Urteil des HessVGH vom 18.05.1994

VGH Kassel: trennung von kirche und staat, religionsunterricht, beamtenverhältnis, dienstzeit, ddr, hessen, anerkennung, kirchendienst, öffentlich, schule

1
2
3
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 UE 679/91
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 11 Abs 1 Nr 1b BeamtVG
(Berücksichtigung von Kirchendienstzeiten im Rahmen
ruhegehaltfähiger Dienstzeiten)
Tatbestand
Der 1929 geborene Kläger studierte in der Zeit vom 1947 bis 1953 Philosophie und
katholische Theologie an den Universitäten Passau und Münster. Am 3. März 1952
legte er das kirchliche Examen (Theologikum) ab. Er trat in den kirchlichen Dienst
in der ehemaligen DDR und war in der Zeit vom 1. Mai 1953 bis zum 31. März
1956 als Kaplan und Pfarrvikar im Amtsbezirk des Bistums tätig, und zwar in en,
und. Nach seiner Ausreise aus der ehemaligen DDR 1956 studierte der Kläger vom
3. November 1956 bis zum 30. Juli 1958 am Pädagogischen Institut in zwei
Semester seines Theologiestudiums wurden auf das Lehramtsstudium
angerechnet. Der Kläger legte die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an
Volks- und Mittelschulen ab, erwarb jedoch keine Lehrbefähigung für das Fach
Religion. Er trat 1958 aus der römisch-katholischen Kirche aus. 1958 wurde er in
den Hessischen Schuldienst übernommen und war seitdem als Lehrer tätig, seit
1964 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, und zwar als lehrer an der -
Gesamtschule bis zu seiner Zurruhesetzung mit Ablauf des Monats Juli 1989.
Mit Bescheid vom 3. Mai 1989 setzte das Regierungspräsidium - die dem Kläger
zustehenden Versorgungsbezüge fest. Die Zeit der Tätigkeit des Klägers als
Kaplan im Bistum vom 1. Mai 1953 bis 31. März 1956 wurde nicht als
ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt. Hiergegen erhob der Kläger
Widerspruch mit der Begründung, es habe sich um eine seinem jetzigen Beruf
eines Lehrers ähnliche Tätigkeit gehandelt. Er habe wöchentlich mehr als 20
Stunden Religionsunterricht erteilen müssen. Die Studienanforderungen für diesen
Beruf seien wesentlich höher gewesen als für den Lehrerberuf. Wäre er nicht aus
der Kirche ausgetreten, so hätte er die Lehrbefähigung für das Fach Religion nach
abgeschlossenem Theologiestudium und mehrjährigem Einsatz im kirchlichen
Dienst jederzeit ohne weiteres erhalten. Er sei vollständig in den kirchlichen Dienst
integriert gewesen und habe Kinder und Jugendliche im Fach Religion unterrichtet.
In der Zeit vom 1. Mai 1953 bis zum 1. Juni 1954 habe er als Kaplan in den
gesamten Religionsunterricht übernommen, der aufgrund der Trennung von Kirche
und Staat grundsätzlich außerhalb der Schulzeit erteilt worden sei. Er habe täglich
mehrere Stunden in den pfarreigenen Räumen einer ehemaligen katholischen
Schule Religionsunterricht erteilt. Als Kaplan in in der Zeit vom 1. Juni 1954 bis 1.
September 1955 habe er täglich zwei Schulstunden gehalten und die
Jugendgruppen betreut. Als selbständiger Pfarrvikar in in der Zeit vom 1.
September 1955 bis 1. Juli 1956 sei er allein tätig gewesen und habe neben der
gesamten Pfarrarbeit auch den gesamten Religionsunterricht geleistet. Trotz
Entlastung durch eine Pfarrhelferin habe er mindestens 14 Wochenstunden
unterrichtet. Seine damalige Tätigkeit im kirchlichen Dienst stehe offensichtlich im
inneren Zusammenhang mit den ihm zuerst übertragenen Aufgaben im Land
Hessen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 1989 wies das Regierungspräsidium
den Widerspruch mit der Begründung zurück, die hier anwendbare Vorschrift des §
11 Abs. 1 Ziff. 1 b Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) trage vor allem dem
4
5
6
7
8
9
10
11 Abs. 1 Ziff. 1 b Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) trage vor allem dem
Umstand Rechnung, daß mancher Dienstherr bestimmte Stellen, z. B. für
Religionslehrer, vorwiegend oder ausschließlich mit Beamten besetze, die aus dem
Kirchendienst übernommen worden seien. Nach Ziff. 11.1.5 der
Verwaltungsvorschriften zum BeamtVG sei eine Anrechnung jedoch nur möglich,
wenn die Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit den dem Beamten zuerst
übertragenen Aufgaben gestanden habe. Da der Kläger nicht berechtigt gewesen
sei, Religionsunterricht zu erteilen, liege ein innerer Zusammenhang zwischen der
Tätigkeit als Kaplan im Bistum und der Lehrtätigkeit im Schuldienst nicht vor.
Der Kläger hat am 29. September 1989 Klage erhoben und zur Begründung
vorgetragen, er habe die Lehrbefähigung für das Fach Religion aufgrund seines
Theologiestudiums und des mehrjährigen Einsatzes im kirchlichen Dienst
besessen und sei daher nicht darauf angewiesen, diese Lehrbefähigung nochmals
im Rahmen des Lehramtsstudiums zu erwerben. Die Lehrbefähigung für den
Unterricht im Fach Religion sei zu unterscheiden von der innerkirchlichen
Berechtigung, das Fach Religion zu lehren. Er habe im übrigen während seiner
Tätigkeit als Lehrer regelmäßig auf entsprechende Bitten vertretungsweise sowohl
katholischen als auch evangelischen Religionsunterricht erteilt. Seine
Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft sei
unzweifelhaft förderlich gewesen für die Verwendung, wegen der er in das
Beamtenverhältnis berufen worden sei. Er habe im Theologiestudium die Fähigkeit
erworben, Kinder und Erwachsene zu unterrichten und während seiner
Berufstätigkeit erhebliche praktische Erfahrungen als Seelsorger und
Religionslehrer gesammelt. Diese Fähigkeiten und Erfahrungen seien ihm bei
seiner Tätigkeit als Lehrer im Dienst des Landes Hessen jederzeit zugute
gekommen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Regierungspräsidiums über die Festsetzung der
Versorgungsbezüge vom 3. Mai 1989 insoweit aufzuheben, als die Zeit vom 1. Mai
1953 bis 31. März 1956 nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt worden
sei, sowie den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Berücksichtigung von 37 vollen
Dienstjahren neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, ein innerer Zusammenhang zwischen dem Theologiestudium
und dem mehrjährigen Einsatz des Klägers im kirchlichen Dienst einerseits und
seiner Tätigkeit an der Schule andererseits könne nur dann bejaht werden, wenn
der Kläger das Fach Religion tatsächlich während des Schuldienstes gelehrt hätte.
Aufgrund seiner fachbezogenen Lehramtsbefähigung habe er jedoch Fächer
unterrichtet, bei denen ein innerer Zusammenhang zu seiner Tätigkeit im
kirchlichen Dienst gerade nicht bestanden habe. Nur zur Aufrechterhaltung des
Schulbetriebes habe er vertretungsweise Religionsunterricht erteilt. Ein
Zusammenhang mit der Tätigkeit als Kaplan könne nur über Lerninhalte
hergestellt werden, bei welchen religiöse Themen im Vordergrund gestanden
haben müßten. Die Anrechnung von Vordienstzeiten gemäß § 11 BeamtVG stelle
eine Erweiterung des Grundsatzes dar, daß der Beamte sich seine
Altersversorgung im Beamtenverhältnis zu erdienen habe. Im Interesse der
Gleichbehandlung aller Versorgungsberechtigten sei es geboten, von Ziff. 11.1.5
der Verwaltungsvorschrift zu § 11 BeamtVG nicht abzuweichen; dazu biete der
vorliegende Sachverhalt auch keinen Anlaß.
Das Verwaltungsgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 1991 die Klage
mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe von dem ihm eingeräumten
Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht, indem er die Nichtberücksichtigung der
Tätigkeit des Klägers als Kaplan und Pfarrvikar in der ehemaligen DDR als
Vordienstzeit auf Ziff. 11.1.5 der Verwaltungsvorschrift zu § 11 BeamtVG gestützt
habe. Ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers in der
früheren DDR und seiner späteren Lehrtätigkeit in Hessen im Sinne einer
Förderlichkeit sei zu Recht verneint worden. Die Tätigkeit eines Geistlichen werde
regelmäßig nicht durch die Erteilung von Religionsunterricht geprägt. Etwas
anderes gelte auch nicht für den Fall des Klägers trotz dessen zeitweilig
erheblicher Lehrtätigkeit. Der notwendige innere Zusammenhang bestehe bei
Geistlichen beispielsweise in Fällen der späteren Berufung in das Amt eines Militär-
oder Anstaltspfarrers, nicht aber dann, wenn der geistliche Beruf aus
11
12
13
14
15
16
oder Anstaltspfarrers, nicht aber dann, wenn der geistliche Beruf aus
Gewissensgründen aufgegeben und eine völlig andere Tätigkeit wie die des Lehrers
gewählt werde. Eine andere Beurteilung wäre nur dann in Betracht gekommen,
wenn der Kläger in der früheren DDR im öffentlichen oder nichtöffentlichen
Schuldienst Religionsunterricht erteilt hätte. Hingegen komme es nicht darauf an,
ob der Kläger ohne zusätzliche staatliche Prüfung berechtigt gewesen wäre, das
Fach Religion in der Schule zu unterrichten. Die ihm erteilten Vertretungsaufträge
seien jedenfalls mit den hierfür geltenden Kirchenverträgen nicht vereinbar. Aus
dieser Lehrtätigkeit könne daher auch kein innerer Zusammenhang zwischen der
früheren Tätigkeit des Klägers in der DDR und seiner Tätigkeit an der Kästner-
Schule in Wetzlar hergeleitet werden.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 8. Februar 1991 zugestellten
Gerichtsbescheid richtet sich die am 1. März 1991 eingegangene Berufung des
Klägers. Er macht geltend, nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sei ein innerer Zusammenhang stets dann zu
bejahen, wenn die Kirchentätigkeit für den späteren Beamtendienst förderlich
gewesen sei; dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Beamte aufgrund
seiner früheren Tätigkeit besondere Fachkenntnisse erworben habe. Der Beklagte
sei verpflichtet, den gesamten Werdegang des Beamten in seine
Ermessenserwägungen einzubeziehen. In allen Bundesländern sei es üblich, daß
der Religionsunterricht von Lehrern oder Geistlichen erteilt werde. Ebenso wie
Kommunions- und Konfirmationsunterricht und Erwachsenenbildung gehöre auch
der Schulunterricht zum Berufsbild eines Geistlichen. Die im Theologiestudium
erworbenen Fachkenntnisse des Klägers seien auf das Studium am Pädagogischen
Institut Weilburg mit zwei Semestern angerechnet worden. Auch aus diesem
Umstand folge, daß sowohl das Vorstudium des Klägers als auch seine Praxis als
geistlicher Lehrer als förderlich für seine spätere Beamtentätigkeit angesehen
werden müßten. In der früheren DDR habe es keinerlei Religionsunterricht in
Schulen gegeben. Dieser sei vielmehr in der Regel außerhalb der Schulzeit in
pfarreigenen Räumen erteilt worden. Die Unterrichtstätigkeit und der Zweck des
Unterrichts seien jedoch mit dem in Schulen erteilten Religionsunterricht identisch
gewesen. Hinsichtlich des später vertretungsweise erteilten Religionsunterrichts sei
die Frage der Förderlichkeit für die Verwendung als Beamter unter
Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalles zu beurteilen. Der Kläger
habe zwar nicht über die kirchliche Berechtigung, wohl aber über die Ausbildung
und die Fähigkeit verfügt, Religionsunterricht zu erteilen. Diese Vorteile habe der
Dienstherr vom Beginn der Tätigkeit des Klägers an auch genutzt, um Engpässe in
der Unterrichtserteilung zu beseitigen. Dies bestätige die Förderlichkeit der
Vortätigkeiten des Klägers. Somit sei auch die Anerkennung als ruhegehaltfähige
Dienstzeit gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Gießen vom 29. Januar 1991 - V/1 E
1089/89 - abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums 1 vom 3. Mai
1989 insoweit aufzuheben, als dort die Zeit vom 1. Mai 1953 bis zum 31. März
1956 nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt wurde, sowie den Beklagten
zu verpflichten, den Kläger unter Berücksichtigung von 37 vollen Dienstjahren neu
zu bescheiden, hilfsweise: die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht geltend, das Ermessen
der Verwaltung sei durch Ziff. 11.1.5 der Verwaltungsvorschrift zu § 11 BeamtVG
dahingehend konkretisiert worden, daß Vordienstzeiten nach § 11 Abs. 1 Nr. 1
BeamtVG nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn die Tätigkeit im inneren
Zusammenhang mit dem zuerst übertragenen Aufgabengebiet des Beamten
gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts halte
sich die Verwaltungsvorschrift jedenfalls dann im Rahmen des Gesetzeszwecks,
wenn es für den geforderten inneren Zusammenhang auf die Förderlichkeit der
Tätigkeiten ankomme. Dieses Merkmal sei in der erstinstanzlichen Entscheidung
zu Recht verneint worden. Von entscheidender Bedeutung sei, daß der Kläger
keine Lehrbefähigung für das Fach Religion besitze. Die Fähigkeiten, die er durch
die Erteilung von Religionsunterricht in der ehemaligen DDR erworben habe,
könnten nicht als förderlich für seine spätere Lehrertätigkeit angesehen werden.
Hierfür reiche es nicht aus, daß es sich jeweils um unterrichtende Tätigkeiten
17
18
19
20
21
Hierfür reiche es nicht aus, daß es sich jeweils um unterrichtende Tätigkeiten
gehandelt habe. Die vom Kläger wahrgenommenen Vertretungsaufträge hätten
ihm von der Schulleitung nicht übertragen werden dürfen. Eine entgegen
geltenden Bestimmungen durchgeführte Lehrtätigkeit könne nicht zur Begründung
einer Förderlichkeit und damit eines inneren Zusammenhangs herangezogen
werden.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten des
Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Band
Versorgungsakte, 2 Bände Personalakten) verwiesen, die vorgelegen haben und
Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Anrechnung von Kirchendienstzeiten
des Klägers als ruhegehaltfähige Dienstzeit gerichtete Bescheidungsklage zu
Recht abgewiesen. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist nicht
rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz
1 und 2 VwGO).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 11 Abs. 1 Nr. 1 b
Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG). Danach kann die Zeit, während der ein
Beamter nach Vollendung des 17. Lebensjahres vor der Berufung in das
Beamtenverhältnis hauptberuflich im Dienst öffentlich-rechtlicher
Religionsgesellschaften tätig gewesen ist, als ruhegehaltfähige Dienstzeit
berücksichtigt werden. Der Grundgedanke dieser Vorschrift besteht darin, daß bei
Personen, die erst später als im Regelfall in den öffentlichen Dienst eintreten,
Zeiten angerechnet werden sollen, die in einer dem Beamtendienst in etwa
vergleichbaren Tätigkeit abgeleistet wurden oder deren Ableistung in sonstiger
Weise dem Beamtendienst zugute kommt. Durch die Anrechnung soll dem
betroffenen Beamten annähernd diejenige Versorgung ermöglicht werden, die er
erhalten hätte, wenn er sich während der Zeit, in welcher er die besondere Eignung
für die Wahrnehmung seines späteren Amtes erlangte, bereits im
Beamtenverhältnis befunden hätte; dies ist sachlich dann gerechtfertigt, wenn der
Beamte die besondere Eignung für die Wahrnehmung seines späteren Amtes
gerade durch eine Betätigung außerhalb des öffentlichen Dienstes erlangt hat (vgl.
BVerwG, Urteile vom 6. Juli 1967, BVerwGE 27, 275, 279 = ZBR 1968, 45, 46; vom
12. Februar 1971, ZBR 1971, 309, 310 sowie vom 11. Februar 1982, ZBR 1983, 62;
Schütz, Beamtenrecht, Kommentar D 1 zu § 11 BeamtVG).
Die Entscheidung steht nach dem Wortlaut der Vorschrift im pflichtgemäßen
Ermessen des Dienstherrn. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß alle
Vorschriften, die eine Anrechnung der vor der Berufung in das Beamtenverhältnis
liegenden Dienstzeiten vorsehen, Ausnahmecharakter besitzen; denn
grundsätzlich soll sich der Beamte seine Altersversorgung im Beamtenverhältnis
"erdienen". Die ruhegehaltfähige Dienstzeit beschränkt sich demgemäß in der
Regel auf die im Beamtenverhältnis verbrachte Zeit (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG); die mögliche Gleichstellung des in § 11 BeamtVG bezeichneten
Personenkreises mit Beamten, die ihre gesamte Dienstzeit im Beamtenverhältnis
verbracht haben, bildet die Ausnahme. Die hier fragliche Anerkennung von
Kirchendienstzeiten ist darüber hinaus im Gegensatz zu den vor Übernahme in
das Beamtenverhältnis bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn verbrachten,
in der Regel einem Beamten obliegenden oder später einem Beamten
übertragenen Beschäftigungen (sogenannte "Beamtendiensttuerzeiten", § 10 Abs.
1 BeamtVG) nicht als Sollvorschrift, sondern als Kannvorschrift ausgestaltet.
Angesichts dessen besteht im Rahmen des § 11 Abs. 1 BeamtVG ein weiter
Ermessensspielraum des Dienstherrn in dem Sinne, daß die Nichtberücksichtigung
von Vordienstzeiten von jeder sachgerechten Erwägung getragen werden kann
(vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juli 1967 a.a.O. sowie vom 28. September 1967,
Buchholz 232 § 116 BBesG Nr. 11 = ZBR 1968, 54). Dieses Ermessen ist lediglich
dadurch begrenzt, daß der Beamte im Ergebnis nicht besser stehen darf als ein
"Nur-Beamter", der zum frühestmöglichen Zeitpunkt ins Beamtenverhältnis
übernommen worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juli 1967 und vom 12.
22
23
24
25
26
übernommen worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juli 1967 und vom 12.
Februar 1971 a.a.O.).
Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist im Rahmen der
Ermessensentscheidung inhaltlich die Frage von Bedeutung, ob die Tätigkeit im
Dienst einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft mit den
beamtenrechtlichen Aufgaben desjenigen Dienstpostens, dessen vorgesehene
Übertragung Zweck der Berufung ins Beamtenverhältnis gewesen ist, in einem
inneren Zusammenhang steht. Das ist zu bejahen, wenn die frühere Tätigkeit des
Beamten für die Verwendung, um derentwillen er ins Beamtenverhältnis berufen
wurde, förderlich war (vgl. Tz. 11.1.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum
Beamtenversorgungsgesetz vom 3. November 1980, GMBl. S. 742; BVerwG, Urteil
vom 28. September 1967 a.a.O.; Beschluß vom 17. Januar 1991, ZBR 1991, 180 =
DÖD 1992, 30; Schütz, Beamtenrecht, D 3 j zu § 11 BeamtVG m.w.N.).
Mit dem Merkmal der Förderlichkeit im Versorgungsrecht hat der Senat sich
wiederholt beschäftigt. Im Rahmen des § 11 Abs. 1 BeamtVG wird im Unterschied
etwa zu § 10 Abs. 1 BeamtVG kein qualifizierter Ursachenzusammenhang
zwischen der Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes und der Berufung ins
Beamtenverhältnis gefordert (vgl. dazu Urteil des Senats vom 31. August 1983 - I
OE 106/80 -); die frühere Tätigkeit muß nicht überwiegend wirksame
Voraussetzung für die Berufung ins Beamtenverhältnis gewesen und nicht
ununterbrochen ausgeübt worden sein (vgl. Urteil des Senats vom 3. Dezember
1968 - I OE 85/67 -, HessVGRspr. 1969, 45, 46). Es genügt ein innerer
Zusammenhang dergestalt, daß der Beamte durch die frühere Tätigkeit
Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben hat, die mit seinen
Beamtentätigkeiten in wesentlichen Merkmalen funktionell vergleichbar sind
(Urteile des Senats vom 13. März 1991 - 1 UE 1254/86 -, vom 26. August 1992 - 1
UE 2280/86 - sowie vom 10. November 1993 - 1 UE 119/92 -; vgl. BVerwG, Urteile
vom 16. Mai 1961 und vom 18. September 1970, Buchholz 232 § 115 BBG Nr. 10,
32).
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es nicht zu beanstanden, daß der
Beklagte in Ausübung seines Ermessens die Anrechnung der vom Kläger im Dienst
der römisch-katholischen Kirche im Bezirk des Bistums Meißen geleisteten
Vordienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit abgelehnt hat; denn diese
Tätigkeit ist mit der Tätigkeit des Klägers im Dienst des Landes Hessen nicht
vergleichbar, so daß es an dem von der Rechtsprechung geforderten inneren
Zusammenhang im Sinne einer Förderlichkeit fehlt.
Der Kläger war als Kaplan und Pfarrvikar tätig. Nach katholischem Kirchenrecht
handelt es sich dabei um Aufgaben, die denen eines Pfarrers weitgehend
angenähert sind. Der Kaplan (capellanus) ist Hilfsgeistlicher, mithin abhängiger
Mitarbeiter des Pfarrers und wird deshalb auch als vicarius cooperator bezeichnet,
während der Pfarrvikar in der Regel als selbständiger Inhaber einer als vicaria
perpetua bezeichneten, noch nicht als kanonische Pfarrei errichteten
Gebietskörperschaft hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten dem Pfarrer
gleichgestellt ist, ohne allerdings dessen stabiles Amt zu besitzen. Zu den
Aufgaben eines Pfarrers gehören im wesentlichen die Feier des Gottesdienstes, die
Eucharistie, Predigt und Katechese, die Kenntnis der Gemeinde und ihrer
Mitglieder, die Sorge für Arme und Kranke, die Veranstaltung von Feiern und
Prozessionen etc. sowie die Leitung der Gemeinde im weitesten Sinne. Zu den
Seelsorgerechten und -pflichten des Pfarrers, die regelmäßig auch von
Pfarrvikaren und Kaplanen wahrgenommen werden, gehört auch die religiöse
Unterweisung insbesondere der Jugend (vgl. zum Vorstehenden:
List/Müller/Schmidt, Grundriß des nachkonziliaren Kirchenrechts, 1980, § 43 III, VI,
44 I, S. 314 f., 320-325).
Angesichts der Vielfalt der Aufgaben eines Pfarrers im Bereich der Seelsorge kann
bereits keine Rede davon sein, daß die Lehr- und Unterrichtstätigkeit wesentliches
funktionelles Merkmal der Tätigkeit eines Pfarrers wäre. Etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, daß in der
ehemaligen DDR praktisch kein Religionsunterricht in staatlichen Schulen erteilt
wurde. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob der
notwendige innere Zusammenhang zwischen der Tätigkeit eines Pfarrers und der
eines Religionslehrers bejaht werden und zur Anerkennung von Kirchendienstzeiten
führen könnte; denn das dem Kläger im Anschluß an seinen Kirchendienst
übertragene Amt eines Lehrers an Volks- und Mittelschulen umfaßte gerade nicht
die Unterrichtstätigkeit im Fach Religion. Der Kläger hat am 11. Juli 1958 die erste
27
28
29
30
31
die Unterrichtstätigkeit im Fach Religion. Der Kläger hat am 11. Juli 1958 die erste
Lehramtsprüfung mit den Fächern Sozialkunde, Deutsch, Rechnen und Raumlehre,
Naturlehre, Kunsterziehung und Werken abgelegt und ist am 14. August 1958 als
apl. Lehrer in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden. Nach der
zweiten Staatsprüfung ist er am 22. Oktober 1962 unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Probe zum Lehrer ernannt worden. Am 22. September
1971 hat er die Erweiterungsprüfung im Fach Mathematik bestanden; daraufhin ist
ihm am 13. April 1973 die Amtsbezeichnung "Realschullehrer" verliehen worden.
Ein irgendwie gearteter innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit eines
katholischen (Hilfs-) Geistlichen und dem Lehramt des Klägers wird in dieser
Laufbahn nicht erkennbar.
Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, daß allgemeine pädagogische
Vorkenntnisse und Erfahrungen in der Jugend- und Erwachsenenbildung, die er
sicherlich im Dienst der römisch-katholischen Kirche gewonnen hat, für seine
spätere Lehrertätigkeit förderlich im Sinne der dargestellten Rechtsprechung
gewesen seien; denn diese waren durch seinen kirchlichen Auftrag geprägt und
rechtfertigten allenfalls eine Verkürzung seiner Studienzeit. Der Kläger kann sich
aber auch nicht mit Erfolg auf den vertretungsweise erteilten Religionsunterricht
berufen. Zum einen sind diese Vertretungen nicht aktenkundig, so daß nicht
festgestellt werden kann, seit wann und in welchem Umfang der Kläger an der -
Gesamtschule in Religionsunterricht erteilt hat. Zum anderen besaß der Kläger,
der am 13. August 1958 aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten war,
während seiner gesamten Beamtendienstzeit nicht den kirchlichen
Unterrichtsauftrag für Religionslehrer und Katecheten (missio catechetica, vgl.
List/Müller/Schmidt a.a.O. § 44 II 7 S. 332). Seine Unterrichtstätigkeit verstieß
daher, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, gegen
Staatskirchenrecht (S. 10 des Entscheidungsabdrucks).
War aber die Erteilung von Religionsunterricht als Inhalt des dem Kläger
übertragenen konkret-funktionellen Amtes eines Realschullehrers rechtlich von
vornherein ausgeschlossen, so kann schon aus diesem Grund ein innerer
Zusammenhang zwischen der früheren Tätigkeit des Klägers im Kirchendienst und
dem ihm später übertragenen Lehramt nicht bestanden haben. Der Beklagte
durfte daher die Anerkennung der Kirchendienstzeiten des Klägers auch im
Hinblick auf den gelegentlich vertretungsweise erteilten Religionsunterricht ohne
Ermessensfehler ablehnen.
Der Kläger verkennt, daß nicht alle im Rahmen einer früheren Tätigkeit erworbenen
Kenntnisse und Fähigkeiten, die mit dem späteren Amtsinhalt vergleichbar sind,
zur Anerkennung von Vordienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit führen
können. Ein loser Zusammenhang im Sinne einer Kongruenz einzelner
Tätigkeitsmerkmale der Vordienstzeit und des späteren Amtes genügt nicht. Von
einem funktionellen inneren Zusammenhang, der durch das Merkmal der
Förderlichkeit geprägt ist, kann aus der hier allein maßgeblichen Sicht des
Dienstherrn nur dann ausgegangen werden, wenn der Beamte gerade aufgrund
bestimmter früher erworbener und in beruflicher Praxis betätigter Fähigkeiten die
Aufgaben seines Amtes im funktionellen Sinne besser erfüllen kann, als wenn er
die Vordienstzeit nicht vorweisen könnte. Nur in der Ausübung des konkreten
Amtes gewinnt eine Vordienstzeit ihre Wertigkeit, die eine Anrechnung als
ruhegehaltfähige Dienstzeit rechtfertigt. Der Kläger hat jedoch die wesentlichen
Kenntnisse und Fähigkeiten eines Lehrers an Volks- und Mittelschulen während
seines Studiums am Pädagogischen Institut in Weilburg gewonnen. Seine früheren
Unterrichtserfahrungen im Fach Religion sind ihm später nicht abverlangt worden,
jedenfalls nicht in dem von ihm innegehaltenen Amt. Die Verkürzung seiner
Studienzeit um 2 Semester stellt eine hinreichende Berücksichtigung seiner
besonderen beruflichen Entwicklung dar. Den inneren Zusammenhang zwischen
Lehramt und Kirchendienst hat der Kläger mit dem Kirchenaustritt selbst endgültig
abgebrochen.
Da die Berufung erfolglos bleibt, hat der Kläger nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten
des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO. Über die Zulassung der Revision entscheidet der Senat gemäß § 132
Abs. 1 VwGO von Amts wegen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür
nicht gegeben sind (§§ 127 BRRG, 183 HBG, 132 Abs. 2 VwGO). Insbesondere hat
die Rechtssache als ein in tatsächlicher Hinsicht vom Kirchenaustritt des Klägers
die Rechtssache als ein in tatsächlicher Hinsicht vom Kirchenaustritt des Klägers
geprägter Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr.
1 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.