Urteil des HessVGH vom 05.08.2009

VGH Kassel: schule, schüler, subjektives recht, unechte rückwirkung, organisation, öffentliches interesse, eingriff in grundrechte, vertrauensschutz, genehmigung, wahrscheinlichkeit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 B 2059/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 1 GG, § 26 Abs 1
S 5 SchulG HE, Art 3 Abs 1
GG, § 26 Abs 3 SchulG HE
(Änderung oder Erweiterung des schulischen
Unterrichtsangebots; organisatorische Gestaltung der
Schule; Rückkehr zur 6-jährigen Organisation des
Gymnasialzweiges; Rückwirkung; Vertrauensschutz)
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Gießen vom 18. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt
(§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und auch fristgerecht begründet worden (§ 146 Abs. 4
Satz 1 VwGO).
Die Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet. Denn bei summarischer
Prüfung der von der Antragstellerin dargelegten Gründe kann nicht festgestellt
werden, dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis rechtsfehlerhaft entschieden
hat. Die Voraussetzungen für den Erlass der von der Antragstellerin nach § 123
Abs. 1 Satz 2 VwGO begehrten Regelungsanordnung liegen auch nach Auffassung
des Beschwerdegerichts nicht vor.
1. Die Antragstellerin erstrebt mit ihrem Antrag, den Antragsgegner zu
verpflichten, sie in der …schule - einer schulformbezogenen (kooperativen)
Gesamtschule - in … ab dem Beginn des - gemäß § 57 Satz 1 HSchG seit 1.
August - laufenden Schuljahres 2009/2010 in der Jahrgangsstufe 8 vorläufig in
einem 6-jährig organisierten Gymnasialzweig zu unterrichten. Dieser Antrag zielt
auf eine faktische Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ab. Denn die im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragstellerin erstrebte
vorläufige Regelung könnte aufgrund der zu erwartenden Dauer bis zu einem
rechtskräftigen Abschluss eines folgenden - bisher noch nicht einmal
rechtshängigen - Hauptsacheverfahrens nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Entsprechend dem Zweck des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO können Verwaltungsgerichte
grundsätzlich nur vorläufige Anordnungen treffen und dürfen einem Antragsteller
nicht schon in vollem Umfang - wenn auch zeitlich befristet - eine Rechtsposition
einräumen, die er nur im Klageverfahren erreichen kann. Im Hinblick auf das Gebot
des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses grundsätzliche
Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht uneingeschränkt. Es greift
nicht ein, wenn die beantragte faktische Vorwegnahme schlechterdings notwendig
ist, um unzumutbare Nachteile abzuwenden, die im Hauptsacheverfahren nicht
mehr beseitigt werden könnten, und wenn zugleich ein hoher Grad an
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mehr beseitigt werden könnten, und wenn zugleich ein hoher Grad an
Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht. Eine entsprechende
gerichtliche Anordnung ergeht somit nur dann, wenn diese erhöhten
Anforderungen sowohl an den Anordnungsgrund als auch an den
Anordnungsanspruch erfüllt sind (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 123 Rdnr.
14).
Vorliegend sind die erhöhten Anforderungen an die Darlegung und die
Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsanspruchs nicht erfüllt. Nach
dem Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren kann nämlich nicht
angenommen werden, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Unterrichtung an
der ...schule in einem 6-jährig organisierten Gymnasialzweig beanspruchen kann.
2. Es besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Antragstellerin entsprechend
ihren Ausführungen im Beschwerdeverfahren aus ihrem Grundrecht auf freie
Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf
Unterrichtung in einem 6-jährig organisierten Gymnasialzweig an der ...schule in
der Jahrgangsstufe 8 herleiten kann.
a) Bei der Ableitung von unmittelbaren Leistungsansprüchen aus den als
Abwehrrechten konzipierten Grundrechten ist schon im Allgemeinen
Zurückhaltung geboten, soweit sich aus dem Regelungsgehalt der einzelnen
Grundrechtsnorm nicht ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Hinsichtlich der
Gewährleistung von Leistungsansprüchen aus Art. 2 Abs. 1 GG gilt das Gebot
entsprechender Zurückhaltung in besonderem Maße, weil dessen Schutzbereich
sehr weit und unbestimmt ist und die aus dem Grundrecht folgenden Ansprüche
zudem unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt stehen (Di Fabio in
Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, Stand: Oktober 2008, Art. 2
Rdnr. 58).
Bei Sachverhalten aus dem schulischen Bereich wird das Grundrecht aus Art. 2
Abs. 1 GG vor allem durch Art. 7 Abs. 1 GG beschränkt, der dem Staat im
schulischen Bereich eine erhebliche Gestaltungsfreiheit belässt. Weitere
Einschränkungen ergeben sich aus den einfachgesetzlichen Regelungen der
Schulgesetze der Länder. Schüler können sich daher zwar gegenüber belastenden
Maßnahmen der Schule auf ihre Grundrechte berufen. Sie haben aber über die
einfachgesetzlich geregelten Ansprüche hinaus aus dem Grundrecht der freien
Entfaltung der Persönlichkeit grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegenüber
den Ländern als Trägern der staatlichen Schulbehörden. Ob die Regelung in Art. 2
Abs. 1 GG zumindest ein Grundrecht auf Bildung gewährt (so: BVerwG, Urteil vom
15.11.1974 - VII C 12.74 - BVerwGE 47, 201 ff.) kann offen bleiben. Jedenfalls
können aus Art. 2 Abs. 1 GG über einen Mindeststandard an staatlicher
Bildungsgewährleistung hinaus keine Leistungsansprüche hergeleitet werden;
insbesondere ergibt sich daraus kein Anspruch auf eine Änderung oder
Erweiterung des schulischen Unterrichtsangebots oder eine bestimmte
organisatorische Gestaltung der Schule (BVerwG, Beschluss vom 02.07.1979 - 7 B
139.79 - DÖV 1979, 911 ff.; Di Fabio in Maunz/Dürig, a. a. O., Art. 2 Rdnr. 58;
Niehues/Rex, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1: Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rdnr.
167 f.).
b) Die Antragstellerin hat in ihrem Beschwerdevorbringen zudem nicht hinreichend
berücksichtigt, dass das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht auf
freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch die verfassungsmäßige Ordnung
beschränkt ist. Damit stehen Abwehr- und etwaige Leistungsansprüche aus Art. 2
Abs. 1 GG unter dem Vorbehalt, dass verfassungsgemäße Rechtsnormen keine
einschränkenden Regelungen enthalten.
aa) Das Persönlichkeitsrecht von Schülern einer schulformbezogenen
Gesamtschule wird u. a. dadurch begrenzt, dass die Schulkonferenz gemäß § 26
Abs. 3 Satz 1 HSchG über die 5- oder 6-jährige Organisation des
Gymnasialzweiges eine Entscheidung treffen kann, wobei der Beschluss der
Schulkonferenz für seine rechtliche Verbindlichkeit allerdings gemäß §§ 26 Abs. 3
Satz 2, 23 Abs. 7 Satz 4 HSchG der Genehmigung durch das Staatliche Schulamt
bedarf.
Hier ist der Beschluss der Schulkonferenz der ...schule vom 8. Dezember 2008 -
ebenso wie der ergänzende Beschluss vom 29. Juni 2009 - nicht wirksam
geworden. Denn das Staatliche Schulamt hat mit Schreiben vom 11. Mai 2009 die
Genehmigung für die von der Schulkonferenz beschlossene Rückkehr zur 6-
jährigen Organisation ihres Gymnasialzweiges unter Einbeziehung aller
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jährigen Organisation ihres Gymnasialzweiges unter Einbeziehung aller
Jahrgangsstufen ab dem Schuljahr 2009/2010 versagt. Das Staatliche Schulamt ist
hierbei in Ausübung seiner Fachaufsicht gemäß §§ 92 Abs. 3 Nr. 1, 93 Abs. 1
HSchG tätig geworden. Es hat bei seiner Entscheidung gemäß § 93 Abs. 2 Satz 5
HSchG hinreichend die pädagogische Eigenverantwortung der Schule nach § 127b
HSchG gewahrt. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist nämlich
davon auszugehen, dass sich die von der Schulkonferenz beschlossene
Organisationsänderung entsprechend der Bewertung des Staatlichen Schulamts in
einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen wird. Bei der
summarischen Prüfung der Rechtslage spricht auch nach Auffassung des Senats
viel dafür, dass die von der Schulkonferenz beschlossene Organisationsänderung
zum Schuljahr 2009/2010 unter Einbeziehung derjenigen Klassen, die in diesem
Schuljahr in die Jahrgangsstufen 7 und 8 übergegangen sind, gegen das in Art. 20
Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatprinzip und den sich hieraus ergebenden
Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt.
bb) Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, beinhaltet die
von der Schulkonferenz gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 HSchG beschlossene
Organisationsänderung eine sog. unechte Rückwirkung oder tatbestandliche
Rückanknüpfung. Die Rückkehr zur 6-jährigen Organisation des Gymnasialzweiges
ab dem Schuljahr 2009/2010 gilt nur für die Zukunft, wirkt aber durch die
Einbeziehung der bereits aufgenommenen Schüler in den jetzigen Jahrgangsstufen
6 bis 8, die bereits 5-jährig organisiert sind, auf einen noch nicht abgeschlossenen
Sachverhalt ein.
Eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung neuer
gesetzlicher Regelungen ist grundsätzlich zulässig. Die hierzu entwickelten
Grundsätze sind entsprechend anzuwenden, soweit die Umsetzungen einer neuen
Regelung in die Disposition der Träger öffentlicher Verwaltung gestellt sind und die
zuständigen Organe diese neue gesetzliche Regelung in eigener Verantwortung
anwenden. Der von der Änderung einer Rechtslage betroffene Personenkreis hat
nämlich gegenüber den Verwaltungsbehörden in gleicher Weise einen Anspruch
auf Rechtssicherheit im Sinne von Vertrauensschutz wie gegenüber den
gesetzgebenden Organen (vgl. hierzu: Grzeszick in Maunz/Dürig, a. a. O., Band 3,
Art. 20, Abschnitt VII Rdnr. 69).
In den Fällen einer unechten Rückwirkung bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung
überwiegt regelmäßig das vom Gesetzgeber bzw. von der umsetzenden
Verwaltungsbehörde verfolgte Gemeinwohlziel das Vertrauen der hiervon
betroffenen Personen darauf, dass sich der sie begünstigende Zustand nicht
ändern wird. Die unechte Rückwirkung erweist sich dagegen als rechtswidrig, wenn
der Schutz des Vertrauens ausnahmsweise Vorrang vor den verfolgten Zielen des
Gesetzgebers bzw. der Verwaltungsbehörde genießt. Dies ist anzunehmen, wenn
die neue gesetzliche Regelung oder die Art und Weise ihrer Umsetzung einen
entwertenden Eingriff in ein schutzwürdiges Rechtsverhältnis vornimmt und die
betroffenen Personen hiermit nicht zu rechnen brauchten und sie deshalb die
eingetretene Änderung bei ihren vor diesem Zeitpunkt getroffenen Dispositionen
nicht berücksichtigen konnten (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvR 99/85
und 1 BvR 461/85 - BVerfGE 72, 175 ff.; Bay. Verfassungsgerichtshof,
Entscheidung vom 16.12.1992 - Vf 14-VI-90 - zit. n. juris; Bay. VGH, Urteil vom
29.04.2004 - 7 N 02.2640 - zit. n. juris, Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Kommentar,
Stand: Oktober 2008, Art. 20 Rdnr. 1661). Zur Bestimmung der
verfassungsmäßigen Grenze einer unechten Rückwirkung ist das Vertrauen des
Einzelnen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage mit der Bedeutung des
vom Gesetzgeber bzw. von der umsetzenden Verwaltungsbehörde verfolgten
Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (vgl. Leibholz/Rinck, a. a. O.,
Art. 20 Rdnr. 1671).
Die von der Schulkonferenz der ...schule beschlossene Organisationsänderung
wird diesen Vorgaben für eine rechtmäßige rückwirkende Regelung im Sinne einer
unechten Rückwirkung nicht gerecht. Denn die Schulkonferenz hat bei ihrer
Entscheidung das schutzwürdige Vertrauen der Schüler der jetzigen
Jahrgangsstufen 7 und 8 nicht hinreichend berücksichtigt.
aaa) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt kein Wertungswiderspruch
darin begründet, dass das Verwaltungsgericht einerseits einen subjektiven
Anspruch der Antragstellerin auf Unterrichtung in einem 6-jährig organisierten
Gymnasialzweig verneint und andererseits bei der rechtlichen Überprüfung der von
der Schulkonferenz beschlossenen Organisationsänderung das schutzwürdige
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der Schulkonferenz beschlossenen Organisationsänderung das schutzwürdige
Vertrauen der hiervon betroffenen Mitschüler der Antragstellerin für beachtlich
angesehen hat. Mit seiner Würdigung hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei
berücksichtigt, dass die von der Antragstellerin in ihrem erstinstanzlichen Antrag
als Anspruchsgrundlage angeführte Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 1 HSchG eine
reine Organisationsregelung ist, die das Entscheidungsrecht der Schulkonferenz
nach § 129 Nr. 4 HSchG konkretisiert. Die Regelung in § 26 Abs. 3 Satz 1 HSchG
ist demgemäß nicht dazu bestimmt, den Individualinteressen der Schüler des
Gymnasialzweiges einer schulformbezogenen Gesamtschule zu dienen. Dies
ergibt sich zum einen aus der Struktur des § 26 HSchG, der mit seinen
Rechtssätzen den Aufbau einer schulformbezogenen Gesamtschule umschreibt.
Zum anderen zeigt sich das Fehlen einer drittschützenden Zielsetzung des § 26
Abs. 3 Satz 1 HSchG auch in seiner Einordnung im dritten Teil des Hessischen
Schulgesetzes, der in seinem ersten Abschnitt die Gliederung und Organisation
der Schule zum Gegenstand hat. Da die Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 1 HSchG
somit nicht den Schutz von Individualinteressen bezweckt, verleiht sie kein
subjektives Recht (vgl. zur sog. Schutznormtheorie: BVerwG, Urteil vom
30.03.1995 - 3 C 8.94 - BVerwGE 98, 118 ff.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, a.
a. O., Band 3 Art. 19 Rdnr. 128).
Ein Wertungswiderspruch ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die
Antragstellerin in der Beschwerdebegründung ihr Begehren auf das Grundrecht auf
freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aus Art. 2 Abs 1 GG stützt.
Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 1 GG, auf die die Antragstellerin sich beruft,
und Abwehrrechte von Mitschülern der Antragstellerin gegenüber belastenden
Veränderungen, die sich ebenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben und unter dem
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu beachten sind, haben eine
unterschiedliche Reichweite. Das Grundrecht verleiht aus den bereits genannten
Gründen in seiner vorrangigen Funktion als Abwehrrecht aller Voraussicht nach
kein subjektives Recht der Antragstellerin auf eine 6-jährige Organisation des
Gymnasialzweigs der ...schule. In Einklang hiermit steht, dass jedes Handeln von
Trägern öffentlicher Verwaltung der Gesetzesbindung unterliegt. Hierbei sind
insbesondere die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten, zu denen auch das
Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG und der daraus folgende
Vertrauensschutz der Mitschüler gehört (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986, a. a.
O.).
bbb) Der Beschluss der Schulkonferenz der ...schule über die Rückkehr zu einer 6-
jährigen Organisation des Gymnasialzweigs für alle Jahrgangsstufen schon zum
Schuljahr 2009/2010 stellt einen entwertenden Eingriff in den nach Art. 2 Abs. 1 GG
geschützten Grundrechtsbereich der hiervon betroffenen Mitschüler der
Antragstellerin dar.
Entgegen der Darstellung der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung ist
das Verwaltungsgericht in seiner angegriffenen Entscheidung nicht den
Ausführungen des Antragsgegners gefolgt und hat eine erhebliche
Grundrechtsverletzung der Mitschüler bejaht. Ein schwerwiegender Eingriff in
Grundrechte ist für das ausnahmsweise Überwiegen des Vertrauensschutzes auch
nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es aus, dass mit der neuen
gesetzlichen Regelung oder ihrer Umsetzung durch die Verwaltungsbehörde eine
bisher günstige Rechtslage beseitigt wird und die betroffenen Personen hiermit
nicht zu rechnen brauchten und dies deshalb bei ihren Dispositionen vor der
Änderung nicht berücksichtigen konnten (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1
BvR 99/85 und 1 BvR 461/85 - BVerfGE 72, 175 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom
18.10.1993 - 7 CE 93.2949 - NVwZ-RR 1994, 160).
Wie aus dem Verwaltungsvorgang und den Darlegungen des Antragsgegners
hervorgeht, haben sich einige Schüler und deren Eltern bei der Auswahl der
weiterführenden Schule bewusst für die ...schule mit dem seinerzeit vorhandenen
5-jährig organisierten Gymnasialzweig entschieden und sich nicht um die
Aufnahme in eine integrierte Gesamtschule mit einer 6-jährig organisierten
Mittelstufe bemüht. Der Vorteil der bislang 5-jährigen Organisation des
Gymnasialzweiges liegt darin, ein Jahr früher die Schulausbildung abschließen zu
können und nach einem erfolgreichen Berufsausbildungsabschluss nicht durch die
Konkurrenz von jüngeren Absolventen aus anderen europäischen Staaten bei der
Arbeitsplatzsuche im Wettbewerb benachteiligt zu sein. Dieser Vorteil der kürzeren
Schulausbildung wird durch den Beschluss der Schulkonferenz vom 8. Dezember
2008 beseitigt.
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Im Hinblick auf die spätere berufliche Entwicklung handelt es sich für die
betroffenen Mitschüler der Antragstellerin um eine deutliche Verschlechterung der
Rechtslage gegenüber dem von ihnen geplanten kürzeren schulischen
Bildungsweg. Zudem haben entsprechend den Ausführungen des
Verwaltungsgerichts die Schüler der jetzigen Jahrgangsstufen 7 und 8 auch schon
zwischen einem Jahr und drei Jahren Unterricht nach den erhöhten Stundentafeln
abgeleistet. Damit haben sie schon erhebliche Leistungen auf dem Weg zu einer
verkürzten Gymnasialausbildung erbracht, die im Rahmen des bestehenden
Schulverhältnisses grundsätzlich schutzwürdig sind.
ccc) Der Senat vermag bei seiner summarischen Prüfung im vorliegenden
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht der Auffassung der
Antragstellerin zu folgen, es fehle an der für einen Vertrauensschutz erforderlichen
tatsächlichen Grundlage.
Zunächst kommt es bei der Prüfung des von der Schulkonferenz bei ihrer
Entscheidung zu beachtenden Vertrauensschutzes nicht darauf an, welche
Dispositionen die Antragstellerin ihrerseits vor der eingetretenen Rechtsänderung
getroffen hat. Denn sie selbst erstrebt eine Organisationsänderung und beruft sich
nicht auf Vertrauensschutz.
Hinsichtlich der Mitschüler, die sich in ihrer Disposition für einen 5-jährig
organisierten Gymnasialzweig an der ...schule beeinträchtigt sehen, ist bei der zu
treffenden Abwägung zwischen dem von der Schulkonferenz verfolgten
öffentlichen Wohl und dem Vertrauen dieser Schüler auf den Fortbestand der
bisherigen Rechtslage davon auszugehen, dass für die Schüler der jetzigen
Jahrgangsstufen 7 und 8 im Zeitpunkt ihres Wechsels auf die weiterführende
Schule eine Wahlmöglichkeit zwischen einem 5-jährig organisierten
Gymnasialzweig an einer schulformbezogenen Gesamtschule und einer 6-jährig
organisierten Mittelstufe an einer integrierten Gesamtschule bestanden hat. Der
Antragsgegner hat hierzu auf die integrierte Gesamtschule B-Stadt hingewiesen,
die nach der Verkürzung des gymnasialen Bildungsgangs durch das
Änderungsgesetz vom 29. November 2004 (GVBl. I S. 330) mit Wirkung zum 1.
August 2005 von der Änderung der Rechtslage nicht betroffen war und infolge
dessen die 6-jährige Organisation ihrer Mittelstufe beibehalten hatte.
Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, diese integrierte
Gesamtschule habe in den letzten Jahren keine Schüler aus ihrem Wohnort, der
Gemeinde ..., aufgenommen.
Zum einen hat die Antragstellerin schon nicht dargetan und glaubhaft gemacht,
dass alle Schüler der betroffenen Jahrgangsstufen aus ... stammen, was dem
Senat auch nicht wahrscheinlich erscheint. Ihrem Vortrag sind auch keine
objektiven Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Erfolg einer Bewerbung
von Mitschülern aus dem Landkreis B-Stadt oder aus dem Stadtgebiet B-Stadt um
einen Platz in dieser oder einer anderen integrierten Gesamtschule von vornherein
ausgeschlossen gewesen wäre. Denn es hängt von einer Vielzahl von Faktoren und
der jeweiligen Bewerbersituation in jedem Jahrgang ab, welche Schüler
beispielsweise die integrierte Gesamtschule B-Stadt besuchen können. Die
Behauptung der Antragstellerin, alle Mitschüler der betroffenen Jahrgangsstufen
hätten keine Wahlfreiheit gehabt, erweist sich nach dem vorliegenden Sachverhalt
als rein hypothetisch.
Zum anderen - und hierauf kommt es maßgeblich an - besteht eine
Wahlmöglichkeit im Sinne einer schutzwürdigen Disposition dann, wenn im
Zeitpunkt der Auswahl der weiterführenden Schule verschiedene
Organisationsformen grundsätzlich zur Verfügung gestanden haben. Darauf, ob
die im Einzelfall getroffene Schulwahl auch Erfolg gehabt hätte, kommt es
hingegen nicht an.
ddd) Bei den Mitschülern der Antragstellerin, die in den Schuljahren 2006/2007 und
2007/2008 in die ...schule aufgenommen wurden und mittlerweile die
Jahrgangsstufen 6 und 7 abgeschlossen haben, liegt ein schutzwürdiges Vertrauen
in die Fortführung der in Hessen mit Änderungsgesetz vom 29. November 2004
eingeführten 5-jährigen Organisation des gymnasialen Bildungsgangs vor. Die
Schüler dieser Jahrgangsstufen brauchten nicht damit zu rechnen, dass die vom
Gesetzgeber vorgenommene Änderung schon wenige Jahre später durch eine
Organisationsmaßnahme an ihrer Schule zurückgenommen wird.
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Nach Auffassung des Senats ist ein schutzwürdiges Vertrauen der genannten
Schüler nicht deshalb zu verneinen, weil die politischen Diskussionen über den
Nutzen der Reform der gymnasialen Ausbildung auch nach der Gesetzesänderung
anhielten. Denn eine öffentliche kontroverse Diskussion um eine
Gesetzesänderung führt für sich allein noch nicht dazu, dass ein etwaiges
schutzwürdiges Vertrauen der von der Neuregelung betroffenen Personen entfällt.
Das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung
über die Vorbereitung einer Neuregelung lassen die Schutzwürdigkeit des
Vertrauens in die bisherige Rechtslage noch nicht entfallen (Staatsgerichtshof des
Landes Hessen, Urteil vom 11.06.2008 - P. St. 2133 und P. St. 2158 - NVwZ 2008,
S. 383 ff.). Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der bestehenden
Rechtslage entfällt vielmehr erst im Zeitpunkt der Beschlussfassung, die die
Rechtslage verbindlich neu regelt. Erst in diesem Moment ist der
Unsicherheitsfaktor beseitigt, ob und wie die Neuregelung ausgestaltet ist (BVerfG,
Beschluss vom 14.05.1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200).
Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich auch nicht aus der von der
Antragstellerin zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli
1981 zur Neuregelung von Unterhaltsansprüchen im Eherechtsreformgesetz vom
1. Juli 1977 (- 1 BvL 28/77 - BVerfGE 57, 361 ff.). In dem genannten Fall hat das
Bundesverfassungsgericht den betroffenen Eheleuten nur einen eingeschränkten
Vertrauensschutz zugebilligt, weil über einen längeren Zeitraum wiederholte
Gesetzesinitiativen gescheitert waren und ein erhebliches öffentliches Interesse an
einer schnellen Einführung der für gerecht erachteten neuen Unterhaltsregelungen
bestand. Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts führten jedoch nicht
zum Ausschluss eines Vertrauensschutzes, sondern legten ihm nur bei der
Abwägung ein geringeres Gewicht bei.
Bei seiner summarischen Prüfung verneint der Senat ein schutzwürdiges
Vertrauen aber für diejenigen Mitschüler der Antragstellerin, die erst im Schuljahr
2008/2009 in die ...schule aufgenommen worden sind und mittlerweile die
Jahrgangsstufe 5 abgeschlossen haben. Denn im Zeitpunkt ihrer Aufnahme im
Sommer 2008 war durch das Änderungsgesetz vom 5. Juni 2008 (GVBl. I S. 761)
die gesetzliche Neuregelung, die den schulformbezogenen Gesamtschulen die
Rückkehr zu einem 5-jährig organisierten Gymnasialzweig ermöglichte, bereits
beschlossen und am 19. Juni 2008 auch schon in Kraft getreten. Die Schüler des
zuletzt aufgenommenen Jahrgangs mussten somit bei ihrer Auswahlentscheidung
die Möglichkeit einbeziehen, dass die ...schule von der nach § 26 Abs. 1 Satz 5,
Abs. 3 Satz 1 HSchG eingeräumten Befugnis zur Änderung der Organisation ihres
Gymnasialzweiges in Zukunft Gebrauch machen wird. Die veränderte Rechtslage
schon bei Aufnahme in die schulformbezogene Gesamtschule unterscheidet ihre
getroffene Schulwahl von der Disposition der Schüler der Jahrgangsstufen 7 und 8.
Denn ist davon auszugehen, dass ein Teil der Schüler dieser Jahrgangsstufen eine
andere Entscheidung getroffen hätten, wenn sie schon zum damaligen Zeitpunkt
hätten damit rechnen müssen, dass in die Kontinuität ihrer Schullaufbahn zu
einem so späten Zeitpunkt in dieser Weise eingegriffen wird.
eee) Hiernach sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der mit dem Beschluss der
Schulkonferenz vom 8. Dezember 2008 verbundenen unechten Rückwirkung die
Interessen der ...schule an einer schnellen und möglichst umfassenden Rückkehr
zu einem 6-jährig organisierten Gymnasialzweig mit den Interessen der Mitschüler
der Antragstellerin aus den Aufnahmejahrgängen 2006 und 2007 (jetzige
Jahrgangsstufen 7 und 8) an der Fortsetzung des Unterrichts in einer 5-jährigen
Organisationsform gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Gesamtbetrachtung ist
nach Auffassung des Senats mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon
auszugehen, dass dem Vertrauensschutzinteresse der genannten Mitschüler der
Vorrang gebührt.
Zunächst vermag der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht
zu erkennen, dass die Schulkonferenz der ...schule mit ihrem Beschluss ein
öffentliches Interesse verfolgt, dem ein besonders hohes Gewicht zukommt. Wie
von der Antragstellerin selbst angeführt, gehen die Meinungen auch innerhalb der
für das hessische Schulwesen verantwortlichen Behörden und Personen darüber
auseinander, ob die 5- oder die 6-jährige Organisationsform für Schüler im
gymnasialen Bildungsgang vorteilhafter ist. Daher vermag der Senat im
vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festzustellen, dass
die von der Schulkonferenz beschlossene Rückkehr zu einem 6-jährig organisierten
Gymnasialzweig tatsächlich zu einer erheblichen Verbesserung der schulischen
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Gymnasialzweig tatsächlich zu einer erheblichen Verbesserung der schulischen
Ausbildung führt.
Mindestens offen erscheint auch, ob die 6-jährige Organisationsform entsprechend
dem "Konzept der ...schule für die Rückkehr von G 8 zu G 9" von November 2008
zu der beabsichtigten Pädagogik mit einer positiveren Perspektive und einer
Verbesserung des Lernklimas führt. Insbesondere hat die Antragstellerin keine
Tatsachen vorgetragen, die erkennen lassen, dass in einem 6-jährig organisierten
Gymnasialzweig das soziale Lernen der Schüler mehr gefördert, den besonderen
Interessen der Schüler und ihrem schulischen Engagement mehr nachgegangen
werden könne. Hingegen erscheint auch möglich, dass bei etlichen der von der
Verlängerung der Schulzeit betroffenen Schüler der jetzigen Jahrgangsstufen 7 und
8 eine Frustration hervorgerufen wird, wenn die Anstrengungen der absolvierten
Unterrichtsintensivierung ohne erkennbaren Nutzen bleiben. Es erscheint
allerdings plausibel, dass die Durchlässigkeit zwischen den Schulzweigen erhöht
wird. Insgesamt bleibt daher zweifelhaft, ob die von der Schulkonferenz
beschlossene Neuregelung der Organisation des Gymnasialzweigs geeignet ist, in
wesentlichen Bereichen des schulischen Lebens die mit dem Konzept
beabsichtigte Lenkung zu erreichen.
Bei der zu treffenden Interessenabwägung fällt nach Auffassung des Senats im
Rahmen der summarischen Prüfung besonders ins Gewicht, dass die von der
Schulkonferenz mit der Umorganisation verfolgten Ziele keine solche Dringlichkeit
besitzen, dass die Einbeziehung der Schüler aus den jetzigen Jahrgangsstufen 7
und 8 erforderlich und damit auch gerechtfertigt erscheint. Die ...schule hatte
nämlich in den vorausgegangenen drei Jahren nach der Einführung des verkürzten
gymnasialen Bildungsgangs in den unteren Jahrgangsstufen ihres
Gymnasialzweigs eine abweichende Organisation gegenüber den oberen
Jahrgangsstufen, deren Schüler ihre gymnasiale Ausbildung in der 6-jährigen
Organisationsform fortsetzten. Dass durch die verschiedenen Strukturen in den
unterschiedlichen Jahrgängen die Erreichung der vorgegebenen Bildungsziele
infrage gestellt gewesen wären, ist nicht erkennbar. Daher erscheint es nach dem
vorliegenden Sachverhalt nicht aus Gründen der Dringlichkeit geboten, in die
getroffene Entscheidung zur Umorganisation auch alle im 5-jährig organisierten
Gymnasialzweig bereits aufgenommenen Schüler einzubeziehen.
Weiter lässt der Senat sich bei der von ihm getroffenen Abwägung von dem
Rechtsgedanken leiten, dass das Vertrauen der von einer Änderung der
Rechtslage betroffenen Personen umso schutzwürdiger und das Ausmaß des
Vertrauensschadens umso größer ist, je weniger Zeit bis zum Inkrafttreten der
Neuregelung verbleibt und je weniger der Übergang zur neuen Rechtslage durch
Übergangsregelungen erleichtert wird (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 29.04.2004
- 7 N 02.2640 - zit. n. juris). Hier hat die Schulkonferenz für die beschlossene
Umorganisation weder eine Übergangsregelung zumindest für die Schüler der
jetzigen Jahrgangsstufen 7 und 8 vorgesehen noch den Zeitpunkt für die
Einführung der Organisationsänderung soweit in die Zukunft verschoben, dass den
betroffenen Schülern ausreichend Zeit belassen worden wäre, um sich auf die
eingetretene Änderung der Rechtslage an der ...schule einzustellen und sich - im
Fall des Wirksamwerdens des Beschlusses der Schulkonferenz durch eine
Genehmigung des Staatlichen Schulamtes - gegebenenfalls mit einem
ausreichenden zeitlichen Vorlauf um die Aufnahme in eine andere Schule mit einer
5-jährigen Organisation des Gymnasialzweigs zu bemühen. Solche Erleichterungen
wären, wie der Senat bereits ausgeführt hat, der ...schule durchaus möglich
gewesen.
Schließlich erachtet der Senat das Vertrauensinteresse der Schüler der beiden
genannten Jahrgänge auch deshalb als besonders schutzwürdig, weil die letzte
Organisationsänderung des Gymnasialzweigs erst drei Jahre zurückliegt. Erhebliche
Änderungen in kurzen Zeitabständen führen in besonderem Maß zur Belastung
der Lernsituation und Verunsicherung über den weiteren schulischen Werdegang.
fff) Nicht zu folgen ist ferner der von der Antragstellerin vertretenen
Rechtsauffassung, die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 5 HSchG erlaube nur eine
einheitliche Organisation sämtlicher Jahrgangsstufen eines Gymnasialzweiges. Der
hessische Gesetzgeber hat es mit der letzten Gesetzesänderung vom 5. Juni 2008
den schulformbezogenen Gesamtschulen überlassen, selbst darüber zu
entscheiden, ob sie ihre jeweiligen Gymnasialzweige 5-jährig oder 6-jährig
organisieren möchten. Dass entsprechend der Auffassung der Antragstellerin die
Rückkehr zu einer 6-jährigen Organisation des Gymnasialzweiges zwangsläufig
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Rückkehr zu einer 6-jährigen Organisation des Gymnasialzweiges zwangsläufig
auch die schon in die Schule aufgenommenen Jahrgangsstufen erfassen und die
Änderung auch schon in dem auf dem Beschluss der Schulkonferenz folgenden
Schuljahr umgesetzt werden muss, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 26
Abs. 1 Satz 5 HSchG noch aus der Begründung des später umgesetzten
Gesetzesentwurfes vom 15. April 2008 (vgl. hierzu LT-Drs. 17/51). Die zur
Entscheidung berufenen Schulkonferenzen haben mithin die Befugnis sowie die
Verpflichtung, das Vertrauen der in ihre Schule bereits aufgenommenen Schüler in
eine kontinuierliche Fortsetzung ihres schulischen Werdegangs angemessen zu
berücksichtigen.
ggg) Schließlich kann die Antragstellerin die nach Auffassung des Senats mit
hoher Wahrscheinlichkeit gegebene Rechtswidrigkeit der mit dem Beschluss der
Schulkonferenz vom 8. Dezember 2008 ausgelösten unechten Rückwirkung der
getroffenen Umorganisation nicht erfolgreich mit dem Argument infrage stellen,
bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung hätten die besonderen Regelungen
für den Fall einer Nichtversetzung in § 12 Abs. 9 der Verordnung zur Gestaltung
des Schulverhältnisses, eingefügt durch die Verordnung zur Änderung von
Verordnungen zum verkürzten gymnasialen Bildungsgang vom 20. Juni 2008 (ABl.
2008, S. 239), nicht ergehen dürfen. In dieser Norm werden die
Versetzungsbedingungen in der Weise modifiziert, dass die im achtjährigen
gymnasialen Bildungsgang nicht versetzten Schüler, die bei einem Verbleib an der
besuchten Schule in den neunjährigen Bildungsgang wechseln müssen, in den
Jahrgangsstufen 5 und 6 die jeweilige Jahrgangsstufe im neunjährigen
Bildungsgang wiederholen, während die Schüler in den Jahrgangsstufen 7 bis 9
nach der Entscheidung der Versetzungskonferenz in eine Jahrgangsstufe des
neunjährigen Bildungsgangs eingestuft werden. Bei ihrer Argumentation verkennt
die Antragstellerin indes, dass dem Vertrauensschutz einzelner Schüler dann
geringeres Gewicht zukommt, wenn die Verzögerung ihrer Schullaufbahn durch
Wiederholungen einzelner Jahrgangsstufen oder Unterbrechungen durch
Auslandsaufenthalte in ihrem eigenen Verantwortungsbereich liegt.
cc) Ob die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die
Herstellung des Benehmens mit dem Schulträger gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1
HSchG verneint, zutreffend ist, kann vor dem dargestellten Hintergrund offen
bleiben. Der Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 HSchG spricht allerdings dafür, dass
die Abstimmung mit dem Schulträger nicht - wie vom Verwaltungsgericht
angenommen - bei der Erstellung der Konzeption der Gesamtkonferenz, sondern
bei der Entscheidung der Schulkonferenz über die 5- oder 6-jährige Organisation
des Gymnasialzweiges zu erfolgen hat. Auf diese Rechtsfrage kommt es indes
nicht mehr an. Denn aus den obigen Ausführungen des Senats ergibt sich, dass
sich die Versagung der Genehmigung des Beschlusses der Schulkonferenz vom 8.
Dezember 2008 durch das Staatliche Schulamt bereits mit hoher
Wahrscheinlichkeit wegen des überwiegenden Vertrauensschutzes der betroffenen
Mitschüler der Antragstellerin aus den jetzigen Jahrgangsstufen 7 und 8 als
rechtmäßig erweist.
dd) Im Hinblick auf die vom Senat getroffene rechtliche Würdigung der vom
Staatlichen Schulamt ausgesprochenen Versagung der für die Umorganisation
nach §§ 26 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 7 Satz 4 HSchG erforderlichen Genehmigung
erweisen sich die übrigen Rügen der Antragstellerin gegen die weiteren
Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss nicht als
entscheidungserheblich.
3. Die Antragstellerin kann die für das kommende Schuljahr erstrebte
Unterrichtung in einem 6-jährig organisierten Gymnasialzweig in der
Jahrgangsstufe 8 an der ...schule schließlich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG
beanspruchen.
Die Antragstellerin kann zwar aus Art. 3 Abs. 1 GG ein subjektives Recht auf
Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen herleiten. Ein
solches Teilhaberecht berechtigt jedoch allein dazu, bei der Verteilung der
verfügbaren Schulangebote nicht ohne vertretbaren Grund schlechter behandelt
zu werden als andere Schüler. Ansprüche auf die Erfüllung individueller Interessen
ergeben sich daraus grundsätzlich nicht (OVG Berlin, Beschluss vom 22.02.2002 -
8 SN 164.01 - NVwZ-RR 2002, 577 ff.). Somit kann die Antragstellerin auch nicht
die Einführung einer anderen Organisationsstruktur an der von ihr besuchten
Schule beanspruchen.
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Soweit die Antragstellerin die Befürchtung äußert, die Versagung weiter reichender
Leistungsansprüche aus den Grundrechten würde den Schülern die für die
Durchsetzung ihrer angestrebten Schulbildung notwendigen Ansprüche
vorenthalten, ist sie auf die Regelungen in den Schulgesetzen der Länder zu
verweisen. Diese enthalten zahlreiche Regelungen, die für die Schüler einklagbare
Ansprüche begründen, wie etwa in § 69 Abs. 2 Satz 1 HSchG den von der
Antragstellerin genannten Anspruch auf Unterricht.
Im Übrigen hat die Antragstellerin auch nicht dargelegt, inwiefern ihre weitere
Unterrichtung in einem 5-jährig organisierten Gymnasialzweig einen Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt.
Der Gleichheitssatz verbietet lediglich, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und
wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (BVerfG, Urteil vom
23.10.1951 - 2 BvG 1/51 - BVerfGE 1, 14 [16 und 52]). Hier hat das Staatliche
Schulamt bei der Versagung der Genehmigung der von der Schulkonferenz am 8.
Dezember 2008 beschlossenen Rückkehr zu einem 6-jährig organisierten
Gymnasialzweig für alle Jahrgangsstufen den Vertrauensschutz der Schüler, die an
der ...schule bereits in einem 5-jährig organisierten Gymnasialzweig unterrichtet
wurden, angemessen berücksichtigt. Dabei hat die Behörde sich von dem
sachlichen Grund leiten lassen, dass die auf die neue Rechtslage gestützte
Wiedereinführung eines 6-jährig organisierten Gymnasialzweigs für alle
Jahrgangsstufen zu einer nicht unerheblichen Belastung derjenigen Schüler führt,
die an der ...schule bereits in einem 5-jährig organisierten Gymnasialzweig
unterrichtet worden sind und ihre Schulausbildung in dieser Organisationsform
fortsetzen möchten. Die vom Staatlichen Schulamt vertretene Auffassung, die
Genehmigung der von der Schulkonferenz gewünschten Organisationsmaßnahme
komme nur in Betracht, wenn sie auf die neu aufzunehmenden Jahrgänge
begrenzt werde, erscheint damit nicht willkürlich. Eine solche Differenzierung nach
Jahrgängen führt zwar zu gewissen Härten für diejenigen Schüler der jetzigen
Jahrgangsstufen 7 und 8, die zukünftig eine Beschulung in einem 6-jährig
organisierten Gymnasialzweig bevorzugt hätten. Jedoch sind
Übergangsregelungen bei Rechtsänderungen hinzunehmen, wenn dadurch dem
Vertrauensschutz anderer Betroffener Rechnung getragen wird (vgl. OVG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.06.1995 - 3 M 43/95 - zit. n. juris).
Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§
154 Abs. 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53
Abs. 3 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.