Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.09.2009

OVG NRW (kläger, bemessung, fläche, gleichbehandlung, abwasseranlage, gkg, kag, zweifel, behauptung, entlastung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 2016/08
Datum:
18.09.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 2016/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als
Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf die Streitwertstufe
bis zu 300,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
1
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Zulassungsgrund
nach § 124 Abs. 2 VwGO i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
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1.
Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO). Die Kläger meinen, § 5 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Satzung der
Stadt C. H. über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die
öffentliche Abwasseranlage (Entwässerungssatzung) sei zu unbestimmt und außerdem
wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Über den dort
für die Bemessung der Niederschlagswassergebühren festgelegten Maßstab würden
diejenigen, die - wie sie - auf ökologische Gesichtspunkte Rücksicht nähmen, genauso
wie die Grundstückseigentümer veranlagt, die das gesamte Regenwasser in das
öffentliche Kanalnetz ableiteten.
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Damit sind keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dargelegt. Gemäß § 5 Abs. 1
Entwässerungssatzung ist Grundlage der Gebührenberechnung für das
Niederschlagswasser die Quadratmeterzahl der bebauten, von Bauteilen (z.B.
Dachüberstände, Hauseingänge, Balkone) überdeckten und/oder befestigten
Grundstücksflächen, von denen Niederschlagswasser leitungsgebunden oder nicht
leitungsgebunden in die öffentliche Abwasseranlage gelangen kann.
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Ein Maßstab, der (u.a.) auf die "befestigte Grundstücksfläche" abstellt, genügt entgegen
der Auffassung der Kläger den Bestimmtheitsanforderungen.
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Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 10. April 2000 11 B 61.99 -, juris, OVG
NRW, Urteile vom 21. März 1997 - 9 A 1921/95 -, NWVBl. 1997, 422, und
vom 1. September 1999 - 9 A 5715/98 -, juris.
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Der zuvor näher erläuterte Bedeutungsgehalt dieses Rechtsbegriffs erschließt sich dem
Gebührenpflichtigen ohne weiteres aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Ihr liegt die
nachvollziehbare Vorstellung zugrunde, dass mit der Verdichtung der Oberfläche deren
Absorptionsfähigkeit in der Regel deutlich sinkt, so dass das bei Regenfällen
schlagartig auftretende Niederschlagswasser auf der Oberfläche bleibt und zur
Beseitigung abgeleitet werden muss. Dementsprechend ist unter einer
Flächenbefestigung jede Veränderung der natürlichen Bodenoberfläche zu verstehen,
die zu einer Verdichtung führt.
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Durchgreifende Bedenken gegen den für die Bemessung der
Niederschlagswassergebühr gewählten Maßstab sind nicht dargelegt. Insbesondere
haben die Kläger nicht aufgezeigt, dass der Ortsgesetzgeber durch die in einem solchen
Maßstab liegende Pauschalierung den ihm bei der Ausgestaltung eines
Wahrscheinlichkeitsmaßstabes i. S. d. § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG zukommenden, weiten
Ermessensspielraum überschritten hat. Das Verwaltungsgericht hat in dem
angefochtenen Urteil zutreffend den Grundsatz hervorgehoben, dass eine
Differenzierung zwischen unterschiedlichen Befestigungsmaterialien zwar möglich, aber
nicht zwingend ist.
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Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 21. März 1997 - 9 A 1921/95 -, a.a.O.
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Dem sind die Kläger zwar bezogen auf das von ihnen verwandte Porenpflaster
entgegengetreten. Dass der Ortsgesetzgeber seinen Ermessenspielraum überschreitet,
wenn er hinsichtlich solcher Befestigungsmaterialien keine Differenzierungen vornimmt,
haben die Kläger indessen nicht dargelegt. Selbst wenn mit ihnen davon ausgegangen
wird, dass der Beklagte durch Veranlagung der gesamten mit Porenpflaster versehenen
Fläche ungleiche Sachverhalte gleich behandelt, lässt sich dem Vorbringen der Kläger
nicht entnehmen, dass hierdurch der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG
verletzt ist. Eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte aufgrund eines gewählten
Gebührenmaßstabes ist nämlich unerheblich, wenn bei ihrer Bewertung eine der beiden
davon betroffenen Fallgruppen deshalb vernachlässigt werden darf, weil sie bei der
unvermeidbar typisierenden Betrachtung nicht ins Gewicht fällt (sogen. Grundsatz der
Typengerechtigkeit). Der Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet dem Gesetzgeber,
bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern
und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und
dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz
vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu
rechtfertigen, als nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem
"Typ" widersprechen, auf den die Maßstabsregelung zugeschnitten ist, die
Auswirkungen auf die Betroffenen nicht erheblich sind und Schwierigkeiten -
insbesondere verwaltungspraktischer Art - bestehen, die Härten zu vermeiden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 1986 - 8 C 112.84 -, NVwZ 1987, 231,
OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2007 - 9 A 281/05 -, KStZ 2008,
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73.
Dass hier ein Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegt, ergibt sich aus dem Vorbringen
der Kläger nicht. Sie legen - auch unter Berücksichtigung der von ihnen genannten
weiteren 34 Grundstückseigentümer - weder dar, dass mehr als 10 v.H. der von der
Regelung betroffenen Fälle mit dem ihren vergleichbar sind, noch verhält sich ihr
Zulassungsvorbringen zu den Möglichkeiten, mit denen die Härten vermieden werden
könnten oder - abgesehen von der pauschalen Behauptung, sie würden "in nicht mehr
zumutbarer Weise benachteiligt" - zu den konkreten Belastungen durch die
Maßstabsregelung. Dass die Entscheidung der Kläger für eine ökologische Bauweise
nicht durch eine Entlastung bei den Niederschlagswassergebühren "belohnt" wird, stellt
für sich genommen keine nicht mehr hinnehmbare Belastung dar.
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Aus den Ausführungen der Kläger ergibt sich schließlich nicht, dass das von ihnen
verwandte Porenpflaster schon keine befestigte Grundstücksfläche im Sinne des § 5
Abs. 1 Entwässerungssatzung ist. Sie haben nicht dargetan, dass das Porenpflaster
nicht als eine Verdichtung angesehen werden kann. Die Kläger gehen vielmehr selbst
davon aus, dass (nur) ein Großteil des Niederschlags durch die Poren in das Erdreich
versickert und (nur) bei leichtem und mittelstarken Regen das auf die Fläche fallende
Wasser in den Poren zurückbleibt und versickert. Dass die Versickerungsleistung von
Porenpflaster ausweislich der von den Klägern vorgelegen Übersicht zur
"Bodenentsiegelung" unter Einhaltung der dortigen Vorgaben bis zu 100% betragen
kann, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Damit ist bereits keine verbindliche
Aussage über eine Versickerungsleistung von 100% ("bis zu") getroffen. Davon
abgesehen hängt die Versickerungsleistung von weiteren konkreten Gegebenheiten,
wie der Art des Gefälles und der Heftigkeit der Niederschläge ab.
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2.
Nr. 3 VwGO) ist ebenfalls nicht dargelegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche
Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die
Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren
Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die
einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur
Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert
auszuführen, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen
ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Die Kläger haben nicht
dargelegt, inwiefern sich die Frage, "inwieweit ökologische Gesichtspunkte bei der
Bemessung der Abwassergebühren zu berücksichtigen sind", in ihrer Allgemeinheit in
einem Berufungsverfahren stellen sowie einer Klärung bedürftig und zugänglich sein
wird. Darüber hinaus fehlt es an der Darlegung, warum der Frage Bedeutung über den
Einzelfall hinaus zugemessen wird. Der Hinweis darauf, dass sie obergerichtlich noch
nicht entschieden sei, reicht nicht aus. Im übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit
ökologische Gesichtspunkte bei der Bemessung der Abwassergebühr überhaupt von
Bedeutung sein können. Denn das Gesetz stellt in § 6 Abs. 3 KAG NRW allein auf das
Maß der Inanspruchnahme ab.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
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