Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.07.2006

OVG NRW: eingriff in grundrechte, rechtlich geschütztes interesse, gefahr im verzug, prüfer, richterliche kontrolle, rechtliches gehör, anhörung, form, zusammenrechnung, versendung

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 1272/04
Datum:
06.07.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 A 1272/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 K 662/01
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 8.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag ist unzulässig, soweit die Zulassung der Berufung hinsichtlich der
Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach Teilerledigung der Hauptsache
begehrt wird, § 158 Abs. 2 VwGO.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. August 1998 - 4 B 75/98 -, NVwZ-RR 1999, 407, zuvor
bereits BVerwG, Beschluss vom 3. November 1981 - 4 B 140/81 -, DÖV 1982, 161.
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Auch im übrigen hat der Antrag keinen Erfolg. Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2
VwGO sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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I. Hinsichtlich seines letztlich auf Notenverbesserung zielenden Klagebegehrens in
Ziffern 2 und 3 des erstinstanzlich gestellten Antrags gilt:
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1. Die vom Kläger auf Seite 16, 17 und 27 der Antragsbegründung formulierten Fragen
zu Dokumentationspflichten des Prüfungsamtes und/oder der Prüfer in Bezug auf die
Aufgabenstellung, zu Lösungserarbeitungen durch die Prüfer, zu Form und Inhalt der
Begründungspflichten der Prüfer, zu Umfang und Inhalt von Einsichtsbefugnissen des
Prüflings und zur Anhörung des Prüflings vor der Leistungsbewertung oder der
Prüfungsentscheidung vermitteln der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, §
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen, unbeschadet davon, ob
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und in welchem Umfang es in einem Berufungsverfahren auf ihre Beantwortung
ankommen könnte, beantworten sich unmittelbar aus dem Gesetz oder sind durch die
ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Das für den Kläger maßgebliche
Justizausbildungsgesetz in der bis zum 30. Juni 2003 geltenden Fassung und die
Justizausbildungsordnung enthalten Regelungen darüber, welchen Zielen die
juristischen Prüfungen dienen, welchen Lern- und Wissensgebieten die Aufgaben für
die Aufsichtsarbeiten zu entnehmen sind, wer Prüfer sein kann, wie die Prüfer berufen
und für die einzelnen Prüfungsabschnitte herangezogen werden, über die
Rechtsstellung der Prüfer und über das Verfahren bei der Bewertung der
Prüfungsleistungen. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW ist die Vorschrift des § 28
VwVfG NRW über die Anhörung Beteiligter bei Prüfungsverfahren nicht anwendbar. Die
verfassungs- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat dazu ausfüllend und
ergänzend Grundsätze entwickelt, die die Prüflingsrechte umfassend gewährleisten, im
Hinblick auf eine gerichtliche Kontrolle u. a. wie die Prüferbewertung zu begründen und
die Begründung zu dokumentieren ist sowie die Überprüfung der Prüfungsentscheidung
durch den Prüfling vorbereitet und veranlasst werden kann.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991, - 1 BvR 419/81 und BvR 213/83 -,
BVerfGE 84, 34, und - 1 BvR 1529/84 und 138/87 -, BVerfGE 84, 59; BVerwG, Urteile
vom 9. Dezember 1992, - 6 C 3/92 -, BVerwGE 91, 262, und 6. September 1995, - 6 C
18/93 -, BVerwGE 99, 185; Senatsurteil vom 10. Dezember 2002, - 14 A 4461/00 -,
NRWE, m.w.N.
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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2001,
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- 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142,
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die der Kläger für die von ihm entwickelten Fragen in Bezug nimmt, befasst sich
demgegenüber mit den für eine wirksame nachträgliche richterliche Kontrolle
erforderlichen Dokumentations- und Begründungspflichten, wenn
Strafverfolgungsbehörden bei "Gefahr im Verzug" ohne die an sich notwendige
vorhergehende richterliche Entscheidung in Grundrechte von Bürgern eingreifen. Dabei
handelt es sich um eine von der Stellung von Prüfungsaufgaben und der Bewertung von
Prüfungsleistungen schon im Ansatz verschiedene Ausgangs- und Verfahrenssituation.
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass es geboten oder auch nur sinnvoll sein könnte, die
dort entwickelten Grundsätze unter Abänderung des für das Prüfungsrecht gesicherten
Bestandes an Rechtsgrundsätzen zu übernehmen. Das Gleiche gilt für die von ihm für
seine Auffassungen in Anspruch genommene Bedeutung des Anhörungsrechts im
Rahmen von Fachplanungen.
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Beispielhaft weist der Senat auf Folgendes hin: In Bezug auf die sogenannten
Prüfervermerke des Prüfungsamtes, in Bezug auf eigene Lösungsüberlegungen der
Prüfer, in Bezug auf Differenzen im Aufgabenverständnis zwischen Prüfer und Prüfling
und in Bezug auf die Bedeutung einer Anhörung des Prüflings geht der Kläger von
falschen Prämissen aus. Der Prüfer ist nicht verpflichtet, Lösungshinweise des
Prüfungsamtes zur Kenntnis zu nehmen und etwa zur Grundlage seiner Bewertung zu
machen. Ob er sich von diesen hat leiten lassen, ist ohne Belang, wenn dies in der
Bewertungsbegründung nicht inhaltlich zum Ausdruck kommt. Desgleichen ist es ohne
Belang, ob ein Prüfer die Aufgabenstellung anders versteht als der Prüfling, wenn dies
in der Bewertung der erbrachten Prüfungsleistung keinen Niederschlag findet. Deshalb
wäre auch der Inhalt der Stellungnahmen von Prüflingen im Rahmen von Anhörungen
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außerhalb der eigentlichen Prüfungsleistung unerheblich. Substrat des
verwaltungsinternen Überdenkungsverfahrens und der gerichtlichen Kontrolle ist die
Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit der von den Prüfern beanstandeten Lösung des Prüflings
unabhängig davon, was in einer "Musterlösung" steht oder ein Prüfer außerhalb der
konkreten Bewertung ausgearbeitet und niedergelegt hat.
2. Der behauptete Verstoß (S. 18 und 28 der Antragsbegründung) gegen das Gebot,
rechtliches Gehör zu gewähren, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, weil das Verwaltungsgericht
in den Urteilsgründen nicht auf die Erwägungen eingegangen sei, die den als
grundsätzlich aufgeworfenen Fragen zugrunde liegen, liegt nicht vor. Grundsätzlich ist
davon auszugehen, dass ein Gericht den ihm unterbreiteten Vortrag der Beteiligten zur
Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung würdigt. Es ist nicht erforderlich, dass in
den Entscheidungsgründen zu allen von den Beteiligten vorgetragenen Erwägungen
Stellung genommen wird. Diese müssen erkennen lassen, was für die richterliche
Überzeugung leitend gewesen ist, §§ 125 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit 108 Abs. 1
Satz 2, 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. In Bezug auf die genannten Fragen hat das
Verwaltungsgericht seine Auffassung auf Seiten 13 f. und 20 des Urteilsabdrucks zu
erkennen gegeben.
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3. Tatsächliche Schwierigkeiten (S. 18 und 28 f. der Antragsbegründung) einer
Rechtssache § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, können mit der Behauptung, dass es um
schwierige Rechtsfragen geht, nicht dargelegt werden. Aber auch rechtliche
Schwierigkeiten sind mit dem Hinweis auf die vom Kläger aufgeworfenen, durch Gesetz
und Rechtsprechung beantworteten Rechtsfragen nicht dargetan.
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II. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens in Ziffer 4 des erstinstanzlich gestellten
Antrags gilt:
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1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel (S. 35 der Antragsbegründung) an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, bestehen nicht. Das
Verwaltungsgericht (S. 23 f. des Urteilsabdrucks) ist zu Recht davon ausgegangen, dass
der Kläger kein rechtlich geschütztes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung
über zusätzliche Sicherungsmaßnahmen des Beklagten zu 1. vor Versendung von
Originalprüfungsarbeiten hat. Mit den aus dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1997
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- 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 - , BVerfGE 96, 27,
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hergeleiteten Gesichtspunkten können Zweifel nicht begründet werden. Denn diese
Entscheidung befasst sich mit der Frage des Fortbestehens des Rechtsschutzinteresses
nach einem Eingriff in Grundrechte. Dem Kläger geht es demgegenüber um
vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung denkbarer Rechtsbeeinträchtigungen.
Insoweit enthält das angefochtene Urteil die anzustellenden Erwägungen in der
sachlich gebotenen Kürze.
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2. Daraus ist zugleich zu folgern, dass die vom Kläger mit dem Hinweis auf die
genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dem Versuch, deren
Grundsätze auf das Verfahren des Beklagten zu 1. zu übertragen, als
rechtsgrundsätzlich entwickelten Rechtsfragen (S. 33 der Antragsbegründung) sich in
einem Berufungsverfahren nicht stellen würden. Der Umstand, dass das
Verwaltungsgericht über die Darstellung der seiner Entscheidung zugrunde liegenden
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Zulässigkeitserwägungen hinaus sich nicht noch ausdrücklich mit den eher
fernliegenden Überlegungen des Klägers befasst hat, rechtfertigt auch nicht die
Annahme (S. 34 der Antragsbegründung), dass es Vortrag des Klägers übergangen
hätte. Schließlich können mit dem Hinweis auf diese Überlegungen keine besonderen
rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (S. 34 der
Antragsbegründung) dargelegt werden.
III. Hinsichtlich des Begehrens in Ziffer 5 des erstinstanzlich gestellten Antrags zur Form
des Prüfungszeugnisses hat der Kläger zwar grundsätzliche Fragen formuliert (S. 37 der
Antragsbegründung), aber nichts zu deren Begründung dargelegt. Er wiederholt sein
erstinstanzliches Vorbringen, ohne sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils
auseinander zu setzen und tritt der Würdigung dieses Vorbringens durch das
Verwaltungsgerichts lediglich mit der Aufrechterhaltung der gegenteiligen
Rechtsbehauptung entgegen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bezüglich der sich auf die
Verbesserung der Note des ersten Staatsexamens richtenden Anträge hat der Senat
entsprechend seiner Praxis den Auffangwert gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in der bis
zum 30.Juni 2004 geltenden Fassung (GKG a.F.) zugrunde gelegt. Mit dem gleichen
Wert hat er aus den Gründen der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht die
übrigen Anträgen bewertet. Die Zusammenrechnung beruht auf § 173 Abs. 1 VwGO, § 5
ZPO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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