Urteil des HessVGH vom 03.09.2003

VGH Kassel: politische verfolgung, vietnam, neue beweismittel, verfolgung aus politischen gründen, anerkennung, wiederaufnahme des verfahrens, behandlung im ausland, wahrscheinlichkeit, regierung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 UE 1011/01.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 51 Abs 1 AuslG 1990
(Vietnam: verneinte Rückkehrgefährdung wegen
untergeordneter Exilpolitik)
Leitsatz
Vietnamesische Staatsangehörige haben wegen einer in Deutschland ausgeübten
exilpolitischen Betätigung im Falle der Rückkehr nur dann mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten, wenn es sich bei dieser Tätigkeit
um eine nachhaltig und öffentlich ausgeübte besonders hervorgehobene oppositionelle
Betätigung handelt, die einen nennenswerten Einfluss auf die vietnamesische
Öffentlichkeit auszuüben vermag und deshalb geeignet ist, den vietnamesischen Staat
aus dortiger Sicht öffentlich herabzuwürdigen. Die bloße Mitgliedschaft in
Exilorganisationen und die Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisationen
begründet die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ebenso wenig wie die
Ausübung von Funktionen in örtlichen und regionalen Exilgruppen und
Unterorganisationen größerer Exilorganisationen sowie die bloße Publizierung
regimekritischer Beiträge in Zeitschriften oder anderen Medien. Auch die
Veröffentlichung solcher Beiträge im Internet führt zu keiner erkennbaren Vergrößerung
des Gefährdungspotentials.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am
Main vom 29. August 2000 (Az.: 1 E 3788/99.A) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, stellte am 15. Juni 1994 einen
- ersten - Asylantrag. Mit Bescheid vom 5. Juli 1994 lehnte das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung auf
Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass
Abschiebungshindernisse nach §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorliegen. Die
gegen diesen Ablehnungsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht
Wiesbaden mit seit dem 19. November 1998 rechtskräftigem Urteil vom 14. Juli
1998 ab.
Am 30. Juni 1999 stellte der Kläger bei dem Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge Asylfolgeantrag. Zur Begründung führte er aus, der ihm
Ende Mai 1999 zur Kenntnis gelangte Jahresbericht 1998 der Gesellschaft für
Menschenrechte (IGMF) habe ihn bewogen, erneut um Asyl nachzusuchen. Aus
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Menschenrechte (IGMF) habe ihn bewogen, erneut um Asyl nachzusuchen. Aus
dem Jahresbericht gehe hervor, dass entgegen gewisser Anzeichen für eine
Demokratisierung des Landes politisch missliebige Personen in Vietnam mit der
Hausarrestverordnung weiterhin drangsaliert würden. Aus dem Bericht sei
weiterhin zu entnehmen, dass Rückkehrerfamilien keine Familienregistrierkarte
erhielten und keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben in Vietnam hätten.
Überdies verweise er auf zahlreiche politische Aktivitäten, die er zwischenzeitlich
ausgeübt habe. Insbesondere sei er Vorsitzender des neu gegründeten Vereins
"Demokratische Erneuerung Vietnams Frankfurt (Main)" geworden. Schließlich sei
zu erwähnen, dass der von ihm in der Zeitschrift "CANH EN" veröffentlichte Artikel
zwischenzeitlich 16.145 mal im Internet abgerufen worden sei.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit
Bescheid vom 20. September 1999 den Antrag auf Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens und den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 18. Juli 1994
bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab.
Wegen des Inhalts des Bescheides vom 20. September 1999 und des weiteren
Sach- und Streitstandes bis zum Erlass des angefochtenen erstinstanzlichen
Urteils wird auf dessen Tatbestand, dessen Feststellungen sich der Senat nach §
130b Satz 1 VwGO zu Eigen macht, Bezug genommen.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. August 2000 ab. Zur
Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge habe es zu Unrecht abgelehnt, ein neues
Asylverfahren durchzuführen. Die von dem Kläger vorgetragenen und
dokumentierten exilpolitischen Aktivitäten nach Abschluss des ersten
Asylverfahrens seien grundsätzlich geeignet, die Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens zu rechtfertigen. Indessen könne der Kläger weder einen Anspruch
auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG noch einen
Anspruch auf Abschiebungsschutz als politisch Verfolgter nach § 51 Abs. 1 AuslG
geltend machen. Von der Anerkennung als Asylberechtigter sei der Kläger schon
deshalb ausgeschlossen, weil er über einen sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a
Abs. 2 AsylVfG in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sei. Den
Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG könne er deshalb nicht in Anspruch
nehmen, weil ihm wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten in Deutschland nicht mit
der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im Falle
der Rückkehr nach Vietnam drohe. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei eine
Bestrafung nach Art. 82 oder 85 des vietnamesischen Strafgesetzbuches nur dann
zu erwarten, wenn sich der Betreffende nachhaltig, öffentlich und in besonders
exponierter Weise gegen das vietnamesische Regime betätigt oder geäußert
habe. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung gegen das vorgenannte
Urteil zugelassen.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, das
Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine herausgehobene Stellung bei Ausübung
der exilpolitischen Tätigkeiten verneint. Das Gegenteil ergebe sich bereits aus
seinem nachhaltigen Engagement für den Verein "Demokratische Erneuerung
Vietnams Frankfurt (Main)". Er sei nicht nur Vorsitzender dieses Vereins, sondern
auch Chefredakteur der von dem Verein herausgegebenen Zeitschrift. Aus den
vorliegenden Erkenntnissen ergebe sich ohne Zweifel, dass die vietnamesische
Regierung eine intensive Ausspähung der hier aktiven vietnamesischen Opposition
betreibe und Rückkehrer einer genauen Sicherheitsüberprüfung unterziehe. Aus
den Mitteilungen vor allem der IGMF folge weiterhin, dass nach wie vor eine
Verfolgung politisch und religiös missliebiger Personen betrieben werde. Dass
gegen ihn - den Kläger - bereits in Vietnam ermittelt werde, ergebe sich daraus,
dass seine Schwester und ihr Bekannter bei einem Besuch bei seinen Eltern in
Hanoi intensiv kontrolliert und nach ihm befragt worden seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom
29. August 2000 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. September 1999 zu
verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG, vorliegen.
Die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben sich im
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Die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben sich im
Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und haben auch keine Anträge
gestellt.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, seine Schwester
X.H.D. und deren Arbeitgeber seien während eines gemeinsamen Kurzurlaubs in
Hanoi im Januar 2001 in der Wohnung der Eltern des Klägers von Polizeibeamten
aufgesucht und unter Hinweis auf die exilpolitische Betätigung des Klägers nach
dessen Aufenthalt intensiv befragt worden, durch Vernehmung des Herrn V.B. als
Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 398 bis 404 der
Gerichtsakten verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens, der beigezogenen Gerichtsakten 11 Q
653/01.A und den Inhalt der beigezogenen Behördenakten des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (2 Hefter) Bezug genommen. Diese
Vorgänge waren sämtlich Gegenstand der Beratung.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung über die
Berufung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die von dem Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des
Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann der Kläger mit seiner Klage allerdings
schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der von ihm am 2. Juli 1999 gestellte
Asylfolgeantrag bereits die gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AsylVfG für die
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens erforderlichen Voraussetzungen
gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt. Zu Recht hat deshalb das Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit seinem Bescheid vom 29.
September 1999 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und den Antrag
auf Abänderung des Ablehnungsbescheides vom 18. Juli 1994 bezüglich der -
negativen - Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG
abgelehnt.
1.
Stellt ein Asylbewerber - wie im vorliegenden Fall der Kläger - nach Rücknahme
oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags einen weiteren
Asylantrag, hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
(vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz AsylVfG) in einem ersten Schritt zu
überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des
Verfahrens vorliegen und der Asylbewerber folglich einen Anspruch auf eine
erneute sachliche Entscheidung über sein Asylgesuch hat. Diese Prüfung ist nicht
auf eine vollständige asylrechtliche Bewertung der für den Asylfolgeantrag
gegebenen Begründung gerichtet. Vielmehr hat das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lediglich darüber zu befinden, ob sich aus
dem Vortrag des Asylsuchenden eine für ihn günstige Änderung der Sach- oder
Rechtslage seit Abschluss des Erstverfahrens ergibt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG),
ob von ihm vorgelegte neue Beweismittel eine gegenüber der Entscheidung im
abgeschlossenen Verfahren günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden
(vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder ob Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580
ZPO gegeben sind (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Diese Voraussetzungen
darzulegen, ist Sache des Asylbewerbers im Rahmen der ihm gemäß § 15 AsylVfG
obliegenden Mitwirkungspflicht. Macht er eine nachträgliche Änderung der Sach-
oder Rechtslage zu seinen Gunsten geltend, muss er in schlüssiger und
widerspruchsfreier Form Tatsachen vortragen, aus denen sich jedenfalls eine nicht
gänzlich entfernt liegende Möglichkeit einer positiven Entscheidung über das
Asylgesuch ergibt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. März 2000 - 2 BvR 39/98 -,
DVBl. 2000, 1048 und vom 24. Juni 1993 - 2 BvR 541/93 -, DVBl. 1993, 1004). Die
unsubstantiierte Behauptung des Asylsuchenden, die der vorangegangen
Entscheidung zu Grunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse
hätten sich zu seinen Gunsten verändert, genügt dagegen ebenso wenig wie die
nicht näher konkretisierte Befürchtung, auf Grund einer Änderung der Sach- und
Rechtslage politische Verfolgung oder abschiebungsschutzrelevante Nachteile zu
erleiden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. März 2000 - A 12 S 423/00
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erleiden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. März 2000 - A 12 S 423/00
-). Im Falle der Vorlage neuer Beweismittel hat der Asylbewerber schlüssig
darzulegen, dass dieses neue Beweismittel im Zusammenhang mit dem
Sachvorbringen geeignet erscheint, dem Asylgesuch nunmehr zum Erfolg zu
verhelfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 1982 - BVerwG 8 C 75.80 -, NJW 1982,
2204). Wurden die Voraussetzungen gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG den vorgenannten
Anforderungen entsprechend schlüssig dargetan, ist die weitere Prüfung, ob die
vorgetragenen Wiederaufnahmegründe eine von dem Erstverfahren abweichende
Entscheidung zugunsten des Asylbewerbers rechtfertigen, Sache des
durchzuführenden neuen Asylverfahrens (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni
1993 - 2 BvR 541/93 -, a.a.O.).
Ein Asylfolgeantrag kann gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, 51 Abs. 3 VwVfG
darüber hinaus nur innerhalb von drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an
dem der Asylbewerber von dem Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens
Kenntnis erlangt hat. Weiterhin ist der Asylfolgeantrag gemäß §§ 71 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG, 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der oder die Betreffende ohne grobes
Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens
in dem abgeschlossenen ersten Asylverfahren geltend zu machen. Der
Asylbewerber hat die Tatsachen, aus denen sich die Einhaltung der Drei-Monats-
Frist und das fehlende grobe Verschulden an der Geltendmachung des
Wiederaufnahmegrundes im Erstverfahren ergibt, innerhalb der Frist gemäß § 51
Abs. 3 VwVfG schlüssig darzulegen (HessVGH, Beschluss vom 8. März 2000 - 12
UZ 1407/98.A -).
2.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht kein Anspruch des Klägers auf
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.
In der Begründung seines Folgeantrags im Schriftsatz der
Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 1999 beruft sich der Kläger zunächst darauf,
er habe durch den ihm im Mai 1999 zur Kenntnis gelangten Jahresbericht der
"Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte - IGMF" 1998 erfahren, dass
entgegen gewisser Anzeichen für eine Demokratisierung des Landes Rückkehrer in
Vietnam weiterhin drangsaliert würden. Bei diesem zusammen mit dem
Asylfolgeantrag vorgelegten Jahresbericht handelt es sich indessen um kein
Beweismittel, das geeignet wäre, das Asylgesuch des Klägers nunmehr als
begründet erscheinen zu lassen.
Aus dem Inhalt des vorerwähnten Jahresberichts sind - soweit sich der Kläger
hierauf in seinem Folgeantrag bezieht - keine Anzeichen für die von ihm geäußerte
Furcht vor politischer Verfolgung zu entnehmen. Es ergeben sich hieraus weiterhin
auch keine Anzeichen für Beeinträchtigungen oder Nachteile, aus denen ein
Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG ableitbar wäre.
Soweit der Kläger in dem Folgeantrag darauf verweist, es finde in Vietnam eine
Drangsalierung politisch missliebiger Personen nach der "Hausarrestverordnung"
statt, nimmt er offenbar Bezug auf eine Passage auf Seite 3 des IGMF-
Jahresberichts, die in dem vom Kläger vorgelegten Exemplar teilweise
handschriftlich unterstrichen ist. In dem betreffenden Abschnitt wird von dem
Besuch von Vertretern des Auswärtigen Ausschusses des US-
Repräsentantenhauses bei 14 Rückkehrerfamilien in Vietnam Ende 1997 berichtet.
Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses
hätten dabei festgestellt, dass 9 dieser Familien bislang die in Vietnam
lebensnotwendige Familienregistrierkarte nicht hätten erhalten können. Die
Delegation habe mit 5 Familienvätern gesprochen, die wegen ihrer früheren
politischen Aktivitäten in den Flüchtlingslagern unter Hausarrest stünden. Sie
würden von der Polizei in regelmäßigen Abständen vorgeladen. Ihre Ehefrauen
bekämen keine Arbeit, ihre Kinder dürften nicht zur Schule gehen.
Aus diesen Angaben lässt sich nichts zu Gunsten des Klägers ableiten.
Bei den von den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des US-
Repräsentantenhauses befragten Personen handelte es sich um Rückkehrer aus
den USA, denen in Vietnam angeblich politische Aktivitäten während ihres dortigen
Aufenthaltes in Flüchtlingslagern zum Vorwurf gemacht wurde. Die politischen
Tätigkeiten in den amerikanischen Flüchtlingslagern, wegen der die von der US-
Delegation befragten Personen angeblich unter Hausarrest gestellt wurden,
werden in dem Bericht nicht näher umschrieben. Ebensowenig lässt sich aus den
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werden in dem Bericht nicht näher umschrieben. Ebensowenig lässt sich aus den
nicht näher spezifizierten Angaben in dem Jahresbericht ersehen, ob es sich bei
den arrestierten Vietnamesen um politisch in besonderer Weise hervorgetretene
Oppositionelle handelt, oder ob die Betroffenen etwa auch wegen einfacher
regimekritischer Äußerungen oder Tätigkeiten belangt wurden. Der Bericht lässt
schließlich auch keinen Rückschluss darauf zu, ob die Arrestierung der befragten
Personen etwa nur darauf zurückzuführen ist, dass die Betreffenden gerade in den
USA gegen die vietnamesische Regierung opponiert haben und ihnen nunmehr
eine als für den vietnamesischen Staat als besonders schädlich empfundene
Aufwiegelung der Insassen der dortigen Flüchtlingslager vorgeworfen wird. Solche
letztlich unergiebige Informationen über nicht näher konkretisierte Einzelfälle
staatlicher Repressalien mit politischem Hintergrund bieten für eine
Asylanerkennung oder für die Zubilligung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs.
1 AuslG von Vornherein keine Grundlage.
Auch aus der in dem betreffenden Abschnitt des Jahresberichts weiterhin
enthaltenen Mitteilung, dass mehrere Flüchtlingsfamilien noch nicht mit einer
Familienregistrierkarte ausgestattet waren, ergeben sich keine Hinweise auf eine
gegen diese Personen womöglich gerichtete politische Verfolgung. Die im Bericht
enthaltene Aussage, die Familienregistrierkarte sei den Betroffenen wegen ihrer
politischen Betätigung verweigert worden, stellt eine reine Vermutung dar, die
durch keinerlei Tatsachen untermauert ist. Auch insoweit fehlt es überdies an
jeglicher näherer Erläuterung, welche politische Betätigung den betreffenden
Personen zum Vorwurf gemacht wird.
Die vorerwähnte Information in dem IGMF-Jahresbericht 1998 deutet schließlich
auch nicht darauf hin, dass eine Abschiebung des Klägers nach Vietnam in
verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG deshalb untersagt
sein könnte, weil er im Falle der Rückkehr durch die Verweigerung der
Familienregistrierkarte von dem Bezug lebenswichtiger Güter abgeschnitten
werden würde und deshalb einer unmittelbaren Lebensgefahr ausgesetzt wäre
(vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 -, BVerwGE
99, 324, und vom 29. März 1996 - BVerwG 9 C 116.95 -, Buchholz 402.240 § 53
AuslG 1990 Nr. 3). Zwar wird der Besitz der Familienregistrierkarte in dem
Jahresbericht als "lebensnotwendig" bezeichnet. Es fehlen indessen jegliche
Hinweise darauf, dass die von der US-Delegation besuchten Familien, denen die
Registrierungskarte nicht ausgestellt worden war, in dem Flüchtlingslager nicht
zumindest mit den zum Überleben notwendigen Gütern versorgt wurden und sich
folglich in einer existenziellen Notlage befanden.
In welcher Hinsicht sich aus den im Jahresbericht 1998 der IGMF und den als
Anlagen zum Asylfolgeantrag überreichten Pressemeldungen der Organisation
angeführten Einzelfällen, in denen bestimmte namentlich bezeichnete Personen
staatlicher Verfolgung in Vietnam ausgesetzt waren, Rückschlüsse auf das
Verfolgungsschicksal des Klägers ergeben sollen, wird von ihm in der Begründung
des Asylfolgeantrags nicht dargelegt.
Der Kläger macht unter Berufung auf die seinem Asylfolgeantrag beigefügte
Anlage 1 weiterhin geltend, er habe von seiner in Deutschland lebenden
Schwester, die über vielfältige briefliche und telefonische Kontakte nach Vietnam
verfüge, erfahren, dass die vietnamesische Polizei nach ihm suche. Nach dem
Inhalt der von der Polizei gestellten Fragen ermittle sie gegen ihn wegen des
Verstoßes gegen die Strafbestimmungen gemäß Art. 82 und 85 des
vietnamesischen Strafgesetzbuches (im Folgenden: VStrGB). Die Ermittler seien
offenbar im Besitz von Fotos und Dokumenten, mit denen entsprechende
Straftaten belegt werden könnten. Angeblich wolle man ihn - den Kläger - auf
einem der Fotos identifiziert haben. Es könne sich hierbei um die Aufnahme einer
Demonstration vor der vietnamesischen Botschaft in Bonn/Bad Godesberg oder
einer anderen Veranstaltung handeln. Es sei aber auch denkbar, dass der im
Internet veröffentlichte Artikel in der Zeitschrift " CHANH EN " die Aufmerksamkeit
der Polizeibehörden in Vietnam erregt haben könnte.
Dieser Vortrag enthält keine schlüssige Darstellung eines neuen Sachverhalts, der
eine für den Kläger günstigere Beurteilung seines Asylbegehrens rechtfertigen
könnte. Der Kläger beschränkt sich auf Andeutungen über angebliche
Informationen, die seiner Schwester aus Vietnam über gegen ihn laufende
polizeiliche Ermittlungen erhalten haben soll. Auf welchem Weg seine Schwester an
diese Informationen gelangt ist (brieflich oder telefonisch) wird nicht im Einzelnen
ausgeführt. Es wird weiterhin auch nicht dargelegt, wann und in welcher Form
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ausgeführt. Es wird weiterhin auch nicht dargelegt, wann und in welcher Form
polizeiliche Nachforschungen bei der Familie des Klägers in Vietnam durchgeführt
(Hausbesuche, Vorladungen ?) und welche Fragen den Familienangehörigen des
Klägers hierbei konkret gestellt wurden. Ebenso wenig wird mitgeteilt, ob der
Familie Fotografien von Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen vorgelegt
wurden, auf denen der Kläger abgebildet war, oder ob die Angehörigen des Klägers
lediglich von der Existenz solcher Aufnahmen unterrichtet wurden. Das Vorbringen
des Klägers erschöpft sich vielmehr in bloßen Mutmaßungen, die allein nicht
geeignet sind, eine Veränderung der Sachlage im Sinne der §§ 71 Abs. 1 Satz 2, 1.
Halbsatz AsylVfG, 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu belegen. Da in dem Folgeantrag und
der ihm beigefügten Anlage 1 nicht angegeben wird, wann der Kläger von seiner
Schwester die Informationen über gegen ihn in Vietnam laufende Ermittlungen
erhalten haben will, fehlt es zudem an der erforderlichen Darlegung von
Tatsachen, aus denen sich die Einhaltung der Frist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1
VwVfG ergibt.
Die von dem Kläger in der Begründung des Asylfolgeantrags angeführte
Veröffentlichung eines von ihm verfassten regimekritischen Artikels in der Ausgabe
der Zeitschrift "CANH EN" vom März/April 1998 und im Internet war bereits
Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 14. Juli
1998 im Erstverfahren und kann folglich im vorliegenden Asylfolgeverfahren keine
Berücksichtigung mehr finden.
Soweit sich der Kläger bezüglich der Veröffentlichung des erwähnten Artikels im
Internet weiterhin darauf beruft, die betreffende Internetseite sei insgesamt 16.145
mal aufgerufen worden und sei damit mit Sicherheit auch den vietnamesischen
Sicherheitsbehörden bekannt, ist der Kläger mit diesem Vortrag nach § 51 Abs. 2
VwVfG ausgeschlossen. Der von dem Kläger mit dem Asylfolgeantrag vorgelegte
Beleg des Internetproviders, aus dem sich die genannte Zahl der Zugriffe auf die
Webseite ergibt, datiert vom 23. Juli 1998. Da die mündliche Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht Wiesbaden nur wenige Tage zuvor stattfand, hätte sich der
Kläger bereits zu diesem Termin Gewissheit darüber verschaffen können, dass der
Artikel in großer Zahl über das Internet abgerufen wurde. Seine Befürchtung, dass
angesichts der Häufigkeit der Zugriffe auf die Internetseite auch eine
Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme durch die vietnamesischen Behörden
besteht, hätte mithin bereits dem Verwaltungsgericht Wiesbaden im
abgeschlossenen Erstverfahren gegenüber geäußert werden können.
Die von dem Kläger mit seinem Asylfolgeantrag weiterhin vorgelegten Unterlagen
betreffen schließlich die Gründung des Vereins "Demokratische Erneuerung
Vietnams Frankfurt (Main)", seine Wahl zum ersten Vorsitzenden dieses Vereins
und verschiedene von ihm für den Verein ausgeübte politische Tätigkeiten. Die
Berufung auf diese Umstände und eine daraus abgeleitete Furcht vor politischer
Verfolgung ist nicht innerhalb der dreimonatigen Frist für die Geltendmachung der
Gründe für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG
erfolgt. Die Gründung des Vereins "Demokratische Erneuerung Vietnams Frankfurt
(Main)" und die Wahl des Klägers zum ersten Vorsitzenden fand am 6. August
1998 statt. Die von dem Kläger belegten politischen Aktivitäten für den Verein
wurden im Zeitraum vom 7. August bis 7. Dezember 1998 ausgeübt. Ein hierauf
gestützter Asylfolgeantrag hätte folglich spätestens bis zum 8. März 1999 (einem
Montag) gestellt werden müssen. Da der Kläger den Folgeantrag bezüglich des
oben genannten Vortrags nicht rechtzeitig gestellt hat, ist er auch mit seinem auf
die späteren exilpolitischen Aktivitäten bezogenen Vorbringen ausgeschlossen.
Zwar können im Asylfolgeverfahren auch nach der Stellung des Folgeantrags
eingetretene Tatsachen geltend gemacht werden. Dies setzt allerdings voraus,
dass es sich um Umstände handelt, die einen rechtzeitig innerhalb der Antragsfrist
nach § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG vorgetragenen Sachverhalt lediglich ergänzen oder
konkretisieren. Auf erstmals nach Ablauf der Antragsfrist vorgebrachte Tatsachen
lässt sich ein Folgeantrag dagegen nicht stützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.
Februar 1998 - BVerwG 9 C 28.97 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 295).
II.
Aber selbst wenn man mit der Vorinstanz den Asylfolgeantrag des Klägers
insgesamt als gemäß §§ 71 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zulässig
betrachten und deshalb über das Asylbegehren in dem durch den Kläger im
Asylfolgeverfahren geltend gemachten Umfang "durchentscheiden" wollte, könnte
diesem in der Sache kein Erfolg beschieden sein. Dem Kläger droht auch unter
Berücksichtigung der von ihm im Asylfolgeantrag vorgetragenen Gründe nicht mit
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Berücksichtigung der von ihm im Asylfolgeantrag vorgetragenen Gründe nicht mit
der erforderlichen Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung bei Rückkehr in sein
Heimatland. Für die wegen des in erster Instanz zutreffend festgestellten
Ausschlusses vom Asylgrundrecht gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1
AsylVfG allein mögliche Feststellung der Voraussetzungen des
Abschiebungsschutzes für politisch Verfolgte nach § 51 Abs. 1 AuslG besteht
folglich keine Grundlage.
Die Verfolgungsprognose hat auf der Grundlage des für nicht Vorverfolgte
geltenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zu erfolgen. Der für Vorverfolgte
anzuwendende herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab kommt dem Kläger
nicht zugute, denn das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat in seinem Urteil vom
14. Juli 1998 festgestellt, dass der Kläger nicht vorverfolgt ist. Da der Kläger
bezüglich der von ihm im Erstverfahren behaupteten Vorverfolgungssituation keine
Wiederaufnahmegründe geltend gemacht hat, ist dieser Bereich einer erneuten
Überprüfung im Asylfolgeverfahren entzogen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.
August 1987 - BVerwG 9 B 318.86 -, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 6).
Als Anknüpfungspunkt für eine dem Kläger in seiner Heimat drohende politische
Verfolgung kommt allein die von ihm in Deutschland entfaltete exilpolitische
Betätigung in Betracht. Den von ihm auch im vorliegenden Asylfolgeverfahren
erwähnten früheren politischen Aktivitäten vor der Ausreise aus Vietnam kommt
dagegen keine erkennbare Bedeutung mehr zu. Auch wegen seiner exilpolitischen
Aktivitäten in Deutschland hat der Kläger im Falle der Rückkehr nach Vietnam
indessen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Repressalien zu
befürchten.
1.
Der Senat vermag zunächst nicht zu erkennen, dass gegen den Kläger bereits
Ermittlungen in Vietnam wegen der dort über Zeitungsveröffentlichungen, über
das Internet oder durch Ausspähung durch Agenten bekannt gewordenen
oppositionellen Aktivitäten des Klägers in Deutschland im Gange sind. Die
dementsprechende, im Asylfolgeantrag aufgestellte und im Verlaufe des
gerichtlichen Verfahrens durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der
Schwester des Klägers und des Zeugen B. untermauerte Behauptung hat im
vorliegenden Berufungsverfahren keine Bestätigung gefunden.
Der Zeuge B. hatte in seiner dem Senat mit Schriftsatz der
Prozessbevollmächtigten vom 15. Februar 2001 vorgelegten eidesstattlichen
Erklärung vom 13. Februar 2001 dargelegt, er habe mit der in seinem Betrieb
beschäftigten Schwester des Klägers und deren Tochter die Eltern des Klägers in
Hanoi besucht. Obwohl sie nur ihre persönliche Kleidung und einige belanglose
Geschenke mitgeführt hätten, seien sie bei der Gepäck- und Personalkontrolle
über zwei Stunden lang in einem separaten Raum auf das Schärfste kontrolliert
worden. Am Abend des gleichen Tages seien gegen 20.30 Uhr fünf Polizisten bei
den Eltern des Klägers erschienen und hätten ihnen Fotos des Klägers gezeigt. Die
Polizeibeamten hätten erklärt, dass der Kläger in Vietnam steckbrieflich wegen
Volksverhetzung im Rundfunk und Internet gesucht werde und dass ein Haftbefehl
gegen ihn vorliege. Die Beamten hätten nochmals das gesamte Gepäck auf
Disketten, CD-ROMs und Zeitschriften durchsucht. Sie hätten unbedingt wissen
wollen, wo sich der Kläger aufhalte. Nach endloser Fragerei habe er - der Zeuge B.
- den Polizisten schließlich erklärt, dass er in Vietnam seinen Urlaub verbringen
und mit dem Kläger nichts zu tun haben wolle. Da die Vernehmung kein Ende
genommen habe, habe er energisch darauf bestanden, die Befragung in den
Räumen der Deutschen Botschaft fortzusetzen. Daraufhin hätten die Beamten
umgehend das Haus der Eltern des Klägers verlassen. Während ihres Aufenthalts
seien sie noch drei Mal im Hause der Eltern kontrolliert und befragt worden. Die
Befragungen seien erst auf seinen Hinweis, er werde wegen der unerträglichen
Schikanen sofort abreisen, beendet worden. Danach seien sie bis auf die ebenfalls
schikanöse Abfertigung beim Rückflug in Ruhe gelassen worden.
Bei seiner Vernehmung durch den damaligen Berichterstatter des Senats am 21.
Mai 2002 hat der Zeuge B. die Vorgänge während seines Besuchs in Vietnam
dagegen vollkommen anders dargestellt.
Hinsichtlich der von ihm in seiner Erklärung vom 13. Februar 2001 geschilderten
Schwierigkeiten bei der Einreise gab der Zeuge bei seiner Vernehmung nunmehr
an, diese hätten sich durchaus Rahmen dessen bewegt, was früher bei der Einreise
in die damalige DDR üblich gewesen sei. Sie hätten alle Koffer öffnen müssen, alles
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in die damalige DDR üblich gewesen sei. Sie hätten alle Koffer öffnen müssen, alles
sei durchsucht worden. Die Prozedur habe deshalb so lange gedauert, weil die
Maschine mit 400 Personen voll besetzt gewesen sei. Er habe nicht den Eindruck
gehabt, dass die Schwester des Klägers besonders streng kontrolliert worden sei.
Sie sei vielmehr wie alle anderen Passagiere kontrolliert worden. In der Wohnung
der Eltern habe eine Begrüßung stattgefunden, bei der ca. 20 Personen anwesend
gewesen seien. An dem Abend sei nichts Besonderes geschehen. Am nächsten
Tag sei ein Uniformierter bei seinen Gastgebern erschienen und er habe seinen
Pass zur Verfügung stellen müssen. Der Uniformierte habe Einsicht in den Pass
genommen und Eintragungen in mitgeführte Unterlagen gemacht. Er - der Zeuge
- nehme an, dass es sich um einen Bediensteten der Meldebehörde gehandelt
habe, der die Anmeldung habe kontrollieren wollen. Etwa acht Tage später seien
zwei uniformierte Personen in der Wohnung der Eltern des Klägers erschienen und
hätten erneut seinen Pass sehen wollen. Die anderen Hausbewohner seien nicht
kontrolliert worden. Als er der Schwester des Klägers gegenüber sein Befremden
über die häufigen Kontrollen geäußert habe, habe diese zum ersten Mal erklärt,
dass ihr Bruder wegen seiner exilpolitischen Betätigung gesucht werde.
Auf Befragen erklärte der Zeuge im Termin zur Beweisaufnahme weiterhin, dass
am Begrüßungsabend mehrere uniformierte Personen zugegen gewesen seien. Er
denke, dass es sich hierbei um Leute aus der Verwandtschaft des Klägers
gehandelt habe. Die Schwester des Klägers habe erklärt, dass sie nach ihrem
Bruder gefragt worden sei. Er selbst sei von den Uniformierten nicht befragt
worden. Am gleichen Abend seien Fotos herum gereicht worden, auf denen zum
Teil auch der Kläger abgebildet gewesen sei. Dies sei aber mehr im Familienkreis
geschehen.
Unter Berücksichtigung dieser Aussage liegen keinerlei auf eine mögliche
Ermittlungstätigkeit der vietnamesischen Behörden gegen den Kläger
hindeutenden Anhaltspunkte vor. Im Gegenteil ist aus den Angaben des Zeugen
B. zu schließen, dass den vietnamesischen Stellen entweder die exilpolitischen
Aktivitäten des Klägers nicht bekannt sind, oder aber, dass sie die Betätigung des
Klägers als nicht bedeutsam genug betrachten, um gegen ihn in seiner
Abwesenheit vorzugehen. Gerade der Aufenthalt der in Deutschland lebenden
Schwester des Klägers und eines Deutschen, von dem die vietnamesischen
Behörden annehmen mussten, dass er zum engeren Bekanntenkreis des Klägers
gehört, hätte sich bei einem laufenden Ermittlungsverfahren angeboten, etwas
über die exilpolitischen Tätigkeiten des Klägers in Erfahrung zu bringen. Dass
entsprechende Bemühungen unterblieben sind und offensichtlich auch zu keinem
Zeitpunkt der Versuch unternommen wurde, die Familie des Klägers unter Druck
zu setzen oder sie zumindest an einer Ausreise aus Vietnam zu hindern, zeigt
deutlich, dass die vietnamesischen Stellen kein Interesse haben, gegen den in
Deutschland lebenden Kläger strafrechtlich oder mit anderen Mitteln vorzugehen.
Auch der Umstand, dass die Schwester des Klägers im Sommer 2001 erneut
ungehindert nach Vietnam reisen konnte und auch bei dieser Gelegenheit nicht
wegen ihres Bruders befragt oder behelligt wurde, belegt, dass gegen den Kläger
kein strafrechtliches oder administratives Verfahren wegen seiner politischen
Betätigung im Ausland im Gange ist. Die Schwester des Klägers hegt überdies
erkennbar selbst keine Furcht, wegen der exilpolitischen Tätigkeit ihres Bruders in
Vietnam zur Rechenschaft gezogen oder zumindest verhört zu werden. Auf die
Frage des Zeugen, ob ein Aufenthalt in Vietnam wegen der Dinge, die bei ihrem
Aufenthalt passiert seien, nicht gefährlich sein könnte, habe ihr die Schwester des
Klägers - so der Zeuge bei seiner Vernehmung - erklärt, dass es sie nichts
angehe, was ihr Bruder "angeblich" tue. Auch in ihrer eigenen eidesstattlichen
Erklärung vom 9. Juni 2002 hat die Schwester des Klägers diese zweite Reise als
"nicht gefährlich" bezeichnet.
Die weiteren Aussagen des Zeugen B. bei seiner Vernehmung am 21. Mai 2002
machen schließlich deutlich, dass er von dem Kläger zu der Abgabe der
eidesstattlichen Erklärung vom 13. Februar 2001 mit einem von diesem
vorgegeben Inhalt gedrängt wurde. Auf entsprechendes Befragen erklärte der
Zeuge nämlich, er sei von dem Kläger wenige Tage nach der Rückkehr aus Hanoi
gebeten worden, eine Erklärung abzugeben. Der Kläger habe ihm dabei gesagt,
dass er in nicht näher erläuterten Schwierigkeiten sei. Die von ihm verfasste
Erklärung habe der Kläger mitgenommen und sei nach einigen Tagen mit einer
abgeänderten Fassung erschienen, die er - B. - dann unterschrieben habe. Den
Text habe er auf Geschäftspapier selbst geschrieben, wobei er das abgeschrieben
habe, was der Kläger ihm mitgebracht habe.
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Der Senat geht davon aus, dass die detaillierten und auch auf Nachfragen
widerspruchsfreien Angaben des Zeugen B. bei seiner Vernehmung durch den
früheren Berichterstatter des Senats der Wahrheit entsprechen. Die
eidesstattliche Erklärung der Schwester des Klägers vom 9. Juni 2002 rechtfertigt
keine andere Beurteilung. Die Schwester des Klägers hat in dieser Erklärung den
Inhalt der eidesstattlichen Erklärung des Zeugen B. vom 13. Februar 2001 lediglich
pauschal als richtig bezeichnet, ohne aber ihrerseits eine ins Detail gehende
Schilderung der Vorgänge bei dem Besuch ihrer Eltern zu geben. Begründete
Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Zeuge aus Verärgerung über seine
offenbar fehlgeschlagenen Bemühungen um Vertiefung der Beziehungen zur
Schwester des Klägers bewogen worden sein könnte, die Vorgänge abweichend
von seiner früheren Erklärung bewusst unrichtig zu schildern, haben sich nicht
ergeben. Die entsprechenden Vorwürfe des Klägers und seiner Schwester in ihrer
eidesstattlichen Erklärung erschöpfen sich in nicht näher belegten Vermutungen
und Vorhaltungen.
2.
Der Kläger hätte wegen seiner exilpolitischen Betätigung auch nicht mit der
erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit die Ergreifung von strafrechtlichen
oder sonstigen asylrechtlich bedeutsamen staatlichen Maßnahmen zu erwarten,
wenn er jetzt nach Vietnam zurückkehren würde.
Der Umstand, dass gegen den Kläger in Vietnam ersichtlich keine Ermittlungen im
Gange sind und bislang offensichtlich auch keine Versuche unternommen wurden,
den Kläger durch Druck auf seine Familie zur Rückkehr zu bewegen oder auch nur
seine eventuelle Absicht zur Rückkehr in Erfahrung zu bringen, zeigt bereits
deutlich, dass offenbar keine Absicht besteht, gegen den Kläger wegen seiner
oppositionellen Tätigkeit in Deutschland vorzugehen. Insoweit ist zu
berücksichtigen, dass es offenbar durchaus Fälle gegeben hat, in denen
Familienangehörige und Bekannte von im Ausland aktiven Oppositionellen in
Vietnam unter Druck gesetzt wurden. So berichtet der Sachverständige .... in
seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2001 an das Verwaltungsgericht Potsdam
darüber, dass ihm eine Reihe von Fällen bekannt seien, in denen Angehörige und
Freunde von in Deutschland tätigen Oppositionellen nach ihrer Rückkehr intensiven
Befragungen durch die Polizei- und Sicherheitsorgane ausgesetzt gewesen seien.
Sie seien hierbei auch sehr eindringlich dazu aufgefordert wurden, ihre in
Deutschland tätigen Verwandten oder Freunde dazu anzuhalten, ihre
regimekritischen Aktivitäten zu unterlassen, da eine Fortsetzung dieser Aktivitäten
sich sehr negativ auf die noch in Vietnam lebenden Familienmitglieder dieser
Personen auswirken könnte.
Darüber hinaus ergeben sich auch aus den aktuellen Erkenntnissen keine
Anhaltspunkte für eine dem Kläger in seiner Heimat mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit drohende politische Verfolgung.
Allerdings wird die Gefährdung im Ausland gegen die vietnamesische Regierung
opponierender Personen in den vorliegenden Auskünften und Stellungnahmen der
verschiedenen sachinformierten Stellen durchaus unterschiedlich beurteilt.
Das Auswärtige Amt nimmt in seinen Lageberichten (vom 3. August 2000, 9. Juli
2001 und 1. April 2003) und Auskünften (vgl. etwa Auskünfte vom 6. Januar 2000
an das Verwaltungsgericht Freiburg sowie 3. Juli 2002 und 20. August 2002 jeweils
an das Verwaltungsgericht Darmstadt) an, dass eine oppositionelle Betätigung im
Ausland grundsätzlich zu keinen asylrelevanten Konsequenzen im Falle einer
Rückkehr nach Vietnam führt. Dem Auswärtigen Amt seien bislang keine Fälle
bekannt geworden, in denen Rückkehrer wegen exilpolitischer Aktivitäten
Repressalien der vietnamesischen Behörden ausgesetzt gewesen seien. Es seien
weiterhin auch keine Fälle bekannt, in denen in Vietnam lebende Angehörige
exilpolitisch tätiger Vietnamesen durch die dortigen Behörden unter Druck gesetzt
worden seien. Unter den ca. 8.000 Personen, die seit dem 15. Mai 1996 auf der
Grundlage des Deutsch-Vietnamesischen Rückübernahmeabkommens nach
Vietnam zurückgekehrt seien, hätten sich auch Personen befunden, die in
Deutschland exilpolitisch aktiv gewesen seien. Die in Vietnam tätigen Nicht-
Regierungs-Organisationen und andere Beobachter der Menschenrechtslage
gingen davon aus, dass die vietnamesische Regierung der Auffassung sei,
Auslandsaktivitäten berührten die vietnamesische Gesellschaft nur begrenzt. Die
Auslandsaktivitäten der Opposition und ihre zum Teil unversöhnliche Kritik an der
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Auslandsaktivitäten der Opposition und ihre zum Teil unversöhnliche Kritik an der
Politik der Regierung würden - so das Auswärtige Amt - von der breiten
vietnamesischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. In Einzelfällen berichteten
vietnamesische Presseorgane allgemein über "Straftaten" vietnamesischer
Exilanten im Ausland. Rückkehrern könne allerdings im Einzelfall eine Bestrafung
wegen Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung drohen. Dies
hänge vom Inhalt der jeweiligen politischen Aktivitäten ab. Sollte der Betreffende
aufgrund seiner Tätigkeit im Ausland Bekanntheit in Vietnam erlangt haben, sei
allerdings eine Einreiseverweigerung wahrscheinlicher als Repressionen in Vietnam.
Im Jahr 2001 sei dem Auswärtigen Amt ein Fall bekannt geworden, in dem die
vietnamesische Botschaft in C-Stadt einem Vietnamesen schriftlich bescheinigt
habe, wegen seiner exilpolitischen Betätigung werde ihm die Einreise nach
Vietnam verweigert. Dies sei allerdings ein Einzelfall.
Repressionen seien allerdings dann zu befürchten, wenn sich der Rückkehrer
während seines Aufenthaltes im Ausland öffentlich und nachhaltig in besonders
exponierter Weise politisch oppositionell gegen das in Vietnam herrschende
Regime betätigt bzw. geäußert habe. Im Einzelfall könne eine Bestrafung gem. Art.
82 VStrGB wegen Propaganda gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung
drohen. Dies hänge vom Inhalt der jeweiligen politischen Aktivitäten und von deren
Öffentlichkeitsgrad ab. So habe nach bisheriger Beobachtung die Kritik an der im
Verwaltungsapparat verbreiteten Korruption regelmäßig keine Repressionen
ausgelöst.
Ähnlich wird die Gefährdungslage von dem Sachverständigen ... in seinen
Stellungnahmen vom 4. April 2003 an das Verwaltungsgericht Göttingen und vom
20. Mai 2002 an das Verwaltungsgericht Darmstadt eingeschätzt.
Unter dem Anfangsverdacht, an Veranstaltungen oppositioneller und
regimefeindlicher Gruppierungen im Ausland teilgenommen zu haben, stehe - so
der Sachverständige - eigentlich jeder Vietnamese, der mehrere Jahre lang im
Ausland gelebt habe. Würden hier pauschale Konsequenzen gezogen, müsste
daher nahezu jeder Rückkehrer zur Rechenschaft gezogen werden. Nach
bisherigen Erfahrungen sei dies jedoch nicht der Fall. Um wirklich belangt zu
werden, müsse der Betreffende als Aktivist schon stärker aufgefallen oder
zumindest in den Scheinwerfer sicherheitsdienstlicher Beobachtung geraten sein.
Entscheidend sei nach vietnamesischer Praxis fast immer die Einwirkung der Tat
auf die Volksmeinung und die dadurch hervorgerufene "Verwirrung". Ansonsten
versuchten die Behörden, regimekritischem Verhalten weniger mit repressiven als
vielmehr mit "sozialistischen" Mitteln entgegenzutreten, sei es nun mit
marktwirtschaftlichen Zugeständnissen, mit Armutsbekämpfungsprogrammen,
mit verbesserten Petitionsaussichten oder mit vermehrter Zulassung von
Kundgebungen, die als Ventil dienen könnten.
Anders stellt sich die Gefährdungslage nach den Aussagen des Sachverständigen
... dar. Dieser geht in seinen für verschiedene Verwaltungsgerichte erstatteten
Stellungnahmen (vom 14. September 2000 an das Verwaltungsgericht München,
vom 1. August 2002 an das Verwaltungsgericht Darmstadt, 30. März 2002 an das
Verwaltungsgericht Darmstadt, 14. Oktober 2001 an das Verwaltungsgericht
Potsdam) davon aus, dass vietnamesische Staatsbürger, die im Ausland
öffentliche Kritik an dem Regierungssystem ihres Landes bzw. an der Politik ihrer
Regierung geübt haben, bei ihrer Rückkehr grundsätzlich mit strafrechtlicher
Verfolgung rechnen müssen.
Über Aktivitäten und Publikationen der im Ausland lebenden Vietnamesen sei die
vietnamesische Regierung - so der Sachverständige - durch die intensive
Ermittlungstätigkeit von Mitarbeitern der vietnamesischen Auslandsvertretungen
sehr genau informiert. Er selbst habe bei verschiedenen Veranstaltungen
beobachten können, dass vietnamesische Diplomaten oder deren Mitarbeiter
regimekritische Vietnamesen fotografiert und sich Notizen über ihre Aktivitäten
gemacht hätten. Dass diese Erkenntnisse auch nach Hause gemeldet und dort
weiter ausgewertet würden, beweise nicht zuletzt die wiederholten namentlichen
Erwähnungen regimekritischer Organisationen in offiziellen Publikationen
Vietnams.
Die Ahndung von im Ausland begangenen Straftaten erfolge auf der Grundlage
von Art. 6 VStrGB. Als Straftatbestände würden vor allem Art. 88 VStrGB, der die
"Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam" unter Strafe stelle, und
Art. 91 VStrGB angewandt, der bei "Agitation gegen die Volksmacht", die vom
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Art. 91 VStrGB angewandt, der bei "Agitation gegen die Volksmacht", die vom
Ausland aus unternommen werde, die Verhängung einer langjährigen
Freiheitsstrafe vorsehe. Daneben könne noch Art. 73 VStrGB zur Anwendung
gelange, der "Aktivitäten mit dem Ziel die Volksmacht zu stürzen" unter Strafe
stelle. Für die oftmals auch vom Auswärtigen Amt vertretene Auffassung, dass die
entsprechenden Staatsschutzparagrafen des VStrGB bei mangelnder
Publikumswirksamkeit der regimekritischen Auslandsaktivitäten keine Anwendung
fänden, gebe es keine konkreten Belege. Auch das am 21. Dezember 1999 vom
Parlament verabschiedete neue VStrGB, das am 1. Juli 2000 in Kraft getreten sei,
lasse nicht den Schluss zu, dass man sich zu einer großzügigeren Behandlung im
Ausland erfolgter oppositioneller Aktivitäten und Meinungsäußerungen
durchgerungen hätte. Während andere Teile des neuen VStrGB eine umfassende
Überarbeitung bzw. Erweiterung erfahren hätten, seien alle bei regimekritischen
Aktivitäten in Betracht kommenden Artikel allenfalls mit marginalen Korrekturen
erneut aufgenommen worden. Lediglich in der Nummerierung der einzelnen Artikel
hätten sich einige Verschiebungen ergeben. Der besondere Stellenwert dieser
Bestimmungen sei beibehalten worden. Der Schutz des Staates habe also nach
wie vor Vorrang vor den schutzwürdigen Interessen seiner Bürger und eine
großzügigere Behandlung der politischen Opposition im In- und Ausland nicht zu
erwarten. Offizielle Vertreter Vietnams hätten zwar wiederholt erklärt, man werde
gegenüber Personen, die im Ausland an regimekritischen Aktivitäten
teilgenommen oder sie gar organisiert hätten, "Großzügigkeit und Milde" walten
lassen. Derartige Äußerungen hätten aber stets einen recht unverbindlichen
Charakter. Sie seien niemals schriftlich klar fixiert oder in einem rechtlich
verbindlichen Dokument niedergelegt worden. Gegen eine solche Absicht sprächen
auch die jüngsten Äußerungen des Ministers für öffentliche Sicherheit, Le Minh
Huong, der "extremistische Reaktionäre in den vietnamesischen Gemeinden im
Ausland" beschuldigt habe, mit Unterstützung imperialistischer Länder das
revolutionäre Regime in Vietnam stürzen zu wollen. Das in jüngster Zeit zu
beobachtende verstärkte Vorgehen gegen in Vietnam lebende Oppositionelle, die
mit Hilfe des Internets ihre kritischen Gedanken zu verbreiten suchten, weise
ebenfalls nicht darauf hin, dass die vietnamesischen Behörden Regimekritiker
nachsichtiger behandeln würden. In Vietnam seien zwar - so der Sachverständige
Will - gewisse Spielräume für die politische Opposition entstanden, aber die
Grenzen und die Beständigkeit dieser Freiräume seien in keiner Weise gesichert
und ständigen, zum Teil sehr irrationalen Veränderungen unterworfen. Auch wenn
die vietnamesische Regierung und ihre Mitarbeiter in den Aktionen der
Exilorganisationen keine direkte bzw. wirklich ernst zu nehmende Bedrohung der
Staatsmacht sähen, so stellten sie doch für den vietnamesischen Staat eine
Herabwürdigung dar. Die Mitgliedschaft in Organisationen, die sich sehr dezidiert
gegen das Herrschaftssystem in der Sozialistischen Republik Vietnam
ausgesprochen und in der Beseitigung dieses Herrschaftssystems eine
unabdingbare Voraussetzung für eine prosperierende Entwicklung ihres
Heimatlandes sähen, sei zweifellos eine noch stärkere Herausforderung der
vietnamesischen Regierung und ihres Herrschaftsapparates als die bloße
Teilnahme an regimekritischen Veranstaltungen. Hieraus folge, dass sich auch das
Bestrafungsrisiko durch die Mitgliedschaft in diesen Organisationen erheblich
erhöhe. Allerdings dürften die Exilorganisationen der Bevölkerung in Vietnam
keinen allzu hohen Bekanntheitsgrad haben. In der vietnamesischen Presse werde
zwar immer wieder über regimekritische Organisationen im Ausland berichtet, aber
bei der Vielzahl der Organisationen, die dort genannt würden, dürften dem
vietnamesischen Zeitungsleser eine genaue Zuordnung der einzelnen
Organisationen kaum möglich sein. Die exilpolitischen Organisationen versuchten
natürlich auch auf den verschiedensten Wegen ihre Publikationen nach Vietnam zu
bringen und auch mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel sich in Vietnam
bekannt zu machen, aber sie knüpften dabei zu wenig an die konkreten
Lebensumstände der vietnamesischen Bevölkerung an, um dort entsprechende
Resonanz zu finden. Trotz des eher geringen Einflusses der Organisationen zähle
für den vietnamesischen Staat nicht so sehr die tatsächliche Außenwirkung dieser
Organisationen, sondern vielmehr die Tatsache, dass durch sie und ihre Aktivitäten
der Staat im Ausland öffentlich herabgewürdigt werde und sein Gesicht verliere.
Ungeachtet dessen könne von einer gleichmäßigen Anwendung der
Strafbestimmungen in Vietnam nicht die Rede sein. Nach den ihm - dem
Sachverständigen - zur Verfügung stehenden Informationen wichen die
behördlichen und juristischen Maßnahmen gegen politische Oppositionelle sehr
stark voneinander ab. Ob jemand wegen einer Teilnahme an einer
regimekritischen Veranstaltung im Ausland bestraft werde oder nicht, hänge von
einer ganzen Reihe von Faktoren (Einfluss der politischen Großwetterlage, Kontakt
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einer ganzen Reihe von Faktoren (Einfluss der politischen Großwetterlage, Kontakt
des Betreffenden zu politischen Entscheidungsträgern, die ihm Schutz gewähren
können, u.s.w.) ab.
Der Senat geht auf der Basis dieser Erkenntnislage davon aus, dass eine
beachtliche Gefahr, wegen einer in Deutschland ausgeübten exilpolitischen
Betätigung nach den geltenden Staatsschutzbestimmungen des vietnamesischen
Strafgesetzbuches bestraft oder in anderer asylrechtlich bedeutsamen Weise
belangt zu werden, nur dann besteht, wenn es sich bei dieser Tätigkeit um eine
nachhaltig und öffentlich ausgeübte besonders hervorgehobene oppositionelle
Betätigung handelt, die einen nennenswerten Einfluss auf die vietnamesische
Öffentlichkeit auszuüben vermag und die deshalb geeignet ist, den
vietnamesischen Staat aus dortiger Sicht öffentlich herabzuwürdigen. Dass unter
diesen Umständen eine erhebliche Verfolgungsgefahr für exilpolitisch tätige
Vietnamesen besteht, entspricht der übereinstimmenden Einschätzung der oben
aufgeführten Sachverständigen und des Auswärtigen Amtes.
Die bloße Mitgliedschaft in Exilorganisationen und die Teilnahme an
Veranstaltungen dieser Organisationen begründet indessen die beachtliche
Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus politischen Gründen in Vietnam ebenso
wenig wie die Ausübung von Funktionen in örtlichen und regionalen Exilgruppen
und Unterorganisationen größerer Exilorganisationen sowie die bloße
Veröffentlichung regimekritischer Beiträge in Zeitschriften oder anderen Medien.
Dass solche eher untergeordnete exilpolitische Tätigkeiten die betreffenden
Personen keiner ernsthaften Verfolgungsgefährdung aussetzen, ergibt sich nach
Ansicht des Senats schon daraus, dass es wegen der großen Anzahl der im
Ausland aktiven Exilgruppen und ihrer Mitglieder und Sympathisanten bereits aus
Kapazitätsgründen nicht möglich ist, jedwede durch die intensive Beobachtung
bekannt werdende oppositionelle Tätigkeit zu verfolgen. Wegen der nach
Einschätzung sowohl des Auswärtigen Amtes wie auch des Sachverständigen .....
geringen Resonanz der Auslandsorganisationen in der vietnamesischen
Öffentlichkeit ist auch ein gesteigertes Interesse der vietnamesischen Behörden
an der Ahndung dieses Verhaltens nicht ersichtlich. Auch der Sachverständige ......
verweist darauf, dass das Vorgehen der Behörden gegen im Ausland aktive
Oppositionelle von Willkür geprägt und von unterschiedlichen Faktoren, u.a. auch
politischer Opportunität, abhängig ist.
Mit dieser Einschätzung befindet sich der Senat im Übrigen in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des früheren 13. Senats des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 19. Juni 1995 - 13 UE 1327/94 -). Die
dargestellten neuen Erkenntnisquellen geben keinen Anlass, die Gefährdungslage
für exilpolitisch aktive Vietnamesen abweichend von dieser Rechtsprechung zu
beurteilen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine für den Kläger mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr, wegen seiner gegen das derzeitige
vietnamesische Regime gerichteten politischen Betätigung in Deutschland nach
Rückkehr bestraft oder in anderer Weise verfolgt zu werden, nicht erkennbar.
Trotz seiner vielfältigen Tätigkeiten für unterschiedliche Exilgruppierungen und der
Veröffentlichung zahlreicher Beiträge in unterschiedlichen Medien gehen seine
Aktivitäten letztlich nicht über das hinaus, was in gleicher Weise von vielen
vietnamesischen Oppositionellen im Ausland praktiziert wird.
Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass einige Artikel des Klägers auf
Webseiten im Internet publiziert wurden. Diese Veröffentlichungsform führt für
Exilpolitiker zu keiner erkennbaren Vergrößerung des Gefährdungspotentials.
Ersichtlich versuchen zahlreiche Exilorganisationen, über eigene Webseiten die
schriftlichen Veröffentlichungswege zu umgehen und auf diese Weise aktiv in die
vietnamesische Öffentlichkeit einzuwirken. Diese Versuche sind jedoch zum
Scheitern verurteilt, weil der Zugang zu diesen Seiten von den vietnamesischen
Behörden durch Firewalls reglementiert wird und die Seiten deshalb in Vietnam
überhaupt nicht aufrufbar sind (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 7. März 2003
an das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder). Im Übrigen hat die vietnamesische
Öffentlichkeit - wie bereits von dem Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt
wurde - wegen des geringen Verbreitungsgrades des Internets in Vietnam nahezu
keine praktischen Möglichkeiten, auf dieses Medium zuzugreifen. Die bislang
bekannt gewordenen Verurteilungen wegen Verbreitung regimekritischer Beiträge
im Internet zu teilweise langjährigen Haftstrafen (vgl. Pressemeldungen der taz
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im Internet zu teilweise langjährigen Haftstrafen (vgl. Pressemeldungen der taz
vom
28. Dezember 2002 und der Frankfurter Rundschau vom 20. Juni 2003) betreffen
von daher ersichtlich besonders gelagerte Einzelfälle von im Land lebenden
Vietnamesen, die mit denen des Klägers nicht zu vergleichen sind.
Es handelt sich bei dem Kläger aus vietnamesischer Sicht schließlich auch nicht
um eine besonders herausgehobene Persönlichkeit, deren Aktivitäten und
veröffentlichten politischen Äußerungen auch im Land selbst einen nennenswerten
Niederschlag finden könnten. Der Verein "Demokratische Erneuerung Vietnams
Frankfurt (Main)", dessen Vorsitzender der Kläger ist, ist eine letztlich
unbedeutende regionale Gruppierung. In der deutschen Sektion der
"Sozialdemokratischen Partei Vietnams" ist der Kläger lediglich Mitglied, ist in
dieser Partei also nicht durch besondere Tätigkeiten oder Funktionen
hervorgetreten.
III.
Schließlich ergeben sich aus dem vorliegenden Sachverhalt auch keine
Anhaltspunkte für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG. Auch
der insoweit gestellte Hilfsantrag des Klägers muss folglich erfolglos bleiben.
IV.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil er mit seinem
Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus
§§ 167 VwGO,708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§
83b Abs. 1 AsylVfG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.