten und sich ihnen angeschlossen.
Hinsichtlich der Einschätzung der MdE ist das Gericht den überzeugenden Ausführungen von Herrn M. gefolgt. Er hat
bei dem Kläger eine mittelschwere Funktionsstörung festgestellt, und für diese eine MdE von 20 % für angemessen
gehalten. Dies hat er damit begründet, dass bei einem mehrsegmentalen Schadensbild der Bandscheiben,
einhergehend mit einer Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und Muskelreizerscheinungen, die Belastbarkeit der
Wirbelsäule derart herabgesetzt sei, dass dem Betroffenen große Teile der Arbeitswelt verschlossen seien. Eine
derartig geschädigte Wirbelsäule dekompensiere bereits rasch unter dauerhafter mittelschwerer Belastung, bei
schwerer Belastung sofort. Dieser Umstand müsse berücksichtigt werden. Allein eine gute Funktion in der
Untersuchungssituation sei für die Einschätzung nicht entscheidend. Das Gericht hat diese Ausführungen für
nachvollziehbar gehalten und sich ihnen angeschlossen. Dem Kläger steht daher seit Aufgabe der Tätigkeit im April
1998 eine Verletztenrente auf Grund einer MdE von 20 % zu.
Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits und beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.