Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 19.10.2010

OVG Berlin-Brandenburg: öffentlich, bahnhof, zustellung, bebauungsplan, ergänzung, wiedergabe, grünfläche, sammlung, grundstück, link

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 A 15.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86 Abs 1 VwGO, § 105 VwGO,
§ 117 Abs 3 VwGO, § 118
VwGO, § 119 VwGO
Frist für Tatbestandsberichtigungsantrag
Tenor
Die Anträge des Antragsgegners und der Beigeladenen auf Berichtigung des
Tatbestandes des Urteils vom 19. Oktober 2010 werden abgelehnt.
Gründe
1. Der im Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 sinngemäß gestellte Antrag des
Antragsgegners auf Tatbestandsberichtigung ist unzulässig. Der Senat wertet die
Ausführungen des Antragsgegners als selbstständigen Tatbestandsberichtigungsantrag,
soweit sie über die (befürwortende) Stellungnahme zu dem
Tatbestandsberichtigungsantrag der Beigeladenen hinausgehen und im Rahmen der
Tatbestandsberichtigung zusätzlich die Klarstellung fordern, dass sich „die Abweichung
vom Erstreckungsverbot (…) auf eine kleine Fläche von 4,2 m² an der rückwärtigen
Grundstücksgrenze der Antragsteller unmittelbar an deren Gartenzaun“ beschränke und
„die Fläche (…) zudem weit außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche“ liege;
ferner enthält der Schriftsatz des Antragsgegners vom 22. Dezember 2010 unter Nr. 5
eine „Auflistung der Nutzungsmaße der Umgebungsbebauung“, die veranschaulichen
soll, dass die im Urteil insoweit zitierte Planbegründung „allenfalls Durchschnittswerte“
wiedergebe. Der in diesen Ausführungen zum Ausdruck kommende selbstständige
Tatbestandsberichtigungsantrag des Antragsgegners ist indes unzulässig, da er nicht
innerhalb der in § 119 Abs. 1 VwGO bestimmten Frist von zwei Wochen nach der –
ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25. November 2010 erfolgten – Zustellung
des Urteils gestellt worden ist.
2. Der Antrag der Beigeladenen auf Tatbestandsberichtigung ist ebenfalls unzulässig,
soweit diese im Schriftsatz vom 6. Januar 2011 im Anschluss an die Ausführungen des
Antragsgegners unter Nr. 5 seines Schriftsatzes vom 22. Dezember 2010 geltend
macht, es bedürfe „einer zutreffenden Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich der baulichen
Dichte im Umfeld des Geltungsbereichs des streitgegenständlichen Bebauungsplans“;
denn insoweit hat die Beigeladene den Tatbestandsberichtigungsantrag nicht innerhalb
der in § 119 Abs. 1 VwGO bestimmten Frist von zwei Wochen nach der – ausweislich des
Empfangsbekenntnisses am 23. November 2010 erfolgten – Zustellung des Urteils
gestellt.
3. Im Übrigen hat der nach § 119 Abs. 1 VwGO statthafte und mit am 7. Dezember 2010
eingegangenem Schriftsatz fristgerecht gestellte Antrag der Beigeladenen auf
Tatbestandsberichtigung in der Sache keinen Erfolg.
§ 119 VwGO erlaubt die Berichtigung von Unrichtigkeiten oder Unklarheiten in den
tatsächlichen Feststellungen, für die der einfache Weg der Berichtigung nach § 118
VwGO nicht zur Verfügung steht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 119 Rn. 2;
Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 119 Rn. 4). Die Unrichtigkeit des
Tatbestandes im Sinne des § 119 VwGO, zu dem auch in den Entscheidungsgründen des
Urteils enthaltene Feststellungen tatsächlicher Art gehören, kann sich aus der
unzutreffenden oder widersprüchlichen Darstellung des Sachverhalts, aber auch aus der
Auslassung wesentlicher Punkte ergeben (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 119 Rn. 4, m.w.N.). Die Berichtigung setzt
jedoch berichtigungsfähige tatsächliche Feststellungen voraus; § 119 VwGO vermittelt
keinen Anspruch darauf, dass solche Feststellungen erstmals aufgenommen werden
(vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 5 B 143.07 -, juris; Rennert, a.a.O.).
Verstöße gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO können
nicht im Wege eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden. Auf
den Sachverhalt bezogene Wertungen des Gerichts sind ebenfalls nicht im Sinne des §
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den Sachverhalt bezogene Wertungen des Gerichts sind ebenfalls nicht im Sinne des §
119 Abs. 1 VwGO berichtigungsfähig (vgl. Clausing, a.a.O.). Da nach § 117 Abs. 3 VwGO
im Tatbestand der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge
seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen ist (Satz 1) und wegen der
Einzelheiten auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden soll,
soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt (Satz 2), liegt eine
berichtigungsfähige Auslassung ferner nicht vor, soweit es sich um nebensächliche
Punkte handelt oder die Wiedergabe von Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in
zulässiger Weise durch eine Bezugnahme nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO ersetzt ist
(vgl. Clausing, a.a.O.). Nicht protokollierte Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten in der
mündlichen Verhandlung müssen jedenfalls dann nicht im Urteilstatbestand
wiedergegeben werden, wenn ihre Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll nicht gemäß
§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO beantragt worden ist oder das Gericht von
ihrer Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4
Satz 2 und 3 ZPO absehen konnte, weil es - nach der Rechtsaufassung des Gerichts -
auf die Äußerung nicht ankommt; denn ein Verfahrensbeteiligter kann nicht im Wege der
Tatbestandsberichtigung die Beurkundung eines mündlichen Vorbringens erzwingen,
dessen Nichtbeurkundung im Verhandlungsprotokoll er hinzunehmen gehabt hätte (vgl.
KG, Beschluss vom 22. Januar 2002 – 23 U 6712/99 -, juris).
Von diesen Maßstäben ausgehend hat der Senat keinen Anlass, den Tatbestand des
Urteils vom 19. Oktober 2010 hinsichtlich der von der Beigeladenen im Schriftsatz vom
7. Dezember 2010 genannten Punkte zu ändern oder zu ergänzen.
a) Die von der Beigeladenen beantragte Tatbestandsergänzung dahingehend, dass „die
mit einem Wegerecht zugunsten der Allgemeinheit für einen 5 m breiten Weg zu
belastende nicht überbaubare Grundstücksfläche ABCDEFA weder öffentlich gewidmet,
noch öffentlich unterhalten oder einer öffentlichen Verkehrssicherungspflicht unterstellt
wird und keine Erschließungsfunktion erfüllt“, ist nicht geboten, da der Tatbestand
insoweit keine wesentliche Auslassung enthält. Da der Senat hinsichtlich der Einzelheiten
des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ausdrücklich auf den Inhalt der
Gerichtsakte verwiesen hat (UA S. 16), war hiervon u.a. auch das Vorbringen im
Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 umfasst, in dem die Beigeladene auf den
Gesichtspunkt der fehlenden Erschließungsfunktion hingewiesen hat. Darüber hinaus
bedurfte es einer Erwähnung der fehlenden Erschließungsfunktion im Tatbestand ebenso
wenig wie des von der Beigeladenen geforderten – letztlich eine Prognose zukünftigen
Verwaltungshandelns beinhaltenden - Hinweises darauf, dass die betreffende Fläche
weder öffentlich gewidmet noch öffentlich unterhalten oder einer öffentlichen
Verkehrssicherungspflicht unterstellt „wird“. Denn hierzu hat der Senat in seinem Urteil
keine Feststellungen getroffen, weil es hierauf aus seiner Sicht nicht ankam. Für die
Annahme, dass die Anrechnung der betreffenden Fläche auf die für die Ermittlung der
zulässigen Geschosszahl nach § 19 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 BauNVO
maßgebende Fläche des Baugrundstücks im vorliegenden Fall nicht in Betracht komme,
hat es der Senat als ausreichend angesehen, dass sich aus den textlichen
Festsetzungen Nr. 6 und Nr. 11 in Verbindung mit der Begründung des Bebauungsplans
das Planungsziel der Ermöglichung und dauerhaften Sicherung einer „öffentlich
zugänglichen Grünfläche“ ergebe (vgl. UA S. 28 ff.).
b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Antrag, den Tatbestand dahingehend zu ergänzen,
dass „die textliche Festsetzung Nr. 6 sich nicht auf den im Tatbestand (UA., S. 5)
wiedergegebenen Inhalt beschränkt, sondern von der für die nicht überbaubare
Grundstücksfläche vorgesehenen Verpflichtung zur gärtnerischen Anlage und
Unterhaltung ausdrücklich Wege und Zufahrten, untergeordnete Nebenanlagen und
Einrichtungen im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO ausnimmt“. Da der Senat gemäß §
117 Abs. 3 Satz 2 VwGO hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts u.a. auf den
Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen hat (UA S. 16), bedurfte es im
Tatbestand des Urteils keiner lückenlosen Wiedergabe aller Festsetzungen des
angefochtenen Bebauungsplans, sondern nur seines wesentlichen Inhalts, soweit es
hierauf für die Entscheidung ankam. Insoweit hielt der Senat im Zusammenhang mit der
in erster Linie auf die Ausführungen in der Planbegründung gestützten Wertung, dass der
betreffende Fläche dauerhaft die Funktion einer öffentlich zugänglichen Grünfläche
zukommen solle (vgl. UA S. 30 f.), lediglich die Hervorhebung von Satz 1 der textlichen
Festsetzung Nr. 6 im Tatbestand für angezeigt, dem zufolge die nicht überbaubaren
Grundstücksflächen gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten sind. Mit ihrem
Tatbestandsberichtigungsantrag macht die Beigeladene in der Sache geltend, dass der
Senat Satz 5 der textlichen Festsetzung Nr. 6, wonach die Verpflichtung zum Anpflanzen
nicht für Wege und Zufahrten, untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen im
Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gilt, bei seiner rechtlichen Würdigung nicht
ausreichend berücksichtigt habe. Hierbei handelt es sich jedoch um eine auf den
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ausreichend berücksichtigt habe. Hierbei handelt es sich jedoch um eine auf den
Sachverhalt bezogene Wertung des Senats, die nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO
berichtigungsfähig ist.
c) Die von der Beigeladenen unter Nr. 3 beantragte Ergänzung des Tatbestandes
dahingehend, dass „die planungsrechtlich festgesetzten Abweichungen vom
Abstandsflächenrecht im angegriffenen Bebauungsplan ausschließlich Abweichungen
vom Erstreckungsverbot (§ 6 Abs. 2 S. 1 BauO Bln), nicht hingegen Abweichungen vom
Überdeckungsverbot (§ 6 Abs. 3 BauO Bln) bezogen auf den Bestand und auf die
zulässige bauliche Nutzung der benachbarten Grundstücke ermöglichen“, kommt
ebenfalls nicht in Betracht. Die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Vertreters der
Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, für deren Aufnahme in das
Verhandlungsprotokoll schon mangels eines entsprechenden Antrags gemäß § 105
VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO kein Anlass bestand, hat der Senat letztlich nicht
für entscheidungserheblich gehalten und deshalb nicht im Urteilstatbestand
wiedergegeben. Die Frage, ob der Plangeber bei der Abwägungsentscheidung nach § 17
Abs. 2 bzw. Abs. 3 BauNVO die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und
Arbeitsverhältnisse ausreichend berücksichtigt hat, obwohl die durch den
Bebauungsplan zugelassene Bebauung zur Nichteinhaltung des bauordnungsrechtlich
erforderlichen Mindestabstands u.a. im Verhältnis zu dem Grundstück der Antragsteller
führt, konnte letztlich offen bleiben, da der Senat davon ausgegangen ist, dass die
konkrete Überschreitung der Obergrenze des § 17 Abs. 1 BauNVO jedenfalls nicht aus
städtebaulichen Gründen erforderlich sei (vgl. UA S. 32, 34).
d) Der Tatbestand des Urteils vom 19. Oktober 2010 ist schließlich nicht - wie von der
Beigeladenen beantragt - um die Formulierung zu ergänzen, dass „die Anbindung des
Plangebietes an den öffentlichen Personennahverkehr durch den S-Bahnhof
Savignyplatz, die U-Bahnhöfe Adenauerplatz (U7), Uhlandstraße (U1), Spichernstraße
(U9), Hohenzollernplatz (U3) und Konstanzer Straße (U7) sichergestellt wird, die sich in
einem Radius von 600-800 m ausgehend vom Plangebiet befinden, das darüber hinaus
durch die Express-Buslinie X10 sowie die Metrobuslinien M19 und M29 (jeweils im 3-10-
Minuten-Takt), die Buslinien 101, 109 und 110 sowie die Nachtbuslinie N10 mit
Haltestellen im Radius von 200-400 m versorgt wird.“ Die beantragte Ergänzung kommt
nicht in Betracht, weil der Tatbestand des Urteils insoweit keine Auslassung enthält,
sondern der Senat die Feststellung, um die die Beigeladene den Tatbestand nunmehr
ergänzt sehen will, nicht getroffen hat. In der Sache rügt die Beigeladene auch in diesem
Zusammenhang lediglich Fehler bei der Sachverhaltsermittlung und der
Tatsachenwertung, die indes nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO berichtigungsfähig
sind. Für eine Ermittlung weiterer vom Plangebiet aus möglicherweise noch fußläufig
erreichbarer Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs hat der Senat im
Übrigen keinen Anlass gesehen, weil er es im Zusammenhang mit der Feststellung,
dass die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr für Berliner
Innenstadtverhältnisse kaum - wie in der Planbegründung wiederholt hervorgehoben (vgl.
S. 28, 31) - als „hervorragend“, sondern eher als durchschnittlich anzusehen sei (vgl. UA
S. 40), für ausreichend gehalten hat, auf die Entfernung von ca. 650 m zwischen dem
Plangebiet und dem U-Bahnhof Adenauerplatz als dem am nächsten gelegenen
Schienenverkehrshaltepunkt hinzuweisen, zumal selbst in der Planbegründung (S. 28) in
diesem Zusammenhang außer dem - weiter entfernten - U-Bahnhof Konstanzer Straße
keine weiteren U- oder S-Bahnhöfe, sondern lediglich Busverbindungen erwähnt werden,
denen der Senat indes geringere Bedeutung zugemessen hat.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da durch die gestellten Anträge keine
gesonderten Kosten anfallen (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand Mai 2010, § 119 Rn. 7, m.w.N.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO)
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