Urteil des HessVGH vom 06.07.1989

VGH Kassel: versetzung, ausschreibung, beförderung, beamtenrecht, bekanntgabe, zivilprozessrecht, verfügung, wahlrecht, quelle, immaterialgüterrecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 1870/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 33 Abs 2 GG, § 8 Abs 1
BBG
(Beamtenrecht - Neubesetzung eines Dienstpostens -
Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs eines
Bewerbers)
Tatbestand
I. Der Antragsteller und der Beigeladene haben sich um einen nach der
Besoldungsgruppe A 8/A 9 BBesO bewerteten Dienstposten des stellvertretenden
Zugführers bei der Grenzschutzabteilung (GSA) Mitte 4 in Fulda beworben. Der
Antragsteller hat einen entsprechenden Dienstposten bei der GSA Mitte 3 in
Hünfeld inne, der ebenfalls mit der Besoldungsgruppe A8/A9 bewertet ist, während
der Beigeladene bei der GSA Mitte 4 in Fulda einen A 8-Dienstposten mit
derselben Funktion wahrnimmt. Das Grenzschutzkommando (GSK) Mitte
beabsichtigt, den Dienstposten dem Beigeladenen zu übertragen; der
Bezirkspersonalrat hat hierzu seine Zustimmung erteilt.
Der Antrag des Antragstellers,
den bei der GSA Mitte 4 ausgeschriebenen Dienstposten der
Besoldungsgruppe A 8/A 9 so lange nicht zu besetzen, bis über seine Bewerbung
rechtskräftig entschieden wurde,
hatte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO in erster
Instanz keinen Erfolg.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und weist
insbesondere darauf hin, daß er ein höheres Dienst- und Lebensalter als der
Beigeladene aufzuweisen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der
beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn das
Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu
Recht abgelehnt, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft
gemacht hat.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluß davon
ausgegangen, daß es sich bei der beabsichtigten beamtenrechtlichen Maßnahme
zur Besetzung des freien Dienstpostens der Besoldungsgruppe A 8/A 9 bei der
GSA Mitte 4 in Fulda um eine Umsetzung handelt, die lediglich auf einen
Ermessensmißbrauch hin überprüft werden kann. Mit der von der Antragsgegnerin
zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen (Beschluß vom 5.8.1988,
ZBR 1989, 123) geht auch der erkennende Senat davon aus, daß dem Dienstherrn
bei der Entscheidung über die Neubesetzung eines frei gewordenen Dienstpostens
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bei der Entscheidung über die Neubesetzung eines frei gewordenen Dienstpostens
ein Wahlrecht hinsichtlich der ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen über den
Personaleinsatz zusteht. Er kann bei einem frei gewordenen
Beförderungsdienstposten die Stelle im Wege einer Beförderung besetzen, er kann
sie aber auch im Wege einer Umsetzung - wie hier vom Antragsteller begehrt -
oder im Wege einer Versetzung einem Beamten übertragen, der bereits ein dem
Dienstposten entsprechendes Amt inne hat. Der Senat vermag jedoch die
Auffassung des Verwaltungsgerichts Gießen in dem genannten Beschluß vom
5.8.1988 nicht zu teilen, wonach die letztgenannten Personalmaßnahmen, nämlich
die Umsetzung oder die Versetzung eines Beamten, nicht den Anforderungen des
in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Leistungsgrundsatzes unterlägen. In dieser
Allgemeinheit verkennt die Auffassung des Verwaltungsgerichts Gießen die
Bedeutung des Leistungsgrundsatzes für Personalmaßnahmen des Dienstherrn,
die nach der Ernennung bzw. der letzten Beförderung eines Beamten liegen und
mit einer Dienstpostenvergabe verbunden sind. Auch in diesem Bereich, in dem
eine freie Stelle durch eine Umsetzung, eine Versetzung oder gar durch die bloße
Übertragung einer Funktion (vgl. hierzu etwa Senatsbeschluß vom 29.1.1987 - 1
TG 3162/86 -, HessVGRspr. 1987, 41) besetzt werden soll, beansprucht der sog.
Bewerbungsverfahrensanspruch seine Geltung, wenn der Dienstherr zur
Vorbereitung seiner Auswahlentscheidung ein Verfahren mit dem Ziel der
Bestenauslese einleitet, sei es, daß er die Stelle - wie hier - ausschreibt (vgl. § 8
Abs. 1 BBG), sei es, daß er auf eine andere Art der Bekanntgabe der freien Stelle
seine Auswahlentscheidung von Bewerbungen abhängig macht. Insoweit
unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem Fall, der dem
Beschluß des Verwaltungsgerichts Gießen vom 5.8.1988 (a.a.O.) zugrunde lag;
dort war die frei gewordene Stelle ohne vorherige Ausschreibung bzw.
entsprechende Maßnahmen im Wege einer Versetzung wieder besetzt worden.
Entscheidet sich der Dienstherr aber für ein Auswahlverfahren vor der Besetzung
einer freien Stelle, so sind (auch) die personellen Maßnahmen einer Umsetzung
bzw. einer Versetzung an den Maßstäben des Leistungsprinzips zu messen. Der
Senat erblickt in dem Kriterium der Ausschreibung bzw. der sonstigen
Bekanntgabe eines freien Dienstpostens mit der Aufforderung, sich hierfür zu
bewerben, einen objektiven und abgrenzbaren Anhaltspunkt, um zu beurteilen, ob
der Dienstherr ein Auswahlverfahren mit dem Ziel der Bestenauslese eingeleitet
hat oder nicht. Ist die Ausschreibung freier Stellen gesetzlich oder sonst in Rechts-
bzw. Verwaltungsvorschriften vorgeschrieben, so würde das Unterlassen einer
Ausschreibung bereits den sog. Bewerbungsverfahrensanspruch eines Bewerbers
verletzen. Besteht keine Ausschreibungspflicht, so muß es dem
Organisationsermessen des Dienstherrn überlassen bleiben, in welchem
"Verfahren" er die freie Stelle vergibt; insoweit kann seine Entscheidung von einem
übergangenen Bewerber nur wegen Ermessensmißbrauchs gerügt werden;, worin
der Senat dem Verwaltungsgericht Gießen beipflichtet.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Dienstherr ein Auswahlverfahren
jederzeit aus sachlichen Gründen abbrechen kann (vgl. hierzu Senatsbeschluß
vom 7.10.1988 - 1 TG 3579/87 unter Hinweis auf Senatsbeschluß vom 3.12.1987 -
1 TG 2950/87 und BGH, Urteil vom 7.7.1983, ZBR 1983, 336 = MDR 1984, 205 =
DÖD 1984, 96). Liegt ein solcher sachlicher Grund vor, der sich an
organisatorischen bzw. fürsorgerechtlichen Gründen im Rahmen der
Bestenauslese zu orientieren hat, so kann der Dienstherr sein Auswahlverfahren
abbrechen und entweder ein neues Auswahlverfahren einleiten oder die Stelle bei
Vorliegen der genannten Voraussetzungen ohne Auswahlverfahren im Wege der
Umsetzung bzw. der Versetzung eines Beamten vergeben.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so hat die
Antragsgegnerin mit der Ausschreibung der hier in Frage stehenden Stelle am
15.11.1988 ein Auswahlverfahren eröffnet, das nur unter Berücksichtigung des
Leistungsgrundsatzes abgeschlossen werden kann; der Antragsteller kann den in
ständiger Rechtsprechung des Senats anerkannten sog.
Bewerbungsverfahrensanspruch auch für die begehrte Umsetzung geltend
machen.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß beide Bewerber auf
Grund des letzten formlosen aktuellen Leistungsnachweises vom 15.3.1989
(Antragsteller) bzw. vom 10.4.1989 (Beigeladener) - jeweils mit der Note "2 plus"
im wesentlichen gleich leistungsstark sind. Diesem Ergebnis widerspricht es nicht,
daß der Antragsteller bei der GSA 3 in Hünfeld bereits seit 1977 einen
Dienstposten der Besoldungsgruppe A 8/A 9 inne hat. Zu Recht hat das
Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch er
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Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch er
als stellvertretender Zugführer die gleiche Tätigkeit ausübt wie der Beigeladene.
Der behördeninterne Unterschied in der Bewertung der Dienstposten ist deshalb
unerheblich, weil sich die konkreten Funktionen des Antragstellers und des
Beigeladenen entsprechen.
Der Umstand der gleichen Leistungsstärke berechtigte die Antragsgegnerin,
weitere sachgerechte Erwägungen anzustellen und zu gewichten, um ihr
Auswahlermessen fehlerfrei auszuüben (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom
18.2.1985 -1 TG 252/85 -, NJW 1985, 1103 = DRiZ 1985, 259). Mit dem
Verwaltungsgericht erachtet auch der erkennende Senat den Gesichtspunkt der
Antragsgegnerin als sachlich gerechtfertigt, daß der Beigeladene die dem
ausgeschriebenen Dienstposten zugeordnete Tätigkeit eines stellvertretenden
Zugführers bei der GSA 4 in Fulda bereits wahrnimmt. Darüber hinaus erkennt der
Senat die Erwägungen der Antragsgegnerin an, wonach es im Interesse einer
effektiven und reibungslosen Ausgabenerfüllung liege und damit auch der
Kontinuität der Dienstausübung diene, wenn sie den Beigeladenen für den
ausgeschriebenen Dienstposten auswählt. Demgegenüber fällt das (nur
geringfügig) höhere Dienst- und Lebensalter des Antragstellers nicht entscheidend
ins Gewicht, weil der Dienstherr verpflichtet ist, freie Stellen so zu besetzen, daß
die auf ihnen zu erledigenden Aufgaben bestmöglich erfüllt werden.
Nach allem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben, so daß sie kostenpflichtig
zurückzuweisen war (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren sind
nicht erstattungsfähig, weil er keinen eigenen Antrag gestellt und damit kein
eigenes Kostenrisiko übernommen hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 13
Abs. 1 Satz 2, 14 - entsprechend -, 20 Abs. 3 GKG. Seine Höhe entspricht dem
halben Auffangstreitwert, den der erkennende Senat in Umsetzungsfällen in
ständiger Rechtsprechung festsetzt.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.