Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.07.2010

OVG Berlin-Brandenburg: vorläufige dienstenthebung, ausschluss, rechtsschutz, hauptsache, aussetzung, link, prozessvertreter, quelle, sammlung, kontrolle

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 80.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 80 DB 2.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 44a VwGO, Art 19 Abs 4 GG, §
24 Abs 4 S 2 DiszG BE
Disziplinarverfahren; Ausschluss von Zeugenvernehmungen;
Verweisung auf Rechtsschutz in der Hauptsache
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Disziplinarkammer - Berlin
- des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen
rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (i.V.m. § 67 Abs. 1 BDG, § 41 DiszG Bln) muss die
Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern
oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
Das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten
Gründe. Bezogen auf den hiernach durch das Beschwerdevorbringen begrenzten
Prüfungsstoff hat das Verwaltungsgericht den Antrag, den Antragsgegner im Wege
einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Teilnahme des Antragstellers an
Zeugenvernehmungen im Rahmen des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens
uneingeschränkt zuzulassen, nach der hier allein vorzunehmenden summarischen
Prüfung zu Recht abgelehnt. Es ist nach dem Prüfungsstoff des Senats zutreffend davon
ausgegangen, dass es sich bei den Entscheidungen der Ermittlungsführerin nach § 24
Abs. 4 Satz 2 DiszG Bln, den Antragsteller von der Teilnahme an Zeugenvernehmungen
auszuschließen, um Verfahrenshandlungen im Sinne von § 44 a VwGO handelt, gegen
die ein isoliertes Rechtsmittel nicht eröffnet ist.
Den rechtlichen Ansatz, die Anwendbarkeit des § 44 a VwGO auf den Fall des
Ausschlusses von der Teilnahme an Zeugenvernehmungen nach § 24 Abs. 4 Satz 2
DiszG Bln, greift das Beschwerdevorbringen nicht an. Der Antragsteller sieht jedoch die
Entscheidungen als ausnahmsweise anfechtbar an, da es sich um eine verbindliche
Regelung seiner materiell-rechtlichen Rechtspositionen handele und eine Verweisung auf
den Rechtsschutz in der Hauptsache bzw. gegen die abschließende
Behördenentscheidung für ihn unzumutbar sei. Der Ausschluss nehme ihm die
Möglichkeit der Mitwirkung an der Sachaufklärung und verstoße gegen den Grundsatz
des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Das überzeugt nach summarischer
Prüfung nicht. Nach § 44 a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche
Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen
Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, es sei denn, die behördlichen
Verfahrenshandlungen können vollstreckt werden oder ergehen gegen einen
Nichtbeteiligten. Dass diese Ausnahmen hier einschlägig sein könnten, macht auch die
Beschwerde nicht geltend. Im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven gerichtlichen
Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG ist eine Verfahrenshandlung aber über diese
Fallgruppen hinaus ausnahmsweise auch dann isoliert anfechtbar, wenn der Ausschluss
einer gerichtlichen Überprüfung der Verfahrenshandlungen für den Rechtssuchenden zu
unzumutbaren Nachteilen führt, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu
beseitigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1990 – 1 BvR 1028/90 – juris Rn.
27). Der Antragsteller verkennt, dass mit seinem Ausschluss von der Teilnahme an der
Zeugenvernehmung bereits keine verbindliche endgültige Regelung getroffen wird. Er
kann sich im disziplinargerichtlichen Hauptsacheverfahren sowohl gegen die
Beweiserhebung als auch gegen das Beweisergebnis wenden. Die Beweiserhebung nach
§ 24 DiszG Bln hat insbesondere nicht die Aufgabe, unmittelbar gerichtsverwertbare
Entscheidungsgrundlagen herbeizuschaffen. Vielmehr haben die Gerichte aufgrund des §
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Entscheidungsgrundlagen herbeizuschaffen. Vielmehr haben die Gerichte aufgrund des §
41 DiszG Bln i.V.m. § 58 BDG selbst die Pflicht, in strittigen Tatsachenfragen Beweise zu
erheben und grundsätzlich die Beweiserhebungen nicht durch die Verwertung der
Beweisergebnisse des behördlichen Disziplinarverfahrens zu ersetzen. Dies umfasst die
Beurteilung des Erinnerungsvermögens von Zeugen und folglich der Glaubhaftigkeit ihrer
Angaben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zeugen bereits im behördlichen Verfahren
vernommen worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2010 – 2 B 62.09 –
juris Rn. 11 sowie Gansen: Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, Bd. I, § 24
BDG, Rn. 1). Daher greifen die Einwände, dem Antragsteller sei die Möglichkeit
genommen, im Rahmen der Zeugenvernehmung direkte Fragen zu stellen, ggfs.
unzulässige Fragen zu beanstanden und die Richtigkeit des Protokolls zu prüfen, zu kurz.
Diese Möglichkeiten stehen ihm im Hauptsacheverfahren offen. Ein unzumutbarer
Nachteil, der im späteren Prozess nicht mehr zu beseitigen wäre, ergibt sich hieraus
nicht.
Soweit der Antragsteller es als unzumutbar ansieht, die Abschlussentscheidung
abzuwarten und sich erst dann gegen diese zu wenden, da sein Ziel darauf gerichtet sei,
eine negative Abschlussentscheidung zu verhindern, steht dem die Regelung des § 44 a
VwGO entgegen, wonach dem Betroffenen nach der gesetzlichen Intention, vorbehaltlich
der o.g. Ausnahmen, regelmäßig zugemutet wird, zunächst die Abschlussentscheidung
abzuwarten. Der Zweck der Regelung besteht darin, die Sachentscheidung nicht durch
Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 21. März 1997 – 11 VR 2.97 – juris Rn. 16). Da die zur
Verhängung einer Disziplinarmaßnahme führende Abschlussentscheidung (§§ 33, 34
DiszG Bln) der gerichtlichen Kontrolle unterliegt und im gerichtlichen Verfahren auch die
Rechtmäßigkeit des behördlichen Disziplinarverfahrens überprüft wird, zudem die
Verfahrenshandlungen auch nicht in sonstige grundrechtlich geschützte subjektive
Rechtsstellungen des Antragstellers eingreifen, wie dies beispielsweise bei einer
gesondert erzwingbaren ärztlichen Untersuchung der Fall sein kann (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 27. August 1992 – 6 B 33.92 – juris Rn. 3 und VGH München, Beschluss
vom 16. März 2009 – 3 CS 08.3414 – juris Rn. 21), führt eine negative
Abschlussentscheidung als solche nicht zu einer Unzumutbarkeit der Verweisung auf
den Rechtsschutz in der Hauptsache. Damit nimmt die gesetzliche Regelung auch in
Kauf, dass durch bloßen Zeitverlust bei Zeugen und Betroffenen
Erinnerungsschwierigkeiten auftreten können. Dem kann jedoch durch Fertigung von
Aufzeichnungen entgegengewirkt werden. Zudem ist der Prozessvertreter des
Antragstellers von der Teilnahme an den Zeugenvernehmungen nicht ausgeschlossen,
und der Antragsteller erhält zeitnah die Vernehmungsprotokolle.
Ein Abwarten der Abschlussentscheidung stellt sich auch nicht als unzumutbar für den
Antragsteller dar, weil eine vorläufige Dienstenthebung und ein Einbehalten von Bezügen
drohe, mithin Entscheidungen von besonderer Bedeutung. Denn die sich hieraus
ergebenden Folgen können in einem späteren Prozess – im Falle des Obsiegens –
beseitigt werden (vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 15. Juli 2010 – VG 80 K
12.10 OL – zur Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Teilen
der Dienstbezüge des Antragstellers).
Dahinstehen kann danach, ob der von der Ermittlungsführerin nach § 24 Abs. 4 Satz 2
DiszG Bln verfügte Ausschluss des Antragstellers von den Zeugenvernehmungen in der
Sache gerechtfertigt ist. Diese Frage bleibt einem sich eventuell anschließenden
Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG, § 41 DiszG
Bln.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 3 DiszG Bln).
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