Urteil des SozG Aachen vom 15.09.2009

SozG Aachen (kläger, sozialhilfe, ehefrau, direkter vorsatz, härte, verwertung, lebensversicherungsvertrag, bestattung, einsatz, versicherung)

Sozialgericht Aachen, S 20 SO 28/09
Datum:
15.09.2009
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 20 SO 28/09
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht
zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe für ungedeckte
Heimpflegekosten ab 01.09.2008.
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist verheiratet und hat einen Sohn. Er leidet an
wahnhaften affektiven Störungen, der Alzheimer-Krankheit und einem Zustand nach
Delirium bei Demenz. Er ist schwerbehindert nach einem Grad der Behinderung von
100. Seit 01.03.2008 ist von der Pflegekasse Schwerpflegebedürftigkeit anerkannt; der
Kläger erhält deshalb Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Er
bezieht monatlich eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und
Rentenversicherung (Stand Juli 2008: 839,40 EUR bzw. 1.396,40 EUR). Der Kläger
steht unter Betreuung seines Sohnes aufgrund einer im Dezember 2007 erteilten
Vollmacht.
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Am 23.07.2008 wurde der Kläger in ein Altenpflegeheim aufgenommen, zunächst für
eine Kurzzeitpflege bis 19.08.2008, anschließend - übergangslos - in stationäre
Vollzeitpflege.
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Am 30.07.2008 beantragte der Kläger ergänzende Sozialhilfe in Bezug auf die
ungedeckten Heimpflegekosten. Als sein Vermögen gab er einen
Lebensversicherungsvertrag bei der Aachen Münchener Versicherung und einen
Bestattungsvorsorgevertrag über 5.000,00 EUR an. Der Lebensversicherungsvertrag ist
auf das Ablaufdatum 01.09.2013 geschlossen; zu diesem Zeitpunkt garantiert der
Versicherer eine Leistung von 7.928,00 EUR; dieser Betrag wird auch für den
vorzeitigen Todesfall garantiert; der Rückkaufwert der Lebensversicherung betrug im
Juli 2008 4.645,60 EUR. Den Bestattungsvorsorgevertrag hatte die Ehefrau des Klägers
am 16.07.2008 abgeschlossen; am selben Tag hatte sie auch den Versicherungsbetrag
von 5.000,00 EUR eingezahlt.
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Durch Bescheid vom 27.08.2008 lehnte der Beklagte die Übernahme der ungedeckten
Heimpflegekosten aus Sozialhilfemitteln ab. Er ermittelte ohne Berücksichtigung des
einzusetzenden Einkommens einen täglichen ungedeckten Bedarf von 8,31 EUR.
Dieser könne aus dem zumutbar einzusetzenden Vermögen von 6.431,60 EUR
(4.645,60 EUR Rückkaufwert der Lebensversicherung plus 5.000,00 EUR
Bestattungsvorsorgevertrag abzüglich 3.214,00 EUR Freibetrag) für 774 Tage vom
Leistungsberechtigten selbst gedeckt werden. Hinsichtlich des
Bestattungsvorsorgevertrages verwies der Beklagte darauf, dass dieser lediglich eine
Woche vor der Heimaufnahme geschlossen worden und deshalb unter
Härtegesichtspunkten nicht geschützt sei. Dagegen legte der Kläger am 29.09.2008
Widerspruch ein. Zwar sei der Bestattungsvorsorgevertrag eine Woche vor der
Heimaufnahme geschlossen worden; jedoch sei zunächst nur Kurzzeitpflege geplant
gewesen, da vollstationäre Pflege zunächst nicht für erforderlich gehalten worden war.
Erst gegen Ende der Kurzzeitpflege habe sich ergeben, dass eine Rückkehr in die
häusliche Umgebung medizinisch nicht vertretbar gewesen sei. Auch die Pflegekasse
habe am 29.07.2008 zunächst (nur) die Kosten der Kurzzeitpflege übernommen.
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Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 04.03.2009
zurück. Eine Neuberechnung des Bedarfs ergab einen ungedeckten Bedarf von 12,94
EUR pro Tag. Das zumutbar einzusetzende Vermögen bezifferte der Beklagte nunmehr
auf 5.931,60 EUR. Die Differenz von 500,00 EUR zu dem im angefochtenen Bescheid
angesetzten Betrag ergab sich daraus, dass der Beklagte einen bei Kündigung des
Bestattungsvorsorgevertrages möglichen Schadensersatzanspruch des Bestatters mit
10 % des Wertes ansetzte. Die Division des einzusetzenden Vermögens durch den
ermittelten ungedeckten Tagesbedarf ergebe, dass der ungedeckte Heimpflegebedarf
für 458 Tage aus dem Vermögen gedeckt werden könne. Im Übrigen wies der Beklagte
daraufhin, dass neben seiner Ehefrau der Sohn des Klägers zur Übernahme (späterer)
Bestattungskosten verpflichtet sei; insofern habe keine Notwendigkeit bestanden, das
Vermögen in einen Bestattungsvorsorgevertrag anzulegen. Aufgrund des
Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe sei das Vermögen vorrangig zur Deckung der
Heimkosten einzusetzen. Eine Freistellung des Sohnes von der Übernahme der
späteren Bestattungskosten rechtfertige nicht das Vorliegen einer Härte.
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Dagegen hat der Kläger am 03.04.2009 Klage erhoben. Er wendet sich dagegen, dass
der Bestattungsvorsorgevertrag als Vermögen berücksichtigt wird. Er ist der Auffassung,
seine Verwertung stelle eine Härte dar.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 04.03.2009 zu verurteilen, ab 01.09.2008 die nach
Einsatz von Einkommen und Vermögen ungedeckten Heimpflegekosten ohne
Berücksichtigung der Rückkaufwerte des Bestattungsvorsorgevertrages vom 16.07.2008
sowie des bei der B.-Versicherung bestehenden Lebensverversicherungsvertrages zu
übernehmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er wiederholt seine Auffassung, dass aufgrund des Nachranggrundsatzes der
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Sozialhilfe das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau vorrangig zur Deckung der
Heimkosten des Klägers einzusetzen ist. Eine Freistellung der unterhaltspflichtigen
Angehörigen (hier: Ehefrau und Sohn) von der Übernahme der späteren
Bestattungskosten rechtfertige nicht das Vorliegen einer Härte.
Bestattungsvorsorgeverträge gehörten auch nicht zu den Vermögensgegenständen, die
von der Verwertung im Rahmen der Sozialhilfe ausgeschlossen seien.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Bestattungsvorsorgevertragspartner - die Deutsche
Bestattungsvorsorge Treuhand AG - am 16.07.2009 mitgeteilt, der Treugeber könne den
Bestattungsvorsorgevertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Im Juli 2009 betrug
der Gesamtsaldo 5.092,09 EUR.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hatte ab
01.09.2008 und hat auch heute noch keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten
Heimpflegekosten aus Mitteln der Sozialhilfe. Denn er kann seinen notwendigen
Lebensunterhalt und Pflegebedarf, soweit er nach Einsatz von seinem Einkommen und
dem seiner Ehefrau noch nicht gedeckt ist, aus vorhandenem, zumutbar einsetzbarem
Vermögen decken.
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Zum verwertbaren Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB XII) gehört jeder Vermögensgegenstand, der nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten tatsächlich verwertet werden kann und damit grundsätzlich geeignet
ist, der bestehenden Hilfebedürftigkeit zu begegnen. Vermögen sind alle beweglichen
und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch
Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte. Vermögen des Klägers (bzw. seiner
Ehefrau) ist damit zum einen der Hauptleistungsanspruch gegen den Unternehmen aus
dem Bestattungsvorsorgevertrag, zum anderen sind Vermögen auch alle aus dieser
vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach der
Auflösung dieses Vertrages bzw. Ansprüche gegen denjenigen, bei dem die 5.000,00
EUR auf einem Treuhandkonto hinterlegt sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b
SO 9/06 R). Darüber hinaus sind Vermögen auch die Ansprüche aus dem bei der
Aachen Münchener Versicherung bestehenden Lebensversicherungsvertrag. Ob diese
Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter
rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das
Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen
darüber hinaus eine Berücksichtigung des zeitlichen Moments: Der Vermögensinhaber
verfügt nicht über bereite Mittel, wenn er diese nicht in angemessener Zeit realisieren
kann (BSG a.a.O.).
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Nach Auskunft der "Deutsche Bestattungsvorsorge Treuhand AG" vom 16.07.2009 ist
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der am 16.07.2008 geschlossene Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag vom Treugeber
ohne Einhaltung einer Frist kündbar. Die Auszahlung der Summe erfolgt an den
Vertragsbestatter bzw. bei Freigabe durch diesen direkt an den Treugeber. Im Juli 2008
betrug der auszahlungsfähige Betrag 5.000,00 EUR, im Juli 2009 lag er bei 5.092,09
EUR. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Vertragsbestatter bei Abgeltung
seiner eventuell bisher entstandenen Aufwendungen die Freigabe der Auszahlung an
den Treugeber gem. Ziff. 3 Satz 2 des Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages nicht
verweigert kann und wird. Der Beklagte hat insoweit einen - großzügig bemessenen -
Abschlag von 10 % angesetzt. Dies bedeutet, dass dem Kläger bzw. seiner Ehefrau im
Juli 2008 aus dem Bestattungsvorsorgevertrag ein verwertbarer Vermögensbetrag von
4.500,00 EUR, im Juli 2009 ein solcher von 4.582,88 EUR zur Verfügung gestanden
hätte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten durfte und darf die dem Kläger zustehende
Sozialhilfe jedoch nicht vom Einsatz oder der Verwertung dieses Vermögens abhängig
gemacht werden, da dies für ihn bzw. seine Ehefrau eine Härte bedeuten würde (§ 90
Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom
11.12.2003 - 5 C 84/02) hat den Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod
durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung getragen
und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene
Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne
der Härtefallregelungen angesehen. Dieser Rechtsprechung hat sich das
Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 9/06 R) angeschlossen.
Für diese Auffassung - so das BSG - spricht nicht zuletzt, dass die Bundesregierung
eine Gesetzesinitiative des Bundesrates, mit der die ausdrückliche Privilegierung eines
Bestattungsvorsorgevertrages im Gesetz vorgesehen war, mit der Begründung
abgelehnt hat, die vorgesehene Regelung sei nicht erforderlich, weil bereits nach
geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII sowie mit der
Vorschrift des § 74 SGB XII eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger
sichergestellt sei (vgl. BT-Drucksache 16/239, S. 10, 15 und 17 zu Art. 3 Nr. 4).
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Der Umstand, dass der Bestattungsvorsorgevertrag eine Woche vor Aufnahme in das
Altenpflegeheim geschlossen wurde, ändert hieran grundsätzlich nichts. Nur dann,
wenn der Bestattungsvorsorgevertrag in der Absicht (direkter Vorsatz) geschlossen
worden wäre, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, kann dies aus dem
Rechtsgedanken des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII der Annahme eines Härtefalls
entgegenstehen (BSG a.a.O.). Die Kammer ist jedoch nach den bekannt gewordenen
Umständen davon überzeugt, dass der Bestattungsvorsorgevertrag am 16.07.2008 nicht
in der Absicht geschlossen wurde, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen. Als
der Kläger am 23.07.2008 - eine Woche nach Abschluss des
Bestattungsvorsorgevertrages - in das Altenheim aufgenommen wurde, geschah dies im
Rahmen einer beabsichtigten Kurzzeitpflege. Dementsprechend waren auch bei der
Pflegekasse nur Leistungen für Kurzzeitpflege beantragt worden und hat die
Pflegekasse durch Bescheid vom 21.07.2008 auch nur solche Leistungen bewilligt. Erst
gegen Ende des Kurzzeitpflegezeitraums teilte die Heimleitung mit, dass eine Rückkehr
des Klägers in Wohnung medizinisch nicht vertretbar sei. Deshalb ging die
Kurzzeitpflege ab 20.08.2008 in eine stationäre Vollzeitpflege über. Im Zeitpunkt des
Abschlusses des Bestattungsvorsorgevertrages war somit eine dauerhafte vollstationäre
Pflege - und eine daraus resultierende eventuelle Inanspruchnahme von
Sozialhilfemitteln - noch nicht absehbar. Selbst wenn durch den Abschluss des
Bestattungsvorsorgevertrages die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig
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herbeigeführt worden wäre, genügt dies nicht, einen Härtefall auszuschließen, wenn es
dem Kläger (bzw. seinen Angehörigen) nicht zielgerichtet um den Erwerb eines
Leistungsanspruchs ging (vgl. in diesem Sinne: BSG a.a.O.). Von einem derart
zielgerichteten Handeln kann nach den Umständen keinesfalls ausgegangen werden.
Unter Berücksichtigung der einzelnen vorgesehenen Leistungen, wie sich aus der als
Anlage dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag vom 16.07.2008 beigefügten
Auflistung des Vertragsbestatters ergibt, ist die Kammer davon überzeugt, dass der
abgeschlossene Bestattungsvorsorgevertrag angemessen ist. Seine Verwertung
bedeutet für den Kläger und seine Ehefrau eine Härte, die gem. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB
XII einem Einsatz dieses Vermögens, wie ihn der Beklagte fordert, entgegensteht.
Dem vorliegend angenommenen Härtefall gem. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII steht auch
nicht entgegen, dass der Geldbetrag aus dem Bestattungsvorsorgevertrag zwar zur
Finanzierung der eigenen Bestattung des Klägers dienen soll, aber gleichzeitig mit der
Ehefrau und dem Sohn Verwandte vorhanden sind, die für eine Bestattung (bei dann
vorliegender Leistungsfähigkeit) aufkommen müssten, sodass der Hilfebedürftige keine
"unwürdige" Bestattung befürchten müsste (vgl. insoweit: LSG Hamburg, Beschluss vom
17.07.2004 - L 4 B 246/07 ER SO). Auch das BSG hat in seiner Entscheidung vom
18.03.2008 (B 8/9b SO 9/06 R) seine Auffassung, dass das Vermögen aus einem
Bestattunsvorsorgevertrag grundsätzlich unter Härtegesichtspunkten Schonvermögen
sein kann, nicht vom Vorhandensein bestattungpflichtiger Angehöriger abhängig
gemacht; im Gegenteil: in dem vom BSG entschiedenen Fall wurde die Klägerin von
ihrer Tochter gepflegt; mit der Tochter war also eine potenziell bestattungspflichtige
Person vorhanden, ohne dass das BSG hierin einen Härtefall ausschließenden
Umstand gesehen hätte.
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Einzusetzen war und ist dagegen das in dem bei der Aachen Münchener Versicherung
bestehende Lebensversicherungsvertrag liegende Vermögen. Die Verwertung dieses
Vermögens bedeutet keine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII. Insbesondere ist
nicht erkennbar, dass die Verwertung dieser Lebensversicherung eine angemessene
Alterssicherung wesentlich erschweren würde. Ablaufdatum des
Lebensversicherungsvertrages ist der 01.09.2013. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Kläger
knapp 82 Jahre, seine Ehefrau 79 Jahre alt. Im Hinblick auf dieses - die statistische
Lebenserwartung übersteigende - Alter kann der Lebensversicherungsvertrag nicht als
Altersvorsorge angesehen werden.
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Die Verwertung des Lebensversicherungsvertrages wäre auch nicht völlig
unwirtschaftlich. Nach den Vertragsunterlagen beträgt die garantierte Ablauf- und
Todesfallleistung 7.928,00 EUR. Der Rückkaufwert betrug nach der in den
Verwaltungsakten befindlichen Versicherungsauskunft vom 31.07.2008 im Juli 2008
4.645,60 EUR und wird heute - mehr als ein Jahr später - noch höher liegen. Der
Rückkaufwert beträgt daher ca. 60 % der garantierten Leistung. Im Hinblick darauf ist ein
Rückkauf - auch unter Berücksichtigung der eingezahlten Beiträge - nicht völlig
unwirtschaftlich.
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Ausgehend von einem im Juli 2008 bestehenden Rückkaufwert von 4.645,60 EUR
stand nach Abzug eines Freibetrags in Höhe von 3.214,00 EUR ein verwertbares
Vermögen von 1.431,60 EUR zur Verfügung. Mit diesem Vermögen kann der
ungedeckte Heimpflegetagesbedarf von 12,94 EUR 110 Tage gedeckt werden, bevor
der Kläger Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte. Gerechnet vom 01.09.2008, von
dem ab der Kläger Sozialhilfe beansprucht, wären die 110 Tage bereits am 19.12.2008
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verstrichen. Gleichwohl hat der Kläger auch ab 20.12.2008 (und heute) noch keinen
Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten, da das in der
Lebensversicherung liegende Vermögen nach wie vor vorhanden ist. Ein
Hilfesuchender kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es stelle eine Härte im Sinne
von § 90 Abs. 3 SGB XII dar, vor Inanspruchnahme von Sozialhilfe auch solches
Vermögen einsetzen zu müssen, das schon bei früherer Gelegenheit hätte eingesetzt
werden können (müssen) und nicht mehr vorhanden wäre, wenn es bei dieser
Gelegenheit für eine Bedarfsdeckung eingesetzt worden wäre. Ein fiktiver
Vermögensverbrauch ist mit dem Bedarfsdeckungsgrundsatz des Sozialhilferechts
grundsätzlich unvereinbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.1981 - 5 C 16/80; Urteil vom
19.02.1997 - 5 C 7/96). Solange das Vermögen aus dem Lebensversicherungsvertrag
nicht verwertet, also noch vorhanden ist, steht es als einzusetzendes Vermögen im
Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII der Sozialhilfebedürftigkeit entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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