Urteil des HessVGH vom 25.06.2009

VGH Kassel: bebauungsplan, befreiung, gemeinde, erwerb von grundstücken, juristische person, hof, eigentümer, entlastung, umweltverträglichkeitsprüfung, erhaltung

1
2
3
4
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 C 1347/08.N
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 13 EWGRL 409/79, § 62
Abs 1 BNatSchG 2002, § 1a
Abs 3 S 3 BauGB, § 42 Abs
1 Nr 3 BNatSchG 2002, Art
9 EWGRL 409/79
(Reichweite eines Befreiungsbescheides bei Verstoß gegen
artenschutzrechtliche Verbote durch Bebauungsplan)
Leitsatz
Eine der Gemeinde lediglich befristet erteilte Befreiung nach § 62 Abs. 1 BNatSchG a.F.
ist nicht geeignet, den mit dem Vollzug einer gemeindlichen Straßenplanung durch
Bebauungsplan einhergehenden Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des
§ 42 Abs. 1 Nrn. 1, 3 BNatSchG a.F. zu überwinden.
Ein im Befreiungsbescheid vorgegebenes artenschutzrechtliches Ausgleichskonzept zur
Erhaltung der Arten in ihrem Bestand und in ihrer Populationsgröße bedarf einer
dauerhaften rechtlichen Absicherung. Diese ist in Bezug auf Flächen, die nicht in den
Bebauungsplan aufgenommen worden sind, sich auch nicht im Eigentum der Gemeinde
befinden und über die die Gemeinde einen Pachtvertrag mit entsprechender
Unterverpachtung lediglich über einen Zeitraum von 10 Jahren geschlossen hat, nicht
gewährleistet.
Tenor
Der Bebauungsplan R 6 "Rodgau-Ring-Straße zwischen L 3405 und verlängerter
Udenhoutstraße" der Antragsgegnerin ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht der Antragsteller vor der
Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan R 6 "R.-Ring-Straße
zwischen L 3405 und verlängerter U.straße" der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist Eigentümer und Betriebsinhaber eines 1962 errichteten
Aussiedlerhofes, des so genannten "Xhofs" in der Gemarkung W. der
Antragsgegnerin. Der Hof wird als Reiterhof betrieben; er verfügt über 39
Pferdeboxen, die im Jahr 2006 mit 35 (Pensions-) Pferden belegt waren. Daneben
besitzt der Antragsteller zwei eigene Pferde. Östlich des Hofs verläuft die S-Bahn-
Strecke O. - R., im Norden die U.straße. Der Hof liegt etwa 150 m östlich der mit
dem angegriffenen Bebauungsplan geplanten Straßentrasse.
Am 30.01.1997 fasste die Antragsgegnerin den Beschluss zur Aufstellung des
streitgegenständlichen Bebauungsplans; dieser Beschluss wurde am 20.02.1997
ortsüblich in der R.-Post und der R.-Zeitung bekannt gemacht.
Zweck des Bebauungsplans ist es, die planungsrechtliche Grundlage für die
4
5
6
7
8
Zweck des Bebauungsplans ist es, die planungsrechtliche Grundlage für die
Weiterführung der R.-Ring-Straße im Anschluss an die bestehende R.-Ring-Straße
zwischen J. und der L 3405 zu schaffen.
Nach einer ersten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 1
BauGB fand am 16.08.2001 eine öffentliche Anhörung im Rahmen der Beteiligung
der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 BauGB statt. Nach erneuter Offenlegung des
Bebauungsplanentwurfs in der Zeit vom 15.11.2002 bis zum 16.12.2002 und einer
weiteren Offenlegung vom 20.03.2006 bis 28.04.2006, die jeweils wiederum
Anregungen von Bürgern, u.a. auch vom Antragsteller, zur Folge hatten, und nach
jeweiliger Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, verabschiedete die
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin in ihrer Sitzung am
26.06.2006, nachdem sie über die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange
und die von den Bürgern erhobenen Anregungen beschlossen hatte, den
Bebauungsplan als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 29.06.2006
ortsüblich bekannt gemacht.
Der angegriffene Bebauungsplan enthält bauplanerische Festsetzungen für den
Ausbau der geplanten Verlängerung der R.-Ring-Straße in Gestalt von öffentlichen
Verkehrsflächen einschließlich Verkehrsbegleitgrüns, von landwirtschaftlichen
Wegeflächen, von Flächen zur Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern sowie von
Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und
Landschaft (Gehölzpflanzung, Ruderalflur, Extensivwiese, Streuobstwiese). Durch
den Straßenausbau (Länge: 1,9 km; zweibahnige Straße mit jeweils 3,75 m breiter
Fahrbahn) werden ca. 27.000 qm Fläche in Anspruch genommen. Der Abstand der
geplanten Trasse zu den nächsten bestehenden Wohngebieten beträgt fast überall
über 300 m; lediglich an der O.er Landstraße (L 3405) nähert sich die Straße bis
auf circa 150 m dem Ortsrand. Auch zu dem Aussiedlerhof des Antragstellers am
Xweg wird ein Abstand von über 150 m eingehalten.
Der Planungsraum liegt am Nordwestrand des Stadtgebietes der Antragsgegnerin
zwischen den Ortslagen von W. und H. im Osten und dem Heusenstammer
Stadtteil Rembrücken im Westen. Im Süden bilden die O.er Landstraße (L 3405),
im Norden die Bundesautobahn A 3 (Frankfurt-Nürnberg) eine deutliche Grenze.
Der Planungsraum wird überwiegend landwirtschaftlich genutzt, wobei großflächige
Ackerschläge dominieren. Innerhalb des nördlichen Teilbereichs, beiderseits des
Xweges und am unmittelbaren Nordrand des Planungsraums sind Grünlandflächen
vorhanden, wobei letztgenannter Bereich als Extensivgrünland mit zum Teil
gefährdeten Pflanzengesellschaften eingestuft wird. Im östlichen Bereich gehen die
ackerbaulich genutzten Flächen in die feuchte, von Gräben durchzogene
Niederung (Rodauniederung) über. Im Südwesten des Planbereichs erstrecken sich
die Baumbestände des Wäldchens "Das Birkig". Im Süden des Planbereichs
verläuft die Landesstraße 3405, die die Verbindung zwischen H. und Rembrücken
darstellt. Östlich des Planungsraums, in einem Abstand von circa 300 bis 350 m
östlich der geplanten Straßentrasse, verläuft die S-Bahn-Linie, an die sich in
östlicher Richtung die Rodauaue und sodann die bebaute Ortslage des Stadtteils
W. anschließt.
Anlass der Planung ist die verkehrliche Entlastung der Ortsdurchfahrten von W., H.
und Rembrücken sowie der Anschluss der bereits bestehenden, in mehreren
Teilabschnitten verwirklichten R.-Ring-Straße an die L 3117; das letzte Teilstück
wurde Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre realisiert. Im Jahr 1997
gaben die Antragsgegnerin und die Stadt Heusenstamm eine
Verkehrsuntersuchung in Auftrag, deren Ergebnisse 1998 vorlagen. Zudem
veranlasste die Antragsgegnerin eine Trassenstudie. Es wurden drei Varianten
untersucht: Trasse West (Variante 1, direkte Verbindung zwischen der L 3117 und
der L 3405, Länge: 1,9 km), Trasse S-Bahn (Variante 2, bahnparallele Führung,
Länge: 2,6 km, 4 Alternativen) und Trasse Ost (Variante 3, Verlauf östlich der
Bahntrasse [nach Querung derselben] durch die Rodauaue, Länge: 2,3 km). Bei
einem Behördentermin im September 1998 wurden die Trassenvarianten sowie
deren Vor- und Nachteile diskutiert. Obere und untere Naturschutzbehörde
forderten zudem eine Umweltverträglichkeitsstudie. Im April 1999 gab die
Antragsgegnerin daher eine entsprechende Voruntersuchung und im Juni 2000
eine Umweltverträglichkeitsstudie in Auftrag, deren abschließender Bericht im
September 2000 vorlag. Diese Studie wurde während des
Bebauungsplanverfahrens ergänzt, als die Antragsgegnerin aus städtebaulichen
und verkehrlichen Gründen eine neue Untervariante (Variante 1 c) zum
Gegenstand der Planung machte. Im Mai 2000 wurde auch der Schlussbericht der
Verkehrsuntersuchung erstellt. Wegen der Realisierung von Ausbaumaßnahmen
9
10
11
12
Verkehrsuntersuchung erstellt. Wegen der Realisierung von Ausbaumaßnahmen
im benachbarten Straßennetz wurde die Verkehrsuntersuchung im Jahr 2005
ebenfalls durch eine ergänzende Untersuchung aktualisiert.
Entgegen den ersten Planungsüberlegungen, die im Rahmen der Trassenstudie
angestellt worden waren, favorisierte die Antragsgegnerin im
Bebauungsplanverfahren eine modifizierte, gegenüber der ursprünglich geplanten
Straße nach Osten verschobene, ortsferne Trasse (1c). Diese soll in einem
Abstand von circa 300 m westlich der Bebauung der Limesstraße im Stadtteil H.
derart in nördlicher Richtung geführt werden, dass sie auf einen in einem Abstand
von circa 350 m westlich der S-Bahn-Linie in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Weg
trifft. Nach Kreuzung mit dem Xweg, der die R.-Ring-Straße höhengleich kreuzen
soll, verläuft sie weiterhin in nördlicher Richtung, wobei nunmehr der circa 100 m
bis 150 m westlich der Bahnlinie verlaufende Buchenweg genutzt wird. Die
U.straße soll westlich der Bahnlinie, von ihrer jetzigen Trasse abweichend, in
westlicher Richtung so verschwenkt werden, dass sie rechtwinklig auf die
verlängerte R.-Ring-Straße trifft. Im Bereich dieses Knotens ist die Errichtung einer
Lichtsignalanlage geplant. Unmittelbar südlich der Bundesautobahn A 3 trifft die
R.-Ring-Straße in Höhe der bestehenden Autobahnunterführung auf die parallel zur
A 3 geführten L 3117. Auch dieser zukünftige Kreuzungspunkt soll als Knotenpunkt
mit einer Lichtsignalanlage ausgestattet werden.
Parallel zum Bebauungsplanverfahren beschloss die
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin in ihrer Sitzung vom
14.02.2000, beim damaligen Umlandverband Frankfurt eine entsprechende
Änderung des Flächennutzungsplans im Bereich der geplanten Trasse der
verlängerten R.-Ring-Straße zu beantragen. Am 30.10.2002 beschloss die
Verbandskammer des Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main die
beantragte Änderung. Nachdem der Planentwurf am 01.06.2005 dem
Regierungspräsidium Darmstadt vorgelegt worden war, genehmigte dieser die
Planänderung durch Bescheid vom 30.08.2005. Die Bekanntmachung der
Genehmigung erfolgte am 26.09.2005.
Der Ende des Jahres 2000 genehmigte Landschaftsplan des Umlandverbandes
Frankfurt enthält die in der oben genannten Trassenstudie als Trasse West
bezeichnete Straßenführung. Der im Staatsanzeiger vom 13.09.2004 bekannt
gemachte, neu genehmigte Regionalplan Südhessen 2000 sieht für die geplante
Straßenbaumaßnahme eine Trasse westlich der S-Bahn-Linie in dem zuvor
beschriebenen Bereich vor. Zudem ist die R.-Ring-Straße im Textteil des
Regionalplans Südhessen 2000 als Straßenneubaumaßnahme
aufgeführt (s. StAnz 2004, S. 2961).
Am 23.06.2008 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag
gestellt. Zu dessen Begründung trägt er vor, er sei antragsbefugt, da durch die
geplante Straße weite Teile der Wiesen und Koppeln seines Reiterhofes vom
übrigen Hof abgeschnitten würden und dadurch sein Betrieb wesentlich
beeinträchtigt werde. Zudem sei die Antragsgegnerin zur Umsetzung der
beabsichtigten Straßenbaumaßnahme auf den Erwerb von Grundstücken
angewiesen, die sich in seinem Eigentum befänden. Der Normenkontrollantrag sei
auch begründet, da der angegriffene Bebauungsplan gegen § 1 Abs. 7 BauGB
verstoße. Bereits mit Anwaltsschreiben vom 12.12.2002 habe er erstmalig im
Rahmen der Offenlegung gerügt, dass sein Betrieb 30 Pensionspferde und zwei
eigene Pferde umfasse und dass beabsichtigt sei, den Betrieb auf insgesamt 60
Pensionspferde zu erweitern. Dazu sei die Errichtung einer neuen Reithalle
beantragt worden; diese sei inzwischen genehmigt, errichtet und auch bereits in
Betrieb genommen worden. Er besitze hofnahe Flächen von etwa 88.000 m²,
welche durch den geplanten Neubau der Straße in eine hofnahe Fläche von circa
58.000 m² und eine auf der anderen Straßenseite liegende Fläche von circa 30.000
m² durchschnitten würden. Bei seinem landwirtschaftlichen Betrieb handele es sich
um einen Reiterhof, der von der Unterbringung von Pensionspferden lebe. Pro
Monat und pro Pferd würde ein Pensionspreis in Höhe von 250 € erzielt; dieser
Preis beinhalte die Miete für die Box, die Verpflegung des Pferdes und den
Koppelgang. Aufgrund des beabsichtigten Neubaus der Straße hätten bereits die
ersten Eigentümer von Pferden die Kündigung des Pensionsvertrages angedroht,
da sowohl der Koppelgang nur noch eingeschränkt möglich sei, als auch die
Möglichkeit des Ausritts unmittelbar vom Hof aus erheblich beschränkt werde, weil
die Pferde zunächst die geplante Straße überqueren müssten. Sein Hof werde in
östlicher Richtung durch die S-Bahnstrecke und in nördlicher Richtung durch die
Bundesautobahn A 3 beziehungsweise die Verlängerung der U.straße
13
14
15
Bundesautobahn A 3 beziehungsweise die Verlängerung der U.straße
eingeschränkt, so dass lediglich in südlicher und westlicher Richtung Freiraum für
die Bewegung der Pferde bleibe. Ein naturnaher Freiraum bleibe wegen der auch in
südlicher Richtung verlaufenden S-Bahnstrecke bisher lediglich in westlicher
Richtung. Diese Möglichkeit werde nunmehr durch die geplante Trasse
abgeschnitten. Die angegriffene Planung habe eine Insellage des Reiterhofs zur
Folge. Obwohl der Antragsgegnerin die von ihm im Planungsverfahren genannten
Beeinträchtigungen für seinen Betrieb und auch für dessen Erweiterung bekannt
gewesen seien, habe sie davon abgesehen, die zu erwartenden Auswirkungen
durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Damit sei eine gerechte
Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und seinen privaten Belangen nicht
möglich gewesen; vielmehr habe die Antragsgegnerin die durch das Planvorhaben
betroffenen privaten Belange vollständig verkannt. Da die Antragsgegnerin keine
Veranlassung gesehen habe, ein Gutachten zu den wirtschaftlichen Auswirkungen
der angegriffenen Planung auf seinen Reiterhof in Auftrag zu geben, habe er dies
selbst veranlasst. Das von ihm eingeholte Gutachten komme zu dem Ergebnis,
dass dem Reiterhof ein jährlicher Schaden in Höhe von 17.748 € entstehe, der
unter Berücksichtigung des in der Landwirtschaft üblichen Kapitalisierungsfaktors
von 25 zu einem Gesamtschaden von 443.700 € führe. Die Antragsgegnerin habe
die von ihm vorgetragenen Bedenken mit der Begründung zurückgewiesen, wegen
der tageszeitlich unterschiedlichen Fahrzeugfrequenzen sei im wesentlichen (nur)
in den Morgen- und Abendstunden eine hohe Verkehrsdichte zu erwarten; daher
sei der Einwand des Antragstellers nicht nachvollziehbar, dass eine Querung der
Straße und damit das Erreichen der westlich der Trasse gelegenen Betriebsflächen
den Betrieb des Xhofs übermäßig stark beeinträchtige oder sogar unmöglich
mache. Bei dieser Argumentation lasse die Antragsgegnerin vollkommen
unberücksichtigt, dass die Eigentümer der Pensionspferde, die mit ihren Pferden
ausreiten würden, bisher seinen Hof hätten verlassen können, ohne eine viel
befahrene Straße zweimal überqueren zu müssen, und damit sein Reiterhof an
Attraktivität verliere. Wenn die Pferde morgens gemeinsam zur Weide gebracht
würden und abends gemeinsam in den Stall zurückkehrten, entstehe regelmäßig
die Situation, dass er und seine Mitarbeiter gezwungen seien, mit einer Vielzahl
von Pferden die geplante Bedarfsampel zu überqueren, was zumindest ein
erhebliches Gefahrenpotenzial für die Autofahrer, für die Pferde und auch für die
Menschen darstelle, die die Pferde führten, da bereits das Hupen eines Pkws dazu
führen könne, dass die gesamte Herde in Panik gerate. Sollte es nur in einem Fall
an dieser Bedarfsampel zu einem Unfall mit erheblichen Verletzungen kommen,
werde er seinen Betrieb mit Sicherheit schließen können. Als geeignete
Maßnahme für die Querung der geplanten Straße sei daher nur eine Unterführung
anzusehen, eventuell auch eine Überführung; eine Bedarfsampel werde seinen
dargelegten Interessen jedenfalls nicht gerecht.
Des Weiteren habe die Antragsgegnerin sich mit dem angegriffenen
Bebauungsplan für eine Trassenvariante (1 c) entschieden, die nicht Gegenstand
der Trassenstudie gewesen sei, so dass bezüglich dieser Trassenvariante auch
keine Untersuchungen in Bezug auf verkehrliche Auswirkungen, Auswirkungen auf
die Umwelt, raumplanerische und wirtschaftliche Belange und Eingriffe in
vorhandene Strukturen vorgenommen worden seien. In der Trassenstudie sei eine
Trassenvariante untersucht worden, die 200 m weiter entfernt von seinem Hof
liege als die später bevorzugte Trasse. Diese Trasse wiederum sei - obwohl in der
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht als umweltverträglichste Trasse ermittelt -
gleichwohl im Bebauungsplan festgeschrieben worden.
Ferner werde in der Bebauungsplanbegründung im Hinblick auf mögliche
Lärmauswirkungen der gewählten Trasse auf seinen Hof lediglich festgestellt, auch
im Bereich des Xhofs könnten die (Lärm-) Werte eingehalten werden. Für diese
etwa 200 m näher an sein Wohnhaus heranrückende Trasse sei hingegen weder
eine Messung durchgeführt noch eine Berechnung vorgenommen worden.
Schließlich rügt der Antragsteller, die von der Antragsgegnerin veranlasste
Verkehrsuntersuchung 2005 begründe im Ergebnis nicht zwingend die
Verlängerung der R.-Ring-Straße, da gerade der Prognose-Nullfall 2015
flächendeckend bei allen untersuchten Straßen eine Zunahme des Verkehrs von
circa 10% annehme und diese sich offensichtlich gleichmäßig verteilende
Belastung durchaus hinnehmbar sei. So komme es durch die Verlängerung zwar
zu einer leichten Entlastung der L 3405 sowie der L 3117, allerdings sei diese
Belastung nicht signifikant und regional ohne erkennbare Bedeutung. Eine
Entlastung der Stadtteile Nieder-Roden, J. und H. könne der ergänzenden
Verkehrsuntersuchung 2005 jedenfalls nicht entnommen werden, so dass sich die
16
17
18
19
20
21
22
Verkehrsuntersuchung 2005 jedenfalls nicht entnommen werden, so dass sich die
grundsätzliche Frage stelle, ob mit dem Vorhaben das Planungsziel überhaupt
erreicht werden könne.
Der Antragsteller beantragt,
den Bebauungsplan R 6 "R.-Ring-Straße zwischen L 3405 und verlängerter
U.straße" der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Normenkontrollantrag sei unbegründet.
Für den Abwägungsprozesses sei von nicht unerheblicher Bedeutung, ob die vom
Antragsteller vorgetragenen privaten Belange ihre Rechtfertigung aus einer
besonderen Rechtsposition heraus erhielten. So sei zweifelhaft, ob der Betrieb
eines Reiterhofs durch den Antragsteller sich als eine privilegierte Nutzung
darstelle, mithin ob es sich dabei um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne
von § 201 BauGB und damit um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35
BauGB handele. Hierbei komme es nicht auf die formelle Legalität dieser Nutzung
an, sondern entscheidend sei die materiell-rechtliche Einordnung der vom
Antragsteller betriebenen Nutzung. Offenbar werde die zur Pferdepensionshaltung
verwendete Fläche von etwa 60 ha überwiegend auf Pachtland (42,5 ha) betrieben,
so dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht von einem
landwirtschaftlichen Betrieb auszugehen sei. Soweit der Antragsteller diese Zweifel
nicht ausräume, dürften die von ihm vorgetragenen Beeinträchtigungen nur sehr
eingeschränkt in den Abwägungsprozesses über die Beschlussfassung des
streitgegenständlichen Bebauungsplans eingestellt werden. Ferner sei darauf
hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Abwägung nur den tatsächlichen
Ist-Zustand der vom Antragsteller betriebenen Nutzung zu berücksichtigen gehabt
habe. Die Absicht des Antragstellers, die derzeitige Anzahl der Pferdeboxen um
weitere 21 auf dann insgesamt 60 zu erhöhen, spiele in diesem Zusammenhang
keine Rolle. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan habe
die Antragsgegnerin keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt, dass die vom
Antragsteller im Jahr 2002 erstmalig geäußerte Absicht, den Betrieb zu erweitern,
auch tatsächlich noch aufrecht erhalten werde. Aus der dem Antragsteller im
August 2002 erteilten Baugenehmigung ergebe sich nicht eine Erweiterung des
Betriebs um 21 Pferdeboxen. Damit stelle sich die weitere Frage, ob nicht die vom
Antragsteller genannte hofnahe Fläche von immerhin 5,8 ha ausreichend sei, um
39 Pensionspferde zu versorgen, und ob insoweit die Zerschneidung der
Gesamtnutzfläche von circa 8,8 ha auf den vorhandenen Pferdepensionsbetrieb
überhaupt eine negative Einwirkung haben könne. Gleichwohl habe die
Antragsgegnerin im Rahmen der Bauleitplanung dafür Sorge getragen, dass diese
3 ha Nutzfläche über eine ampelgesteuerte Querung der geplanten Straße
weiterhin für den Antragsteller erreichbar bleibe. Es sei für einen im Außenbereich
sich bewegenden Reiter nichts Ungewöhnliches, wenn er mit seinem Pferd eine
Straße zu überqueren haben; es sei ihm zuzumuten, rechtzeitig abzusteigen und
das Pferd an der Leine haltend über die Straße zu führen. Im dicht besiedelten
südhessischen Raum werde man kaum ausgedehnte Flächen finden, in denen im
Ausreitgelände nicht Verkehrswege gequert werden müssten. Deshalb müsse der
vom Antragsteller behauptete Attraktivitätsverlust des Reiterhofs, der mit der
Errichtung der R.-Ring-Straße einhergehen solle, ebenso bestritten werden, wie
auch die Feststellungen des vom Antragsteller beauftragten Gutachters, dass es
ohne gefahrlos erreichbares Ausreitgelände nicht sinnvoll sei, die Reitanlage zu
vergrößern und dass die im Jahr 2002 genehmigten baulichen Erweiterungen nur
dann finanziert werden könnten, wenn der Pensionsbetrieb um weitere 21
Pferdeboxen vergrößert werde. Das vom Antragsteller erst Anfang Juli 2006
vorgelegte Gutachten sei insgesamt nicht nachvollziehbar und gehe bei der
Berechnung eines zukünftigen entgangenen Gewinns von Voraussetzungen aus,
die die Antragsgegnerin gerade nicht zu berücksichtigen gehabt habe.
In Bezug auf die vom Antragsteller angesprochene Querung der geplanten Straße
sei es sicherlich zumutbar, dass der Antragsteller und seine Mitarbeiter die Pferde
gegebenenfalls in mehreren Tranchen auf die nahe gelegene Weide brächten. Da
die Mitarbeiter wohl entsprechend geschult seien, seien sie auch sicherlich in der
Lage, bei einer entsprechenden Zügelführung die Pferde von einer Panik
abzuhalten. Die vom Antragsteller dagegen geforderte Unterführung stelle
aufgrund ihrer Unwirtschaftlichkeit keine geeignete Maßnahme dar, so dass die
23
24
25
26
27
28
29
aufgrund ihrer Unwirtschaftlichkeit keine geeignete Maßnahme dar, so dass die
Antragsgegnerin diesen Vorschlag des Antragstellers aus Kostengründen habe
verwerfen dürfen.
Schließlich überzeugten auch die Einwendungen des Antragstellers hinsichtlich der
Umweltverträglichkeitsprüfung in Bezug auf die ausgewählte Trassenführung nicht.
Die von der Antragsgegnerin letztlich favorisierte Trassenführung, die Variante 1 c,
sei erst im Rahmen der Bauleitplanung hervorgetreten. Um den
Verkehrsknotenpunkt der Anbindung der Trasse an die L 3117 zu entschärfen,
habe sich die Antragsgegnerin in Abstimmung mit dem ASV Frankfurt
entschieden, mit der Variante 1 c eine Verschwenkung der Trasse in östlicher
Richtung vorzunehmen. Diese Trasse liege zwischen der ehemaligen
Trassenvariante 1 und der Trassenvariante 2 a. In der
Umweltverträglichkeitsprüfung seien raumbezogene Untersuchungen
vorgenommen worden, die sich nicht "sklavisch" an einzelnen Trassenführungen
orientiert hätten, sondern das gesamte Areal zur Grundlage der Untersuchung
genommen hätten, in dem sich die einzelnen Varianten befunden hätten. Da sich
die Variante 1 c zwischen den beiden Varianten 1 und 2 a befinde und da dieser
ländliche Raum in der Umweltverträglichkeitsprüfung untersucht worden sei,
könnten die Aussagen der Umweltverträglichkeitsprüfung auch auf die Variante 1 c
übertragen werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Variante 1 c
außerhalb des räumlichen Prüfungsumfangs der Umweltverträglichkeitsprüfung
liegen würde. Dies sei offenkundig nicht der Fall.
Soweit der Antragsteller die städtebauliche Erforderlichkeit der
streitgegenständlichen Verlängerung der R.-Ring-Straße bestreite, sei dem
entgegenzuhalten, dass die Antragsgegnerin in städtebaulicher Hinsicht ein weites
Planungsermessen besitze, das ihr erlaube, städtebauliche Projekte umzusetzen,
die auf einer Prognoseentscheidung beruhten. Die vorliegenden verkehrlichen
Untersuchungen hätten eindeutig ergeben, dass die Verlängerung der R.-Ring-
Straße in Zukunft erforderlich werde, um den zur Bundesautobahn A 3 führenden
Zielverkehr an den betreffenden Orten, insbesondere an H., vorbeizuführen. Die
vom Antragsteller unterstellte Annahme, dass die Verkehrsdichte aufgrund der
steigenden Energiepreise zukünftig nicht in dem Maße steigen werde, wie in der
Verkehrsuntersuchung von 2005 angenommen worden sei, sei eine bis heute nicht
bewiesene These. Die in den letzten Jahren eingetretene Verteuerung der
Energiepreise habe nicht dazu geführt, dass die Verkehrsbelastung auf
Deutschlands Straßen geringer geworden sei. Die Verkehrsuntersuchung 2005
werde jedenfalls durch aktuelle Entwicklungen nicht in Frage gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin
vorgelegten Vorgänge betreffend den angegriffenen Bebauungsplan (5 Ordner)
einschließlich der aufgrund der gerichtlichen Verfügungen nachgereichten
Vorgänge (1 Ordner, 2 Hefter [Trassenstudie und Verkehrsuntersuchung Mai
2000]) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist statthaft, denn der Antragsteller wendet sich im Wege der
Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan und damit gegen eine Satzung nach
dem Baugesetzbuch, deren Gültigkeit vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof
gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
Der Antragsteller ist insbesondere antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO. Nach dieser Vorschrift kann jede natürliche oder juristische Person, die
geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten
verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, einen
Normenkontrollantrag stellen. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung
nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als
nach § 42 Abs. 2 VwGO. Danach genügt ein Antragsteller seiner Darlegungspflicht,
wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als
möglich erscheinen lassen, dass er durch die Rechtwirkungen eines
Bebauungsplans in seinem Recht verletzt wird (BVerwG, Urteil vom 10.3.1998 -
BVerwG 4 CN 6.97 - BRS 60 Nr. 44; BVerwG, Urteil vom 24.9.1998 - BVerwG 4 CN
2.98 - BRS 60 Nr. 46).
30
31
32
33
34
35
36
Die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist regelmäßig zu
bejahen, wenn sich ein Grundstückseigentümer gegen bauplanerische
Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen (BVerwG, Urteil
vom 10. März 1998 - BVerwG 4 CN 6.97 - BauR 1998, 740 [741]). Diese
Voraussetzung ist hier hinsichtlich des Antragstellers erfüllt, denn dieser ist
Eigentümer von im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegenden
Grundstücken, die zum Bau der mit dem angegriffenen Bebauungsplan geplanten
Straße benötigt werden. Der Antragsteller wendet sich gegen sein Eigentumsrecht
einschränkende Festsetzungen des Bebauungsplans und macht daher auch eine
Rechtsverletzung geltend.
Des Weiteren kann die Verletzung eines subjektiven Rechts auch aus einem
Verstoß gegen das in § 1 Abs. 6 BauGB a. F. (heute: § 1 Abs. 7 BauGB) enthaltene
Abwägungsgebot folgen (s. BVerwG, Urteil vom 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - a.
a. O.). Dieses Gebot hat hinsichtlich solcher privaten Belange drittschützenden
Charakter, die für die Abwägung erheblich sind. Antragsbefugt ist also, wer sich auf
einen abwägungserheblichen privaten Belang berufen kann; denn wenn es einen
solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die
Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (BVerwG,
Beschluss vom 22.8.2000 - BVerwG 4 BN 38.00 - BRS 63 Nr. 45). Nicht jeder
private Belang ist indessen für die Abwägung erheblich, sondern nur solche
Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulichen Bezug
haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit
einem Makel behaftete Interessen, sowie solche, auf deren Fortbestand kein
schutzwürdiges Vertrauen besteht oder solche, die für die Gemeinde bei der
Entscheidung über den Bebauungsplan nicht erkennbar waren (BVerwG, Beschluss
vom 22.8.2000, a. a. O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe begründen die
vom Antragsteller geltend gemachten Belange seine Antragsbefugnis. Als
Rechtsverletzung kommt hier eine - vom Antragsteller auch geltend gemachte -
Verletzung eines subjektiven Rechts des Antragstellers auf Abwägung seiner
Belange in Betracht, d. h. seines subjektiven Rechts darauf, dass die von ihm
bereits im Bauleitplanverfahren mehrfach vorgebrachten Belange, nämlich die zu
erwartenden betrieblichen Einschränkungen in Bezug auf seinen
Pferdepensionsbetrieb, in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend
berücksichtigt werden.
Der Antrag ist auch begründet.
Formelle Fehler sind vom Antragsteller nicht geltend gemacht worden und auch
nicht ersichtlich; der Bebauungsplan verstößt aber in materieller Hinsicht gegen
höherrangiges Recht.
Der Bebauungsplan ist am 29.06.2006 mit seiner Bekanntmachung in Kraft
getreten. Auf das Verfahren zu seiner Aufstellung finden daher gemäß der
Übergangsvorschrift des § 244 Abs. 2 S. 1 BauGB für vor dem 20.07.2006
abgeschlossene Bebauungsplanverfahren die Vorschriften des Baugesetzbuches
in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung weiterhin Anwendung (BauGB a.
F.).
Dem angegriffenen Bebauungsplan fehlt es an der Planrechtfertigung im Sinne
des § 1 Abs. 3 BauGB a. F.
Allerdings kann der Antragsteller nicht bereits mit seinem Vortrag durchdringen,
es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob mit dem Vorhaben das Planungsziel
überhaupt erreicht werden könne, weil der ergänzenden Verkehrsuntersuchung
2005 eine verkehrliche Entlastung der Stadtteile N., Jügesheim und H. nicht
entnommen werden könne; eine Verlängerung der R.-Ring-Straße sei deshalb nicht
zwingend begründet. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. haben die Gemeinden die
Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung
und Ordnung erforderlich ist. Aus dem Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich
allerdings nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind,
wenn sie zur Bewältigung einer bauplanerischen Problemlage unentbehrlich und
zwingend geboten sind. Zur Planung befugt ist eine Gemeinde vielmehr schon
dann, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins
Feld führen kann. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB a.F. erforderlich ist,
bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche
städtebaulichen Ziele sich die Gemeinde setzt, liegt in ihrem planerischen
Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, die Städtebaupolitik zu
37
38
Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, die Städtebaupolitik zu
betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG,
Beschluss vom 11.05.1999 - BVerwG BN 15.99 - BRS 62 Nr. 19), wobei den
Gemeinden ein weites planerisches Ermessen zukommt. Die Planung einer Straße
muss danach nicht unumgänglich notwendig sein; vielmehr genügt für die Stufe
der "Planrechtfertigung", dass das Vorhaben vernünftigerweise geboten ist. Auf
dieser Grundlage kann auch bei einer Straßenplanung durch Bebauungsplan die
Erforderlichkeit für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung gegeben sein.
Einbezogen in die Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB a.F. ist die
Gesamtheit der insbesondere nach § 1 Abs. 5 BauGB a.F. maßgeblichen
planungsrechtlichen Anforderungen. Hierzu gehören nach Satz 2 Nr. 8 der
vorgenannten Vorschrift auch die Belange des Verkehrs, einschließlich des
öffentlichen Personennahverkehrs. Die verkehrlichen Belange haben naturgemäß
bei einer isolierten Straßenplanung durch Bebauungsplan eine besondere
Bedeutung. Ohne deren Gewicht wäre die sowohl nach Bundesrecht (§ 17 Abs. 3
Satz 1 des Bundesfernstraßengesetzes a.F. als auch nach Landesrecht
vorgesehene isolierte Straßenplanung durch Bebauungsplan nicht zu verwirklichen.
Ein Bebauungsplan, der sich in der Festsetzung von Verkehrsflächen erschöpft,
kommt dabei insbesondere zur Planung von Ortsumgehungen in Betracht (vgl.
zum Ganzen: Bay. VGH, Urteil vom 24.05.2005 - 8 N 04.3219 - m.w.N. aus der
Rechtsprechung).
Der Senat zweifelt nicht daran, dass die vorliegende Straßenplanung Ausdruck
eines städtebaulich motivierten Konzepts ist. § 1 Abs. 3 BauGB a.F. eröffnet den
Gemeinden die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung das
Festsetzungsinstrumentarium des § 9 BauGB a.F. für eine eigene "Verkehrspolitik"
zu nutzen (s. BVerwG, Urteil vom 28.01.1999 - BVerwG 4 C 5.98 - BRS 62 Nr. 4 -
m.w.N. aus seiner Rechtsprechung; s. auch Beschluss vom 15.08.2007 - BVerwG 4
BN 30.07 - juris-Dokument). Der örtliche Bezug der hier in Rede stehenden
"Verkehrsplanung" ist darin zu sehen, dass - wie in der Bebauungsplanbegründung
dargelegt wird - insbesondere die Ortsdurchfahrten von Weiskirchen, H. und
Rembrücken starken verkehrlichen Belastungen unterliegen, woraus wiederum
auch unerwünschte Verkehrsverlagerungen auf sensible Straßen des
nachgeordneten Netzes resultieren. Um die jeweiligen innerörtlichen Straßen
verkehrlich zu entlasten, gibt es seitens der Antragsgegnerin bereits seit Jahren
Bestrebungen, die R.-Ring-Straße zwischen der L 3405 im Süden und der L 3117
im Norden zu verlängern, weil sie damit für Weiskirchen und Rembrücken eine
nachhaltige verkehrliche Entlastung erwartet. Die übrigen Teilabschnitte der R.-
Ring-Straße sind bereits vor geraumer Zeit realisiert worden, das letzte Teilstück
Ende der achtziger / Anfang der neunziger .Jahre.
Dass dieses Planungsziel unter Berücksichtigung der im Jahr 2005 durchgeführten
Verkehrsuntersuchung nicht mehr zu verwirklichen sei, wie der Antragsteller
vorträgt, und es damit dem Bebauungsplan an einer Planrechtfertigung im Sinne
des § 1 Abs. 3 BauGB a.F. fehlt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die
Verkehrsuntersuchung 2000 gelangt u. a. zu der Kernaussage, dass die
Verlängerung der R.-Ring-Straße bis zur L 3117 für die Ortsdurchfahrt Weiskirchen
gegenüber dem Prognosefall 2000 (Berücksichtigung bestimmter
Verkehrsgegebenheiten wie etwa Um- und Ausbau der BAB A3, aber ohne
Verlängerung der R.-Ring-Straße) eine weitere Entlastung um rund 20% auf 7900
Kraftfahrzeuge je Tag bringt, Heusenstamm-Rembrücken wird um weitere rund
35% auf 9000 Kraftfahrzeuge je Tag entlastet. Auf der Basis der ergänzenden
Verkehrsuntersuchung 2005 gelangen die Gutachter für den Prognose-Nullfall
2015 (ohne Verlängerung der R.-Ring-Straße) zu dem Ergebnis, dass im
Untersuchungsgebiet teilweise deutliche Mehrbelastungen im Straßennetz
festzustellen seien; dies gelte insbesondere für die Bundesautobahn A 3
(Belastungszunahmen von bis zu 19.000 Kfz/24h), aber auch für das
nachgeordnete Straßennetz (Udenhoutstraße: + 1300 Kfz/24h, Hauptstraße in R. -
Weiskirchen: + 1300 Kfz/ 24h und B 45: + 7200 Kfz/24h). Bei einer Verlängerung
der R.-Ring-Straße (Planfall 2015) sei bei dieser verlängerten Straße von 15.000
Kraftfahrzeugen je Tag auszugehen, für die Nord-Süd-Richtung im Zuge der L 3117
(Nord- R.-Ring-Straße) seien deutliche Mehrbelastungen festzustellen; weitere
benachbarte Netzabschnitte würden teilweise deutlich entlastet. Dies gelte etwa
für den südlichen Bereich der Hauptstraße in Weiskirchen (- 2200 Kfz/24h; siehe
Plan Differenz Planfall 2015 / Prognose-Nullfall 2005). Diese in der
Nachuntersuchung 2005 ermittelten Ergebnisse bestätigen die bereits in dem
Verkehrsgutachten 2000 prognostizierte Entwicklung einer (allgemeinen)
Zunahme des Verkehrs in Nord-Süd Richtung über die verlängerte R.-Ring-Straße
und die gleichzeitig damit einhergehende deutliche Entlastung des parallelen
39
40
41
42
43
44
und die gleichzeitig damit einhergehende deutliche Entlastung des parallelen
Straßennetzes, insbesondere auch der Hauptverkehrsstraßen in dem Ortsteil
Weiskirchen. Dass die mit der Straßenplanung beabsichtigte Entlastungswirkung
für die innerörtlichen Verkehre nach der Prognose auf der Basis der aktuelleren
Verkehrsuntersuchung 2005 nicht erwartet werden darf, lässt sich daher der
vorgenannten Untersuchung nicht entnehmen.
Dem angegriffenen Bebauungsplan fehlt es indes aus anderen Gründen an der
Planerforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB a.F. Erforderlich im Sinne der
genannten Vorschrift ist ein Bauleitplan stets nur dann, wenn er seinem
städtebaulichen Gestaltungsauftrag auch gerecht werden kann. Ist dagegen
bereits im Zeitpunkt seiner Aufstellung erkennbar, dass er wegen bestehender
rechtlicher Hindernisse nicht verwirklicht werden kann, verfehlt er seinen
städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsauftrag, ist als solcher nicht
erforderlich und wegen Verletzung des § 1 Abs. 3 BauGB a.F. unwirksam. Derartige
rechtliche Hindernisse können auch in artenschutzrechtlichen Bestimmungen
begründet sein (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 21.02.2008 - 4 N 869/07 - BauR 2009,
766 = NuR 2008,352 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und der
Literatur).
Vorliegend steht der Vollzugsfähigkeit des angegriffenen Bebauungsplans als
dauerhaftes rechtliches Hindernis entgegen, dass der Antragsgegnerin zwar für die
den Gegenstand des Bebauungsplans darstellende Straßenbaumaßnahme eine
Befreiung von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 BNatSchG a.F. erteilt
worden ist, jedoch wegen einer ausgesprochenen (wiederholten) Befristung der
Befreiung und des mit der Umsetzung des Bebauungsplans verbundenen
Verstoßes gegen § 42 Abs. 1 Nr. 1, 3 BNatSchG a.F. sowie gegen
gemeinschaftsrechtliche Vorschriften der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom
21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden
Tiere und Pflanzen - FFH-Richtlinie - (ABl L 206 vom 22.07.1992 sowie spätere
Änderungen, im Folgenden FFH-RL) und der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom
02. 04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vögel - Vogelschutzrichtlinie -
(ABl L 103 vom 25.04.1979 sowie spätere Änderungen; im Folgenden: V-RL) der
Planverwirklichung dauerhafte rechtliche Hindernisse entgegenstehen.
Nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (hier anwendbar in der Fassung vom 25. März
2002, BGBl I S. 1193; - BNatSchG a.F. -) ist es verboten, wild lebenden Tieren der
besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten
oder ihre Entwicklungsformen, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten der Natur
zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3
BNatSchG a.F. ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten
und der europäischen Vogelarten an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder
Zufluchtsstätten durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen oder ähnliche
Handlungen zu stören. Diese Regelungen haben gemäß § 11 Satz 1 BNatSchG
a.F. nicht bloß die Qualität einer Rahmenvorschrift für die Landesgesetzgebung,
sondern sie gelten unmittelbar.
Auch im Hinblick auf diese artenschutzrechtlichen Verbote gab die
Antragsgegnerin zur Untersuchung der Umweltbelange im Jahr 1999 eine
Voruntersuchung zur Umweltverträglichkeit der geplanten Nordverlängerung der
R.-Ring-Straße in Auftrag. Diese wurde im Juni 2000 durch eine
Umweltverträglichkeitsstudie in Form einer vollständigen Raumuntersuchung mit
einem Variantenvergleich erweitert und durch faunistische Gutachten ergänzt. Das
Untersuchungsgebiet wurde dabei so gewählt, dass die aus verkehrlicher Sicht
möglichen und zweckmäßigen Trassenvarianten dargestellt und deren
Auswirkungen auf den umgebenden Landschaftsraum hinreichend erfasst werden
konnten. Für die mögliche Reichweite erheblicher Umgebungswirkungen wurde im
Hinblick auf die zu erwartende Verkehrsbelastung ein Abstand von 200 m
angesetzt.
Nach den Ergebnissen der genannten Gutachten sind von der Realisierung der
geplanten Straße besonders und streng geschützte Vogelarten gemäß § 10 Abs. 2
Nr. 9, 10 und 11 BNatSchG a.F. betroffen, die auf dem Gebiet der geplanten
Trasse oder im unmittelbaren Umkreis leben und in ihren Nist-, Brut-, Wohn- und
Zufluchtsstätten betroffen sind.
Die Zulassung der Bebauungsplanung trotz der zuvor dargestellten Erfüllung von
Verbotstatbeständen des § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F. lässt sich nach der neueren
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des
45
46
47
48
49
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des
Bundesverwaltungsgerichts wegen nur unzureichender Umsetzung europäischen
Artenschutzrechts nicht (mehr) auf die Legalausnahme des § 43 Abs. 4 Satz 1
BNatSchG a.F. stützen (vgl. dazu auch Hess. VGH, Urteil vom 21.02.2008, a.a.O.).
Die Antragsgegnerin hat deshalb bei der unteren Naturschutzbehörde beantragt,
von dem sich aus § 42 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BNatSchG a.F. ableitenden Verbot
der Zerstörung der Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten von Grauammer,
Steinkauz, Rebhuhn, Feldlerche, Schafstelze, Neuntöter, Dorngrasmücke,
Feldsperling und Wachtel (jeweils besonders geschützte Arten) sowie für das
Stören der (zusätzlich) streng geschützten Arten Grauammer und Steinkauz im
Zuge der Bauausführung bzw. des Straßenbetriebs der geplanten Trasse der R.-
Ring-Straße befreit zu werden. Diesem Antrag der Antragsgegnerin ist noch vor
Abschluss des Bauleitplanverfahrens stattgegeben worden und ihr ist eine
Befreiung nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. mit der Begründung erteilt
worden, dass überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung erfordern.
Die Antragsgegnerin ist als richtige Adressatin des genannten
Befreiungsbescheides zu betrachten. Da § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F. kein
Planungsverbot konstituiert, erfordert nicht schon die Aufstellung eines
Bauleitplans, sondern erst die Vornahme der zu seiner Verwirklichung notwendigen
Handlungen einen artenschutzrechtlichen Dispens. Adressat der
Befreiungsvorschrift des § 62 BNatSchG a.F. ist deshalb nicht der Plangeber,
sondern derjenige, der den Plan in die Tat umsetzen will (vgl. Fischer-Hüftle, in:
Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2003, § 62 Rdnr. 7). Da die Umsetzung der
geplanten Straßenbaumaßnahme durch die Antragsgegnerin (als Trägerin der
Straßenbaulast) erfolgen wird, ist der Befreiungsbescheid zu Recht an die
Antragsgegnerin ergangen.
Ob von einer erteilten artenschutzrechtlichen Befreiung eine Tatbestandswirkung
ausgeht, über die sich das Normenkontrollgericht nicht hinwegsetzen kann, ist
umstritten (vgl. zum Meinungsstreit: Hess. VGH, Urteil vom 21.02.2008, a.a.O.).
Allerdings wird diese Frage für Fallgestaltungen diskutiert, in denen einer
Gemeinde eine Befreiung erteilt worden ist, die Gemeinde selbst aber nicht die
Bauleitplanung umsetzen wird, sondern dazu vom jeweiligen Bauherrn in
nachfolgenden Verfahren noch Genehmigungen eingeholt werden müssen.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin, wie dargelegt, zu Recht selbst bei der unteren
Naturschutzbehörde um eine Befreiung nachgesucht, da sie die Planung auch
selbst umzusetzen beabsichtigt. Die gegen die Annahme einer
Tatbestandswirkung sprechenden Gründe, nämlich dass eine dem Träger der
Bauleitplanung erteilte Befreiung auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet sei,
weil die Bauleitplanung nicht an die Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F.
gebunden sei und als solche keiner Befreiung bedürfe, stehen im vorliegenden Fall
einer von der Gemeinde selbst umzusetzenden Planung einer Bindungswirkung
nicht entgegen. Vielmehr ist hier davon auszugehen, dass das Gericht -
ungeachtet seiner Unabhängigkeit - an einen Akt der Exekutive gebunden ist,
soweit dieser eine rechtliche Regelung enthält und nicht selbst Gegenstand der
gerichtlichen Überprüfung ist. Das folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG und § 43 VwVfG. Ein
(rechtswirksamer) Verwaltungsakt ist daher grundsätzlich von allen Staatsorganen
zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen (s.
BVerwG, Urteil vom 30.01.2003 - BVerwG 4 CN 14/01 - BRS 66 Nr. 9).
Ist danach für die Frage des Vorliegens eines Verstoßes des geplanten Projektes
gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen auf den Regelungsinhalt der der
Antragsgegnerin für ihre Straßenplanung erteilten, bestandskräftigen
artenschutzrechtlichen Befreiung abzustellen (vgl. dazu auch Bay. VGH, Urteil vom
30.11.2008 - 9 N 05.112 - juris-Dokument), so ist in Bezug auf die hier vorliegende
Befreiung vom 18.04.2005 die Besonderheit festzustellen, dass diese laut der
Nebenbestimmung Nr. 3.1 in ihrer Geltung bis zum 28.02.2009 befristet ist. Für
eine Verlängerung ist gemäß der vorzitierten Nebenbestimmung die Vorlage einer
neuen avifaunistischen Erfassung entsprechend den Gutachten aus den Jahren
2000 und 2003 erforderlich. Auf erneuten Antrag der Antragsgegnerin ist dieser
durch Bescheid vom 25.02.2009 eine Verlängerung erteilt worden, die indes
wiederum befristet worden ist (bis 31.12.2009), da das geforderte avifaunistische
Gutachten noch nicht vorlag.
Da die Umsetzung des Bebauungsplans auf einen dauerhaften und nicht nur einen
vorübergehenden Eingriff angelegt ist, vermag auch nur eine unbefristet erteilte
Befreiung von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F.
50
51
Befreiung von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 42 Abs. 1 BNatSchG a.F.
zu entbinden, so dass sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang nicht
auf die ihr bereits vor dem Beschluss über den Bebauungsplan als Satzung erteilte
Befreiung berufen kann. Zu dem Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses durfte die
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin daher nicht davon ausgehen,
dass rechtliche Hindernisse bei der Vollziehung der Planung in Gestalt eines
Verstoßes gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des § 42 Abs. 1 BNatSchG
a.F. dauerhaft ausgeräumt sind. Vielmehr macht die genannte Nebenbestimmung
in Verbindung mit weiteren Nebenbestimmungen, die eine zeitlich gestaffelte
Umsetzung der der Antragsgegnerin mit dem Bescheid auferlegten
artenschutzrechtlichen Ausgleichskonzeption vorsehen, deutlich, dass die untere
Naturschutzbehörde eine Verlängerung der Befreiung von einer weiteren Prüfung
auf der Grundlage einer vorzulegenden neuen avifaunistischen Erfassung abhängig
macht, wohl um die Wirksamkeit oder die Eignung des Ausgleichkonzepts erneut
einer fachlichen Bewertung zuzuführen. Eine endgültige "Freigabe" der
Straßenplanung aus artenschutzrechtlicher Sicht ist mit der (wiederholt) nur
befristet erteilten Befreiung nicht verbunden. Eine auf einer nur befristet erteilten
Befreiung aufbauende Straßenplanung stellt daher einen Widerspruch in sich dar
und verfehlt ihren gestaltenden Auftrag.
Der Umsetzung der streitgegenständlichen Planung stehen damit trotz der der
Antragsgegnerin erteilten Befreiung die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 Nr. 1
und Nr. 3 BNatSchG a.F. entgegen, denn nach Auffassung des Senats sind die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 62 BNatSchG a.F. nicht
gegeben. Die untere Naturschutzbehörde ist hier - unter Heranziehung der oben
genannten Gutachten - nachvollziehbar zunächst von der Verwirklichung der im
Befreiungsbescheid im Einzelnen angeführten Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1
BNatSchG a.F. ausgegangen und hat die hier allein in Betracht kommende
Befreiungsmöglichkeit nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. bejaht, weil ihrer
Einschätzung nach überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Befreiung
erfordern. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Behörde auf der Basis der
ihr vorliegenden Umweltverträglichkeitsstudie und der eingeholten faunistischen
Gutachten zulässigerweise davon abhängig gemacht, dass mit dem Vollzug des
angegriffenen Bebauungsplans ein artenschutzrechtliches Ausgleichskonzept
einhergeht. Dieses Konzept ist zwischen der unteren Naturschutzbehörde und der
Antragsgegnerin abgestimmt, von der Behörde mit den maßgeblichen
Forderungen in den Nebenbestimmungen des Befreiungsbescheids
festgeschrieben und von der Antragsgegnerin in die Bebauungsplanbegründung
(S. 160 ff) aufgenommen worden; eine diesbezügliche planerische Festsetzung ist
nicht erfolgt. Nach diesem Ausgleichskonzept ist auf einer ca. 6 ha großen, im
Eigentum des Hessischen Rundfunks stehenden Fläche im Nordwesten der
Gemarkung Weiskirchen im Wesentlichen die Extensivierung von Wiesenflächen
vorgesehen, ergänzt durch die Anpflanzung von Feldgehölzinseln, vorwiegend aus
dornigen Sträuchern und einzelnen Bäumen. Die Wiesen sind innerhalb der ersten
zwei Jahre dreimal im Jahr zu mähen, um einen Nährstoffentzug herbeizuführen,
und danach als zweischüriges Extensivgrünland, d.h. ohne Düngung und
Pestizideinsatz zu nutzen. Die artenschutzrechtliche Ausgleichskonzeption zielt
laut Bescheid und Bebauungsplanbegründung darauf ab, die besonders und die
streng geschützten Vogelarten in ihrem Bestand bzw. in ihrer Populationsgröße zu
erhalten; insbesondere können Grauammer, Neuntöter, Dorngrasmücke und
Wachtel durch die Kompensationsflächen einen ausreichend bemessenen
Ersatzlebensraum erhalten
Dem von der Antragsgegnerin in der Bebauungsplanbegründung näher
dargelegten Ausgleichskonzept mangelt es indes an einer ausreichenden,
insbesondere einer auf Dauer angelegten rechtlichen Absicherung, so dass die von
der Befreiungsvorschrift des § 62 BNatSchG a.F. und auch vom
Befreiungsbescheid der unteren Naturschutzbehörde vorausgesetzte Eignung des
Ausgleichskonzepts zur Schaffung eines ausreichend bemessenen
Ersatzlebensraums nicht gegeben ist. § 62 Abs. 1 BNatSchG a.F. setzt durch
seinen Verweis darauf, dass die genannten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften
nicht entgegenstehen dürfen, voraus, dass "die Populationen der betroffenen Art
in ihrem natürlichem Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne
Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen". Dies folgt aus
den Bestimmungen der hier einschlägigen Vogelschutzrichtlinie. Zwar spricht der
in § 62 BNatSchG a.F. genannte Art. 9 V-RL nicht ausdrücklich vom günstigen
Erhaltungszustand, der trotz der Ausnahme gewahrt werden soll. Allerdings darf
nach Art. 13 V-RL die Anwendung der auf Grund der Richtlinie getroffenen
Maßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der derzeitigen Lage führen. Das
52
53
54
55
Maßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der derzeitigen Lage führen. Das
Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 16.03.2006 - BVerwG 4 A 1075.04, Rn 570,
juris-Dokument = BVerwGE 125, 116 [Flughafen Berlin-Schönefeld]) hat in Bezug
auf den maßgeblichen Schutzstandard in diesem Zusammenhang ausgeführt,
dass der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 V-RL zwar von der Parallelvorschrift des Art. 16
Abs. 1 FFH-RL abweiche, dass die Schutzanforderungen der Vogelschutzrichtlinie in
diesem Punkt aber nicht hinter denen der FFH-Richtlinie zurückblieben. Nach Art.
13 VRL dürfe die Anwendung der aufgrund der Richtlinie getroffenen Maßnahmen
in Bezug auf die Erhaltung aller unter Art. 1 V-RL fallenden Vogelarten nicht zu
einer Verschlechterung der derzeitigen Lage führen. An anderer Stelle in der
vorzitierten Entscheidung (Rn 575) spricht das Bundesverwaltungsgericht von einer
Bestandsgefährdung i.S.d. Art. 2 und 13 V-RL (s. zum Ganzen auch: Dolde,
Europarechtlicher Artenschutz in der Planung, NVwZ 2007, 7 [11] mit weiteren
Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, und Köck, Auswirkungen
der europäischen Artenschutzrechte auf die kommunale Bauleitplanung, ZUR
2006, 518).
Der Erhaltungszustand einer Population ist definiert in Art. 1 Buchst. i) FFH-RL als
die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe
der Populationen der betreffenden Arten auswirken können.
Ausgleichsmaßnahmen, die - wie hier- zur Wahrung eines günstigen
Erhaltungszustandes der Population der betroffenen Art im Sinne der genannten
gemeinschaftsrechtlichen Regelungen vorgenommen werden, vermögen die
jeweiligen negativen Auswirkungen des Vorhabens auf die geschützten Arten
vollumfänglich zu kompensieren (vgl. dazu Hess. VGH, Urteil vom 21.02.2008,
a.a.O., mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). So kann im
Einzelfall etwa durch zeitlich vorgezogene Maßnahmen gewährleistet werden, dass
es trotz der vorgesehenen Maßnahmen nicht zu einer Bestandsgefährdung
kommt. Zu diesen Maßnahmen zählt z.B. die Schaffung von zum Zeitpunkt des
Eingriffs bereits wirksamen Ersatzhabitaten, die von den betroffenen Populationen
oder geschützten Arten allein oder durch unterstützende Maßnahmen
angenommen werden. Diese Maßnahmen müssen dazu beitragen, die Funktion
der Lebensstätte in qualitativer und in quantitativer Hinsicht zu erhalten. Auch die
zeitliche Kontinuität der Funktionen der Lebensstätte muss gesichert sein (vgl
dazu auch: Kratsch, Neue Rechtsprechung zum Artenschutz, NuR 2007, 27 [28]).
Das von der Antragsgegnerin in der Bebauungsplanbegründung dargestellte und
im Befreiungsbescheid in den maßgeblichen Forderungen durch die
Nebenbestimmungen Nr. 3.2 bis 3.12 festgeschriebene Ausgleichskonzept ist zwar
unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Werden - wie
hier - aufgrund von Ausgleichsmaßnahmen Ausweichhabitate zur Verfügung
gestellt, so ist regelmäßig ein Maß an Kontinuität gewahrt, das genügend Gewähr
dafür bietet, dass die betroffene Population in einem günstigen Erhaltungszustand
verbleibt (Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - BVerwG 4 A 1075.04, a.a.O.,
Rn 573; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.05.2007 - 8 C 10751/06 - NuR 2007,
557 m.w.N.).
Indes ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe nach Auffassung des
Senats die rechtliche Absicherung des von der Antragsgegnerin geplanten
Ausgleichskonzepts nicht ausreichend, um für die betroffenen Vogelarten einen -
wie es in der Bescheidbegründung formuliert ist - "ausreichend bemessenen
Ersatzlebensraum" zu schaffen mit dem Ziel, "die betroffenen Arten in ihrem
Bestand bzw. in ihrer Populationsgröße zu erhalten". Die als Ersatzhabitat
vorgesehenen Flächen sind nicht Gegenstand von Festsetzungen des
angegriffenen Bebauungsplans. Sie befinden sich auch nicht im Eigentum der
Antragsgegnerin; Eigentümer ist vielmehr der Hessische Rundfunk. Im Zeitpunkt
der Beschlussfassung über den Bebauungsplan waren diese Flächen an zwei
Landwirte verpachtet, die sie bewirtschafteten. Zur Umsetzung des
Ausgleichskonzepts ist vorgesehen, dass die Flächen ab dem 01.01.2007 nach
Kündigung der bestehenden Verträge an die Antragsgegnerin verpachtet werden,
die diese wiederum an die bisherigen Bewirtschafter unterverpachtet. Es sollen
langjährige Pachtverträge abgeschlossen werden, wobei die
Bewirtschaftungsanforderungen zur Extensivierung gemäß Ausgleichskonzept
Bestandteil der Vereinbarungen werden sollen. Dieses Konzept ist inzwischen auch
umgesetzt; die Antragsgegnerin hat sowohl mit dem Hessischen Rundfunk als
auch mit den beiden Landwirten die vorgesehenen Pachtverträge geschlossen.
Nach Auffassung des Senats ist dieses Ausgleichskonzept zur Erreichung des mit
ihm verfolgten Ziels, nämlich der Schaffung und Erhaltung eines ausreichenden
56
ihm verfolgten Ziels, nämlich der Schaffung und Erhaltung eines ausreichenden
Ersatzlebensraums für die von dem Bau und dem Betrieb der geplanten Straße
betroffenen, besonders und zum Teil auch streng geschützten Vogelarten jedoch
offensichtlich nicht geeignet, da es an der zu fordernden dauerhaften
tatsächlichen und rechtlichen Durchführbarkeit der gebotenen
Ausgleichsmaßnahmen fehlt. Der erkennende Senat hat in früheren
Entscheidungen (so etwa Urteil vom 25.05.2005 - 4 N 3008/99 -) unter Hinweis auf
andere obergerichtliche Rechtsprechung und auf Literaturmeinungen in Bezug auf
naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen auf von der Gemeinde
bereitgestellten Flächen (§ 1a Abs. 3 Satz 3, 2. Alt. BauGB a.F. ) gefordert, dass
die Gemeinde entweder selbst Eigentümer dieser Flächen ist oder zumindest ein
zeitlich unbefristetes Zugriffsrecht der Gemeinde über die Flächen gesichert sein
muss. Die in § 1a Abs. 3 BauGB a.F. beschriebenen Modelle, wie ein Ausgleich der
zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft erfolgen kann, können auch auf
die artenschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen übertragen werden (vgl. Stüer,
in: Hoppenberg/de Witt (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Band 1,
Stand: August 2008, Kapitel B - Bauleitplanung -, Rn 886). Das
Bundesverwaltungsgericht hat als maßgebliche Gesichtspunkte in diesem
Zusammenhang erachtet, dass ein Mindestmaß an rechtlicher Bindung der
planenden Gemeinde gegeben ist und dass die vorgesehene Maßnahme auch bei
realistischer Betrachtung durchführbar zu sein hat (BVerwG, Urteil vom 19.09.2002
- BVerwG 4 CN 1.02 - BRS 65 Nr. 20). Zwar ist durch die Aufnahme des
Ausgleichskonzept zum einen in die Nebenbestimmungen des
Befreiungsbescheids und zum anderen in die vom Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin erfasste
Bebauungsplanbegründung ein Mindestmaß an rechtlicher Bindung im Sinne der
zuvor genannten Rechtsprechung gegeben. Allerdings fehlt es in Bezug auf die von
der Antragsgegnerin vorgesehene Ausgleichskonzeption an dem weiteren
Erfordernis, dass die vorgesehene Maßnahme auch bei realistischer Betrachtung
durchführbar sein muss. Die tatsächliche Durchführung der Maßnahme besteht
hier maßgeblich in einer auf Dauer angelegten extensiven Bewirtschaftung der
vorgesehenen Flächen. Zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses und auch bei
Inkrafttreten des Bebauungsplans waren die vorgesehenen Pachtverträge noch
nicht abgeschlossen. Fordert man mit Schrödter (Kommentar zum
Baugesetzbuch, 7. Aufl., § 1a, Rn 60) das Vorliegen der zivilrechtlichen
Verfügungsbefugnis der Gemeinde zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Bebauungsplans, so wäre eine von der Gemeinde erst nach diesem Zeitpunkt
rechtlich verbindlich eingegangene Ausgleichsmaßnahme nicht als geeignete
Maßnahme im Sinne des § 1a Abs. 3 Satz 3 BauGB a.F. anzusehen. Hier sind die
in Rede stehenden Pachtverträge von der Antragsgegnerin im nahen zeitlichen
Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans abgeschlossen
worden. Selbst wenn man dies als (noch) ausreichend ansähe, ist aber jedenfalls
der als Pachtdauer gewählte Zeitraum in keiner Weise geeignet, zu gewährleisten,
dass auf den Ausgleichsflächen nicht nur ein Ersatzhabitat entsteht, sondern auch
auf Dauer erhalten werden kann. Der Pachtvertrag der Antragsgegnerin mit dem
Eigentümer der Flächen für das Ersatzhabitat, dem Hessischen Rundfunk, ist auf
einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschlossen und danach (ordentlich) kündbar;
gleiches gilt für die von der Antragsgegnerin mit den bisherigen Pächtern der
Flächen abgeschlossenen Unterpachtverträge. Dieser Zeitraum lag dem Antrag
der Gemeinde auf artenschutzrechtliche Befreiung von den Verboten des § 42
Abs. 1 BNatSchG a.F. zugrunde und ist auch in den Befreiungsbescheid des
Kreises Offenbach vom 18.04.2005 eingegangen. Diese zeitlich beschränkte
zivilrechtliche Verfügungsbefugnis der Antragsgegnerin steht in Widerspruch zu
dem Ziel der vorgesehenen artenschutzrechtlichen Ausgleichskonzeption, ein
wirksames Ersatzhabitat zu schaffen und zu erhalten. Kehrseite der zeitlich
unbegrenzten Geltungsdauer des Bebauungsplanes ist nämlich, dass auch der
Ausgleich für die Eingriffe in Natur und Landschaft nicht zeitlich befristet sein darf,
weil die zu erwartenden Eingriffe von zeitlich unbegrenzter Dauer sind (OVG
Niedersachsen, Urteil vom 14.09.2000 - 1 K 5414/98 - ZfBR 2001, 134). Wenn
Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft durch
Bebauungspläne nicht lediglich zeitlich befristet gesichert werden dürfen (so auch
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.05.2001 - 8 S 2603/00 - NVwZ -RR 2002,
8), kann für artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen nichts anderes gelten.
Etwas anderes im Hinblick auf die Befristung kann allein in den Fällen
angenommen werden, in denen auf Grund des Bebauungsplans keine dauerhaften
Eingriffe zu erwarten sind. Ein solcher Fall ist hier jedoch gerade nicht gegeben.
Selbst wenn man also - anders als von den zuvor dargestellten obergerichtlichen
Entscheidungen einschließlich der des Senats vom 25.05.2005 (a.a.O.) und auch
57
58
59
60
Entscheidungen einschließlich der des Senats vom 25.05.2005 (a.a.O.) und auch
von Schrödter (Kommentar zum Baugesetzbuch, 7. Aufl., § 1a, Rn 60) gefordert
wird - ein unbefristetes, dinglich (etwa durch eine Baulast oder ein Erbpachtrecht)
gesichertes Nutzungsrecht der Gemeinde für entbehrlich hielte, müsste zumindest
ein auf einen sehr langen Zeitraum vereinbartes zivilrechtliches Nutzungsrecht der
Gemeinde vorliegen, um die vom genannten Gemeinschaftsrecht und auch vom
deutschen Naturschutzrecht vorgegebenen Zielsetzungen, die sich an ein
Ausgleichshabitat knüpfen, zu erfüllen, wobei das OVG Niedersachsen in der oben
zitierten Entscheidung vom 14.09.2000 (a.a.O.) einen Zeitraum von 30 Jahren
nicht als ausreichende zeitliche Sicherung betrachtet hat.
Darüber hinaus sind auch Zweifel daran angebracht, ob es für die durch die
Straßenplanung aufgeworfenen artenschutzrechtlichen Probleme keine i.S.d. Art. 9
Abs. 1 VRL anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt; nur dann wäre eine
Befreiung nach den in § 62 Abs. 1 BNatSchG a.F. in Bezug genommenen
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben möglich. Zu fordern ist in diesem
Zusammenhang grundsätzlich eine eingehende Alternativenprüfung unter
besonderer Berücksichtigung des Artenschutzes, und zwar sowohl hinsichtlich
möglicher Standortalternativen als auch hinsichtlich in Betracht kommender
Gestaltungsalternativen. Dabei sind auch Abstriche am Grad der
Zielvollkommenheit hinzunehmen. Eine Grenze bildet der auch im
Gemeinschaftsrecht geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, an dem eine
Alternative etwa wegen der mit ihr verbundenen Mehrkosten oder wegen eines
sonstigen unverhältnismäßigen Aufwands auch mit Blick auf den mit ihr
erreichbaren Gewinn für den Artenschutz scheitern kann (vgl. etwa Bay. VGH,
Urteil vom 30.11.2008 - 9 N 05.112 - Rn 64, juris-Dokument).
Die Antragsgegnerin hat sich im Bebauungsplanverfahren für eine Trassenvariante
(Westtrasse 1c) entschieden, die nicht der in der Umweltverträglichkeitsstudie aus
ökologischen Gründen empfohlenen Trassenführung (S-Bahntrasse 2c) entspricht
und die in ihrem konkreten Verlauf sowohl von den vorab in der Trassenstudie
untersuchten Varianten als auch von der in der Umweltverträglichkeitsstudie mit in
die Bewertung einbezogenen Trassenvariante (Westtrasse 1b) abweicht. Zweifel
sind an der erforderlichen Alternativenprüfung insoweit angebracht, als sie auf
Bewertungen beruht, die die Antragsgegnerin nicht durch ein
naturschutzfachliches Gutachten erlangt hat, sondern die sie selbst, wenn auch
unter Heranziehung der Datenbasis eines solchen Gutachtens, getroffen hat.
Im Rahmen einer von der Antragsgegnerin im Jahr 1999 in Auftrag gegebenen
Trassenstudie wurden die aus verkehrlicher Sicht sinnvollen Varianten ermittelt
und deren jeweilige Vor- und Nachteile vergleichend gegenübergestellt. Es
handelte sich dabei im Wesentlichen um drei Varianten. Variante 1(Trasse West)
stellte die direkte Verbindung zwischen der L 3117 und der L 3405 dar. Die
Variante 2 (Trasse S-Bahn) mit vier Untervarianten sah eine bahnparallele
Straßenführung mit Berücksichtigung unterschiedlicher Anbindungen der
Udenhoutstraße vor. Die Variante 3 (Trasse Ost) sah einen Verlauf östlich der
Bahntrasse vor. Unter Berücksichtigung verschiedener Bewertungskriterien wie
Städtebau, Ökologie und Kfz-Verkehrsbelastungen und insbesondere auch der von
den unterschiedlichen Trassen zu erwartenden Lärmimmissionen für die in der
Nähe befindliche Wohnbebauung, gelangte die Trassenstudie zu dem Ergebnis,
dass die Variante 3 (Trasse Ost) aufgrund der negativen Auswirkungen auf
Städtebau und Ökologie nicht weiterverfolgt werden sollte. Ein Vergleich der
Variante 1 (Trasse West) mit der Variante 2 (Trasse S-Bahn) ergab bezüglich der
Umweltverträglichkeit sowie den zu erwartenden Kosten Vorteile für die westliche
Trassenführung. So unterschritt in der Lärmberechnung nur die Variante 1 die
zulässigen Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV). Zudem
besaß die Variante 1 gegenüber der Variante 2 eindeutige Kostenvorteile (je nach
Trassenführungen zwischen 2 Millionen und 4 Millionen DM). Aus diesem Grund
schlug die Trassenstudie die Variante 1 (Trasse West) als Basis für das weitere
Linienabstimmungsverfahren vor.
Die weiter von der Antragsgegnerin eingeholte Umweltverträglichkeitsstudie nahm
nach Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die in § 1a
Abs. 2 Nr. 3 BauGB angeführten Schutzgüter einen Variantenvergleich mehrerer
Straßenführungsmöglichkeiten vor, wobei die im Rahmen der Trassenstudie
diskutierten Varianten modifiziert bzw. aufgrund ihrer Negativwirkungen auf Natur
und Landschaft von vornherein nicht näher untersucht wurden. Letzteres gilt zum
einen hinsichtlich der Trasse Ost, die aufgrund ihrer Lage im Talraum der Rodau,
der erforderlich werdenden S-Bahnüberquerung und des großen
61
62
63
64
der erforderlich werdenden S-Bahnüberquerung und des großen
Flächenverbrauchs als äußerst konfliktträchtig eingestuft wurde. Des Weiteren
kamen wegen des von der Deutschen Bahn AG geforderten ausreichenden
Stauraums am Bahnübergang Xweg für eine parallel zur S-Bahn verlaufende
Trasse nur die Varianten 2a und 2c in Betracht.
Da von der Umweltverträglichkeitsstudie nicht die von der Trassenstudie als Basis
für das weitere Linienabstimmungsverfahren favorisierte Westtrasse, sondern eine
Variante der S-Bahntrasse (2c) als umweltverträglichste Trasse bewertet worden
war, war die Antragsgegnerin gehalten, sich mit den in ihren Auswirkungen auf die
hier in Rede stehenden Schutzgüter sehr unterschiedlich bewerteten
Trassenvarianten in ihrer Abwägung auseinander zu setzen. Bei dem von ihr
vorgenommenen Variantenvergleich hat sie - unter Heranziehung der
Erkenntnisse der Umweltverträglichkeitsstudie - eine neue, im
Bebauungsplanverfahren favorisierte Trassenvariante 1c eingeführt, bei der es sich
um eine Verschiebung der in der Umweltverträglichkeitsstudie bewerteten Trasse
1b in östlicher Richtung handelt. Insbesondere unter dem Aspekt, dass
Artenschutzgesichtspunkte für diese nach Art. 9 Abs. 1 VRL erforderliche
Alternativenprüfung besondere Berücksichtigung finden müssen, hätte es nach
Auffassung des Senats im Hinblick auf die fachlichen Bewertungen der
Umweltverträglichkeitsstudie einer naturschutzfachlichen Bewertung der
Auswirkungen / Störungswirkungen der von der Antragsgegnerin favorisierten
Trassenvariante 1c bedurft, um diese den von der Antragsgegnerin verworfenen
Trassenvarianten, insbesondere der Variante 2c, in artenschutzrechtlich nicht zu
beanstandender Weise gegenüber stellen zu können. Letztgenannte Trasse war
von der Umweltstudie und dem faunistischen Gutachten als umweltverträglichste
Trasse betrachtet worden, mit der Begründung, dass sie auf die Tierwelt den
geringsten Einfluss ausübe und von allen untersuchten Varianten den geringsten
Störfaktor aufweise, während die ortsferne Trasse 1b aus faunistischer Sicht
unbedingt abzulehnen sei, da ihre negativen Auswirkungen auf die Fauna
gravierend ausfielen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708, 710 und 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.